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Dieser Artikel ist in der MSZ 4-1984 erschienen.

Systematik

Polen
WOZU BRAUCHT MAN KREUZE IN DER SCHULE?

400 Kinder in einem Kaff südlich von Warschau sind durchgedreht und bestreiken seit dem 9. März ihre Landwirtschaftsschule - weil die Kreuze in den Klassenräumen abgehängt worden sind.

Es gibt unter Garantie genug, was man gegen die fragliche Schule einwenden kann, angefangen von den Halbanalphabeten, die das polnische Schulwesen herstellt, bis zur gebildeten Kritiklosigkeit am polnischen Landwirtschafts(un)wesen. Den fehlenden Balkensepp aber nun wirklich nicht.

Wo sogar die kirchliche Glaubenslehre predigt, daß der Christ seinen Herrn Jesus im Herzen trägt und nicht unentwegt dessen Konterfei vor der Nase braucht zum wahren Glauben, versetzen sich diese Gören in hysterische Zustände, weil ihr Fetisch weg ist. Nicht einmal durch die kämpferische Befestigung von Holzkreuzen am eigenen Hals haben sie sich beruhigt, sondern prozessieren seitdem durch die polnische Landschaft und transportieren ihre Kreuze.

Während unsereiner sich noch lebhaft an die Schönheiten einer kirchlichen Erziehung erinnern kann, die konsequente Anleitung zur Heuchelei, die Verordnung sittlicher, die Schultern bedeckender Turnhemden und Pluderturnhosen, die Überwachung des Kommunionsgangs durch die Lehrer und die Ableistung von Schulstrafen durch Pflichtrosenkränze in der Schulkapelle, geraten diese polnischen Blagen schier außer sich, weil derlei nicht unbedingt auch noch in ihrer Schule stattfinden soll.

Streiken für dämlichen Seelentrost, streiken nicht gegen die staatliche Verpflichtung auf die "sozialistische Weltanschauung", sondern für einen weitaus bescheuerteren Jenseitsglauben - das ist der Fortschritt, an dem man lebhaft Anteil nehmen soll. Die Antwort auf den Bankrott eines realen Sozialismus, das Geflenne um Gottes wahres Polen, paßt wieder einmal großartig in die hiesige "Aufklärung" über die Rechte der Gattung Mensch, die sich durch ihren Verstand auszeichnen soll. Der Geisteszustand hüben wie drüben läßt an Idiotie nichts zu wünschen übrig. Die Nutznießer hierzulande sind es zufrieden.