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Dieser Artikel ist in der MSZ 11-1984 erschienen.


DER GANZ NORMALE WAHNSINN

Schützenhilfe für die IRA?

Mrs. Margaret Thatcher ("Our Lady of the Falklands ") vertrat in einem Fernsehinterview ihre "persönliche" Meinung:

"Ich glaube, daß Leute, die es auf das Leben anderer Leute abgesehen haben, ihr eigenes Recht auf Leben verwirkt haben. Ich persönlich habe immer für die Todesstrafe plädiert." (dpa am 16. Oktober)

Wie alle Demokraten lügt diese Frau stets wie gedruckt, wenn sie zur sogenannten Gewaltfrage Stellung nimmt. Wie alle demokratischen Machthaber verläßt sie sich darauf, daß bei einem Anschlag auf das "Leben anderer Leute " niemand an ihren Befehl denkt, das argentinische Kriegsschiff General Belgrano mit über 600 Mann Besatzung aus Gründen der "Ehre Britanniens" zu versenken. - Die Thatcher meinte jene IRA-Kämpfer, die der "notorischen Kriegshetzerin" nach dem Leben trachteten. Der Tory-Abgeordnete Geoffrey Dickens stellte in der gleichen Sendung klar, worin der Unterschied zwischen Demokratie und "Terrorismus" besteht:

Er forderte die Regierung auf, "sofort eine Volksabstimmung über die Wiedereinführung der Todesstrafe für terroristische Morde abhalten zu lassen. Es würde eine überwältigende Mehrheit zu ihren Gunsten geben."

Kommunismus artfremd?

"Die Mitgliedschaft in kommunistischen Gruppen ist kein zwingender Grund, einem Ausländer die deutsche Staatsbürgerschaft zu verwehren, entschied der 1. Senat des baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshofs in einem noch nicht rechtskräftigen Urteil. Dies gelte zumindest für Ausländer der zweiten Generation, die einer Ehe zwischen einer Deutschen und einem Ausländer entstammten und in das Leben in der Bundesrepublik eingegliedert seien. Dem Urteil zufolge muß aber über den zunächst abgelehnten Einbürgerungsantrag eines angehenden Gymnasiallehrers, der aus der Ehe zwischen einer Deutschen und einem Italiener stammt, die zuständige Ordnungsbehörde in Freiburg erneut entscheiden." (ddp)

Die Mannheimer Richter wollen jedoch nichts präjudizieren:

"In dem Berufungsverfahren befand der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim, zwar bestehe kein Anlaß, der eine Einbürgerung zwingend erforderlich machte, doch liege ein besonderes Interesse an der Einbürgerung dieses Personenkreises - Kinder aus Ehen zwischen Deutschen und Ausländern - vor. Die begünstigenden Umstände seien jedoch nicht so übermächtig, daß Zweifel an der Verfassungstreue des Antragstellers außer acht gelassen werden könnten. Die letztendliche Abwägung bleibe Sache der Ordnungsbehörde. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung dieser Entscheidung hat der 1. Senat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen."

Irgendwie gehört der Antikommunismus schon zum amtlich festgelegten Volkscharakter, andererseits wissen die Richter noch keinen Paragraphen, um den Radikalenerlaß generell zu einem Deutschverbot für Kommunisten auszubauen.

Sauberes Atom (I)

"Zimmermann: Strahlenbelastung der Bürger nicht gestiegen.

Die Strahlenbelastung der Bundesbürger durch Atomkraftwerke hat nach Angaben des Bundesinnenministeriums in den Jahren 1981 und 1982 erheblich unter den genehmigten Werten gelegen. Nach einem von Bundesinnenminister Zimmermann dem Bundestag vorgelegten Bericht macht die Strahlung aus Kernkraftwerken weniger als ein Prozent aller künstlich erzeugten Strahlen aus, an deren Spitze Röntgenstrahlen aus der Medizin stehen. Etwa zweimal so hoch wie die künstliche sei die natürliche Strahlenbelastung, die zum überwiegenden Teil aus dem Erdboden und aus im menschlichen Körper enthaltenen natürlichen radioaktiven Substanzen stamme. Ein Teil der natürlichen Strahlenbelastung stamme aus dem Weltall, die insgesamt gegenüber den Vorjahren nicht zugenommen habe." (AP)

Zimmermann vergaß nur noch hinzuzufügen, daß die deutschen AKWs die waldfreundlichste Energiequelle sind, die eine Tanne sich nur wünschen kann. Zu erwarten ist noch die Enthüllung, daß sowjetische Erdsatelliten das Weltall verstrahlen. Ansonsten ist schon deshalb alles in Ordnung, weil die "Strahlenbelastung" die "genehmigten Werte" allemal unterschreitet. Die Bundesregierung sorgt für den gesunden Spielraum.

Sauberes Atom (II)

"Risiken in Kernkraftwerken nicht höher als im Büro

Das Gesundheitsrisiko von Beschäftigten in der Kernkraftindustrie, die mit radioaktiver Strahlung zu tun haben, ist nach Mitteilung des Deutschen Atomforums nicht höher als das anderer Personen in Büroberufen. Bei einer Fachtagung des Atomforums zum Thema 'Arbeitswelt Kerntechnik' in Bonn sagte ein Sprecher, daß die Arbeiter und Angestellten in den Kernkraftwerken mit rund 13 Unfällen auf 1000 Beschäftigte den 'höchsten Grad der Arbeitssicherheit' im Bereich der feinmechanischen und elektronischen Berufe erreichten. In konventionellen Kraftwerken und bei der Stromverteilung liege die entsprechende Zahl bei 33 Unfällen. Auch bei den Beschäftigten, die in Anlagen des nuklearen Brennstoffkreislaufs, wie bei der Brennelementeherstellung oder bei Entsorgungsanlagen, tätig sind, liege die Zahl bei 13 Unfällen pro 1000. Einen Strahlenverletzten habe es in deutschen Kernkraftwerken noch nie gegeben." (ddp)

Stehen wir am Beginn einer neuen Protestbewegung "Büro - nein danke!"?

Profitschutz mit Umwelt

Eine einfache Lösung des "Umweltproblems" hat sich Unternehmerpräsident Wolff von Amerongen ausgedacht. Wenn man schon eine saubere Natur haben will, dann muß man auch dafür blechen. Darum hat Wolff

"die Gewerkrchaften aufgefordert, bei künftigen Tarifverhandlungen die Kosten der Umweltschutzes zu berücksichtigen... Umweltschutz gibt er nicht zum Nulltarif. Dar müssen die Gewerkschaften lernen, wenn wir auf dem Weltmarkt erfolgreich bleiben wollen."

Verspricht Wolff etwa, daß die Kapitalisten aufhören, ihr Gift in die Landschaft zu blasen, wenn die Arbeiter dafür zahlen? So war's natürlich nicht gemeint. Wolff hat nur einen modischen Titel für ein uraltes Unternehmeranliegen in die Welt gesetzt: Die deutschen Gewerkschaften haben ihm ja unzählige Male vorgemacht, daß man nur mit der "internationalen Wettbewerbsfähigkeit" winken muß, und schon sieht der DGB, der auch den deutschen Wald retten will, die "gesellschaftliche Notwendigkeit" von Lohnverzicht ein.

Pressefreiheit '84: Kein Krieg ohne Propaganda

"Pentagon: Militäreinsätze künftig nicht ohne die Presse

Das amerikanische Verteidigungsministerium will künftig bei militärischen Operationen den wichtigsten Nachrichtenmedien des Landes von vornherein die Berichterstattung ermöglichen. Ein Ausschluß der Presse wie vor einem Jahr bei der Invasion der Karibik-Insel Grenada soll sich nicht wiederholen. Der Sprecher des Pentagon teilte in Washington mit, daß im Ernstfall eine Gruppe aus elf Journalisten - von den vier amerikanischen Fernsehgesellschaften, den beiden Presseagenturen AP und UPI, den Nachrichtenmagazinen "Time", "Newsweek" und "US News and World Report" sowie einem Pressefotografen und einem Rundfunkjournalisten - geheim benachrichtigt und an den Schauplatz der Operation gebracht werden solle." (FAZ)

Damit ist endlich die Grenada-Panne korrigiert worden. Eine journalistische Eingreiftruppe des Pentagon wird also packende Reportagen vom kombinierten Land- Luft- und See-Angriff auf Nicaragua garantieren. So kann sich der Bürger auf unterhaltsame Weise über den sachgerechten Einsatz seiner Steuermittel informieren.

Deutsch-israelisch-britisch-saudische Abrüstung

"Keine Bonner Einwände mehr gegen 'Tornados' für die Saudis

Die Bundesregierung hat keine Einwände mehr gegen die Absicht Großbritanniens, 40 Tornado-Jagdbomber aus der Gemeinschaftsproduktion mit Italien an Saudi-Arabien zu verkaufen. Bonn habe zwar Bedenken vorgebracht, der Bundessicherheitsrat habe die Antwort Londons bei seiner letzten Sitzung aber als befriedigend angesehen, verlautete jetzt in Bonn. Beispielsweise werde keine deutsche Elektronik in den Flugzeugen sein. Sie sollen aus dem Bestand der britischen Luftwaffe geliefert werden. Eine gewisse Besorgnis herrscht in Bonn darüber, daß bisher jeglicher Hinweis Londons auf Absichten fehlt, die - noch nicht endgültig verkauften - Tornados durch neue zu ersetzen und dadurch eine Verlängerung der 1988 auslaufenden Serienproduktion zu ermöglichen." (Süddeutsche Zeitung)

Es ist noch kein Jahr her, daß der oberste Waffenhändler der BRD, Kanzler Kohl, behende zuerst nach Jerusalem und dann nach Riad gejettet ist, um sowohl den israelischen Bedenken als auch den saudischen Wünschen in Sachen "Leopard"-Panzer im Sinne westdeutscher Nah-Ost-Politik Rechnung zu tragen. Jetzt kommt als Routinemeldung ein sattes Dreiecksgeschäft in die Nachrichten, demzufolge über England 40 "Mehrzweck-Kamfpflugzeuge" ins Saudi-Arabische verschoben werden. Einzige Bonner Sorge, daß die Briten auch nachordern wegen der Arbeitsplätze in deutschen Waffenschmieden nach 1988. Der Umstand, daß man die Briten mitverdienen läßt ("keine deutsche Elektronik"), trägt den "besonderen Beziehungen" zu Israel Rechnung. Shalom!

Nur demokratischer Rassismus erlaubt

"Gerichtlicher Teilsieg des Darmstädter OB gegen Roma.

Der Zentralrat deutscher Sinti und Roma darf nicht mehr behaupten, der Darmstädter Oberbürgermeister Günther Metzger (SPD) habe 1983 mit dem Abriß eines Hauses von Romafamilien 'das seit 1945 schlimmste Beispiel für Rassismus in einer deutschen Stadt geboten'. Wie das Frankfurter Landgericht entschied, ist diese Äußerung 'eine unzulässige Schmähkritik', die Metzger 'besonders stark' habe kränken müssen, weil sein Vater engagierter Gegner des Nationalsozialismus gewesen sei. Ebenso braucht sich der Oberbürgermeister keine Vergleiche seiner Reden mit Berichten im NS-Blatt 'Stürmer' gefallen zu lassen. Hinnehmen muß Metzger dagegen die Kritik von Zigeunern, er habe gegenüber den Romafamilien, eine menschenverachtende Haltung gezeigt und massiv das Vertrauen in unseren Rechtsstaat und unsere Demokratie geschädigt', indem er bindende Auflagen hessischer Gerichte mißachtet habe." (Süddeutsche Zeitung)

Die Sache beim Namen zu nennen, bleibt natürlich in Rechtsstaat und Demokratie verboten, Formfehler können jedoch angemahnt werden, zumal dann, wenn sie Gerichtsurteile mißachten. Der demokratische Rassismus darf keinesfalls mit dem "Stürmer" verglichen werden, weil seine Auffassungen und Maßnahmen in Regierungserklärungen und im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden. Und ein Nazi-Gegner als Vater ist für den Sohn heute ein wertvolles Argument für Faschistereien im Rechtsnachfolgestaat. Die Betroffenen schließlich sollten lernen, daß die Anerkennung ihrer ethnischen Besonderheit als Sinti und Roma Demokraten nicht dabei behindert, sie weiterhin als Zigeuner zu behandeln. Den "Sinti und Roma" bleibt es hingegen untersagt, Günther Metzger "einen Zigeuner" auch nur zu nennen.

SPD: Regierung zersetzt Wehrkraft!

Das Recht des Bürgers auf eine schlagkräftige Wehrmacht wird in einer wohlgeordneten Demokratie gerade von der Opposition regelmäßig angemahnt. Mit besonderer Vorliebe dann, wenn die Regierung wieder ein paar praktische Fortschritte in Sachen Aufrüstung macht:

- Dann handelt die Regierung bloß konfus und unbedacht:

"Schon deshalb gingen seine Rüstungsplanungen von falschen Voraussetzungen aus. Solange Wörner kein geschlossenes Strukturkonzept vorlege..." (Horn, SPD).

- Dann denkt sie nicht an ihre eigenen Vorhaben:

"...fehlten ebenso wie Konsequenzen aus der angestrebten engeren Kooperation mit den französischen Streitkräften."

- Dann mißbraucht sie - wie schon Hitler - die untadeligen Offiziere der neuen Wehrmacht:

"Horn warnte davor, Generalinspekteur Wolfgang Altenburg und die militärische Führung für die 'unausgegorenen' Planungen verantwortlich zu machen. Altenburg habe sich nach den politischen Vorgaben zu richten."

- Dann schwächt sie wesentliche Sicherheitsbereiche:

"Zugleich wendete sich der SPD-Abgeordnete gegen das Vorhaben, die Wehrdienstbefreiung für Angehörige des Bundesgrenzschutzes oder des Katastrophenschutzes zu beseitigen... drohten sonst 'katastrophale Folgen'. Wörner sollte sich bewußt werden, daß äußere Sicherheit und Zivilschutz einander ergänzende 'Kernbereiche' der Sicherheitspolitik seien."

- Dann kauft sie teure Waffen mit niedrigem Vernichtungswert:

"Viele Rüstungsprojekte sind eher prestigeorientiert."

- Dann kauft sie Waffen, ohne sich das Geld dafür schon jetzt genehmigt zu haben:

"Außerdem sind die geplanten Waffenkäufe mit den in der geltenden Finanzplanung vorgesehenen Mitteln nicht zu bezahlen."

- Dann kauft sie Waffen, ohne sicherzustellen, daß auch genug Leute zum Ballern da sind:

"Weil Wörner kein Personalkonzept für die 90er Jahre besitzt, hat er auch keine schlüssige Konzeption für die Bewaffnung."

- In einem Wort, die Regierung ist- gar keine nicht, sondern vergeigt unser aller Sicherheit:

"...bewertete der - Abgeordnete Karsten Voigt das Hin und Her im Regierungslager als 'komplettes Chaos'; es belege, daß die Regierung bei wichtigen sicherheitspolitischen Entscheidungen handlungsunfähig sei."

Merke: Es gibt keine Aufrüstung, die die SPD nicht noch besser machen könnte.

Das gibt zu denken!

Die Frau des Bundeskanzlers opfert ihre ganze Kraft wenn es sein muß, schreibt sie auch pro Tag 800 Autogrammkarten. Die Folge: "Ich bin immer unter Zeitdruck."