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DAS GESCHÄFT DES HERRN KOHL
Als Kanzler Kohl aus China zurückkam, wollte er sein ramponiertes Ansehen aufbessern: Ein paar tolle Milliardengeschäfte für die deutsche Wirtschaft habe er den Chinesen abgeluchst. Mit dem empörten Aufschrei der deutschen Öffentlichkeit, hatte er freilich nicht gerechnet:
- "Will uns der Kanzler denn tatsächlich in die Ecke derer drängen, die schon immer eine düstere Vermischung von Geschäft und Politik beschworen? Die großen Summen, die da genannt werden, beruhigen doch nicht, nein, sie scheinen vielmehr Denken und Handeln unserer führenden Politiker in bedenklicher Weise zu beeinflussen." (Nowottny in der ARD)
- "Chinesen: Wer ist der Mann neben Herrn Flick?" ("Bild")
- "Schon immer Mogen hochrangige Delegationen aus der deutschen Industrie im Kanzlerjet mit. Offenkundig ist mittlerweile, welche 'Direktiven' dort in launiger Runde ausgearbeitet wurden." (Werner Holzer in der "Frankfurter Rundschau")
- "Man weiß, daß wir eine Exportnation sind. Die Herren von der Wirtschaft sollen sich darum kümmern. Hat aber ein deutscher Bundeskanzler nichts Wichtigeres zu tun, als sich zur Gallionsfigur kleinkrämischen Soll-und-Haben-Denkens zu machen? Die Verfassung gibt dem Kanzler die Richtlinienkompetenz - müssen wir uns an den Gedanken gewöhnen, daß er in den Chefetagen gegenzeichnen läßt?" (Hans Heigert in der "Süddeutschen Zeitung")
Nichts von diesem Aufschrei vernommen? Eben. Die natürliche Zusammengehörigkeit von Geschäft und Staatsgewalt ist für Demokraten aller Couleur keine Frage. Selbstverständlich herrscht große Freude, wenn der Kanzler wieder eine neue Region dem Zugriff westdeutscher Profitkalkulation erschließt; denn ebenso selbstverständlich ist dem gelernten Staatsbürger die Assoziation, daß westdeutsche Kapitalerfolge nur dem Einfluß und der weltpolitischen Bedeutsamkeit "unseres" Staates zuträglich sein können.
Ein erfolgreicher Staatsmann ist also einer, der für den harmonischen Gleichschritt von Geschäfts- und Staatserfolg etwas leistet. Sich dafür nicht eingesetzt zu haben, wäre eine Vernachlässigung der Pflichten und würde ein sehr schnelles Ende der Karriere nach sich ziehen. Die Wirtschaft ihrerseits weiß, was sie an ihren politischen Führern hat, und bedenkt sie und ihre Parteien mit freundlichen Zuwendungen. Die müßten ja sonst glatt mit dem Existenzminimum des Abgeordneten, den Diäten, auskommen. Was Wunder, daß Karriere und persönlicher Reichtum Hand in Hand gehen? Dafür schlägt einer ja die Laufbahn des Politikers ein: Mit gelungener Berufsausübung, also Durchsetzung der nationalen Interessen nach innen und außen, profiliert er sich und wird entsprechend belohnt. Zwar unterscheidet sich der Berufserfolg eines Politikers von anderen Berufen dadurch, daß er gleich im weltweiten Fortschritt der Nation gemessen wird, aber eine Erfolgsdividende steht ihm doch allemal zu! Die übrigens immer zu klein ist: Ein deutscher Politiker muß sich doch angesichts des Staatswesens, das er vertritt, unterbezahlt vorkommen. Das wollen Demokraten übersehen haben, daß die Politiker sich aufgrund ihrer politischen Meriten geradezu berechtigt fühlen, in die eigene Tasche zu wirtschaften? Außerdem: Der Empfänger seiner politischen Gunst ist kein Missetäter - dessen Anliegen erfreut sich in allgemeiner Form doch immer der speziellen Fürsorge des Staates. Warum soll der besondere Staatsmann dem nicht mal in besonderer Weise nachhelfen?