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Dieser Artikel ist in der MSZ 3-1984 erschienen.

Systematik


DIE GEHEIMDIENSTE IHRER MAJESTÄT, DER DEMOKRATIE

Geheimdienste erfreuen freiheitlich gestimmte Gemüter auf sehr verschiedene Weise. Je nach Staatszugehörigkeit und Erfolg tragen sie den Teil zur weltbürgerlichen Sachkenntnis bei, den die standhafte politische Gesinnung ihren (Un-)Taten entnehmen will.

Östliche Geheimdienste liefern durch ihre schiere Existenz, durch die Größe ihres Apparats, durch Spionageerfolge, durch Leistungen auf dem Gebiet der Verfolgung Unschuldiger usw. jede Menge Beweise für die "Unmenschlichkeit", die das Lager des Feindes verunziert.

Westliche Geheimdienste verfügen über keinen geringeren politischen Unterhaltungswert. Kaum bleibt ihr Wirken einmal nicht ganz geheim, dient es als Auslöser für jede Menge empörter Sorgen m die Demokratie, deren Sicherheitskommissionen die Volksherrschaft um den wohlverdienten Kredit bringen. Die einen vermelden den Skandal, daß die reinen Werte der heiligen Staatsform durch die Werke bzw. Schlampigkeiten ihrer wohldotierten Schutzmannschaften befleckt würden, - und bestehen wider allen Augenschein darauf, daß die demokratische Staatsgewalt eigentlich mit den geheimen Abteilungen ihrer Sicherung unvereinbar sei. Die anderen treten die Befürchtung breit, daß die Tauglichkeit des staatsoffiziellen Untergrundes nicht gewährleistet sei und wo möglich durch bessere politische Kontrolle und Personalauswahl hergestellt gehöre. Da stellt sich dann auch schnell die dritte Kolonne der "Kritik" ein, die den Skandal wie die Versäumnisse in einer Tatsache - dem Bekanntwerden der jeweiligen Affäre - ermittelt. Diese Demokraten wollen die Werte der Demokratie reinhalten, ohne deswegen gleich noch "schlechten Ruf" angesichts konspirativer Hilfstruppen zu dulden.

Die Kombination von östlichen und westlichen Geheimdiensten ist auch nicht ganz unbrauchbar. Eine Kunstgattung lebt von ihr, und die schriftlichen Betrachtungen regen zur Gestaltung manches Action-Films (zu deutsch: Handlungs-Häutchen) an, in dem die "typischen" Gemeinheiten, die unerläßlichen Härten, die Dummheiten und Mißgeschicke die raffiniertesten Unternehmungen hervorrufen. Neben der aufmerksamen Verteilung von Gut und Böse darf der kunstgenießende Souverän, das V olk, auch noch Genüssen anderer Art beiwohnen. Einmal auf die Verachtung der unfähigen, aber gefährlichen Seite eingegangen, läßt sich ein mündiger Bürger im 20. Jhdt. lässig damit amüsieren, wie ein James Bond seine "licence to kill" ausnutzt sowie eine Unmenge Material und Frauen verschleißt. Da ist dann der Geheimdienst die Heimat von privilegierten, weil außergrewöhnlich besonderen Individuen, bei denen Verantwortung und Risiko in der Waage sind...

Von diesen Diensten der Geheimdienste soll in folgender trockener Bestandsaufnahme nicht die Rede sein. Es soll lediglich das eine oder andere Amt gewürdigt werden und nicht die menschlichen Eigenarten der genialen Typen, die sich zu seiner Ausfüllung bereitfinden. Dabei erübrigt sich auch gleich die gewichtige Frage, ob die drei Deutschen Geheimdienste der Republik nun zur Ehre oder zur Schande gereichen.

Der Verfassungsschutz

ist eine Geheimpolizei, die sich schon durch ihren Namen wohltuend von so unheimlichen Einrichtungen wie GeStaPo oder StaSi abhebt. Diese Abteilung von Recht und Ordnung hält sich viel darauf zugute, daß sie den Leuten, die in den Genuß ihrer Fürsorge kommen, nicht mit Haftbefehlen hinterherrennt. Das kommt allerdings nicht von der Harmlosigkeit der Behörde, sondern daher, daß sie mit gewöhnlichen Vergehen gegen das Recht nicht befaßt ist. Die werden von der gewöhnlichen Polizei verfolgt. Die außergewöhnlichen Vergehen, um die sich der Verfassungsschutz kümmert, haben mit Betrug und Diebstahl, Mord und Totschlag - mit der Sicherung und Wiederherstellung des Rechts - nichts weiter zu tun. Getrennt davon geht es darum, die Verfassung zu behüten; und die entsprechenden Anstrengungen tilgen recht eindeutig den Schein, es handle sich um den Schutz des Bürgers - ein Schein, der ja auch bei Ausstellung von Haftbefehlen und Bußgeldern nur sehr verkehrt herbeigefolgert wird.

Das Delikt, das den Verfassungsschutz beschäftigt, gehört nicht in den Kreis von Rechtsbrüchen, durch die sich die Bürger aller Klassen unerlaubte Vorteile verschaffen, Konkurrenten an Person und Eigentum schädigen oder der Staatskasse das Ihre vorenthalten. Es heißt schlicht Staatsfeindlichkeit. Die liegt vor, wenn sich Bürger anschicken, ihren Staat für die Mißstände und Beschränkungen verantwortlich zu machen, die ihnen nicht passen; wenn sie die Bürgertugend vernachlässigen, in der öffentlichen Gewalt ein Mittel ihres Fortkommens zu sehen, und statt dessen eine politische Kritik praktizieren, die das Treiben des Staates ablehnt.

Verfassungsschützer gehen dem Verdacht nach - und nur diesem Verdacht -, ob die regierten Demokraten in ihrer Unzufriedenheit auch immer das Recht der regierenden Demokraten anerkennen. Darüber, daß einige der Untertanen ihr Glück durch die Umgehung der Vorschriften machen wollen, deren Einhaltung ihnen nichts oder nicht genug bringt, zerbrechen sie sich nicht den Kopf. Für diese Alltäglichkeiten ist der umfangreiche Apparat von Polizei und Justiz zuständig. Verfassungsschützer kümmern sich um die Übertretung anderer Grenzen, der Grenzen legitimer politischer Opposition.

Insofern handelt es sich bei ihrem Beruf um staatlich organisierte

Gesinnungsschnüffelei

Sie bildet die passende Ergänzung zur demokratisch gewährten Freiheit der öffentlichen Kritik. Aus dem theoretischen Gebot der Toleranz, das sich an der Achtung vor den guten Sitten, wie sie "andere" für unentbehrlich halten, bewährt, wird hier das Recht auf Kontrolle. Erstens von politischen Meinungen, die für abweichend befunden werden. Zweitens von Abweichungen nicht von irgendwelchen anderen Auffassungen, sondern von denen, welche die ermächtigten Demokraten zur praktischen Maxime "unseres demokratischen Zusammenlebens" erklären. Drittens werden die Abweichungen nicht als irrige Ansichten von Bürgern behandelt, die sich Täuschungen in Fragen der Politik hingeben, sondern als Absichten. Es geht darum, diese Absichten unschädlich zu machen.

Sowenig einem Verfassungsschützer daran liegt, eine der von ihm zu prüfenden und irgendwo vertretenen Auffassungen zu begreifen und zu beurteilen, so viel liegt ihm an "Erkenntnissen". An der kleinen semantischen Verschiebung, die jedem Ami bei dem CIA längst geläufig ist - das heißt "intelligence" -, braucht man sich nicht zu stören. Eher schon über die Natur des Auftrags, der hier von Amts wegen an Organisationen und dann an Individuen durchgeführt wird, lohnen sich ein paar Bedenken. In der organisierten Meinungsäußerung forschen lesende und mit den Maßstäben der nationalen Politik geistig bestens präparierte Verfassungsschützer nach Programmen, in denen Angriffe auf die Zuständigkeit der Staatsorgane und Instanzen enthalten sind, von denen der ganze Geheimdienst seine Richtlinien bezieht. Und wenn ein solches Programm einmal ausgemacht ist, belaufen sich die "Erkenntnisse", die unbedingt her müssen, auf die Registrierung sämtlicher Personen, die im Umfeld des jeweiligen Vereins verkehren. An beiden Abteilungen fällt die Sicherheit auf, mit der die Sicherheitsorgane der Demokratie zu Werke gehen.

Wie erkennt man Staatsfeinde...?

Die ideologischen Sortierer des demokratischen Staatsschutzes tun sich da sehr leicht. Auf der einen Seite liefern ihnen die "Extremisten", nach denen sie suchen, eine Reihe von "Bekenntnissen", wenn sie den Weg zur Beseitigung der Ungerechtigkeiten, Mißstände und Schweinereien bezeichnen. Dieser Weg führt stets über die Entmachtung derer, die die Macht haben - und das ist für einen Verfassungsschutz-Beamten schlicht und einfach Gewalt. Auf der anderen Seite haben sich viele der kritischen Weltverbesserer auf eine Selbsteinschätzung verlegt, die vom berufsmäßigen Meinungsüberwacher korrigiert werden muß. Diese Selbsteinschätzung läuft darauf hinaus, daß die einschlägigen politischen Aktivitäten nicht nur nichts Unrechtes und Polizeiwidriges darstellen würden, sondern geradezu dem demokratischen Staatswesen auf die Sprünge helfen. Wo im Namen der Demokratie, der eigentlichen, Front gegen die wirkliche gemacht wird, dürfen sich die prüfungsbeflissenen Anwälte der Verfassung nicht täuschen lassen. Klarheit tut not - ob die angestrebten Ideale der verwirklichten Volksherrschaft nicht auf die Bestreitung des gültigen Gewaltmonopols hinauslaufen? Und ob die Berufung auf die höheren Prinzipien des mit Opposition bedachten Staates nichts als eine Tarnung darstellt, der man besser keinen Glauben schenkt? Aufgrund solcher sicherheitspolitischen Überlegungen erfreuen sich nicht nur gestandene ML-er der dauernden Prüfung dessen, was sie sagen und tun. Auch sozialdemokratische Idealisten echter Demokratie und Intellektuelle, die an der handfesten Ausgestaltung der Freiheit zweifeln, weil sie sich mit ihrer Freiheitsidee nicht verträgt, kommen ins Register der Verdächtigten.

Denn der Verdacht ist das Prinzip. Schließlich gilt es mit einer Gefahr fertigzuwerden, und das heißt soviel wie: ihren Agenten zuvorkommen. Dem Schutz der Verfassung und ihren Handwerkern ist deshalb auch überhaupt nicht damit gedient, daß sich Gerechtigkeitsfanatiker aller Art mit den höchsten Maßstäben der von ihnen bemängelten Ordnung ständig gemein machen. Ob die Instanzen des Rechts in Frage gestellt werden, erscheint ihnen bei weitem wichtiger. Und wenn sie in dieser Sache fündig geworden sind, gibt es für die zweite Abteilung, für die, welche nur noch nach dem "who" fragt, ausreichend zu tun. Wer sich dort herumtreibt, wo linkes, soziales und sozialistisches Gedankengut vertreten wird, unterliegt der Observation. In der rechten Ecke des Meinungsspektrums liegt die Sache einfacher. Da gilt es nur zu ermitteln, ob rechter Bürgersinn als Auftrag n die Macher auflebt oder als Anrennen gegen die amtierenden Vertreter von Recht und Ordnung praktiziert wird. b also die wohlverständene Klage über u wenig Ordnung in Taten oder gar Attentate mündet, welche keinen Zweifel aufkommen lassen, daß faschistisches und in demokratischen Parteien durchaus heimisches Denken zur Macht drängt.

...und wie hehandelt man sie?

Man merkt sie sich zunächst einmal genau, die politisch Verdächtigen des Landes. Und dieser Umgang bietet verantwortungsbewußten Demokraten regelmäßig Gelegenheit zur gründlichen Verharmlosung der Geheimpolizei.

Mit Hilfe der Vorstellung, was ihre Beamten und Teilzeitbeschäftigten dem staatsgefährdenden Potential nicht antun, gerät nämlich der Zweck der Veranstaltung in den guten Ruf, um ihn, den Zugriff auf Verfassungsfeinde, ginge es gar nicht. Das Fertigmachen wäre sogar verboten. Weil der Verfassungsschutz weder die Auflösung von Organisationen noch die Strafverfolgung ihrer Mitglieder vollzieht - dafür hat sein Auftraggeber andere Organe -, wollen die Liebhaber der FDGO die Leistungen des Amtes gleich ganz leugnen. Dabei verkündet jeder Verfassungsschutzbericht sämtlicher Innenminister, in welchen Fällen der Übergang zur Kriminalisierung erwogen und vorgenommen wird. Mit der größten Selbstverständlichkeit werden Gründe der politischen Opportunität angeführt - für ein (noch) nicht Verbieten irgendeines Vereins, der zwar fällig wäre, aber wegen seines mangelnden Anklangs die Mühe nicht lohnt. Im Untergrund, in den man die Gesinnungstäter treiben würde, wären sie nicht so locker auszumachen und mit Spitzeln zu durchsetzen, heißt es da ganz offen. Und proportional zu den Vorhaben, mit denen die Regierenden Anlässe in die Welt setzen, an ihren guten Werken zu zweifeln, beugen sie vor. Durch finanzielle und personelle Erweiterung des Aufwands, mit dem der Geheimdienst jede "Szene" des Bürgerprotests, jede alte und neue Opposition überwacht.

Auf die Lieferung von "Erkenntnissen" bedacht, wollen und dürfen sich die Fahnder selbstverständlich nicht auf die zufällig beobachteten Zeichen verlassen, die hie und da als solche des Willens zur Staatsgefährdung gegeben werden. Da bleibt es nicht bei der Mitschrift auf öffentlichen Veranstaltungen und beim Filmen von Demonstrationen; getreu dem Prinzip des Verdachts profilieren sich V-Männer, indem sie durch vorbildliche Vergehen gegen das polizeilich Erlaubte die Bereitschaft einer "Szene" testen, dergleichen mitzumachen. Dabei stellen sich auch durchaus erwünschte

Praktische Folgen der Erkenntnistätigkeit

ein. Denn, was Verfassungsschützer schon im Interesse ihres geheimen Wirkens nicht sollen, dazu sind ja andere Abteilungen der öffentlichen Gewalt befugt und verpflichtet. Die Auflösung von Demonstrationen aus Anlaß einer eingeworfenen Scheibe darf ein Verfassungsschützer schon auslösen; und wenn auf die amtlichen Körperverletzungen noch Prozesse gegen die einkassierten Staatsfeinde und erkennungsdienstlich behandelten "Gewalttäter" folgen, sind die Zeugenaussagen möglichst ohne die Preisgabe der Zeugen sehr gefragt. Weder Innenminister noch Polizei haben demokratische Skrupel, diese Praktiken als unverzichtbar darzulegen. Wie anders sollte man denn die Verfassung schützen?! Im übrigen gelten strenge Rechtsgrundsätze, vor allem der eine und oberste: Wer nicht an der falschen Stelle und in verdächtiger Umgebung gesichtet wird, hat vom Rechtsstaat und seinem Verfassungsschutz auch nichts zu befürchten! Einschlägige Kontakte aber berechtigen die Behörden schon zu gewissen Maßnahmen. Zumindest in dem Bereich, wo die Staatstreue der Bürger von Berufs wegen unerläßlich ist. Nach der Überlegung, daß einer seinen verfassungskonformen Dienst wohl kaum gewährleistet, der sich in linken Studentenkreisen herumtreibt und sein Auto bei Anti-Raketen-Demonstrationen parkt, werden Berufsverbote verfügt, die aber nicht so genannt werden dürfen. Was kann ein Mann des Staates auch dafür, daß manche Berufe durch ihre Verpflichtung auf die öffentliche Gewalt definiert und organisiert sind!

So folgenlos, wie die Saubermänner der Demokratie es gerne hinstellen, ist die Samnmlung von "Erkenntnissen" eben überhaupt nicht. Die beliebten Vergleiche mit der Macht der Geheimpolizei in "Unrechtsstaaten" wollen - zumindest, wenn sie von Vertretern demokratischer Sicherheitsorgane vorgetragen werden - auch weniger auf die Unvereinbarkeit von Demokratie und Überwachung hinaus; eher schon plädieren sie für wirksamere Methoden zur Gewährleistung der "inneren Sicherheit" in der Demokratie. Und von der Demokratie angetanen Bürgern fällt höchstens dann etwas gegen die Praktiken der "wehrhafter Demokratie" ein, wenn ein Berufsverbotsverfahren einen Falschen erwischt. Dann wird im Namen der heiligen Privatsphäre protestiert, als ob es um die ginge. Daß ein Geheimdienst einigen Rechtsgrundsätzen dauerhaft enthoben ist, auch denen der gewöhnlichen Polizei, stört die Eitelkeit des rechtsbewußten Bürgers, wenn er ein Unrecht gesichtet haben will - daß es "die Richtigen" trifft, macht ihm dagegen nichts aus. Nur im Falle eines öffentlich bekannt gewordenen Falles, in dem ein unzutreffender Verdacht zu praktischen Folgen geführt hat, macht sich ein wohlerzogener Demokrat im Verein mit dem "Spiegel" und kritischen Moderatoren stark - für den Widerspruch einer demokratischen Kontrolle des Geheimdienstes - und ein "Benachrichtigungsrecht" der Überwachten!

Die gelegentliche Aufregung, in der aus einer Panne des staatssichernden Handwerks eine einzige Hymne auf die Demokratie verfertigt wird, stecken die Mannschaften vom Verfassungsschutz leicht weg. Sie wissen nämlich sehr genau, warum sie so viel zu tun haben mit Wanzen und Kameras, szenengerechter Verkleidung und minutiös protokollierten Tagesabläufen, Autonummern und Postdurchsicht: Schließlich wollen die demokratischen Politiker von ihnen Gewißheit darüber, wer die Freiheit nicht verdient, weil er ihr Feind ist. Verfassungsschützer verrichten nur ihre Berufspflicht, wenn sie ihre Daten sammeln und fristgemäß zur Verfügung stellen - wer jetzt oder ein andermal mit welchen Methoden kaltgestellt wird, geht sie gar nichts an. Das entscheiden Leute mit Wählerauftrag, die über das "politische Klima" und die "sicherheitsempfindlichen Bereiche" ihres Regierens befinden.

Der militärische Abschirmdienst

hat mit den Einrichtungen des Militärs und dessen Personal einen Bereich zugewiesen bekommen, der prinzipiell und immer sicherheitsempfindlich ist. Seine "Arbeit" ergibt sich aus der begründeten Annahme, daß die freiheitlichen Truppen einen Feind haben, dem viel daran liegt, "unsere" Wehrmacht unbrauchbar zu machen. Zur Verwirklichung dieser Absicht, welche die ganze Tagesordnung des Krieges ausmacht, unternimmt der Feind im Frieden, der für den Soldatenstand in der moralischen und technischen Kriegsvorbereitung besteht, einiges. Und das gilt es zu verhindern, und zwar durch eine selbständige Truppe, weil die gewöhnliche Truppe eben mit dem geistigen und technischen Training des Ernstfalls beschäftigt ist. Diese Selbstverständlichkeit will dann immer bei gelegentlichen Pannen, von denen zu allem Überfluß auch noch einige Journalisten erfahren, als "Problem der Verselbständigung" dieses Geheimdienstes breitgetreten sein. Diese Betrachtungsweise ist zumindest für eines gut: Es bleibt beim Schein eines Skandals, mit mäßigem Unterhaltungswert für die Öffentlichkeit.

Der MAD tut unterdessen weiter seine Pflicht, die der Natur der Sache entsprechend ziemlich umfangreich ausfällt.

- Der Feind will sich über Gepflogenheiten in unseren Kasernen, über die alltäglichen Dienstabläufe genauso auskennen wie über die Arsenalbestände. Also muß darauf geachtet werden, daß er sich bei der Unterhaltung von Informanten einschränkt. So stehen die gemeinen Soldaten, deren materielle Lage manche Versuchung mit sich bringt, unter einem steten Verdacht. Dem nämlich, für ein Zubrot die einschlägigen Auskünfte zu liefern; ganz zu schweigen von der Möglichkeit, daß sie aus Gesinnungsgründen Zersetzung betreiben. Zur Sicherheit der Truppe gehört also eine Mannschaft des MAD, die sich gleichmäßig auf sämtliche Einheiten verteilt und Auffälliges vermerkt und aufdeckt.

- Der Feind will sich Klarheit verschaffen über die taktischen Alternativen, für die die verschiedenen Abteilungen unserer Wehrmacht vorgesehen sind und trainiert werden. Diese Klarheit sucht er durch Bestechung und Erpressung von den Offizieren, vom Unteroffizier bis zu den höchsten Rängen zu erhalten; und daß sich zu wenige auf diesem Wege finden lassen, dürfte durch die Einschleusung von Personal kompensiert werden, das ausschließlich zum Zwecke des Spionierens seine militärische Karriere absolviert - den Dienst beim Bund also nur zum Schein wahrnimmt. Also sind Offiziere ein sehr sicherheitsempfindlicher Menschenschlag und erfreuen sich interessierter Betreuung durch den MAD.

- Der Feind, der wie die eigenen Mannschaften so verfährt, als wäre morgen der Ernstfall, will genauestens über die strategischen Optionen Bescheid wissen. Dieses Interesse befriedigt er durch seine Männer in den höchsten Dienstgraden der NATO-Armeen. Bestechung ist da schon unwahrscheinlicher, obgleich im Falle überzogener materieller Ansprüche möglich. Erpressungsgefahren sind auszumachen und auszuschalten bei diesem erlesenen Personal, und die Gesinnung ist schonungslos aufzudecken, was wiederum schwerlich durch Umfragen zu bewerkstelligen geht. In der Betreuung seiner höchsten Offiziere hat der MAD daher alle Hände voll zu tun - und umgekehrt leben die höchsten Geheimnisträger des militärischen Apparates in der Sicherheit, auch die bestüberwachten und gläsernsten Menschen zu sein.

Nicht zu vermeiden sind bei dieser unerläßlichen Kontrolle, die sich das Militär über sich angelegen sein läßt, gewisse Überschneidungen mit den Aufgaben des Verfassungsschutzes. Zersetzung hat schon immer im zivilen Leben, in denen es allzu vielen nur um ihre Ansprüche, Rechte und Gemütlichkeit geht, ihren Ursprung. Personell wie ideologisch scheint es einem militärischen Abschirmdienst deshalb dringend erforderlich, auch die außermilitärischen Quellen der Zersetzung zu registrieren. So kommen die neulich bekannt gewordenen Späße zustande, unter deren "undemokratischem" Charakter Abgeordnete und Literaturprofessoren so unsäglich leiden.

Der Bundesnachrichtendienst

betreibt all das, woran der MAD den Feind hindern will. Er bestückt bundesdeutsche Botschaften und Handelsmissionen mit Spionen, die im Feindesland mit Deutscher Mark und anderer harter Währung L.eute anheuern. Die freiheitliche Diplomatie setzt dieser Verein mit Infiltration fort - und Opfer, "menschliche" versteht sich, sind dabei fest eingeplant. Der Austausch von erwischten Agenten floriert über das ganze Jahr - und nicht nur zwischen den Ostblockstaaten und der zweiten Demokratie auf deutschem Boden. Der BND ist zwar noch nicht zu der schlagkräftigen Truppe ausgebaut wie der CIA, der über Mittel und Personal verfügt, welche auch einmal zu einem kleinen ("Bürger-") Krieg im schönsten Weltfrieden reichen. Aber in manchen Ländern - kürzlich sind Leistungen aus den afrikanischen "Konfliktgebieten" einmal an die Öffentlichkeit gedrungen - betätigt er sich schon "operativ". Und der Waffenhandel will ja auch öfter neben der offiziellen Politik und außerhalb des Völker- und sonstigen Rechts abgewickelt sein...

Rechtsfanatiker

sind freilich im Geheimdienst ohnehin eine Fehlbesetzung. Und zwar in sämtlichen Ressorts. Wer mit dem Rechtsschutz befaßt ist, den der Staat sich angedeihen läßt, kennt Rechtsbelehrungen nur in einer Form: als die Pflicht, alles aus dem Weg zu räumen, was die Sicherheit der Staatsgewalt, der er dient, gefährdet. Darin liegt übrigens der Grund dafür, daß sich demokratische Geheimdienste von anderen nicht unterscheiden. Sie behandeln eben jedermann unter dem Gesichtspunkt des politischen Notstandes - also entsprechend den politischen Konjunkturen als Gefahr für den Staat.