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Dieser Artikel ist in der MSZ 12-1984 erschienen.

Systematik


KRIEG GEGEN NICARAGUA - DIE DEMOKRATISCHE LÖSUNG

Nicaragua hat gewählt. Zu 70% Sandinisten. Damit bleibt Reagan keine Wahl. Um das Regime zu beseitigen, muß er mit einem Haufen Nicaraguariern kurzen Prozeß machen. Das Urteil ist gefällt, der US-Wähler hat es bestätigt, der Strafvollzug hat schon begonnen.

Aufmarsch, Schlachtfeld, Vorhutsgefechte

Ein russisches Schiff wird bei seiner Beladung im Heimathafen am Schwarzen Meer von amerikanischen Satelliten beobachtet, dann bei seiner Fahrt durch die freien Weltmeere von Aufklärern der USA begleitet. Als es den Umweg ums Kap Horn nimmt und nicht den direkten durch den Panama-Kanal (wo Kontrolleure im Auftrag der USA darauf warten, die Waffenladung auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen), sucht sich die amerikanische Regierung den passenden Zeitpunkt aus, mitten in der US-Wahlnacht, ihren geplanten Verdacht zu veröffentlichen. Zwei amerikanische Kriegsschiffe stellen sich ungeniert vor den Hafen Corinto, Aufklärungsflugzeuge derselben Staatsangehörigkeit schauen über Nicaragua von oben zu, um genau zu sehen, öb das Löschen der Kisten vom russischen Frachter auch den Prinzipien des freien Welthandels genügt. Nein, russische MIG 21 sind es dann doch nicht gewesen. Eine Versorgung Nicaraguas mit dieser Sorte Bomber würden die USA mit allen Mitteln zu verhindern wissen, erklärt das Außenministerium der Weltmacht. - Steht da noch infrage, um was es geht? Hängt der feine Umgang der Weltmacht Nr. 1 mit Nicaragua, um dessen Souveränität sich die USA einen Dreck kümmern, noch davon ab, wie die Sandinisten mit ihrem Volk umgehen, wie sie es mit der Demokratie halten? Selbst Wohlverhalten der sandinistischen Regierung gegenüber den USA - hängt davon noch ab, was läuft?

Subversion und eindeutige Manöver

Die Contras werden nach allen Regeln subversiver Künst gefördert und beraten, eine US-amerikanische Fremdenlegion. Während der ständig laufenden "Manöver" in Honduras springt dort eine Fallschirmjägereinheit der USA ab. In die Karibik, wo schon 15 US-Marineeinheiten "operieren", wird der Flugzeugträger Nimitz verlegt, mit 6000 Mann und 90 Flugzeugen bestückt. Der amerikanische Verteidigungsminister begründet per Dementi dieses "Flottenmanöver" mit der bedrohlichen Zunahme sowjetischer Waffenlieferungen an Nicaragua: 1981 nur 890 Tonnen, 1984 an die 15000 Tonnen Waffenmaterial (was wiegt eigentlich die Nimitz?). Schon wieder seien zwei (inzwischen sollen es fünf sein) sowjetische Frachter mit Kriegsgerät an Bord auf dem Weg nach Nicaragua. (Haben sie gerade das Schwarze Meer verlassen?) - Das ist doch wohl Krieg der USA gegen Nicaragua, oder? Von innen und von außen wird er geführt von der Führungsmacht der Freiheit. Wann sonst hält man denn noch das letzte Sturmgewehr für ein Ärgernis? Daß die Sandinisten nicht einfach den Schwanz einziehen und abhauen, ist vor dieser Kriegserklärung eine "bedrohliche Situation" - selbstverständlich für den Aggressor! Den USA ist es nämlich lieber, wenn sie die Sandinisten so billig wie möglich wegputzen können.

Jede Waffe für Nicaragua eine zuviel!

Außenminister Shultz spricht von einem "gefährlichen Ungleichgewicht" in der mittelamerikanischen Region. Die zunehmenden Waffenlieferungen an Nicaragua würden eine Bedrohung für die umliegenden Staaten darstellen. Das US-Verteidigungsministerium bekräftigt, daß es "Honduras und El Salvador mit allen erforderlichen Mitteln gegen einen Überfall der Nicaraguaner zu Hilfe kommen" werde (obwohl es gegenwärtig keine Anzeichen für eine solche Aggression der Sandinisten gebe). "Von außerhalb der Hemisphäre", vom Ostblock, ja, mit russischen Waffen werde die für ganz Mittelamerika "dramatische Lage" geschürt (wo hätten die Sandinisten die Waffen denn sonst kaufen sollen?). Caspar Weinberger erklärt, die Rüstung in Nicaragua gehe "weit über alles, was sie benötigen, um sich selbst zu verteidigen". - Sind das Argumente, die etwas offen lassen? Gibt es für das sandinistische System die Möglichkeit, durch den Verzicht auf Waffenbeschaffung und Mobilisierung dieses ominöse militärische "Gleichgewicht" in der Region zu wahren und sich so zu retten? Nein, so sehen vielmehr Begründungen für das feststehende und nur noch in der Art der Vollstreckung ungewisse Todesurteil über den sandinistischen Staat aus. Begründungen, die nichts als die Absicht ausdrücken. Oder weiß jemand einen Maßstab, nach dem die militärische Macht eines Staates im Gleichgewicht steht zu dem militärischen Potential anderer Staaten?

Noch absurder der Vorwurf, Nicaragua verschaffe sich zu viel, mehr Mittel, als zu seiner Verteidigung nötig. Soll man etwa an ein festes Verhältnis von Bevölkerungszahl, Territorium in Quadratkilometem zu der Menge militärischer Mittel glauben, mit dem dann die Verteidigung gewährleistet sei?

Die bloße Existenz des Sandinismus gilt als Angriff auf die USA

Die Logik dieser Begründung besticht durch souveräne Kaltschnäuzigkeit: Seitdem die Sandinisten in Nicaragua die Macht übemommen haben, werden sie von den USA bedroht, wird Krieg gegen sie geführt, muß das Land mit einer Invasion durch US-Truppen rechnen. Wehrt es sich dagegen, bereitet es sich darauf vor, dem überlegenen Gegner die Einnahme des Staates schwerzumachen, so soll das die Notwendigkeiten für die Verteidigung Nicaraguas übersteigen. Das ist im Klartext das Verlangen, die Sandinisten sollten freiwillig kapitulieren. Da dies nun aber nicht zu erwarten ist, waltet die Kriegslogik, die ein eindeutiges Subjekt hat, ihres Amtes: Weitere Aufrüstung des Gegners erschwert den Kriegszweck, die Niederringung Nicaraguas. Also muß bald gehandelt werden. - Noch einmal: Hat die Absichtserklärung der USA, die Verteidigungsanstrengungen Nicaraguas als hinreichenden Grund anzusehen, den Krieg zu eskalieren, hat die Kriegserklärung an die Sandinisten darin ihren Grund, wie sich deren Regime aufführt? Wie es die Leute regiert, die Wirtschaft organisiert, die von Somoza überkommene Armut bekämpft oder nicht, falsche oder echte Wahlen abhält, das Volk mit welcher Propaganda füttert usw.? Weiß nicht jeder, daß die Sandinisten sich drehen und wenden mögen, wie sie wollen, sie haben nur die Chance, den Feind gnädig zu stimmen, indem sie kapitulieren und abdanken? Die Ansprüche der (Führungs-) Mächte des Freien Westens auf die ungehinderte machtvolle Durchsetzung ihres Interesses noch im letzten Bananenstaat sind viel zu prinzipiell, als daß sie bei irgendwelchen Regierungen nah oder fern auf Fehlersuche gehen würden. Einen Fehler haben die Sandinisten gemacht, und der reicht: Sie passen den Herren des Freien Westens nicht in ihr weltpolitisches Konzept.

Wen stören die Sandinisten?

Den Diktator Somoza, der streng nach den Regeln der Charta der Vereinten Nationen und im besten Einvernehmen mit den USA, deren Statthalter er war, Land und Leute ausgeplündert, verelendet, verwüstet und terrorisiert hat, haben die Sandinisten mit Waffengewalt aus dem Land gejagt, weil ihnen und dem sonstigen Volk das Regime dieses Herrschers von Gnaden der USA reichlich ungesund erschien. - Hätten sie das lieber bleiben lassen sollen, damit Nicaragua weiterhin die volle Anerkennung der USA und ihrer Verbündeten genossen hätte?

Weitermachen wie Somoza?

Die Sandinisten haben die Leitung des Landes übernommen. Sie haben es sich zum Programm gemacht, die Folgen der segensreichen imperialistischen Zeit, Hunger und Elend, zu beseitigen. Sie haben sich vorgenommen, eine Produktion in Gang zu bringen, von der die Leute etwas haben, und ausländische Hilfe dafür zu benutzen. Sie haben Alphabetisierung und medizinische Versorgung für notwendig gehalten. - Hätten sie so naheliegende Sachen lieber sein lassen sollen, weil die imperialistische Ökonomie auf so etwas keinen Wert legt? Hätten sie mit ausländischen Krediten gleich wieder so wirtschaften sollen, daß der Kaffee-Export dieselben schönen Wirkungen für die Leute gehabt hätte wie unter Somoza?

Die Regierung in Managua hat Zugeständnisse an das Ausland und dessen Kapital gemacht. Das private ausländische Eigentum wurde nicht radikal eingezogen, die unter Somoza erreichten Schulden ans Ausland wurden anerkannt. Mit dem Kaffee-Export unter staatlicher Regie wollten die Sandinisten auf dem Weltmarkt an Devisen kommen. Der Erfolg war schlagend: Die amerikanischen Kredite wurden weitgehend gestrichen. Die Weltbank dringt auf Tilgung der Schulden. Die USA, der bisherige Hauptabnehmer des Kaffees, verbieten amerikanischen Kapitalisten das Geschäft. Europa und voran die BRD hielten mit und kürzten oder sperrten ihre Kredite für Nicaragua. Daraufhin haben sich die Sandinisten gedacht, daß sie wohl gar nicht anders können, als sich um wirtschaftliche Hilfe aus Kuba und dem Ostblock zu kümmern. - Hätten sie das lieber bleiben lassen sollen und einfach da weitermachen sollen, wo Somoza aufgehört hatte?

Verteidigung verboten

Die Reagan-Administration überzieht seit vier Jahren Nicaragua mit Krieg, von Honduras und Costa Rica aus, mittels der Contras und anderer "Oppositioneller"; durch Seeverminung, bedrohliches Aufkreuzen der amerikanischen Militärmacht, verbunden mit dem Versprechen, daß eine Invasion nicht ausgeschlossen werden könne. Die Sandinisten verteidigen sich gegen den "Bürger"krieg der Amis in Nicaragua; sie halten es für notwendig, das Volk dafür einzuspannen; sie beschaffen sich Waffen und Berater aus Kuba und der Sowjetunion. Sie machen jetzt die Bevölkerung mobil für die drohende Intervention der USA. Hätten sie den Nicaraguanern sagen sollen: Laßt Euch ruhig von den Contras überfallen, die tun Euch nichts? Hätten sie den Erwachsenen, Jugendlichen und Frauen selbst überlassen sollen, ob sie an der Verteidigung gegen den Aggressor teilnehmen wollten? Hätten sie jede russische Hilfe abschlagen sollen, also ihr Todeswteil gleich besser sofort unterschrieben? Ist es denn wirklich "Kriegshysterie", wenn mobil gemacht wird, noch ehe die Marines in Managua einmarschiert sind?

Es hilft gar nichts, daß sich die Sandinisten - selbst für den bürgerlichen gesunden Menschenverstand - ziemlich normal verhalten und verhalten haben. Was hätten sie denn sonst machen sollen? Aber eben: Was die maßgeblichen Leute in Nicaragua und das meiste Volk dazu wollen und in Angriff genommen haben, ist für das imperialistische Interesse an der ökonomischen Benutzung des landes nur hedingt brauchbar.

Beziehungen zur SU = Terrorismus?

Was die Sandinisten politisch treiben, erfüllt für die Fanatiker des Freien Westens, die sich überall in freundschaftlich gesinnte Regime einmischen können wollen, den Tatbestand des Terrorismus. Und wenn die Sandinisten auf die Feindschaftserklärung der USA und ihrer Bundesgenossen so reagieren, daß sie beim Realen Sozialismus Hilfe holen, dann steht für die USA und ihre freiheitliche Mafia nicht mehr nur die Möglichkeit, sondern als notwendige Tatsache fest, daß es sich bei Nicaragua um eine Dependance Moskaus handelt, um ein "zweites Kuba", das Mittelamerika in die Gewalt des Kommunismus bringen will. Völlig falsch wäre es, das so bedrohlich gezeichnete Feindbild auf seinen Wahrheitsgehalt hin überprüfen zu wollen. Vor dem Anspruch der freiheitlichen Weltmacht, ihr Interesse überall unbedingt durchsetzen zu wollen, vor dem Ideal einer ungehinderten Weltherrschaft, ist jeder Vorder- und Hinterhof (und so weiter), der nicht pariert, wie man in Washington will, eine Bedrohung. Dieses Prinzip wird dann mit strategischen Szenarios unterlegt, die, wollte man sie ernst nehmen, einen am Verstand amerikanischer Strategen zweifeln lassen müßten:

"Die Sicherheit und Freiheit Zentralamerifkas sind unentbehrlich für unsere eigene Freiheit. Zwei Drittel unseres Außenhandels werden überdies durch den Karibischen Raum und den Panama-Kanal abgewickelt. Jedoch wird die gesamte Region stark bedroht durch kommunistische Expansion, die von Kuba und der SU ausgeht und unterstützt wird. Wir unterstützen die Prinzipien der Monroe-Doktrin als die stärkste Basis der amerikanischen Politik in der gesamten Hemisphäre." (Wahlplattform der Republikaner)

Amerika den USA! Und jeder, der diesem gerechten Anliegen der Freiheit nicht ohne weiteres nachkommt, muß dann logischerweise des Teufels sein.

"HinsichtLich der Verwicklung ausländischer Regierungen und besonders kommunistischer Diktaturen in den Handel mit Drogen sind wir einer Meinung mit dem amerikanischen Volk: Kuba, die SU, Bulgarien und seit neuem auch die Sandinisten in Nicaragua sind internationale Drogenhändler, die einen langsamen Tod an junge Amerikaner verkaufen, um unsere freie GeseLLschaft zu untergraben." (ebenda)

Was kann es da noch helfen, wenn ein des Kommunismus, des Terrorismus, des Gangstertums Angeklagter, dem man bereits das Messer auf die Brust setzt, die eigene Harmlosigkeit beteuert und an die bessere Einsicht im Lager des Gegners appelliert:

"Nicaragua will nach den Worten seines Außenministers Miguel d'Escoto gute Beziehungen zu den USA, aber keine 'Unterwerfung'. 'Wir sind keine Feinde der USA. Wir wollen ein gutes Verhältnis mit den Vereinigten Staaten; wenn sie doch nur unser Recht auf Selbstbestimmung respektierten', erklärte d'Escoto in einem Interview der US-Fernsehgesellschaft CBS. Er warf Präsident Reagan vor, die Regierung in Managua immer noch stürzen zu wollen. Wenn der Präsident wünsche, daß weniger Waffen nach Nicaragua kämen, dann solle er dafür sorgen, daß das Töten von Menschen und die Unterstützung des Geheimdienstes CIA für die gegen die Sandinisten kämpfenden 'Contras' aufhörten. Nicaragua müsse Waffen von der Sowjetunion beziehen, weil die USA westlichen Ländern Lieferungen an Nicaragua verboten hätten.

Nicaragua wolle einen 'fruchtbaren und konstruktiven' Dialog mit Washington, versicherte d'Escoto. Es habe nicht die Absicht, Nachbarn anzugreifen, denn das würde den USA nur den Vorwand zu direktem militärischen Eingreifen geben. D'Escoto wiederholte dagegen den Vorwurf, die USA planten ein militärisches Vorgehen gegen Nicaragua. Der Erfolg einer neuen Runde bilateraler Gespräche, die am Montag in Mexiko begann, hänge von den Vereinigten Staaten ab. Nicaragua habe bereits sein Opfer gebracht, den Friedensplan der Contadora-Gruppe angenommen und damit seine Kompromißbereitschaft gezeigt. Die USA hatten den Mittelamerika-Friedensplan ursprünglich gebilligt, waren dann aber davon abgerückt, als Nicaragua zustimmte." (Süddeutsche Zeitung)

Wen stören die Sandinisten? Den gesamten Freien Westen. Denn dort wird überall Freiheit im Sinne des NATO-Auftrags buchstabiert: 'Geschäft und ungehinderte Betätigung unserer Gewalt weltweit!'

Das Menschenrecht auf Einmischung und Krieg - unteilbar

Die Frage: Was machen "wir" mit Nicaragua? stellen sie alle. Damals, als Somoza noch dran war, hat sich kein westeuropäisches Schwein über dieses Ländchen aufgeregt. Da war ja auch die Welt in Mittelamerika noch in Ordnung. Seitdem die USA den festen Willen zeigen, ihren Vorhof aufzuräumen, sorgen sich Mitterrand, Kohl, Genscher, Brandt und diverse Menschenrechtsorganisationen auch um die "politische Stabilität" in der mittelamerikanischen Region.

Das "Problem Nicaragua"

Das Drei-Millionen-Völkchen einfach in Ruhe zu lassen, fällt niemandem ein. Für zuständig erklären sich alle. Und das bedeutet nichts Gutes für die Nicaraguaner. Eine Unterstützung der feststehenden Absicht der USA, Nicaragua kleinzukriegen, kommt noch allemal heraus. Nicht nur durch den Beschluß der Bundesregierung, Entwicklungs-Kredite für Nicaragua zu stoppen und sich so an der wirtschaftlichen Ruinierung des Landes tatkräftig zu beteiligen. Gibt es einen, der den Amis das Recht streitig macht, in ihrem Hinterhof für Ordnung zu sorgen? Nein, das dürfen die selbstverständlich. Die Westeuropäer leisten sich die feine Sicht, den laufenden Krieg gegen Nicaragua für Frieden zu halten, weil eine Invasion mit amerikanischen Truppen noch nicht stattgefunden hat. Die täglichen Überfälle der von den USA gesponsorten Contras, Wirtschaftsboykott, Dauermanöver rund um Nicaragua, eindeutige Vorbereitungen der Invasion sollen davon zeugen, daß sich die Vereinigten Staaten noch zurückhielten, wo sie doch noch ganz anders könnten. Eine französische Protestnote gegen Verletzungen des nicaraguanischen Luftraums durch die US-Air-Force ist keineswegs als Ultimatum an Washington gedacht gewesen. Noch kein einziges der zugesagten Mirage-Flugzeuge haben die Sandinisten von Frankreich bekommen. Genauso wie die Franzosen möchten auch die Größen der Bundesrepublik nicht abseits stehen, sondern mitreden, wenn die Vereinigten Staaten ihr Problem lösen. Das ist nicht zu verwechseln mit einer Kritik am Zweck der gewaltsamen amerikanischen Unternehmungen gegen Nicaragua. Eine bessere Alternative, das "Problem" Nicaragua zu lösen, können sie sich vorstellen, da, wo es an dem ernsthaften Willen und dem Weg der "Lösung" der Amis keinen ernsthaften Zweifel gibt.

Die "Vermittler"

Brandt und seine Sozialistische Internationale setzen sich vor Ort in Szene, um zu "vermitteln", wo es doch gar nichts mehr zu vermitteln gibt. So sind sie denn auch nicht beim amerikanischen Präsidenten aufgetaucht, um bei dem Zoff zu machen, damit er sein Blutbad läßt, sondern in Nicaragua gelandet, um diesem Land seinen Selbstbehauptungswillen wegzuvermitteln. Die Sandinisten haben sich zu mäßigen und zu ändern, zu ihrem eigenen Besten: Auch so läßt sich die freiheitliche Überzeugung pflegen, daß die Sandinisten der eigentliche Störenfried in der Region sind. Sonst bräuchte man sie ja nicht zu gescheiten Wahlen und sonstigem Wohlverhalten überreden zu wollen. Gipfelpunkt der geheuchelten Opposition gegen das Anliegen der verbündeten Führungsmacht: den USA vorzuwerfen, daß eine blutige Abrechnung mit den Sandinisten einen schlechten Eindruck machen würde.

"Das (eine Invasion) darf ich nicht hoffen, sondern ich muß hoffen, daß man in Washington versteht, einen wie verheerenden Eindruck eine direkte oder indirekte Invasion machen würde - in Lateinamerika, aber auch in anderen Teilen der Welt." (Willy Brandt)

Als ob sich die USA jemals um den Eindruck ihrer vielen geführten Kriege gekümmert hätten, außer mit eindrucksvollen Siegen. Als ob sich deutsche Politiker im Falle einer Invasion so über den Großen Bruder schämen würden, daß sie es im Bündnis kaum noch aushalten. Aber das ist natürlich leicht zu haben: Einig in der Sache (Nicaragua ist ein Problem für Amerika und "uns"), einig in der Kritik an den Sandinisten (da ist einiges nicht sehr demokratisch), nimmt man sich die Freiheit heraus, die gewaltsame "Sache" der Amerikaner ob ihrer moralischen Glaubwürdigkeit für nicht ganz sauber zu halten und sich so als der bessere Friedensstifter aufzuspielen. Dabei will keiner darauf verzichten, mit Demokratie, Völker- und Menschenrecht herumzufuchteln. Angesichts des Kräfteverhältnisses in der Karibik und des mit den Amerikanern geteilten Interesses an freiheitlicher Befriedung der Region kriegen selbstverständlich nicht die USA diese Ehrentitel der Freiheit um die Ohren gehauen, sondern die Sandinisten: Das

ideale Menschenrecht praktiziert immer der, der die Gewaltmittel dazu hat.

Die eindeutige Klärung der Schuldfrage

Wo die Sandiniiten das Zugeständnis an den Feind machen, eine Wahl abzuhalten, wie sie demokratischer ganz Nord-, Mittel- und Südamerika noch nicht gesehen hat, fällt dem Genscher doch glatt ein, es wäre ungemein wichtig für die Karibik, daß sich alle Staaten dort an gewisse Prinzipien hielten.

"Für alle Staaten Zentralamerikas muß gelten, daß die Menschenrechte geachtet und die demokratischen Freiheiten gefördert werden. Dies muß sich beispielsweise bei den bevorstehenden Wahlen in Nicaragua bewähren."

So wird man mit einer allgemeinen Lüge einen konkreten Vorwurf los. Schließlich geht es ja darum, den Sandinisten die Schuld an der "gespannten Lage" zu verpassen, weil sie nun einmal dem Freien Westen nicht passen. So können die Amerikaner dann gar nichts mehr falsch machen. Was sich die heuchelnden Besänftiger der Lage erlauben - die keinen Hehl daraus machen, auf wessen Seite sie stehen -, das gehört sich aber offenbar auch für

Die Freunde des nicaraguanischen Volkes

Die fließen schier über vor Liebe zu Kultur und Sang der Nicas und vor lauter Solidarisierung, weil auch sie die Sandinisten nicht in Ruhe lassen wollen. Die Sauereien der USA genügen offenbar nicht für den "Protest". Der Sandinismus wird vor dem Verdacht des Kommunismus und freiwilliger Sowjetfreundschaft in Schutz genommen in einem solchen Fall würde ihnen die Kritik an den USA im Halse stecken bleiben. Was wäre eigentlich gegen Kommunismus in Mittelamerika und eine tatsächliche Bedrohung des US-Imperialismus einzuwenden? Für die besorgten Freunde des "nicaraguanischen Experiments" eine unmögliche Überlegung. Man darf doch nicht einseitig sein und vor allem Afghanistan nicht vergessen! Und neben der billigen Anpinkelei der USA, sie bedrohten und bekriegten ein kleines, echtes Volk, heißt es auch, nach Demokratie und Menschenrechten zu fragen. "Pressezensur" und "Mangel an bürgerlichen Freiheiten" stellt die TAZ, das Blatt aller Freunde Nicaraguas, am Wahlkampf dort fest. Gut, daß es die Ideale des Imperialismus gibt, sonst wäre unserer kritischen Opposition gar nichts Kritisches mehr eingefallen. Noch subtiler kann man sich der Verurteilung des Sandinismus anpassen, wenn man als Freund des Rechts auf zivilen Ersatzdienst sowie aller Indianer mit eigenständiger Kultur sein Menschenrechtsgewissen in Anschlag bringt. Da wird doch tatsächlich unter Westdeutschlands Linken das Problem gewälzt, ob Nicaragua - im Kriegszustand, wohlgemerkt - Jugendliche und Frauen für den Kriegsdienst verpflichten dürfe; ob die Sandinisten berechtigt seien, bloß wegen des Kriegs mit den Contras Miskitos von ihrem angestammten Land zu holen und anderswohin zu verfrachten. So bodenständig und kulturell identitätisch können diese freien Indianer zwar nicht gewesen sein, denn ein ganzer Verein von ihnen kämpft inzwischen auf seiten der Contras, ein anderer stellt verrückte Forderungen an die Regierung in Managua, Recht auf "ihr" ganzes Territorium, Autonomie und so. Aber wie dem auch sei. Die Solidarfans von Nicaragua haben ihre Gretchenfrage:

"Die Miskito-Frage ist sicherlich nicht, wie Robin Schneider schreibt, der schwächste Punkt, durch den die sandinistische Revolution zu Fall gebracht werden kann. Das ist der militärische und wirtschaftliche Druck, der auf Nicaragua ausgeübt wird. Aber mit der Lösung des Miskito-Problems ist die Frage der Glaubwürdigkeit der Nicaraguanischen Revolution und ihrer Humanität eng verbunden." (Lateinamerika-Kommission, Arbeiterkampf)

Geschmacksfragen der Humanitätsduselei - und das während eines Krieges und vor einer drohenden Invasion! Sind sie denn alle verrückt geworden: Nein, sie stellen nur, wie alle Propagandisten des Imperialismus auch, die Frage nach den Menschenrechten und den Idealen der Demokratie. Danach läuft zwar praktisch nichts auf der Welt, aber gut sind diese Titel imperialistischer Gewalt schon für etwas: Die Opfer wissen dann nachher, daß sie auch Fehler gemacht haben.

Schauplatz des 3. Weltkriegs

- Die USA sehen in Nicaragua den verlängerten Arm Moskaus. Sie malen die Gefahr eines "zweiten Kuba" an die Wand, als wäre Kuba eine ernsthafte Bedrohung der amerikanischen Sicherheit. Darüber hinaus ist weder bei den Sandinisten noch bei den Sowjets der Wille zu so etwas ähnlichem wie strategischer Kooperation erkennbar.

- "Einflußsphären müssen der Vergangenheit angehören", sagt Präsident Reagan. Das heißt doch wohl, Amerika will der Sowjetunion untersagen, noch irgendwo auf der Welt Staaten mit Waren und Waffen zu unterstützen. Es darf nur eine, eine westliche, Einflußsphäre geben!

- Amerika will "mit allen Mitteln" eine "Überaufrüstung" Nicaraguas mit russischen Waffenlieferungen verhindern. Daraus folgt als erstes die schon offen erwogene Seeblockade gegen russische Schiffe mit Kurs auf Nicaragua. Logischerweise müßte dem die Blockade russischer Schiffe nach Kuba folgen...: Und darum geht es den USA bei ihrem Anspruch auf Kontrolle der Weltmeere. Sie wollen die Sowjetunion treffen.

- Die USA verlangen von der Sowjetunion, daß sie Nicaragua, das auf ihre Hilfe angewiesen ist, den Amerikanern zur Endlösung überläßt. Ist das nicht das Verlangen nach einem Stück weltpolitischer Kapitulation durch die Sowjetunion?

Merkt denn niemand, daß mit Nicaragua ein Stück Dritter Weltkrieg abgewickelt wird? Irgendwie schon! Zum Beispiel:

"Die Beziehungen zu den westeuropäischen Demokratien würden (durch eine 'direkte US-Intervention') aufs ärgste belastet. Nicht nur, weil es politisch aberwitzig ist, nicht endlich den Kreis von Diktaturen und Revolutionen in Mittelamerika zu durchbrechen, sondern insbesondere der Weltlage wegen. Die verlangt alle Anstrengungen für Abrüstungs-, zumindest Rüstungskontrollverhandlungen zwischen Washington und Moskau. Die absehbare 'Eiszeit' zwischen den Weltmächten nach einer US-Intervention in Nicaragua würde ebenso den innerdeutschen Dialog erschweren oder gar zum Stillstand bringen." (Jochen Siemens, Frankfurter Rundschau)

Ob der gute Mann noch nach 'Genf' und innerdeutschem Dialog rufen würde, wenn deutsche Truppen schon in Thüringen verteidigen, überlassen wir lieber seinem Aberwitz.

Zum Beispiel einer, dem das alles ganz recht ist, der offenbar schon weiterdenkt:

"Mehr als elf Millionen Dollar täglich pumpt Moskau nach US-Angaben auf die Insel, eineinhalb Millionen für Militärhilfe, der Rest geht in die Wirtschaft. 'Wenn das bewirken könnte, daß wir zu Hause bleiben', sagt Ralph Hedges mit Blick auf die Nachschubkonvois für Europa, 'dann wäre das Eür den Kreml eigentlich ziemlich preiswert'. Sowjetische Schiffe, U-Boote und Langstreckenaufklärer, die auch Marschflugkörper zur Schiffsbekämpfung tragen können, kommen regelmäßig nach Cuba. Es gibt gemeinsame Flottenmanöver mit den cubanischen Streitkräften.

In Mitteleuropa, sagt Marineminister Lehmann - hauptsächlich auf die Deutschen zielend -, starre man immerfort wie gebannt auf den Landkrieg. Die Bedeutung der See werde unterbewertet, auch was die Ausstattung der Marine angehe. Die Briten hätten das im Falkland-Krieg zu spüren bekommen. Historische Erfahrung lehre, daß zu Land Schlachten gewonnen und auf See Kriege verloren werden. Admiral McDonald möchte 'das Problem Cuba' in einer Krisensituation 'sehr früh' bewältigt sehen. Das werde dem amerikanischen Präsidenten schwierige Entscheidungen abfordern. Doch wie soll verhindert werden, daß Cubaner oder Sowjets die Karibik-Seeverbindung kappen?

Nach 1981 wurden in Norfolk, wo McDonalds Hauptquartier liegt, die 'Notfallpläne' revidiert. Der Admiral schildert nur den Plan, der ihm offensichtlich der liebste wäre, die 'offensive Neutralisierung': Diplomatischer Druck soll Fidel Castro bewegen, die Flotte an einem Ort - überwachbar - zusammenzuführen, die Flugzeuge mit abmontierten Rädern auf den Rollbahnen abzustellen. Es stehe ja, sagt der Admiral, auch für Castro einiges auf dem Spiel.

Revidierte Notstandspläne

Was aber, wenn dieses Planspiel nicht realisierbar ist? Das rühre an Geheimes, weicht Admiral Hedges in Key West aus. 'Aber wir haben die notwendigen Fähigkeiten', sagt er. Man kann sich die Optionen ausmalen: Die USA führen - weniger als 90 Meilen vor Cuba - seit einiger Zeit routinemäßig vor, welche Fähigkeiten etwa ein Flugzeugträger wie die Nimitz hat. Sie ist, wie einer ihrer Offiziere meint, nichts anderes als eine bewegliche Festung: 333 Meter lang, 77 Meter breit, über der Wasserlinie 17 Stockwerke hoch. Sie trägt an die 90 Flugzeuge, von den mit doppelter Schallgeschwindigkeit fliegenden Abfangjägern über Bomber und Aufklärer bis hin zum Rettungshubschrauber. 6000 Mann Besatzung halten diese Kampfmaschinerie in Gang. Alle 30 Sekunden kann ein Flugzeug starten, alle 45 Sekunden eines landen. Man übt und demonstriert dies in Gebieten, die der sowjetische Horchposten auf Kuba überwachen kann.

Schließlich wären da noch die knapp 200.000 Marineinfanteristen, die in kleineren und größeren Gruppen - von sowjetischen 'Fischereifahrzeugen' beobachtet des öfteren auf der nicht allzuweit von Cuba entfernten amerikanischen Karibik-Insel Puerto Rico amphibische Landungen üben. Es habe da, sagt Wesley McDonald augenzwinkernd, in jüngster Zeit auch eine außerplanmäßige Übung stattgefunden: Grenada. Freilich, der Einsatz größerer, um Flugzeugträger gruppierter Flottenverbände ginge im Ernstfall ebenso zu Lasten der Verteidigung in einer europäischen Krisen- oder Kriegszone wie jener der vorwiegend für Europa vorgesehenen Marineinfanterie. Und fraglich ist, ob sich in einem Krisenfall ein amerikanischer Präsident dazu durchringen könnte, durch einen Angriff auf Cuba sowjetische Militärs dort in eine Lage zu bringen, die Moskau den Vorwand zum Beginn eines Schießkrieges in Europa erst liefern könnte. 'lt's only ninety miles to Cuba', weiß Admiral Hedges. Aber er weiß auch, daß es im Krisenfall politisch wie militärisch 'ein extrem schwieriger und enger Weg wird.'" (Alexander Szandar, Süddeutsche Zeitung)

Ein Geheimnis ist es also nicht, daß in der Karibik der Weltkrieg gegen die Sowjetunion auf der Tagesordnung steht. Offenbar fehlt es unter Demokraten nicht an Gesichtspunkten, um auch das mit der größten Selbstverständlichkeit als interessanten Nebenaspekt zu behandeln.

Schöne Vergleiche

Schicksal bedroht Diktatur

"USA: Nicaragua bedroht die Region

Heftige Angriffe auf die Sandinisten vor der UNO-Vollversammlung

Der amerikanische UNO-Botschafter Jose Sorzano warf den Sandinisten vor, die gleichen politischen Sünden wie der von ihnen gestürzte Diktator Anastasio Somoza zu begehen. Sie werde das gleiche Schicksal ereilen wie Somoza. Wie die Somoia-Regierung unterdrückten die Sandinisten..." (dpa)

Geradezu klassisch, dieser Vergleich! Der politische Wille desjenigen, der den Vergleich anstellt, gibt wie immer das tertium comparationis ab. Hier aber wird der Bezugspunkt ausdrücklich benannt. Sein Name ist Schicksal. So gesehen stimmen denn auch alle Details. Da hat Somoza genauso "gesündigt" - auch wenn Liebe zu Amerika nie und nimmer Sünde sein kann - wie die Sandinisten. Er hat sich in der Stunde der Not nicht als Diktator bewährt, so daß die Sandinisten für Amerika Schicksal spielten: Denn dort steht man wackligen Diktatoren reserviert gegenüber. Entweder man macht sie stark, oder man läßt sie fallen. Andererseits hätten sich die Sandinisten ihr Schicksal sparen können, wenn sie es nicht versucht hätten. Wer nur unterdrücken will - Somozas Laden gefiel ihnen offenbar so prima, daß sie ihn zum Teufel jagten, bloß um ihn ungestört imitieren zu können -, kann sich ebensogut unterdrücken lassen.

Am "Schicksal", Amerika zu Diensten zu sein, kann man sich - wie der Name schon sagt - nicht mit Aussicht auf Erfolg vergehen. Diktatur heißt daher alles, was zum Scheitern verurteilt ist, wenn eine höhere Macht es so will. Sie will mal wieder lang lebe die Demokratie!

Die Freiwilligkeit macht Fortschritte

Das Schicksal ist unschlagbar, wenn es den Entschluß des freien Willens auf seiner Seite hat:

"Reagan ermuntert Freiwillige

Die amerikanischen Freiwilligen, die sich am Kampf zum Sturz der nicaraguanischen Regierung beteiligen, finden die Zustimmung von Präsident Reagan. Sie stünden in 'langer, ehrenvoller Tradition', sagte Reagan in einem Interview mit der Zeitungsgruppe Scripps-Howard. Er tendiere dazu, nicht in ihre Aktivitäten einzugreifen. Reagan verglich den Kampf der Freiwilligen an der Seite der von Honduras aus operierenden Rebellen mit den Aktivitäten von Amerikanern im Zweiten Weltkrieg und im Spanischen Bürgerkrieg. Hier allerdings hätten die Freiwilligen der US-Brigade 'Lincoln', die das faschistische Franco-Regime bekämpften, nach Ansicht der meisten Amerikaner auf der falschen Seite gestanden, sagte Reagan." (Süddeutsche Zeitung)

Auch hier sagt der Präsident nicht einfach: "Die Sandinisten gehören weg. Dazu finanzier' ich eine Truppe." Er stellt seine Mordpläne vor, indem er seine Söldner von ganz alleine sich auf die Socken machen läßt getrieben von der Freiheit und einer geschichtlichen Mission. Der ihm hierzu eingefallene Vergleich scheint nur auf den ersten Blick unpassend: gegen Faschisten und als Faschist kämpfen ist durchaus dasselbe, wenn man bedenkt, daß die Freiheit gar nichts falsch machen kann. Die Freiheit ging schon immer von Amerika aus - auch wenn sie sich früher nicht immer bewußt war, daß sie ihre Talente nicht an die Falschen verschleudern darf. Also tun die Freiwilligen heute ein doppelt gutes Werk. Mit ihrem Befreiungskampf geben sie zugleich den Schlüssel zur richtigen Interpretation der Geschichte an die Hand; Kommunisten eilt man nicht zu Hilfe. Man rottet sie aus.

Unzufriedenheit mit Pinochet

Ungeduld mit dem Militärregime macht sich in den Hauptstädten der Freien Welt bemerkbar. Selbst die "FAZ" spricht seit kurzem von einem Diktator, der gescheitert sein soll, weil er 10 Jahre nach seinem Putsch wieder "zum Ausnahmezustand zurückkehren muß".

Der Imperialismus und seine Ideologen kennen keine Dankbarkeit gegenüber ihren Kreaturen: Immerhin hat der General Augusto Pinochet in den Jahren seines Wirkens mit der linken Opposition in Chile so radikal aufgeräumt, daß die Alternative zu seinem Regime heute nicht mehr Unidad Popular, sondern "Übergang zu einer pluralistischen Demokratie" heißt. Dafür sprachen sich letzte Woche die in Brüssel versammelten EG-Außenminister aus und bezeichneten als "einzigen Weg" dahin "den Dialog zwischen der Militärregierung und der demokratischen Opposition". Für Verhandlungen mit dem Henker ist der Ausnahmezustand ungünstig, weiß z.B. die "Süddeutsche Zeitung", weil darunter auch ein Parteitag der Christdemokraten verzögert wird, was eine Abwahl der bisherigen "linksgerichteten Parteimehrheit" verhindere. Pinochets "Unnachgiebigkeit" hat bislang bei den "Nationalen Protesttagen mehr als 100 Personen das Leben gekostet", von denen angenommen werden muß, daß sie für eine Demokratie durchaus brauchbar gewesen wären - im Unterschied zu den Zehntausenden von "Personen", die von Pinochets Todesschwadronen nach 1973 beim "Wiederherstellen von Ruhe und Ordnung" ermordet worden sind, ohne daß dies die politischen und ökonomischen Beziehungen der NATO-Staaten zu Chile beeinträchtigt hätte. Jetzt hingegen drückt selbst US-Außenminister Shultz "die Enttäuschung der amerikanischen Regierung über die Gewaltanwendung chilenischer Sicherheitskräfte gegen Demonstranten aus". Und, was noch ungleich schwerer wiegt: "Staatschef Pinochet sei sich der Enttäuschung der USA wohl bewußt". Zum Glück sind die USA zur Zeit mit der Gewaltanwendung ihrer Sicherheitskräfte gegen Nicaraguaner beschäftigt. Dessen ist sich der Gorilla in Santiago wohl bewußt: "Wir kämpfen gegen denselben Feind wie die USA in Mittelamerika!" Weil es bei der Kommunismusbekämpfung allerdings ausschließlich auf den Erfolg ankommt, nörgeln seine imperialistischen Paten jetzt auf einmal an den Methoden herum.

Dabei wird nicht vergessen, daß er immer noch einer der Unseren ist. Forderungen, in deren Namen man Nicaragua verurteilt, sind hier völlig fehl am Platze: freie Wahlen - viel zu früh. Freie Betätigung der Regimegegner - viel zu unsicher. Keine Rüstung über die "legitimen Verteidigungsbedürfnisse" hinaus - wo kämen wir denn da hin? Beseitigung von Not und Elend doch nicht, wenn sie sich lohnen. Kein Stützpunkt für Russen - dafür hat man den Pinochet ja schließlich. Denn Chile ist kein "totalitärer" Staat, sondern braucht bloß eine "autoritäre" Führung. Auch

Die chilenische Kirche

hat inzwischen gespürt, woher der Hl. Geist weht, und nach zwölf Jahren Hochämtern für und mit Pinochet unhaltbare Zustände ausfindig gemacht: "Druck und Spannung" soll es in Chile geben - daschauher. Der Erzbischof von Santiago:

"Ich fühle, daß der Herr uns als Kirche eine dringende Aktion gebietet, um so viel Schmerz zu lindern."

Der Pinochet soll exkommuniziert werden, wenn er so weitermacht; sofort habe er sich zu einem "Dialog über die Gegenwart und Zukunft unseres Landes" zu stellen, wo sie ihm ganz sicher ganz freche Sachen sagen werden; und um ihrerseits "Druck und Spannung" zu erzeugen, werden die Gläubigen zu einem "Tag des Fastens und Betens" außerhalb der Fußballstadien aufgefordert.

Da ächzt der Caudillo und jauchzt das Christenvolk!