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Bonner Charaktere: Dr. Friedrich Zimmermann
FICHTEN-, FILM- UND VOLKSZÄHLER
"Man kann nicht behaupten, daß dieses System nicht die rechten Leute an die rechten Stellen bringe." (Max Horkheimer)
Seit der Herr Dr. Zimmermann für die CSU den Herrn Baum von der FDP im Bonner Innenministerium abgelöst hat, geht den "kritischen" Kommentatoren etwas ab; der "Geist der Liberalität" ausgerechnet im Polizeiministerium. Dabei übernimmt dieser "exponierteste Minister der Wende" nur ein von den freidemokratischen Vorgängern bestens bestelltes Haus: vom "modernsten Fahndungsapparat Europas" über den Radikalenerlaß bis zur Volkszählung. Daß die einzige wirkliche Differenz allein in den Fragen der Kulturförderung feststellbar ist, verweist schon darauf, daß es sich beim Meinungsstreit um die personelle Ausstattung des Innenministeriums um eine Geschmacksfrage handelt.
Zur Person
Von Zimmermann ist nicht bekannt, daß ihn die Erfahrungen seiner Jugend oder ein besonderes Erlebnis extra geprägt hätten für seine politische Laufbahn. Er ist einfach als einziger Sohn eines Münchner Holzkaufmanns 1925 geboren, aufgewachsen, war im Krieg, Leutnant, hat nachher Jura studiert und in dieser Disziplin seinen Doktor gemacht. Und siehe da, die junge Demokratie hielt für Leute seines Schlags eine Karriere bereit, die ihn in immer leitendere Posten führte. Schon Anfang der fünfziger Jahre war er in der Politik tätig, in der er - inzwischen seit über 30 Jahren - in der CSU und im Bonner Parlament alle möglichen hohen Posten innehatte, jetzt den des Innenministers. Nie hat er in seiner politischen Laufbahn Fehler gemacht. Selbst seine bekannte Meineid-Affäre war plötzlich keine: Um den politischen Gegner auszuschalten, wurden den Konkurrenten von der Bayernpartei von der CSU unseriöse Spielbankgeschäfte in die Schuhe geschoben, was Zimmermann ehrlich beschwor. Ein Gutachten über seine zeitweilige Unzurechnungsfähigkeit entlastete ihn nicht nur von dem Meineid, sondern verschaffte ihm, nach kurzem Bruch seiner landespolitischen Karriere, den Jagdschein für die Bundespolitik. Überhaupt hat Friedrich Zimmermann in seinen Worten und Taten nichts erfunden, was seinen Leistungen eine besonders historisch achtbare Bedeutung zuschreiben würde. Eine extra philosophische Marotte zur Untermauerung seiner politischen Entscheidungen ist bei ihm nicht zu entdecken. Sein Ruch, ein erzkonservativer, böswilliger, undemokratischer Machtpolitiker und Zimmermann von law und order zu sein, mit der Axt im Gürtel, entstammt offenbar weniger einer undemokratischen Abartigkeit des Innenministers als vielmehr dem "Spiegel" und anderen Fanatikern einer idealen, glaubwürdigen Demokratie, die nach ihrer Ansicht besser wäre, wenn Leute, die sich besser auf demokratische Schönfärberei verstehen, darin ihr Regierungsunwesen trieben. Der Herr Zimmermann, den der "Spiegel" mindestens viermal im Jahr in einem Interview auf dem falschen, rechten Fuß erwischen will - in 20 anderen "Entlarvungs"-Artikeln dazu -, sagt so zu den "Problemen", die er gerade bewältigt:
Zum Wald
"Ich kann nicht ewig warten, bis der letzte Baum verreckt.... Ehrfurcht vor der Schöpfung..."
zum Abfall-Gift
"Die deutschen Bestimmungen sind in Europa die schärfsten."
zur Volkszälilung
"Mit Ausforschung hat das nichts zu tun. Der Bürger der Bundesrepublik Deutschland hat sich ordentlich anzumelden..."
"Informatiker, die hier Bedenken anmelden, muß ich verdächtigen, daß sie weniger die Volkszählung als das System der Bundesrepublik Deutschland meinen, wenn sie hier aggressiv werden."
"Ich nehme die politische Bürgschaft auf mich, daß nichts Unrechtes mit den Daten passiert."
zum neuen Personalausweis
"fälschungssicher... biegsam gegen Abnutzung gut geschützt... schnellere und intensivere Grenzkontrolle... bessere Erfolge bei der Fahndung... erspart während des Urlaubsverkehrs längere Wartezeit..."
"notwendig zum Bürgerschutz"
zur inneren Sicherheit
"Darf man diejenigen, die gegen das Gesetz verstoßen, etwa nicht belangen?"
"Diese Aktionen sind gegen die Bevölkerung gerichtet...: gegen friedliche Demonstranten sind sie gerichtet und in den Augen der Öffentlichkeit eine Beleidigung der Staatsgäste. Dagegen müssen Maßnahmen getroffen werden, durch Verschärfung des Landfriedensbruch-Paragraphen; und ich meine, auch Vermummung und sogenannte Passivbewaffnung müssen unter Strafe gestellt werden."
"Wenn der örtliche Polizeieinsatzleiter sagt: Bitte entfernen Sie sich, und er entfernt sich nicht, dann ist er schon kein normaler Bürger."
"Auch der BGS benötigt die noch nicht vorhandenen, aber in Vorbereitung befindlichen Distanzwaffen. Also Gummigeschosse. Aber nicht das Schweizer Modell..."
zu den Ausländern
"Wer mitsammen kommt, muß auch mitsammen gehen."
"...natürlich sitzen in der Türkei noch viele Hunderttausende auf den Koffern, nur um in ein gelobtes Land einreisen zu können."
"Die Ausländerfeindlichkeit entsteht ja nur dort, wo sich der deutsche Staatsbürger in Minderheitspositionen versetzt fühlt..."
"Wir müssen die Zahl der Ausländer vermindern."
"Wir machen jetzt Ernst."
zur Kunst
"Man muß feststellen können, ob ein Streifen antireligiös und unsittlich ist. Das kann man auch feststellen."
"Der Steuerzahler will nicht provoziert, der möchte unterhalten werden."
"Ordentlich ist für Kunst kein passender Ausdruck."
Heino? "Nichts gegen Heino."
"Das ist meine Entscheidung. Die Jury hat nur ein Vorschlagsrecht, und ich brauche sie nicht zu begründen."
zum Recht
"Das entscheidende Defizit in diesem Bereich besteht darin,... daß das Rechtsbewußtsein in Teilen der Bevölkerung erheblich gelitten hat."
zur Regiermg
"Im allgemeinen ist die Regierung dazu da, beschlossene Gesetze durchzuführen."
"Die Regierung... hat sich nicht nach Stimmungen und Meinungen zu richten."
"Ich muß das durchsetzen, was ich und meine Regierung für richtig halten."
zu Deutschland
"Wir werden auch keinen Zweifel daran aufkommen lassen, daß die Vertreibung von Deutschen und die entschädigungslose Enteignung ihres Grundeigentums sowie anderer Vermögenswerte völkerrechtswidrig ist."
"Die Bundesrepublik ist es dem eigenen Ansehen schuldig, daß sie nicht von einer Unterorganisation der UNO vor aller Welt schlecht gemacht wird."
zu den Behinderten
"Viel zu wenig Behinderte treiben Sport."
zum Staat
"Wir sind kein schlapper Staat."
zu sich selbst
"Ich bin ein bayerischer Liberaler."
"Ich bin auch kein Mann von Law und Order, sondern will die Rechte des Bürgers wirkungsvoll schützen."
"Ich selbst bin aufgeschlossen und moderner als manche meinen. Obwohl ich auf die 60 zugehe, fahre ich noch ganz gut Ski und spiele erträglich Tennis."
Ein solider Handwerker der Staatsgewalt
Dieser Mensch gibt sich erst gar nicht den Anschein, als bewältige er Probleme, die sich ihm, der politischen Verantwortung oder dem Gemeinwesen stellen. Er nennt einfach die Notwendigkeiten, die sich die Staatsgewalt setzt und zu denen sich auch seine Vorgänger "durchgerungen" haben, dringt darauf, daß sie effektiv für die souveräne Gewalt durchgesetzt werden, und setzt sie durch. Der Staat besitzt das Gewaltmonopol. Daß das nicht im geringsten oder auch nur dem Schein nach angetastet wird, darauf muß man selbstverständlich aufpassen. Der Staat hat für Ordnung zu sorgen. Das muß er aber auch nach Zimmermann mit der gebotenen Härte und ohne jede Nachsicht tun. Da darf doch die ordnungsstiftende Gewalt nicht Rücksicht nehmen darauf, daß vielleicht einmal ein Falscher erwischt wird (wahrscheinlich hat ein solcher doch auch Dreck am Stecken, meint Zimmermann), weil alles andere unpraktikabel wäre, der staatlichen Aufgabe, Ordnung zu schaffen, widerspräche. Daß dieses politische Geschäft, unrechtlich vor einem Kasernentor Sitzende wegzuschaffen und verurteilen zu lassen, Steinewerfer auszuschalten und zu fangen, den Staatsdienst von Menschen falscher Gesinnung rein zu halten, Gewalttäter mit GSG 9 unschädlich zu machen, für den Bürger da ist, diese politische Ideologie braucht bei Zimmermann keine weitschweifende Rechtfertigung. Irgendwelche extra Vorteile seines Schaffens für den Bürger - sieht man einmal von der "biegsamen" Gestaltung des neuen Personalausweises ab - erfindet der Innenminister erst gar nicht. Der Staat hat mit aller Stärke gegen Gefahren für die innere Sicherheit und gegen Störer der Ordnung vorzugehen. Das ist die Leistung des Staats für den Bürger, das ist - so Zimmermann - "Bürgerschutz". Etwas Unrechtes kann dem Bürger also gar nicht geschehen; denn die höchste Ehre des Bürgers ist für Zimmermann, regiert zu werden - ohne Wenn und Aber. Über die demokratische Herrschaft läßt der Minister nicht die Illusion aufkommen, sie sei etwas anderes als Herrschaft. Die einmal ins Amt gewählten Regierenden haben nach den Maßstäben der Interessen des Staats zu entscheiden, Gesetze zu machen und durchzusetzen und sich nicht nach noch so zahlreichen Wünschen der Bevölkerung zu richten. So etwas wäre ja "ein schlapper Staat". Den mit fester Hand regierten Staatsbürgern fällt nicht nur die Aufgabe zu, "sich ordentlich anzumelden". Ein ungetrübtes Bewußtsein von den Rechten und Pflichten sollen sie besitzen. Zimmermann hält nichts von dem Ideal des engagierten, kritischen Staatsbürgers. So etwas bringt für ihn die Leute auf krumme Gedanken. An die reinen "Tugenden der 50er Jahre", die verlorengegangen sein sollen in der Ära der Sozialliberalen, habe sich der anständige Mensch zu halten. Darin solle die Kunst das Publikum "unterhalten" und es nicht mit der Verletzung seiner gläubigen Gefühle "provozieren".
Daß alles, was in der Demokratie von oben angeordnet wird und von unten befolgt, die Form von Rechten besitzt, bemüht ein Zimmermann erst gar nicht, um mit der Rede von der Legitimität staatliche Notwendigkeiten in ein besseres demokratisches Licht zu stellen. Die Herrschaft ist die Herrschaft, die Untertanen sind die Untertanen - das ist für Zimmermann so und muß so sein. Was braucht es da noch den Verweis auf die Rechtmäßigkeit. Was der Staat für notwendig erachtet, muß er tun, basta!
Umweltschutz muß sein, natürlich unter der Führung von Ministern und nicht in den Händen der Grünen. Deshalb ordnet der zuständige Minister an, was der Wirtschaft zugemutet werden kann. Denn "Umweltschutz kann man... nur mit der Wirtschaft und nicht gegen sie machen." Trotz der Kenntnis, woher vor allem das Gift für Wald und Menschen kommt, beginnt Zimmermann deshalb 1986 bei den Autoabgasen den Dreck zu reduzieren. Die Leute hetzt er zum "Umweltschutz zu Hause" auf, denn das ist billig zu haben, und vermeldet, daß viel mehr Dreck aus dem Osten stammt, als man denkt.
Die Ausländer müssen raus. Für Zimmermann ist diese Angelegenheit keine "Ausländerfrage" oder gar ein menschliches Problem, und den UNO-Flüchtlingskommissar geht's schon gar nichts an. Die kosten zu viel, sahnen hier nur ab, sind überhaupt zu viel, überdurchschnittlich kriminell... Familienbindungen von Ausländern sind nur ein fauler Trick, das treibt der Minister ihnen aus. "Jeder hat das Recht auf Heimat." Zimmermann versorgt die Ausländer damit.
Gegen "Verfassungsfeinde" und unanständige Demonstranten müssen die gesetzlichen und technischen Mittel der Staatsgewalt effektiviert werden. Was von SPD und einigen Liberalen (die selbst den Radikalenerlaß, Antiterrorgesetze und GSG 9 ins Werk setzten) ungemein kritisch bemerkt wird, die vorhandenen Gesetze würden ausreichen, erscheint dem Innenminister als falsche Liberalität. Demonstranten sollen selbst beweisen, daß sie den Landfrieden nicht gebrochen haben. Wär ja noch schöner, wenn der angegriffene Staat da die Beweislast hätte. Und die Säubervngspraxis im öffentlichen Dienst weist auch noch Lücken auf. Volkszählung und neuer Personalausweis müssen sein. Das verbessert die Fahndung. Außerdem will der Staat ja nur wissen, was er dafür braucht. Und "wer nichts zu verbergen hat", sagt's ihm auch.
Das alles sind für Zimmermann nicht Dinge, die "noch ausdiskutiert" gehörten, die er nur schweren Herzens durchzusetzen genötigt sei, an denen er ihre Problematik kenne. Drei Dinge hat dieser Mann drauf: Die Staatsgewalt muß geschützt werden, sie muß Ordnung schaffen, der Bürger hat sich dem zu fügen. Tatsächlich entspricht Reden und Tun dem "gesunden Volksempfinden", das nach Ordnung ruft, Demonstranten nach drüben wünscht, Verbrecher ordentlich bestraft sehen und Ausländer und andere "Schmarotzer" aus der Welt haben möchte. Nur daß Zimmermann nicht auch nur im entferntesten wegen der Gefühle des Volks politisch handeln würde. Stolz ist er darauf, dergleichen nicht zu erliegen. Ohne komplizierte ideologische Schnörkel, fast ohne Heuchelei, propagiert er die Maxime der Staatsgewalt und setzt sie durch. Zimmermann trifft damit eine Tonlage in der Konkurrenz der Parteien, mit der man sich beliebt machen kann, die der Partei und einem selbst Erfolg bringt. Daraus - nicht aus einer Demonstration der hohen und schweren Verantwortung, nicht aus dem Schein einer bürgernahen Politik, nicht aus irgendeiner geistigen Qualität, die Politiker manchmal besonders geeignet machen sollen... - bezieht er seine Selbstgerechtigkeit, die ohne besonderes Selbstlob auskommt. So sieht er auch aus:
Sonst ist über den Charakter dieses Handwerkers der demokratischen Macht nichts Bemerkenswertes zu berichten. Aber das andere reicht ja!