Info

Dieser Artikel ist in der MSZ 12-1984 erschienen.


DER GANZ NORMALE WAHNSINN

Vorbilder

Blitzschnell und blitzsauber, blitzschön und blitzgescheit schlagen sie zu im Dienste der Nation.

"Killer und Cowboys sind nicht gefragt: Die Männer müssen Ausdauer, Teamgeist, Disziplin und Reaktionsvermögen beweisen. Blitzschnell und überraschend. Lesen Sie, wie die GSG 9 die Terroristen das Fürchten lehrt. Diese Woche im STERN."

Diese Reklame fällt nicht unter die Bestimmungen des Paragr. 88 a ("Die Verherrlichung von Gewalt ist strafbar."). Verboten ist es vielmehr, zu dieser Verherrlichung Verherrlichung und zu dieser Gewalt Gewalt zu sagen. Sonst darf man aber alles sagcn. Solche Vereinigungen sind einfach zu schön. Sie sind die schönsten. Todsicher und todchic!

Die Brüder und Schwestern

aus dem "anderen Teil Deutschlands", wenn sie jetzt wieder zu Tausenden kommen wollen, sind uns immer noch am liebsten, wenn sie ihre Pflicht tun und gefälligst drüben bleiben, weil sie unserer Politik Spielräume eröffnen, wenn sie der SED eine Last bleiben:

"Windelen besorgt über Ausreiseanträge von DDR-Bürgern.

Als 'besorgniserregend' hat der Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen, Heinrich Windelen, die große Zahl von DDR-Bürgern bezeichnet, die Anträge auf Ausreise in die Bundesrepublik stellen. Zur Begründung erklärte Windelen auf einer Tagung des Deutschlandpolitischen Bildungswerks Nordrhein-Westfalen in Essen, es könne nicht Ziel der Bundesrepublik sein, die DDR zu 'entvölkern' und so in Schwierigkeiten zu bringen. Denn dann gäbe es für deutsch-deutsche Verhandlungen kaum mehr Spielraum."

Überhaupt besteht der Generalverdacht, daß die DDR ihrerseits einen "Spielraum" nützt und uns durch eine falsche Beuölkerung in Schwierigkeiten bringt. Deswegen werden alle Umsiedler "von Deutschland nach Deutschland" sicherheitsüberprüft, und zwar vom demokratischen Verfassungsschutz West. Und nicht nur das:

"DDR-Aussiedler sollen sich Verfassungsschutz anvertrauen

Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hellenbroich, hat die in den Westen kommenden DDR-Übersiedler aufgefordert, sich dem Verfassungsschutz anzuvertrauen, falls sie dem Staatssicherheitsdienst in Ostberlin Mitarbeit zugesagt haben. Im Hessischen Rundfunk sagte Hellenbroich, keiner der Aussiedler habe deswegen irgendwelche Nachteile zu befürchten. Jeder Ausreiseantrag eines DDR-Bürgers laufe über den Tisch des Ministeriums für Staatssicherheit, fügte er hinzu. Dort prüfe man, ob der Ausreisewillige geeignet sei, in der Bundeirepublik tätig zu werden. Oft würden auch Vorteile versprochen oder massiver Druck ausgeübt. Wer anschließend eine Verpflichtung im Westen offenbare, habe keine repressive - Haltung der Bundesbehörden zu erwarten." (dpa)

Im Gegenteil: Wer genügend offenbart, kriegt vielleicht eine Mitarbeit angeboten.

Reagan im Widerstand?

"Präsident Reagan hat zu den Vorwürfen des Friedensnobelpreisträgers dieses Jahres, des südafrikanischen Bischofs Desmond Tutu, gegen die US-Regierung erklärt, die Vereinigten Staaten empfänden die Rassentrennung als 'widerlich', zögen es jedoch vor, in aller Stille auf Änderungen in Südafrika hinzuwirken, als diesem Land den Rücken zu kehren. Zu Tutus Kritik meinte der Präsident: 'Vielleicht ist er sich nicht all dessen bewußt, was wir tun.' Tutu hatte die amerikanische Politik gegenüber Südafrika als 'Katastrophe' bezeichnet und erklärt, die meisten Schwarzen in Südafrika betrachteten die Regierung Reagan als 'Komplicen' des raisistischen Systems in Südafrika. (AP)"

Auf folgende Änderungen in Südafrika wirkt Präsident Reagan in aller Stille hin. Die Homelands werden in Ghettos umgewandelt. Ein Neger kommt in die UNO, ein paar in die Olympiamannschaft, die Schönen dürfen nach Hollywood, die Intelligenten werden Priester, ganz viele gehen zur Army und alle dürfen den Präsidenten wählen. Wenn diese Taten dereinst ans Tageslicht kommen, wird für Präsident Reagan ein eigener Preis eingerichtet werden: der Widerstands-Nobelpreis.

Kirche im Widerstand

"Aus Protest gegen Apartheid in Südafrika ein Aktienpaket verkauft

Die anglikanische Kirche von England hat Aktien des amerikanischen Lebensmittelkonzerns Carnation im ert von 17 Millionen Mark verkauft, weil schwarze Beschäftigte im südafrikanischen Zweigwerk des Betriebs unter dem Mindestlohnsatz bezahlt werden. Damit hat die Kirche von England erstmals eine Boykottmaßnahme gegen das Apartheid-Regime eingeleitet, wie sie die anglikanische Generalsynode bereits vor zwei Jahren beschlossen hatte. Noch besitzt die Finanzverwaltung der Kirche Aktienanteile im Wert von zwei bis drei Milliarden Mark bei 30 in Südafrika engagierten Unternehmen." (Süddeutsche Zeitung)

Frei nach Hesekiel 3, 1 9 fällt uns dazu nur noch ein: "Wo du aber den Gottlosen warnst und er sich nicht bekehrt von seinem gottlosen Wesen und Wege, so wird er um seiner Sünde willen sterben; aber du hast dein Kapital errettet."

Kriegsspielzeug

"'Bombenerfolg' für den Tornado

Bei einem internationalen Bomberwettbewerb in den USA hat das italienische Kampfflugzeug Tornado die amerikanische Konkurrenz hinter sich gelassen. In allen drei Einzelwertungen für Bombenwürfe aus großen und geringen Höhen belegten Tornado-Besatzungen aus Großbritannien jeweils den ersten Rang. Außerdem errangen sie einen dritten und zwei zweite Plätze. In den insgesamt 42 Flugzeuge starken Feld waren die Amerikaner mit den Bombern B52 und F-111 angetreten." (Süddeutsche Zeitung)

Eine neue Sportart, bei der auch schon ein deutscher Erfolg zu vermelden ist, zumindest beim Material: Modernstes Kriegsgerät, mit dem Soldaten vor dem und für den Ernstfall spielen dürfen. Das geht in Ordnung. Ernste Bedenken werden erst ieder kurz vor Weihnachten in Sachen Kriegsspielzeug für Kinder angemeldet. Ein Modell-Tornado könnte die Kleinen verrohen. Verantwortungsbewußte Erzieher klären ihre Kinder auf, daß Spielpanzer 'pfui!' sind. Wenn sie erst einmal groß sind, kriegen sie ausgewachsene Bomber.

Der Feind steht rechts

"Das neue Mehrzweckkampfflugzeug Tornado scheint nach Angaben des stellvertretenden SPD-Fraktionsvorsitzenden Horst Ehmke 'in erheblichem Umfang' an die Sowjetunion verraten worden zu sein. Ehmke sagte, die SPD sei über den Verratsfall des Waffensystems, in das so viel Geld, Mühe und Ärger gesteckt worden sei, bestürzt. (dpa)"

Ob der Wähler so viel Bestürzung honoriert, bleibt abzuwärten. Die Botschaft, daß die SPD unser Teuerstes schützen möchte kommt sicher rüber. Die These, die CDU sei ein Haufen vaterlandsloser Gesellen, mag zwar noch manchem ein wenig kühn erscheinen. Möglich ist aber alles wenn man nichts als den Kanzlersturz im Kopf hat:

"Der SPD-Sicherheitsexperte Penner wies in der Bild-Zeitung darauf hin, der Spionagefall Rotsch könne noch schlimmer sein als der des Kanzlerspions Guillaume. (dpa)"

Pursuit of Happiness bis zum Ende

"Fünf Tage vor der Exekution mußte die Delinquentin ihre Todesart selbst bestimmen und schriftlich festlegen. Sie konnte wählen, ob sie durch das Einatmen tödlicher Gase oder durch eine tödliche Injektion hingerichtet werden wollte. Der Gastod dauert sechs bis 18 Minuten, der Tod durch die Spritze fünf bis zehn Minuten. Ihrem Wunsch entsprechend starb Velma Barfield durch eine Injektion." (Quick)

So offeriert die älteste und bewährteste aller westlichen Demokratien selbst den Bürgern, von denen sie sich endgültig trennen will, noch innerhalb des angesichts der besonderen Umstände Möglichen, das Recht auf Wahl und Entfaltung der Persönlichkeit.

Kunstfehler

"Ehemaliger Gestapo-Mann von Mordvorwurf freigesprochen

Das Heidelberger Schwurgericht hat den ehemaligen Leiter der Gestapo-Außenstelle Jesenice (Jugoslawien), Clemens Druschke, vom Vorwurf des Mordes an dem Partisanen Lavro Azman freigesprochen. Das Gericht kam nach den Worten seines Vorsitzenden zu dem Schluß, Druschke habe den Mann im Januar 1942 beim Verhör mißhandelt oder von seinen Untergebenen mißhandeln lassen. An diesen Folterungen sei Azman schließlich gestorben. Es sei aber nicht erwiesen, daß der Angeklagte den Tod vorhergesehen, gebilligt oder in Kauf genommen habe." (dpa)

Daß das Foltern eine Kunst ist, spricht sich allmählich wieder rum. Wenn da jeder gleich abkratzen wollte, wenn man ihn -erwiesenermaßen - ein bißchen piekst oder pieksen läßt, bräuchten die Folterknechte ja gar nicht erst anfangen. Ein Urteil also, das dem Berufsethos der Staatsschützer gerecht wird und höchste Ansprüche an das Metier stellt: Stümperhafte Todesfälle werden weder gebilligt noch in Kauf genommen. Ausnahmen bestätigen die Regel. Unvorhersehbare Kunstfehler gibt's eben nicht nur bei den Ärzten.

Der Heldengedenktag

heißt seit dem bitteren Ende von 1945 im Nachfolgestaat jenes Deutschen Reiches, das in 2 Weltkriegen die Helden produziert hat, Volkstrauertag. 1984 verdeutlichte Bundestagspräsident Philip Jenninger (CDU), daß die Nomenklatur nichts zur Sache tut, deren da gedacht wird:

"Das deutsche Volk hat in seiner Mehrheit zu spät erkannt, daß Krieg und Vernichtung, die der Diktator der Welt und der Menschlichkeit erklärt hatte, am Ende auch ihm selbst gelten würden."

Welchen Fehler hat das deutsche Volk gemacht, Herr Jenninger? Ihrer scharfsinnigen Selbstkritik entnehmen wir, daß ein bißchen Krieg gegen die Welt und das dazugehörige Sterben schon in Ordnung geht. Bedenklich wird die Sache für Sie und Ihresgleichen freilich, wenn ein braves Volk ewig nicht merkt, daß es den Waffengang verliert. Das macht den Kampf der Nation zu einem ungerechten. Verstehen wir Sie richtig, daß dies nicht mehr vorkommen soll?

"An einem Tag, an dem die Gesellschaft der Opfer des Krieges gedenkt, gebührt auch dieser Bereitschaft zum Einsatz des Lebens (durch die Soldaten der Bundeswehr und der in der BRD stationierten alliierten Truppen) um der Erhaltung des Friedens willen unser Dank."

Ein schöner Übergang von der Trauer um die "sinnlos" geopferten Volksteile von gestern zur Feier der Helden von hcute und morgen.

Hilfe zur Selbsthilfe

"Subventionsbetrug mit Würsten deckten Beamte der Hamburger Zollfahndung auf. Eine Lüdenscheider Fleischwarenfabrik soll 105000 Kilo minderwertige Wurst als Rohwurst nach Polen exportiert und dafür 135000 Mark an Subventionen kassiert haben. Die Sendungen waren Teil der Hilfsmaßnahmen für Polen." (dpa)

"m weitere Spenden für Polen haben mit Hinweis auf die weiterhin große Not bedürftiger Familien die kirchlichen Hilfswerke die Bevölkerung der Bundesrepublik gebeten (Kennwort "Polenhilfe": Deutscher Caritasverband, Konto 202, Postscheck Karlsruhe; Diakonisches Werk, Konto 502, Postscheck Stuttgart)." (dpa)

Mit dieser Montage macht die "Süddeutsche Zeitung" darauf aufmerksam, daß es im Falle Polens endlich an der Zeit ist, die ausgelatschten Hilfswege zu verlassen. Noch ein paar von diesen Unternehmereinfällen, noch mehr von diesem gewagten Risiko und dieser Initiative - und schon machen die Polen Schluß mit dem Gebettel und ihren Fraß wieder alleine. Momentan - es weihnachtet wieder - beziehen sie ihr Zeug lediglich über den Umweg des Quelleversands, der "Geschenk-Pakete für Ihre Freunde und Verwandten 'Drüben' - in die Länder des Ostens" offeriert. Für die "garantierte Qualität" bürgen z.B. im "Lebensmittel-Sortiment B" Schinken- und Schweinefleischkonserven der polnischen "besten Markenware" Jaka!

Vorsicht

"Ratzinger: Der Teufel ist eine 'mächtige Realität'

Der Teufel ist nach Darstellung des Präfekten der Vatikanischen Kongregation für die Glaubenslehre, des deutschen Kardinals Ratzinger, eine 'mächtige Realität'. 'Was auch immer manche oberflächliche Theologen dazu sagen, für den christlichen Glauben ist der Teufel eine mysteriöse, aber reale, personale und nicht symbolische Erscheinung', sagte der frühere Erzbischof von München und Freising in einem ausführlichen Gespräch mit der katholischen italienischen Zeitschrift 'Jesus'." (Frankfurter Allgemeine Zeitung)

Man muß nur von so mysteriösen Vorstellungen wie Pferdefuß und Schwefelgeruch wegkommen und sich beim amtierenden Chefinquisitor der Katholischen Kirche nach den realen und personalen Erscheinungen des Teufels erkundigen. Abtreibung, Befreiungstheologie, nachkonziliare Libertinage, Sex und Wohlstand... Mit einem Wort: Kommunismus!

Rücksicht

"Die Bundeswehr siedelt das Sumpfherzblatt um.

Die Bundeswehr will jetzt auch einen Beitrag zur 'Verteidigung' der Umwelt leisten. Unter Leitung des schleswig-holsteinischen Landesamtes für Naturschutz und Landschaftspaege siedelt sie in Lock ( Kreis Nordfriesland) seltene Pflanzen um. Ganze Ökosysteme sollen damit vor der Vernichtung bei einem geplanten Ausbau des Bundeswehrflugplatzes gerettet werden." (dpa)

Der Fortschritt einer demokratischen Wehrmacht verglichen mit der Wehrmacht ist unverkennbar: Wird von Hitlers Haudegen übereinstimmend berichtet, daß sie außerdienstlich keiner Fliege was zu Leide tun konnten, weil an sich edle Menschen unter unmenschlicher Führung, so kümmert sich die Bundeswehr auf Befehl um das kleinste Sumpfherzblatt, ehe sie ihren Overkill weiter ausbaut.

Aufsicht

"US-Handelsministerium erlaubt Export von Folterwerkzeug

Das amerikanische Handelsministerium hat nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins Newsweek den Export von Folterinstrumenten nach Australien, Neuseeland, Japan und in NATO-Staaten genehmigt. Das Ministerium habe die Güter als 'Sonderwerkzeuge für Folter' deklariert. Ein Ministeriumssprecher habe auf Anfrage erklärt, zu den Instrumenten gehörten 'Daumenschrauben und Stachelstöcke - eben Routinesachen für die Polizei'." (Süddeutsche Zeitung)

Bei NATO-Staaten kommt garantiert nichts in die falschen Hände. Bemerkenswert auch, daß die US-Marktwirtschaft neben Pershings auch die ganz alte konventionelle Rüstung auf Bestellung im Sortiment hat.

Doppelstrategie

"Der stellvertretende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD) Helmut Hild, hat die Bundesregierung aufgefordert, Nicaragua 'ohne politische Bedingungen' Hilfe zu gewähren".

Um klarzustellen, wer da wem helfen soll, heißt es weiter:

"In Gesprächen mit führenden Vertretern der katholischen Kirche des Landes habe generelle Übereinstimmung geherrscht, daß die Kirche in Lateinamerika zu lange mit den herrschenden Kräften verbunden gewesen sei und gegenwärtig die Glaubwürdigkeit der Kirche an ihrem Engagement in sozialer Not hänge. (Reuter)"

Wozu eine Revolution nicht alles gut ist: Sie stößt die Kirche auf ihr Glaubwürdigkeitsdefizit!

Eine Karriere

"Der seit 1975, seit dem Ende des Vietnamkriegs, in den Vereinigten Staaten ebende ehemalige südvietnamesische Ministerpräsident Nguyen Cao Ky ist vor einem Untersuchungsausschuß über däs organisierte Verbrechen in den USA schwer belastet worden. Ein Zeuge, Mitglied einer Verbrecherbande, sagte vor dem Ausschuß aus, Ky sei der Boß eines Netzes vietnamesischer Verbrecherbanden, die in allen Teilen der USA ihr Unwesen treiben. (AP)"

Was Ky, damals mit Schutz und Auftrag der USA, gelernt hat (Organisieren, Rumkommandieren, anderen Leuten ihr Geld abnehmen), das scheint er jetzt im Land der unbegrenzten Möglichkeiten erfolgreich als Privatmann angewendet zu haben. Nur darf der nicht, was für den US-Statthalter in Vietnam Amt gewesen ist. Deshalh hat die US-Armee ihn damals vor seinen Opfern gerettet, während die US-Justiz jetzt gegen ihn ermitteln wird.