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Dieser Artikel ist in der MSZ 12-1984 erschienen.

Systematik

Matthias Walden
AUSGEHETZT

"Der Journalist ist seinem Wissen und Gewissen nicht weniger verpflichtet als der Richter. Er ist in gewissem Sinne freier als der Jurist - aber das gefährdet seine Beurteitungen auch in noch höherem Grade." Otto Freiherr von Saß als Matthias Walden

Kein Zufall, daß Walden zu seinem Beruf immer wieder die Justiz als vergleichbare Sphäre einfiel: Seine Urteile als Journalist waren stets Verurteilungen, und die "polemische Schärfe" seiner Einlassungen war das Ventil für die persönliche Enttäuschung des Mannes "mit dem heißen Herzen", daß sich nicht immer gleich ein Richter fand, die Vollstreckung zu verhängen. Natürlich hat es ihn 1968 "persönlich tief getroffen", daß ein gewisser Josef Bachmann drei Schüsse auf Rudi D. abfeuerte. Walden hatte nur als Schreiber in der Frontstadt-Presse und als Hetzredner im RIAS täglich gefordert, dem SDS und dem Staatsfeind Dutschke endlich das Handwerk zu legen.

Die Methode des Anstreichers Bachmann war selbstverständlich nicht die seine. "Er war Aristokrat, er war ein Herr." Als solcher legte er Wert auf penibelste Rechtsstaatlichkeit beim Zuschlagen der Staatsgewalt. Deshalb wurde er in der BRD einem breiteren Publikum Anfang der 60er Jahre erstmals bekannt als Autor einer Fernsehserie über Nazis in führenden Stellungen der neuen deutschen Demokratie. Walden machte damals Skandal, weil er die schonungslose Säuberung des Staatsapparats von kompromittierendem Personal einforderte. Mit der gleichen Akribie widmete er sich dann ab 1967 der publizistischen Treibjagd gegen die "Fünfte Kolonne Moskaus". Mit dem Radikalenerlaß vollstreckte der Rechtsstaat praktisch Waldens frühe Warnungen vor den Unterwanderern aus dem Reich des Bösen. Der mittlerweile zum Chefkommentator des Senders Freies Berlin aufgerückte und damit öffentlichrechtlich gewordene Hetzer mit den gepflegten Umgangsformen warf sich nun ganz auf die Entlarvung der SPD, weil es links davon nichts mehr zu entlarven gab. Vielleicht stieg er 1982 als Geschäftsführer in die Axel-Springer-Holding ein und reduzierte die Veröffentlichung seiner "Beurteilungen", weil sein Urteil mittlerweile zum Tenor der öffentlichen Meinung geworden war. Walden wurde nur 57 Jahre alt. Ein Reaktionär, der seiner Zeit voraus war.