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Richtigstellung in eigener Sache
"WENN SCHRIFTSTELLER GEGEN DEN KRIEG IN NICARAGUA SIND"
Dieser Artikel in der letzten MSZ (Nr. 3/ 83) behauptet, die Verfasser der Erklärungen forderten "echte Geheimdienst-Operationen", "Kriege - bitte sehr! - erst nach langdauernden Verhandlungen! Dann aber um so unerbittlicher", "Wenn schon, dann aber eine verfassungstreue, vernünftige, gerechte, moralische, humane und ehrliche Eliminierung der Sandinistas..." usf. Die Tatsache, daß sich die Schriftsteller auf bestimmte völkerrechtliche Prinzipien und Prozeduren gegen die amerikanische Intervention berufen, wird zu der Behauptung verdreht, sei seien die entschiedensten Befürworter von Kriegen, wenn nur einige Bedingungen eingehalten würden.
Diese Kritik ist falsch, weil sie den Moralismus dieser Position nicht ernst nimmt und ihn stattdessen selber verlängert: Mit der moralischen und falschen Sortierung von gut und böse nach dem Kriterium, wer will Frieden, wer will Krieg, wird eine falsche Verurteilung eines Kriegs als das vermeintliche Gegenteil, nämlich eine mehr oder weniger heimliche Parteinahme für den Krieg "entlarvt". Indem der moralische Rigorismus einfach aufs Dafürsein für Verhältnisse reduziert wird, die er im Namen ihrer Ideale angreift, wird andererseits seine wirkliche Funktion verharmlost. Die Denunziation der Moralapostel als Anwälte von Kriegen macht sich keinen Begriff von der Funktion, die die Repräsentanten des guten Gewissens für die Demokratie ausüben.
Die moralische Kritik der Schriftsteller am Vorgehen der USA in Mittelamerika sortiert die Instrumente imperialistischer Politik auseinander in Garantien für einen ehrenwerten nationalen Verkehr und zu verurteilende Übergriffe. Diplomatische Verhandlungen, die durchaus den Ruin eines Volkes bewirken können, erscheinen ihnen als positive Alternative zum Krieg, der aufgrund dieser idealistischen Gegenüberstellung auch keinen Zweck erkennen läßt: Es ist ein "irrationaler Krieg". Eine "Problematik Nicaraguas und Zentralamerikas" stellen die Verfasser der Erklärung auch fest, aber die amerikanische Beteiligung an der angeblichen "Problematik", an der Herstellung von "stabilen" Regierungen, also auch an der Herstellung von Armut, Aufständen und "Instabilität" wird für sie nur kritikabel als '"Manipulation" eines lokalen Konflikts, der "auf die Bühne des Ost-West-Konflikts geworfen" wird. Darin sehen sie wiederum nur einen "Vorwand", den die USA benötigen, um zu intervenieren, und das als "Mißbrauch" von "Stellvertretern". Der Moralismus, der mit dem Begriffspaar Krieg und Frieden, die Weltpolitik in gut und böse unterteilt, die unterschiedlichen Methoden der Weltherrschaft daran bemißt und miteinander konfrontiert, macht diese Kritik blind gegen deren Zweck und Zusammenhang. Gegen die Form imperialistischer Herrschaft, die sie selber noch benennen, per Stellvertreter zu regieren, also die Wahmehmung der Funktionalität von Land und Leuten für den Imperialismus zum Interesse einer eigenen souveiänen Staatsgewalt zu machen, gibt es nicht erst dann etwas einzuwenden, wenn die USA ihre Stellvertreter zu Kriegseinsätzen ermuntern. Und gerade die erfolgreiche Einrichtung von lauter abhängigen Souveränen mit dementsprechend "friedlichen" Beziehungen hat dazu geführt, daß die Macher der Weltpolitik überhaupt nur noch einen einzigen Störenfried auf der Welt entdecken, den Ostblock, und von daher, von dieser einzigen verbleibenden Front aus, jede "Instabilität" in ihrem Machtbereich als Werk dieses Feindes und als dessen mögliche Bastion betrachten und behandeln. Gleichgültig gegen die immanente Zweckmäßigkeit der Einrichtung souveräner Staatsgewalten wollen die Schriftsteller aber darin eine Form des Gewaltverzichts entdecken und halten daher diplomatische Verhandlungen hoch, obwohl auch in denen nie etwas anderes Gegenstand ist als ein bestimmter Gebrauch der Staatsgewalt. Gleichgültig gegen die immanente Zweckmäßigkeii der Demokratie als Herrschaftsmethode vertreten sie den Glauben, sie sei ein einziges Hindernis für Gewaltausübung: Sie berufen sich auf die amerikanische Verfassung, die die Bewilligung von Kriegsmitteln durch den Kongreß vorsieht, als eine Institution, die eigentlich, würde man sich nur daran halten, den Krieg gegen Nicaragua verhindern würde. Dabei hat in der Geschichte der Demokratie noch kein einziges Parlament jemals seiner Regierung einen Krieg verboten, schließlich ist es mit der Wahrnehmung der nationalen Interessen befaßt, die gegen andere auch mit diesen Mitteln durchgesetzt werden müssen, von deren gewalttätiger Beschaffenheit die Idealisten der Demokratie immer nichts wissen wollen.
Diese Sorte Protest, die die innen- und außenpolitische Betätigung der imperialistischen Demokratien an deren Ideal von Gewaltfreiheit mißt und daher genausogut legitimiert, wie sie sie andererseits verurteilt, ist wirkungslos: Sie täuscht sich in ihrem Adressaten, wenn sie meint, Kohl, Mitterrand und Mrs. Thatcher (deren letzter erfolgreicher Krieg immerhin noch kein Jahr her ist) fühlten sich auf die vermeintlich gemeinsamen Kriterien des guten Gewissens verpflichtet.
Diese Kritik ist verkehrt, indem sie sich auf die falsche Unterscheidung von eigentlich geltenden Regeln der Weltpolitik und "Verstößen" beruft. Sie ist gefährlich, weil sie mit diesem guten Glauben an die Demokratie für bessere westliche Politik Propaganda macht und sich nicht dadurch beirren läßt, daß unter demselben Titel der Ideale der Demokratie und der Menschenrechte die NATO alle Nationen des freien Westens organisiert und einem ganzen Staatenblock samt den dort beheimateten Nationen das Existenzrecht auf dieser schönen Welt bestreitet. Nicht umsonst entdecken die Vertreter dieser Moral zielstrebig im Osten lauter Unterdrückung und Unfreiheit und ordnen sich damit gar nicht mehr oppositionell ein in die Reihen der Freiheitskämpfer des Westens. Heinrich Böll macht es nichts aus, mit seiner Solidarität für "meinen Freund Sacharow" von dessen ZDF-Freund Löwenthal vereinnahmt zu werden. Andererseits setzt er in Sachen Frieden für Nicaragua auf die ausgewiesenen Unterstützer des Sandinismus wie diverse sozialdemokratische Ex-Regierungschefs. Und als Fürsprecher für Nicaragua sind sie selber peinlichst darum besorgt, wie es dort mitten in Hunger- und Kriegssorgen um Parteienpluralismus und Pressefreiheit bestellt ist. Die Opfer haben nämlich zu beweisen, daß sie der Anteilnahme wert sind. Keine Kommunisten, sondern ein selbständiges, kleines und unschuldiges "soziales Experiment", das durch das "Unverständnis" der USA in die Arme des Sowjetkommunismus getrieben wird und daran zu scheitern droht.
Als moralische Parteinahme für Demokratie bleibt ihr Protest schließlich devot: sie schreiben Bittbriefe an die Zuständigen, deren Zuständigkeit für die ganze Welt, deren imperialistische "Aufgabe" sie also gerade in Form ihrer idealistischen Verklärung anerkennen. Wer dagegen zum Widerstand aufruft, wird daher aüch von den Moralaposteln konsequent als Gewalttäter verurteilt. So ehrlich empört Böll, Grass usw. angesichts der US-Politik gegen Nicaragua sein mögen, mit ihrer Parteinahme für die Demokratie als gute Herrschaft werden sie sich von deren Fortschritten in Sachen endgültiger Weltfrieden in Freiheit vor die Konsequenz gestellt sehen, entweder mit einem "leider" (tragischer Konflikt zwischen Realpolitik und Moral usw. usf.) sich zum Mitmachen zu bequemen oder beim verbitterten moralischen Protest, der von oben disqualifiziert wird, zu bleiben. Der Absprung zum bloßen und gar nicht mehr alternativen Verständnis für die offizielle Politik ist allerdings immer eine realistische Möglichkeit, wenn sich Kritik immer nur aus einer idealistischen Uminterpretation der Gründe der Herrschaft speist. Man erinnere sich an die flammenden Aufrufe gegen die angeblich schwächliche und feige Polen-Politik der NATO-Staaten.
Schriftstellererklärungen zu Nicaragua
"Wir wenden uns an Sie mit der Bitte, daß Ihre Regierung aktiv für friedliche Lösungen im Konflikt in Zentralamerika eintreten möge. ... Wir vertrauen ... darauf, daß Ihre Regierung die notwendigen Schritte einleitet, damit diese Völker den Frieden finden, den sie dringend benötigen, um sich auf ihre Weise zu Unabhängigkeit und Demokratie entwickeln zu können." (Erklärung an Bundeskanzler Helmut Kohl und die Regierungschefs von Frankreich, Spanien, Italien, Großbritannien, Österreich und Schweden; Unterzeichner u.a.: Graham Green, Günter Grass, Julio Cortazar, Eduardo Galeano, F.C. Delius, Johano Strasser, Yaak Karsunke, Christoph Meckel)
"Es ist ein inhumaner Krieg. Er zerstört die bescheidenen aber deutlichen Erfolge der nicaraguanischen Revolution. Er zerstört die Ernten, die Schulen Nicaraguas. Er tötet die Kinder und die Bauern Nicaraguas."
"Es ist ein gefährlicher Krieg. Er reißt die Problematik Nicaraguas und Zentralamenkas aus ihrem spezifischen Zusammenhang und wirft sie auf die Bühne des Ost-West-Konflikts. Diese Manipulation kann (!) den Krieg internationalisieren und die Möglichkeiten für Diplomatie, Demokratie und sozialen Fortschritt In der Region zerstören."
"Es ist ein verlogener Krieg. Es ist das vierte Mal in diesem Jahrhundert, daß die Vereinigten Staaten Vorwände erfunden haben, in Nicaragua zu intervenieren. Dieses Mal geschieht dies durch den Mißbrauch von Stellvertretern, indem Brüder gegen Brüder und Länder gegen Länder aufgehetzt werden."
"Es ist ein unmoralischer Krieg. Einmal mehr erklärt sich eine Supermacht als durch die Unabhängigkeit eines kleinen Landes bedroht und versucht, es durch Einschüchterung oder die gewaltsame Zerstörung zu unterwerfen."
"Es ist ein Krieg, der nicht erklärt worden ist, der nicht vom Kongreß autorisiert worden ist, und der deshalb nicht der Verfassung entspricht. Es ist ein geheimer Krieg. Das amerikanische Volk hat niemals die Verwendung öffentlicher Mittel für einen Krieg autorisiert, der im Namen angeblicher Geheimdienstoperationen geführt wird." (Erklärung von Heinrich Böll, Julio Cortazar, Catlos Fuentes, Gabriel Carcia Marquez, Günter Grass, Graham Green, William Styron)