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Regierungserklärung '83
MENSCHLICHKEIT IN SCHWEREN ZEITEN
Die Koalition der "Wende", aus christlich-freidemokratischer Verantwortung entstanden und für Deutschland für die nächsten 4 Jahre am Ruder, hat ihr Programm dem Bundestag vorgelegt. Nichts abwegiger als die beckmesserische Kritik, Kohl wäre nicht allzu "konkret" geworden; richtig daran nur, daß man auch vorher schon hätte wissen können, was in Zukunft "den Nutzen des Volkes mehren und Schaden von ihm wenden wird".
Vor der Wahl wurde dem deutschen Wähler unisono von allen staatstragenden Parteien versprochen, daß sich an seiner Stimme das "Schicksal der Nation" entscheide. Geworben wurde mit den Opfern, die seit SPD-Zeiten für die Zwecke des Staates an der Bevölkerung durchgesetzt worden sind und die man auch weiterhin mit aller Konsequenz über das Volk kommen lassen müsse. Man warb um Applaus: für eine fraglose Notwendigkeit, von oben: einen starken Staat zu wählen, der keinerlei Ansprüche seiner Untertanen gelten läßt, weil sich das "Schicksal der Nation" an dieser und ihren Maßstäben zu entscheiden hat und nicht an der unmaßgeblichen Meinung oder gar am Wohlergehen seiner Bürger.
Nach der Wahl, in der das Volk seine Zustimmung zu dem über es beschlossenen "Schicksal" abgeliefert hat, wird ihm im Namen seiner Unterodnung die Regierung erklärt: Alles, was die Macher der "Wende" wollen und tun; haben sie nicht einfach beschlossen, sondern ist ihnen von einer höheren Warte eingegeben worden. So als würde die Zeit - und ausgerechnet auch noch der Politik - ihnen etwas befehlen und als müßten sie schnell machen, damit ihnen das (ihr) Gebot der Stunde nicht davonläuft:
"Jetzt ist nicht die Zeit für große Versprechungen, es ist höchste Zeit für die Politik der Erneuerung."
Alles, was das Volk braucht, hat es schon, wenn es genau hindurchsieht durch die Arbeitslosen, bei "Aufschwung" an Raketen und Grundbesitzer denkt sowie sich freut über die Sicherheit, die einem Bruder Amerika schenkt.
"Es ist gut übersehbar, der Aufschwung hat begonnen. Mit unserer Außen- und Bündnispolitik stehen wir dort, wo wir stehen müssen -auf der Seite der Freiheit, auf der Seite unserer Freunde."
Ein herzliches Dankeschön dafür, daß das Volk seine Pflicht als Wähler ganz anspruchslos und zur Zufriedenheit seiner Herrschaft erfüllt hat. Das stärkt das Vertrauen der Regierung in sich.
"Die Regierungsparteien CDU/CSU und FDP haben vor der Wahl gesagt, was getan werden mußte, und gesagt, was nach der Wahl zu tun ist. Und die Wähler haben unserem Programm der Erneuerung zugestimmt."
Als Gegenleistung für "sein großes Vertrauen" die Würdigüng der Tugenden des Volkes - vorgetragen als Glaube an die Bravheit, Disziplin, den guten Willen der Untertanen:
"Wir glauben an die Kraft, das Wissen und den Willen unseres Volkes." -,
und das unverbrüchliche Versprechen der Politik an das Volk, ihm zu "entsprechen" in dem, was man von ihm verlangt, indem man es schonungslos und radikal regiert. Das Programm der Regierung -
"Was für die Gründergeneration der Republik Frucht ihrer bitteren Erfahrung war, müssen Kinder und Enkel neu erwerben." -
stellt sich vor als ein einziges Angebot der Politik an die bewährten Tugenden des deutschen Menschen, sich zu bewähren: "Sparen war immer eine Tugend der Deutschen", und wo der Deutsche als Arbeitnehmer immer schon naturgemäß die Tugenden des "Fleißes" und der "Tüchtigkeit" "besitzt", die ihn zu dem prädestinieren, was Staat und Kapital ihm abverlangen, da ist der Deutsche als Unternehmer "dynamisch" und zeigt den "Wagemut"- und die "Entscheidungskraft", die "gerade in den vor uns liegenden schwierigen Zeiten verlangt sind".
"Für alle (?) Bürger muß wieder gelten: Wer mehr wagt, wer sich mehr plagt, der hat auch Anspruch auf Gewinn und Erfolg."
"Leistung lohnt sich wieder" - per Beschluß und gleichermaßen für jeden; ob seine Leistung darin besteht, für andere Reichtum zu schaffen, oder nicht einmal dies mehr zu dürfen, oder darin, andere für die Vermehrung seines Eigentums arbeiten zu lassen. Jeder in seinem Stand für "die Gemeinschaft", die "auf Dauer nur so leistungsfähig sein kann, wie die Menschen, aus denen sie besteht". "Bei uns" funktioniert die "Gemeinschaft", jeder tut seine Pflicht für das Staatsganze, womit ihm schon die Gemeinschaft die Ehre zugebilligt hat, die ihm gebührt.
Die Feier der sittlichen Qualitäten des deutschen Bürgers, der bereitstehe, um sich für das Staatsprogramm benützen zu lassen, ist so nichts anderes als die Ankündigung der neuen Regierung, die Politik der alten konsequent fortzuführen, deren angebliche Rücksichtnahme auf andere denn Staatsinteressen aber radikal auszumerzen.
Im "Programm der Erneuerung" beruft sich die Herrschaft auf die gelungene Unterwerfung des Volkes unter den maßlosen Anspruch, der Stärke der Nation und kündigt die passende Inanspruchnahme des gefügigen Bürgers an - für die Fortschritte, die um der Kontinuität der Politik willen der deutsche Staat im Innern und - nach außen machen will.
Menschengemäße Marktwirtschaft
Beschlossen hat die Regierung im Namen des Volkes die geltende und endgültige Definition dessen, worin der Erfolg des Bürgers besteht:
"Die soziale Marktwirtschaft ist wie keine andere Ordnung dazu geeignet, Gleichheit der Chancen, Eigentum, Wohlstand und sozialen Fortschritt zu verwirklichen. Wir wollen nicht mehr Staat, sondern weniger. Wir wollen nicht weniger, sondern mehr persönliche Freiheit. Die soziale Marktwirtschaft ist nicht nur die erfolgreichste Wirtschaftsform, sie ist auch dem Menschen gemäß, sie fordert den Bürger, aber sie verfügt nicht über ihn. Wir machen Schluß damit, die Belastbarkeit der Wirtschaft zu erproben. Das Ergebnis. dieser falschen Politik war (!) Massenarbeitslosigkeit..., Investitionsschwäche..., Firmenzusammenbrüche"
Weil per Beschluß die "soziale Marktwirtschaft" dem Bürger dient, ist jede Berücksichtigung seiner Sorgen eine Belastung und ein Vergehen gegen ihn. Weil es auf die Stärke von Eigentum und Nation ankommt - das ist nämlich "menschengemäß" -, bestehen Wohlstand und sozialer Fortschritt für den Bürger, in der "persönlichen Freiheit", sich vom Kapital "fordern" zu lassen oder auch nicht - eine Freiheit, die ihm "drüben" verweigert wird. Weil er abhängt von seiner "Beschäftigung" -
"Aufgabe Nummer eins ist die Beseitigung der Massenarbeitslosigkeit. Und hier geht es für uns nicht nur um irgendein wirtschaftliches Problem, sondern vor allem um ein Gebot der Mitmenschlichkeit. Die Jahre der Krise haben gelehrt, daß administrative Gängelung nicht weiterhilft." -,
wird "administiativ" über ihn verfügt, daß er für die Bedingung seiner Existenz, "die Wirtschaft", bedingungslos geradezustehen hat. "Noch wichtiger" "als der beginnende Aufschwung", dessen Segnungen die Bevölkerung in wachsenden Arbeitslosenzahlen, Lohnsenkungen und Mehrarbeit erfährt, ist es nämlich, "unserer Wirtschaft wieder zu einer robusteren Konstitution zu verhelfen" - ein Gebot der Mitmenschlichkeit. Versprochen wird dem Volk in puncto Wirtschaft, daß die Regierung im Zeichen , der "Wende" mit ihrem Beschäftigungsprogramm auch wirklich alles dafür tut, "den Investitionswillen und die Investitionsfähigkeit zu stärken", und die denkbar günstigste Bedingung für die Tugenden des Lebenskampfes zu schaffen - nicht nur für Deutsche. Der Protektionismus bei anderen Staaten wird bekämpft, - wo freier Handel der deutschen Nation die Benützung fremden Reichtums sichert. In unserer Verantwortung sind wir gefordert, wo wir den verwerflichen internationalen Subventionswettlauf - durch eigene Subventionen bekämpfen. Die deutsche Agrarpolitik, die ausländische Bauern zu spüren bekommen, ist
"für uns... ein wichtiger Teil des europäischen Einigungswerkes"; mit der "wir uns auch dort beharrlich für unsere Bauern und für die Verbraucher einsctzen werden - Ja natürlich, das ist der Verfassungsauftrag. Dies ist eine Koalition, Herr Ehmke, die eben nicht Klassen vertritt, sondern das Ganze -."
Menschenwürdiger Sozialstaat
In puncto Sozialpolitik kommt als "Entgelt" für den eingeforderten Dienst an der Geltung der deutschen Nation in der Welt die "Mitmenschlichkeit" voll zum Tragen. Ob man nun als Lohnarbeiter an dem "Leitgedanken" der "persönlichen Freiheit" und der "sinnerfüllten Arbeit" teilhaben kann und so die Wahrheit des Kanzlerspruchs "Arbeit ist nicht nur Broterwerb" kennt, oder ob man zu denen gehört, die ganz ohne Broterwerb "Mensch" sein dürfen - das Ganze beschenkt alle Bürger mit der Chance zu "praktiziertem Bürgersinn":
"Das gehört zu der geistigen Erneuerung, die wir wollen. Deshalb ermutigen wir den Bürger, nicht nur zu fragen, wer hilft mir, sondern auch, wem helfe ich. Eine Gesellschaft, unsere Gesellschaft, - beweist 'hre Humanität, wenn viele ihren Dienst am Nächsten leisten, wenn viele für andere da sind, und nicht nur jeder für sich selbst."
Für die Zwangsläufigkeit der Selbsthilfe an sich oder an anderen sorgt eine Regierung, die mit Arbeitslosigkeit, Krankheit und diversen Zumutungen nicht nur die Angewiesenheit auf den Sozialstaat produziert, sondern sich auch nach Kräften darum bemüht, den Geschädigten das Ideal einer kostenlosen "sozialen Sicherheit" nahezubringen. Deshalb wird die staatlich verhinderte "soziale Sicherheit" auch gleich als in jedem Fall existente definiert - Nachzählen gilt nicht:
"Die Rentner können sich auf uns verlassen, daß die Renten sicher sind und sicher bleiben."
Kleinere Differenzen über die aktuell brauchbarste Definition der "sicheren Renten" sind beim Ganzen und seinem Sicherungsbedürfnis gut autgehoben.
"Im Interesse der Renten wollen wir uns um eine einvernehmliche Lösung bemühen."
Ebenso auch sonstige "humanitäre" Belange, die allesamt schon praktiziert werden, was den Staat angeht, der dem Bedürfnis der Bürger nach Selbsthilfe kontinuierlich nachhilft:
"Die Gleichberechtigung von Mann und Frau muß (noch) selbstverständlicher werden."
Papi soll hin und wieder zu Mami sagen, daß sie auch ihren Mann steht, hat Kohl gesagt. Miteinander auskommen hilft über so vieles hinweg, z.B. über die Kürzungen des Kindergeldes, das selbstverständlich nicht abgeschafft wird.
"Mit Kindergeld und steuerlichen Erleichterungen werden wir die Familie weiterhin fördern."
Jeder ist aber für sich selbst verantwortlich, sogar für seine Gesundheit, wenn sie kaputt ist. Ein gutes Wort und kalte Umschläge dämpfen die Kosten des Gesundheitswesens.
"Unsere Gesundheitspolitik wird die Eigenverantwortung des Menschen für seine Gesundheit betonen... Der Patient braucht und will... nicht nur Technik, sondern vor allem auch menschliche Zuwendung."
Neue Grenzwerte sollen auch die Behinderten erhalten, weil sie so unter Mitleid leiden.
"Körperliche und seelische Belastungen in der Industriegesellschaft, Verkehrs- und Arbeitsunfälle setzen jeden der Gefahr einer Behinderung aus. Der soziale Rechtsstaat hat die Pflicht, allen Behinderten zu helfen, damit sie sich in Beruf und Gesellschaft entfalten können. Behinderte wollen jedoch nicht Mitleid, sondern aktive Solidarität... In Zukunft muß die Hilfe denjenigen zukommen, die sie wirklich benötigen."
So kommt die Natur zu ihrem Recht, selbst vor bösen Kraftfahrzeugen:
"Die Schonung der Umwelt und der natürlichen Ressourcen ist selbstverständlich. ... Auch die Grenzwerte für Kraftfahrzeuge werden wir herabsetzen."
Nichts souveräner als ein Staat, der die Fortschritte in der Ruinierung der Existenz seiner Untertanen als Prinzip der "Mitmenschlichkeit" vorstellig macht: Ein Verbrechen gegen den Idealismus der Selbsthilfe, keine Verelendungspolitik zu betreiben.
"Menschennatürliche Ordnung"
In puncto Innen- und Rechtspolitik -
"Wir werden Gewalt, unter welchem Namen und mit welcher Begründung sie auch auftreten mag, in unserem Rechtsstaat nicht dulden." -
tritt die Gewalt, die selbstverständlich von ihrer eigenen Unduldsamkeit ausgenommen ist, gegen die (ihre) "überlange Verfahrensdauer" des Rechts auf, weil sie den kurzen Prozeß verhindert, den die Staatsgewalt dem unanständigen Bürger machen will, und die deshalb dessen Bedürfnis - "Gutes Recht muß auch schnelles Recht sein." - nicht entspricht und sein "Vertrauen in die Rechtspflege untergräbt". Was dem Bürger entspricht, ist ein "straffes, vereinfachtes Verfahren", die Abschaffung kostspieliger Berufungsverfahren, in denen der Staat dem Bürger die Überprüfung von Urteilen gegen ihn gewährt und die Einsicht des Bürgers, daß das "knappe Gut Rechtsgewährung" nicht für ihn, sondern für den Staat da ist;
- gegen den demonstrierenden "Extremisten", dessen Menschennatur es entspricht, "hierzulande keine Chance" zu haben. Also wird sie ihm genommen im Hinblick auf mögliche staatswidrige Proteste gegen die Nachrüstung; durch die Wiedereinführung alter Landfriedensbruchs-Bestimmungen, die jeden Mitläufer an ernst gemeinten Protesten zum verbrecherischen Mittäter bei der Behinderung der staatlichen Sicherheitspolitik stempelt. Und durch den Verfassungsschutz, dem dafür "Dank und Vertrauen des Bürgers" zustehen. Denn schließlich wird so des Bürgers Menschenrecht darauf geschützt, daß seine Untertänigkeit das Normale ist und eine faschistische Moral überhaupt nicht extrem, geschweige denn extremistisch;
- gegen den Ausländer, der passend ausländergerechten Ausweisung durch die Staatsgewalt "seine politischen Auseinandersetzungen mit kriminellen Mitteln auf dem Boden der Bundesrepublik Deutschland austrägt".
Wenn die Staatsgewalt die Menschheit nach In- und Ausländern sortiert; und wenn der Staat andererseits wieder dafür sorgt, daß die türkische und die bundesdeutsche Rasse kräftig durcheinandergemischt werden, dann fordert das Menschenrecht eben zweierlei. Erstens soll der deutsche Mensch wissen, daß "deutsch" seine Natur ist, auf seinen Unterschied zu den Untertanen anderer Herren also größten Wert legen, sich wer weiß was darauf einbilden - kurzum: den Inhaber eines fremden Passes, wo auch immer man sich an ihm stört, als naturmäßigen Verbrecher betrachten. Zweitens hat der Nationalmensch seine nationalmenschennatürliche Verachtung der fremden Nationalrasse soweit zu zügeln, wie der Regierung am Import von Exemplaren noch gelegen ist: Die Verachtung soll gefälligst die Form der Toleranz annehmen, die Kohl mit dreister Heuchelei seinen Bürgern ans Herz legt: Natürlich sind "die Ausländer", nämlich "ihr Zusammenleben mit den Deutschen", "ein Problem" - dem soll man "aber" mit Toleranz begegnen. Drittens ist Kohls Empfehlung vor jedem ideologischen Mißverständnis sicher, weil die Regierung entdeckt, die (kriminelle) Menschennatur eines Ausländers, der hier nicht mehr gebraucht wird, ließe sich doch wohl unter der Obhut seiner einheimischen Diktatoren am besten verwirklichen, und bevorzugt Asylbewerber und Kritiker der "Toleranz" ihrer Heimatstaaten überantwortet.
Menschenfreundliche Außenpolitik - nach außen
heißt nach wie vor "Gewaltverzicht", der "Kernstück unserer Friedenspolitik ist und bleibt". Die Regierungskoalition ist der Hort der Friedensbewegung:
"Wer von ganzem Herzen für den Frieden eintritt, wer Freiheit und Menschenwürde als höchstes Gut betrachtet, wer unsere nationalen Interessen auf Dauer gesichert sehen will, der muß das westliche Bündnis stark und gesund erhalten."
Wer Frieden will, der kalkuliert mit Krieg, "Frieden schaffen mit immer weniger Waffen", das heißt mit Kohlschen Übersetzungsleistungen 'immer mehr Waffen gegen den Osten' - im Interesse der BRD und an der Seite "unserer amerikanischen Freunde": Wo das westliche Bündnis Aufrüstung und Abschreckung braucht, da "rechtfertigt nichts die überrüstung der Sowjetunion, die die Sicherheit der Nachbarn bedroht und politischer Erpressung dient."
Wo "jeder weiß, daß unsere vitalen Interessen über den NATO-Vertrag hinausreichen" und, "unsere Verbündeten weltweit Verantwortung übernommen haben", "rechtfertigt nichts die expansive Politik Moskaus, die zur Invasion Afghanistans geführt hat und die auch dem polnischen Volk seine Entscheidungsfreiheit beschränkt". Die Entlarvung des Hauptfeinds braucht keine Belege für die weltweite "Expansion" der Sowjetunion - das eigene Interesse, ihn auf der Welt nicht dulden zu wollen, ist sein moralisches Todesurteil. Ein Urteil, das sich durch nichts revidieren läßt:
"Wir messen den Willen der Verantwortlichen in der Sowjetunion zur Zusammenarbeit an ihrer Bereitschaft, zum Abbau und zur Beseitigung aller Belastungen konkret beizutragen. Zu diesen Belastungen gehört auch, daß die Sowjetunion Außenpolitik auf zwei Ebenen betreibt, Ebenen, die sich wechselseitig ausschließen. Wenn die sowjetische Führung gleichzeitig den weltrevolutionären Kampf gegen die freie Welt führen will, sind stabile Beziehungen nicht möglich."
Der "weltrevolutionäre Kampf", den die Sowjetunion nirgendwo führt, ist der fiktive Maßstab, an dem ihre kontinuierlich defensiveren Verhandlungsangebote gemessen und für zu gering befunden werden. Gemessen wird die Sowjetunion an dem von ihr verlangten Willen zur Selbstaufgabe - und im Namen ihres "Versagens" an diesem totalen Anspruch des Westens werden ihr die "stabilen Beziehungen" zum Westen als politisches Erpressungsmittel aufgemacht. Im Namen der "von, der Sowjetunion unterdrückten Völker", die "unsere Anteilnahme" verdienen -
"Das Schicksal des polnischen Volkes läßt uns nicht gleichgültig. Gerade in diesen Stunden und Tagen empfinden wir dies in besonderer Weise. Wir wünschen, daß es dem polnischen Volk gelingt, zu einer nationalen Übereinstimmung zu finden und die gegenwärtige Krise zu überwinden, Ablauf und Folge des Besuches von Papst Paul Johannes II. werden dabei ein Maßstab des inneren Friedens sein." -,
im Namen der Menschenrechte und päpstlicher Westpolitik gegen den teuflischen Materialismus und Kommunismus wird der Anspruch auf das "Selbstbestimmungsrecht" östlicher Völker unter dem Diktat der Freiheit erhoben, die einen "inneren Frieden" schließen sollen, der vom Warschauer Pakt nicht mehr viel übrig läßt.
Im Namen der Freiheit und des Friedens führt Kohl an der Seite "unserer amerikanischen Freunde" einen Kampf gegen die Russen, der an den freien Völkern die westliche Definition des "Selbstbestimmungsrechts" exekutiert. Die idealistischen Appelle an gute Beziehungen, wechselseitige Hilfe und friedliche Krisenlösung, der demonstrative gute Wille in dieser Hinsicht haben die Sicherheit zur Grundlage, daß die amerikanische Macht mit "unserer" Unterstützung schon dafür sorgt, daß überall auf der Welt die Ordnung herrscht, die dem Westen genehm ist. Konflikte werden sowieso dem Osten in die Schuhe geschoben, entsprechend radikal sehen die westlichen Lösungen aus. Der deutsche Imperialismus gilt weiter als nicht direkt beteiligt. Deshalb leistet er sich den Luxus, im sicheren Wissen um die gewaltsame 'Lösung', so zu tun, als sei er der Anwalt von Frieden und Völkerverständigung. Man merke auf, was tatsächlich dort überall passiert!
- In Lateinamerika:
"Unsere geschichtlichen engen Verbindungen mit Lateinamerika werden wir besonders pflegen. Die Bundesregierung setzt sich für die Überwindung von Krisenursachen in Zentralamerika durch wirtschaftliche und soziale Reformen auf der Grundlage eines wirklichen demokratischen Pluralismus ein."
Für demokratischen Pluralismus abgeschlachtetei Völker in El Salvador und Nicaragua - In der "Dritten Welt" überhaupt:
"Viele Entwicklungsländer sind auf unsere Mithilfe angewiesen. Auch für uns sind Entwicklungsländer längst unentbehrliche Partner. Viele haben sich in schwierigen Zeiten als unsere Freunde erwiesen. Sie können damit rechnen, daß auch wir sie als unsere Freunde unterstützen. Wir werden den Ländern der Dritten Welt helfen, die Erfindungskraft und Dynamik zu entfalten."
- In Südafrika, immer schon Hort freiheitlicher Prinzipien, wichtiger Handelspartner und von geostrategischer Bedeutung:
"Im südlichen Afrika unterstützt die Bündesregierung einen gerechten Interessenausgleich. Sie tritt für die Überwindung der Apartheid und das friedliche Zusammenleben aller Südafrikaner ein."
- In Indien und Pakistan, wo wegen der Nähe zu Afghanistan Frieden und Selbstbestimmung als Stabilität buchstabiert werden:
"Im Interesse von Frieden und Stabilität begrüßen wir die Schritte Indiens und Pakistans, historische Belastungen Verhältnis zueinander abzubauen."
- in China, ehemals kommunistisches Teufelsregime, inzwischen zum Russenfeind avanciert:
"China ist ein wichtiger Faktor der Weltpolitik. Wir werden das zu berücksichtigen haben."
Deutsche Friedenspolitik, das ist "der richtige Weg, den die Koalition der Mitte geht".
Im sicheren Wissen um die Durchschlagskraft deutschen Interesses in der Welt mit der Schlagkraft und Macht des gemeinsamen Bündnisses leistet sich der Kanzler den Zynismus, das eigene weltpolitische Interesse in die Form von lauter selbstlosen Idealen der weltpolitischen Abhängigkeit zu kleiden. Die Toten und Schlächtereien müssen da doch der Verletzung der Ideale geschuldet sein, wofür der Verursacher als bekannt unterstellt wird.
Menschenfreundliche Außenpolitik - innerdeutsch
Der imperialistische Anspruch der BRD auf Wiedervereinigung, den sie seit ihrer Gründung vertritt. "Unsere Brüder und Schwestern im Osten" verlangen seit eh und je und insbesondere seit der direkten politisch-militärischen Kriegserklärung des Westens nach Wiedervereinigung. Kohls offizielle Wertschätzung der "großartigen Leistung der Vertriebenen, daß der Revanchismus in Deutschland keinen Boden fand" -
"Bereits in ihrer Charta von Stuttgart im Jahre 1950 haben die Vertriebenen feierlich den Gewaltverzicht erklärt mit den Worten (!): Wir verzichten auf Rache und Vergeltung. Wir unterstützen jedes Beginnen, das auf die Schaffung eines geeinten Europas gerichtet ist!" -
ist das Lob der eigenen Politik, die die Wiedervereinigung nicht kleinlichen Gesichtspunkten von "Rache und Vergeltung" unterstellt, sondern sehr prinzipiell und mit Staatsgewalt das Recht der BRD gegenüber einem "Unrechtsstaat" behauptet. Jeder DDR-Bürger, wie national er immer zu dem Staat stehen mag, der seiner ist, und dem er als solchem, nicht anders als demokratische Untertanen, zustimmt, ist ein "Vertriebener":
"Wir Europäer, wir Polen, Tschechen, Slowaken, Ungarn und Deutsche brauchen eine Friedensordnung, die unsere Menschenrechte und unser Selbstbestimmungsrecht garantiert."
"Die Menschen in den beiden Staaten in Deutschland halten an der Zugehörigkeit zu Deutschland und an ihrem Selbstverständnis als Deutsche fest. Für uns gibt es nur eine deutsche Staatsangehörigkeit. Wir bürgern niemanden aus",
sondern alle Deutschen ein. Das Programm der "friedlichen Wiedervereinigung", hat 1983 die Mittel und damit die Wucht, einen harmlosen Herztoten zum Anlaß für nationale Schritte erklären zu können, die den "menschlichen Erleichterungen" alle Illusionen nehmen, welche mit ihnen vorgegaukelt wurden. Der deutsche Osten gehört zum Selbstbestimmungsrecht des deutschen Volks in Gestalt seines Kanzlers. Für diese Freiheit, auf deutsch definiert, hat man in Bonn doch längst sich dagegen versichert, daß Wiedervereinigung kein Deckchensticken ist. Zu was wäre auch eine im Ernstfall sofort zwei Millionen starke Armee in der NATO sonst da! Auf den Krieg wird deshalb nicht wie drüben psychologisch vorbereitet!
"Wir wollen keine Wehrerziehung, aber wir brauchen eine realistische Darstellung der Notwendigkeit unserer Sicherheitspolitik und unserer Verteidigungsbereitschaft auch in unseren Schulen."
Wehrerziehung "realistisch", Krieg als einkalkuliertes "Risiko" des Siegeszugs der Freiheit - das stellt den Osten in den Schatten, der die Notwendigkeit der Gegenwehr gegen die reale Bedrohung durch die westliche Weltherrschaft "propagiert".
Und mit "gegenseitig vorteilhaften und ausgewogenen Wirtschaftsbeziehungen" wird der Kampf gegen den Osten im "Frieden" geführt:
"Wir sind uns mit allen unseren Bündnispartnern einig, daß solche Beziehungen wichtiger Faktor des Ost-West-Dialogs sind. Entscheidend als Voraussetzung bleibt aber - und ich will dies deutlich sagen -, daß unser Handel in vollem Einklang mit unseren Sicherheitsinteressen steht."
Während so für die Verschuldung osteuropäischer Staaten einschließlich der DDR und den Export von billigen Gütetn in den Westen gesorgt ist, die der heuchlerisch beklagten "notleidenden Bevölkerung im Osten" vorenthalten werden; während die westliche Aufrüstung den östlichen Staaten die Notwendigkeit des Mitziehens aufnötigt, was Abzug vom Lebensunterhalt der Bevölkerung darstellt, werden der DDR auf der Grundlage der militärischen und ökonomischen Macht des Westens um der "gutnachbarlichen Beziehungen" willen "menschliche Erleichterungen" aufdiktiert, insbesondere die Pflicht, mehr Deutsche in ihre deutsche Heimat im Westen zu entlassen.
Der "Aufstieg der Deutschen aus der moralischen Katastrophe" läßt nichts zu wünschen übrig. Nichts ist menschengemäßer als demokratische Herrschaft; auf nichts hat der Mensch hüben und drüben ein höheres Menschenrecht als auf Gewalthaber, die ihm das Menschenrecht zugestehen, ihr zugehören zu dürfen. Deswegen liegt die Menschenwürde, des Deutschen drüben im Recht auf Wiedervereinigung. Und der hiesige Deutsche, der der richtigen Gewalt untersteht, hat ganz freiwillig dankbar zu sein für das Zugeständnis demokratischer Gewalthaber an ihn, ganz freiwillig dankbar sein zu dürfen: Deshalb bewährt sich seine Würde logischerweise in der Pflicht, sich zum dienstbaren Knecht und im Ernstfall zur lebenden Waffe unter dem Kommando seiner menschenberechtigten Herrschaft zu machen. Daß die so aussieht wie Kohl, macht sie nicht lächerlich, sondern beweist, daß es für erfolgreiche Herrschaft eben gar nicht auf die Geschmacksurteile eingebildeter, selbstbewußter Untertanen ankommt - sondern auf Untertanen. Das hat ihnen der Kanzler gerade erklärt.