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Dieser Artikel ist in der MSZ 11-1984 erschienen.


INTERNATIONALE SPRENGSTOFFPREISE '84

Alle Jahre wieder preist sich der Imperialismus dafür, welch' bombige Kultur er hat, und dekoriert seine verdienstvollsten Idioten durch seine skandinavischen Nobel-Komitees in bekannt ausgewogener Manier. Als erstes erhielt

Ein alter Dichter des Prager Frühlings

den Literaturpreis, weil er zwar mehr im Stillen, aber desto überzeugender bewiesen hat, daß auch und gerade im Osten Kultur dadurch entsteht, daß "mit Frische, Sinnlichkeit und reicher Erfindungsgabe" (Verleihungsbegründung) das hohe Lied westlicher Ideale gesungen wird. "Er beherrscht alle Formen der Lyrik vom Sonett bis zum Gassenhauer", vor allem den erzimperialistischen Gassenhauer, "daß Freiheit und Lebensfreude zusammengehören". Weil der Osten sich weigert, dieses westliche Dogma für genießbar zu halten, ist dem Preisverleiher auch ganz klar, daß er "all das preise, was nicht von politischen Dogmen gesteuert werde", so daß er "auch international immer mehr Anerkennung findet, obwohl er in der Sprache eines relativ kleinen Landes schreibt."

Was macht das schon, wo jeder Kulturarsch den Text beherrscht!

Der Preis für politische Kultur, Friedensnobelpreis genannt, wurde nicht Pertini, nicht Indira und auch nicht dem IOC, sondern einem

Gottesmann, sauber und schwarz,

verliehen, weil man für diesen Preis entweder im Ostblock die friedensstiftenden Wirkungen des NATO-Programms vertreten muß oder in Ländern, in denen die westliche- Demokratien regelmäßige Blutbäder sponsern, die überaus bekömmlichen Segnungen der Demokratie zu lobpreisen hat, die einem dort vorenthalten werden. Abteilung eins war letztes Jahr dran, dieses Jahr Abteilung zwei in Gestalt von Bischof Tutu. Der ständige Appell dieses christlich gesalbten Negers ausgerechnet an die "Familie der freien Nationen" (so Tutu), die sich die Faschisten im südlichen Afrika als die Garantiemacht imperialistischer Ordnung dort unten halten, sie mögen doch auf die "politische Kultur" ihrer Kreatur bessernd einwirken; der Nerv dieses Mannes, eine Woche nach dem x-ten Massaker an Hunderten von Schwarzen warnend die "Alternative zwischen friedlicher Lösung der Krise oder Blutbad" vorzutragen, dies "weckt die Bewunderung der Welt" für "alle Einzelpersonen und Gruppen mit ihrem Einsatz für Menschenwert, Verbrüderung und Demokratie" (Verleihungsbegründung). Wer sich vom Imperialismus niedermachen lassen muß, braucht sich um die dreckigsten Zynismen nicht zu sorgen, er muß bloß Anwälte haben, die sich ihrer würdig erweisen, indem sie "vor allem auf die Gewaltlosigkeit des Widerstandes achten" (Begründung). Sonst gibt es keine Preise, sondern bloß "Blutbäder", und einer der westlichen Obersponsoren der RSA, Genscher, sähe sich außerstande, Glückwunschtelegramme zu schicken. Aber so gilt: Tutu, totus tuus!

Wertvollster Preis dieses Jahres war der Nobelpreis für Medizin, weil er der

Deutschen Wissenschaft

in Gestalt ihres Gliedes Dr. Köhler verliehen wurde. Weswegen die Wissenschaft gleich in die Schlagzeilen der Hauspostille des deutschen Arbeitsmannes, der Bild-Zeitung, geriet, obwohl die den sonst nix angeht. Der zuständige Minister für Wissenschaft mit dem eigentümlichen Attribut deutsch, Riesenhuber, verkündete dort, daß "jahrelange aufopfernde Arbeit, der feste Glaube an die eigene Leistung und der nahezu besessene Drang nach neuen Erkenntnissen" die "Bausteine des Erfolgs deutscher Forschung" seien, demnach nationale Tugenden auch die Produktivkraft des Geistes sind. Was diese Intelligenzbestie mit Fliege in solchen Einsichten zwar gründlich dementiert, weswegen er sich aber auch keine grauen Zellen zu wachsen lassen braucht, denn schließlich ist er Minister, deutscher, und die Botschaft ist klar, gell?!