Info

Dieser Artikel ist in der MSZ 3-1983 erschienen.

Kirche, Papst und Krieg
DER GOTT DER NATO IST AUCH FÜR FRIEDEN

Die römischen Bischöfe in der BRD und in den USA sind den Kriegsherrn der NATO mit Briefen moralisch in die Flanke gesprungen. Moralische Kriterien, geschöpft aus dem Evangelium und päpstlichen Enzykliken, sollen klären, unter welchen Voraussetzungen der Staat ausdrücklich töten darf. Dies begrüßen christliche Staatsmänner im Prinzip. Kritik wird nur an der US-Version katholischer Kriegsethik laut, insofern das Hirtenwort alternative Rüstungsvorschläge zur Pentagon-Planung enthält.

"Gottes Stimme auf Erden ist die streitbare Kirche." (Shaw, Saint Joan)

Wie gut, daß die Zeiten vorbei sind, da die Kirche Jesu Christi noch selbst über Waffen und Soldaten verfügte, um damit - nach eingehender theologischer Prüfung und genauer Exegese der Heiligen Schrift - blutige Kreuzzüge, also "gerechte Kriege" abzuwickeln! Oder die Zeiten, da weltliche Macht und das Reich des Heiligen Geistes so innig einander verbunden waren, daß der gesalbte Bischof des Herrn seine Opfer nur der weltlichen Gewalt zu übergeben brauchte, damit diese sie dann um die Ecke brachte. Auch kirchliche Segnungen von Soldaten und Waffen für Führer und Vaterland kommen heute fast gar nicht mehr vor in den zivilisierten Ländern. Heute kümmert sich Gottes Reich auf Erden allein noch um die Seelen seiner Schafe; der Anspruch, mit der "weltlichen Herrschaft" zu konkurrieren, gehört dem "finsteren Mittelalter" an und die geistigen Herrschaften kämpfen nur noch mit dem Geist Jesu Christi an der Front des Glaubens dafür, daß die Botschaft der Bergpredigt zu aller Menschen Segen beherzigt werde, ohne den Druck der Politik dafür zu benutzen. In den zivilisierten Christennationen sind heute Kirche und Staat so einvernehmlich und total voneinander getrennt, daß nicht nur gute Christen daneben auch noch verantwortungsvolle Politiker sein können. Es kommt sogar vor, daß Bischöfe sowie andere Kirchenführer der Politik moralisch auf die Finger klopfen und die erste Frage an ihre weltlichen Herren stellen: "Ob Du das tun darfst?" Schließlich soll die Politik mit ihrem Segen ausgestattet sein und der Christenmensch guten Gewissens gehorchen.

Wo selbst vom Wort Gottes erleuchtete Episkopaten nicht umhin können festzustellen, daß es mal wieder auf Krieg zugeht, laufen diese geistigen Retter der Menschheit zu besonderer Form auf: Sie werden sogar hin und wieder zu idealen Systemkritikern, während die Politiker in Anerkennung der Getrenntheit ihrer pragmatischen Sphäre von der Ebene der christlichen Moral - die der Jesus wertneutral gestiftet hat - diese ehrwürdige Haltung ehrfürchtig akzeptieren. Zum Beispiel hat der Papst vor seinem Besuch in Guatemala um die Begnadigung mehrerer Todeskandidaten gebetet - zumindest um Aufschub der Exekution - und ist nach erfolgreicher Hinrichtung doch zum Staatsbesuch angetreten, was als Beweis für die rein seelsorgerische Mission der Kirche gelten darf. - Derselbe radikale Abgesandte der christlichen Nächstenliebe, der in Polen das Volk gegen das ... System in Schutz nimmt, ist in Nicaragua sehr ungehalten darüber, daß Volksmassen, die gerade ein diktatorisches System vertrieben haben, gegen seine päpstliche Botschaft der Gewaltlosigkeit und einzig legitimen Kirchenhierarchie den ketzerischen Ausruf für ihre Volkskirchenbewegung wagen: "Alle Macht dem Volke"! Auch das beweist wieder den zutiefst neutralistischen Standpunkt Jesu Christi und seiner Nachfolger, die sich nur um das geistliche Wohl der Ebenbilder Gottes kümmern (besonders, wenn Not und Tod die Perspektive dieser Ebenbilder sind), weil ihnen der Charakter der politischen Systeme vor der Allmacht der göttlichen Liebe als völlig gleichgültig erscheint - jedenfalls wenn sie sich zu Gott und dem obersten Gebot der Ächtung antichristlicher Herrschaften bekennen. Andersherum ist der demokratischen Politik die absolute Wahrheit der christlichen Botschaft so selbstverständlich, daß die Reagan-Administration gegen ein Hirtenwort der amerikanischen Bischöfe beim Papst interveniert, während die aus derselben Bergpredigt geborene Hirtenpredigt der deutschen Bischöfe vom Kanzler Kohl voll und ganz begrüßt wird. Eigenartigerweise wird daraus kein Ketzerprozeß, weder gegen die amerikanischen Bischöfe, noch gegen die deutschen; weder gegen Reagan, noch gegen Kohl. Wenn das nicht am System liegt, das der alte Jesus von Nazareth geahnt haben muß, als er den dazu passenden Glauben erfand!

Gottes Stimme in Amerika - von der Kirche moralisch eingefroren

"Seit den Tagen, als Christen in der römischen Armee dienten, hat die Kirche ihren Völkern bei der Entscheidung geholfen, wann es zu kämpfen und wann die Waffen niederzulegen gilt, wann der Staat gerecht handelt und wann er Unrecht begeht." (Verteidigungsminister Weinberger zum amerikanischen Hirtenbrief)

Die Rolle der Kirche im freien Westen steht ohne ein extra Dogma aus Rom ein für allemal fest: Sie hat die Tugenden der braven Staatsbürger zu pflegen - im Namen Gottes natürlich -, die Ideale des demokratischen Staatswesens hochzuhalten - im Geiste der Bibel -; sie hat also die Taten der Politik und die ziemliche Unterwerfung unter sie mit den Geboten christlicher Moral zu unterstützen. Das bereitet ihr keine Schwierigkeiten und sie tut es gern, weiß sie doch, daß darin das Reich Gottes auf Erden seinen sicheren Bestand hat. Ebenso gern bedienen sich die verantwortlichen Politiker der christlichen Grundsätze und abendländischen Werte für die Propaganda. Sie betonen immer wieder, daß ihre Handlungen diesen moralischen Grundsätzen folgen, natürlich nicht, ohne darauf hinzuweisen, daß ihnen kein Gott und kein sittliches Gebot die realpolitische Entscheidung im "konkreten Fall" abnehmen kann. Gleichzeitig beanspruchen sie für sich das Recht, sich auf christliche Gebote zu berufen, wo es ihnen in den Kram paßt, und wollen umgekehrt auf der Diskrepanz des "harten Alltags" zu den christlichen Idealen bestehen, wenn sie sich an den Geboten gerade einmal nicht messen lassen wollen. Dann gibt es für sie nur ein christliches Gebot: das des christlichen Gehorsams eines jeden Untertan gegenüber seinem politischen Herrn. Derselbe Politiker, der vorher Nächstenliebe und christliches Friedensgebot als Kronzeugen seiner verantwortungsvollen Politik angerufen hat, erklärt dann ebenso im gegebenen Falle christliche Ideale zu einer Gesinnung des Einzelnen, die bei dem ganz gut wäre, die Politik aber keineswegs leiten könnte.

In den USA wagen es die katholischeri Bischöfe, ohne daß sie damit auch nur im geringsten ihr Vaterland (an den Teufel des...) verraten wollten, die Botschaft der Bergpredigt so ernst zu nehmen, daß sie sie nicht gleich wieder an den Interessen der Nation relativieren, sondern der Politik Vorhaltungen machen:

"Wir können uns keine Situation vorstellen, in der der absichtliche Beginn eines nuklearen Kriegs, so beschränkt im Ausmaß er auch sein möge, moralisch gerechtfertigt wäre. Nichtnuklearen Angriffen seitens eines anderen Staates muß durch andere als nukleare Mittel widerstanden werden ... Für uns gibt es für die moralische Verantwortung, einen nuklearen Krieg zu beginnen, keine rationale politische Rechtfertigung."

Mag auch die Kritik nurmehr aus der tödlichen Massenwirkung von Atomwaffen geboren sein und sich nicht überhaupt gegen die kriegerische "Verteidigung" der Nation richten, geschweige denn gegen den maßlosen Anspruch der Weltmacht auf ungehinderte Benutzung aller Welt als Grund für die selbstverständliche Kalkulation mit der Zerstörung von Land und Leuten Elaheim und anderswo - die Wahl der Mittel in der amerikanischen Militärstrategie für unsittlich zu erklären, befindet die Regierung in Washington als unziemliche kirchliche Einmischung in ihre politische Handlungsfreiheit. Die Forderung nach "Stop" der nuklearen Aufrüstung und die Ablehnung des Ersteinsatzes von Atomwaffen paßt nicht zur Rüstungspropaganda der Regierung; die Schuldzuweisung unmenschenrechtlicher Praktiken gar geht an die völlig falsche Adresse, mag sie auch noch so abgeschwächt sein -

"Unsere Regierung hat zeitweise (!) im Namen der Freiheit repressive Regierungen unterstützt, hat verabscheuungswürdige heimliche Operationen ausgeführt und bleibt unvollkommen (!!) in der innenpolitischen Aufgabe, gleiches Recht für alle zu sichern."

Der Aufruf schließlich zu "klarem, öffentlichem Widerstand" gegen die "These von einem gewinnbaren Nuklearkrieg" - das grenzt schon fast an geistige Sabotage der ideologischen Regierungsgebote. Also alles für das State Department mehrmals Grund genug, diese christliche Sicht der katholischen Gottesmänner als "völlige Fehlinterpretation" der amerikanischen Friedenspolitik empört zurückzuweisen! Obwohl die amerikanische Friedenspolitik aus der Position der Stärke heraus ihre Anstrengungen, den Feldzug gegen den Osten mit einem siegreichen Schlag gegen "das Reich des Bösen" vollenden zu können, sich am allerwenigsten von moralischen Maximen leiten läßt - die Weltmacht Nr. 1 ist sich da 'Argument' genug -, will sie diesen gewaltsamen Anspruch auch noch als moralisches Recht gewertet wissen und den kirchlichen Segen nicht ausgerechnet der "Freeze"-Opposition im Repräsentantenhaus zuteil werden lassen. Der rechte Mann für solche Glaubensstreitigkeiten, Reagans Sicherheitsberater William Clark, schaltet sich ein, wohl weil er weiß, daß Kirchenpolitik auch zur Botschaft der Bergpredigt gebört. Einen "brillanten politisch-theologisch-nationalen Brief" verfaßt er, ruft den Papst theoretisch und diplomatisch als Zeugen an (der Papst aus Polen ist natürlich nicht grundsätzlich gegen Kernwaffen, dazu ist er ein zu guter polnischer Christ) und beweist nach allen Regeln der Sicherheitspolitik, daß sich die "Verteidigungspolitik" genannte Offensive der USA gegen den Kommunismus "von moralischen Erwägungen leiten" lasse. Dies stimmt insofern, als das Recht des Stärkeren immer auch seinen sittlichen Anspruch findet, wofür man nicht im Alten Testament nachschlagen muß und nicht wie bei der Gewissensprüfung für Wehrdienstverweigerer die Bergpredigt - die Sache mit dei Feindesliebe - ins Verhältnis zur vergewaltigten Schwester zu setzen braucht, die doch wobl Nächstenliebe mit der Waffe verlangt. Da die Bischöfe nun trotzdem an ihrer kritischen Position festhalten, geht die Regierung der neuen freien Welt dazu über, die Zurückweisung der moralischen Fehlinterpretation zu wiederholen und dann zu demonstrieren, wie scheißegal ihr die ernsten moralischen Bedenken der Kirchenmänner sind: Als "Beitrag zu der komplexen Diskussion, der man sich als Volk und Regierung stellen müsse", werden sie abgekanzelt. Verteidigungsminister Weinberger höchstpersönlich beweist in einer öffentlichen Rede haarklein, daß alle kritischen Friedensdogmen des Hirtenbriefes haargenau auf Reagans Rüstungsprogramm hinauslaufen:

Erstens - siehe Motto - hat die Regierung sich schon immer der "Hilfe der Militärbischöfe und Militärkapläne" erfreut und kann sich auf "His Holiness, Pope John Paul Two", berufen, der haargenau wie Weinberger "das Recht und sogar die Pflicht" betont" "seine Existenz und seine Freiheit mit angemessenen Mitteln gegen eine ungerechte Aggression zu schützen". Bleibt also nur noch nachzuweisen, daß eine solche Aggression vorliegt und immer mehr Atomraketen genau das angemessene Mittel sind, sich zu "schützen". Dieser Nachweis kann sich darauf berufen, daß auch für die Bischöfe Existenz dasselbe wie Staat und Freiheit dasselbe wie Demokratie ist, für deren Verteidigung das Volk mit seiner Existenz geradezustehen hat. Der Nachweis von Weinberger fällt deshalb ebenso leicht wie zynisch aus.

Zweitens nämlich - was die Mittel angeht - entspricht die "Abschreckung" mit immer mehr und immer schlagkräftigeren Atomraketen genau der Forderung des Hirtenbriefes nach einer "Grundeinstellung gegen den Krieg und für eine friedliche Einigung durch Gespräche". Schließlich verstehen die Russen nur die Sprache der Gewalt, die man selber sprechen will. Außerdem ist die Atomstreitmacht "gegen die furchtbare konventionelle Streitmacht der SU" das Angemessenste, weil auch ein konventioneller Krieg Millionen Tote kostet und ein "alternatives Verteidigungskonzept" mit konventionellen Mitteln "einen viel größeren Verteidigungshaushalt und viel mehr Mann unter Waffen" erfordern würde. So gesehen ist der totale Erstschlag die billigste, sozialste und schonendste Kriegsführung! Ferner - die Reagansche 'Enthauptungsstrategie' gegen die russische Führung und ihre Kriegsmittel paßt da blendend zu den feinen Kirchenunterschieden zwischen notwendigen und unschuldigen also unmoralischen Kriegsopfern - sind die zielsichersten Raketen die bischöflichsten: Nur "moderne und treffsichere Waffen" erlauben "Vergeltungsschläge gegen militärische Ziele". "Wäre es etwa ethischer, sich nur auf weniger treffsichere Waffen zu beschränken, die ausschließlich Bevölkerungszentren angreifen können " - hält der politische Moralheuchfer den Kirchenpolitikern entgegen, so als ob die Waffen über ihren Einsatz entscheiden und die Pershings zum Schutz der Zivilbevölkerung gegen den Krieg entwickelt worden wären, in dem ihr millionenfacher Tod einkalkuliert ist.

Drittens - und dagegen darf doch ein am freien Wirken der Kirche interessierter Bischof nun wirklich niehts mehr einwenden - ist die SU "ein Regime, das ausdrücklich die Gebote und die Liebe Gottes verwirft", also der ungerechte Aggressor, was man an ihrer Rüstung sieht. Also ist die eigene Rüstung im Reagan-Format - das sollen sich die katholischen Hirten in ihre nationalen Gebetbücher schreiben - "eine Strategie für einen reicheren Frieden: einen Frieden in Freiheit, in Gerechtigkeit und mit der Freiheit, den Geboten Gottes zu folgen und unserer Vernunft".

Die moralische Vernunft und alle 10 Gebote verlangen also nach amerikanischen Rüstungsbilliarden und der Vernichtung der SU, denn "Friede ist das Ziel der US-Nuklearstrategie" schmettert Weinberger den Bischöfen entgegen - nicht zu Unrecht: Es führt ja keiner so oft Gott und alle seine westlichen Werte im Mund wie sein demokratischer Oberstellvertreter Reagan, wenn er wieder eine weitere kriegsträchtige Maßnahme zur Befriedung des Welt-"terrorismus" verkündet; und es handelt sich eben andererseits bei der Kritik im Namen Gottes um Einwände gegen die politische Realisierung der gemeinsamen Ideale von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit und Völkerfreundschaft, und nicht um ein Kampfprogramm, das den Verantwortlichen des "moralisch nicht zu rechtfertigenden" Kriegsprogramms die Entscheidungsbefugnis entziehen will. - "Wir sprechen als Seelsorger, nicht als Politiker." So wird am Gott der Amerikaner der Dritte Weltkrieg nicht scheitern.

Der Gott der Amis wohnt eigentlich in Bonn

Trotzdem erregt die Differenz der amerikanischen Bischöfe zur Militärstrategie ihrer Machthaber - "größter Zusammenprall zwischen Religion und Politik in der Geschichte der USA" - weltweit die Gemüter des freien Westens. Es ist nämlich noch gar nicht ausgemacht (es sei denn die Opposition in den USA wie in der BRD benutzt das Hirtenwort), ob der liebe Gott in Gestalt seiner amerikanischen Nachdenker hinter dem Großen Teich nicht eigentlich auf Abwege geraten ist, die mit seinem Heiligen Geist und seiner Bibel kaum vereinbar sein könnten. Und siehe da, in der abendländischen Bundesrepublik laufen die nationalen Wege Gottes ganz anders, nämlich ziemlich nach der politischen Bibel von Reagan, Weinberger u. Co. Vielleicht ist der Gott der Deutschen doch die exaktere Exegese des Neuen Testaments! Eine Zeitung am Bonner Hauptwohnsitz der westdeutschen Regierung, die "Bonner Welt", will nach eingehender Prüfung der Sprüche Salomons entdeckt haben, daß die amerikanischen Bischöfe sich in eine "geistige Isolation" begeben hätten (das, wo sie so bekannt geworden sind!), weil sie "keinen Beitrag zur moralischen Aufgabe der Verteidigung" geleistet hätten. Anstatt, so die theologische Weitsicht dieses Weltblattes, alle Waffen unter dem Gesichtspunkt der Brauchbarkeit für den nationalen Erfolg abzusegnen, begehe die amerikanische Kirche einen untröstlichen Fehler: "Sie schaut auf das Ding an sich, die Atombombe." Zwei Männer der politischen Praxis, der ehemalige Verteidigungsminister Georg Leber (SPD) und Staatsminister Alois Mertes (CDU), komplettieren die Kritik an dieser einseitigen Sicht der Dinge in Übersee, ohne den Fehler zu machen, allzu plump geradewegs den lieben Gott für das nationale Interesse der BRD in der NATO gegen den Osten zu vereinnahmen. Dazu sind diese guten Christen mit politischer Erfahrung zu clever Erst einmal betonen sie, däß sie - gemäß christlicher Botschaft - gegen Russen eigentlich überhaupt nichts haben -

"Der Feststellung des Entwurfs des Hirtenbriefes, das sowjetische Volk und seine Führer seien 'Menschen, die nach dem Ebenbild Gottes geschaffen sind', stimmen wir als Christen gern und nachdrücklich, zu." -,

um sogleich feststellen zu können, daß diese Asiaten "Ebenbilder" von besonders teuflischer Art sind:

"Wir sind verpflichtet (gegenüber wem eigentlich?) zu einer nüchternen Analyse der revolutionären und expansiven Ziele, zu denen sich die Führung der Sowjetunion nach wie vor offen bekennt."

Wie gut, daß der dreieinige Gott das christliche Gewissen zugelassen hat. Mit diesem keineswegs als 'Ding an sich' zu bezeichnenden Aspekt zweier guter deutscher Christen läßt sich eine Menge anfangen. Denn erstens ist das Gewissen ein bestimmtes und fällt nicht einfach so überall - hin. Der Gott des Westens achtet, bei aller Besonderheit, die er dem persönlichen Gewissen zubilligt, auf die Werte und deren Örtlichkeiten:

"Ein Hirtenbrief amerikanischer Bischöfe, dessen politische Schlußfolgerungen im Ergebnis Krieg und Unterwerfung in Europa wahrscheinlicher machen, stellt eine Herausforderung an unser christliches Gewissen dar."

Zweitens darf kein Gewissen so überheblich sein, sich über die - deutschen - Umstände erheben zu wollen. Es muß doch wissen, daß es harte politische Fakten = Absichten gibt; die es interessiert zu verfolgen und moralisch zu untermauern hat.

"Der 2. Entwurf (des amerikanischen Hirtenbriefes) trägt weder allen (?) relevanten moralischen Kriterien, noch allen relevanten politisch-strategischen Tatsachen gebührend Rechnung, er stellt vielmehr bisher die Ethik (!) und die Fakten (!) selektiv dar."

Drittens ist damit die neutrale Selektion dieser zwei guten deutschen Gewissen (über alle Parteien hinweg) soweit geläutert, daß der Gott der NATO und des westdeutschen Antikommunismus seine helle Freude ob dieser Beweisführung haben muß:

"Nach unserem besten Wissen und Gewissen ist (!) die voraussehbare Konsequenz des Verzichts auf die Option des defensiven Ersteinsatzes amerikanischer Kernwaffen mit der christlichen Ethik nicht verelnbar, weil sie den Frieden in Freiheit gefährdet, hingegen einen Frieden der Selbstunterwerfung begünstigt, in dem dann wohl auch die Verkündigung der christlichen Botschaft verhindert oder unterdrückt wird."

Mit letzterem wird die ach so unabhängige christliche Moral sehr praktisch an ihren kirchenpolitischen Egoismus erinnert, weil Realpolitiker in Kenntnis ihrer Kirche der Kinder Göttes darin ein wesentlich härteres Argument erblicken, als es die Sache mit dem Ebenbild oder der Bergpredigt jemals sein könnte.

So mag es niemand als Wunder oder gläubige Verirrung nehmen, wenn deutsche Katholiken an vorderster Front das ganze christliche Gewissen - und was man so von ihm denkt - total auf den Kopf stellen. Plötzlich geraten die zutiefst christlich-moralischen Bischöfe der USA zu Mechanikern der Militärstrategie, denen der Mensch, die Ethik und der homo politicus abgeht:

"Diese Vorschläge (der Ami-Bischöfe) sind technisch-militärischen Charakters, sie (ausgerechnet sie) verkennen die anthropologische, ethische und damit (!) politische Natur des Gesamtproblems."

Gottseidank haben deutsche Politiker im eigenen Land kein solches Problem, das sie zu einer dringenden Anfrage beim Papst in Rom nötigen würde. Die deutschen Bischöfe sind so geschult in christlicher Theorie und nationalkatholischer Praxis, daß sie keinen Zweifel daran lassen, wem ihre Ehre gebührt.

Die deutschen Bischöfe sind okay!

Dem Hirtenwort der deutschen katholischen Oberhirten wird von allen Seiten ungeteiltes Lob gespendet. Auch die Regierung der Wende; die mit ihrem "Programm der Erneuerung" in tiefer Freundschaft zum amerikanischen Bruder das NATO-Vorkriegsprogramm in Westdeutschland durchzieht, begrüßt die Botschaft der Bischöfe, weil sie von "hoher theologischer und ethisch-moralischer Warte" das Sterben für die Freiheit für gerechtfertigt erklärt, den Hauptfeind eines solchen Krieges ausmacht und die "moralische Rechtfertigung militärischen Dienens offen darlegt" ( Stellungsnahme der Bundesregierung). Deutschlands Bischöfen bereitet es keine theologischen Schwierigkeiten und keine christlichen Gewissensbisse, zwei Herren zu dienen, wobei der eine ziemlich handfest in Bonn sitzt, während der andere zur Segnung des ersten heranzitiert wird. Ob es Eulen nach Athen tragen heißt, wenn die Bergpredigt in die Bundeshauptstadt transportiert wird, mag der Heilige Geist selbst entscheiden. Jedenfalls läßt sie sich gut in den Farben des freien Westens malen. Sehr konsequent darin die deutschen Hirten, deren Chef Kardinal Höffner geradezu die Verkörperung dieser nationalen katholischen Friedensidee im Rahmen der NATO darstellt: Die durch Hand und Stimme untermalte schräge Kopfgebärde dieses gesalbten Mannes hat ihren Grund wohl nicht nur in der dauernden Schau gen Himmel, sondern ebenso darin, daß dieser Mensch gleichzeitig - aus tiefster überzeugung im Geiste des Herrn - auf die Herren dieser Welt schielt. Die Bergpredigt spricht folgendermaßen durch seine und die Stimme seiner Mitstreiter für das Seelenheil der Menschheit:

"...sehen wir uns vor allem... zwei drohenden Gefahren gegenüber: Der Bedrohung der Freiheit von Nationen (!) und deren Bürgern durch totalitäre Systeme, die in ihrem Herrschaftsbereich elementare Menschenrechte außer acht lassen und die außerdem versucht sein könnten, ihre Macht zur Expansdion oder zur politischen Einflußnahme und Erpressung zu nutzen; zum anderen der Bedrohung durch eine Rüstungseskalation mit einer ungeheuren Anhäufung nuklearer und konventioneller Waffen, die eines Tages, wie viele fürchten, in die Katastrophe führen. Beiden Gefahren ist gleichzeitig zu begegnen, und zwar vor allem mit politischen Mitteln."

Zwei Gefahren stellt die deutsche Geistlichkeit in eigenartiger Weise nebeneinander. Mit der ersten hat man ein Subjekt vor sich, den - wen wundert's - Hauptfeind. Bei der zweiten sucht man den Verursacher ( der "Rüstungseskalation") vergeblich. Und beiden soll gleichermaßen begegnet werden? Gar mit unmilitärischen Mitteln? Da kommt doch wohl heraus, daß Gefahr 1 wegen ihrer so beschriebenen Qualität kraftvolle Wachsamkeit verlangt, während Gefahr 2, das eigentliche Mittel gegen Gefahr 1 - Eskalationen rüsten ja bekanntlich nicht auf - mit der geltenden Ideologie versehen wird, daß keiner außer dem Osten etwas dafür könne und daß jeder am liebsten abrüsten würde, wenn er so zum Erfolg gegen den Osten käme. Aber der hat Waffen.

Kommt auch heraus! Die Lüge von der ständigen Bedrohung durch den Kommunismus hält bei diesen ehrlichen Kirchenvätern mal wieder dazu her, die Notwendigkeit von "gerechten Kriegen" abzuleiten, während demgegenüber die "Leninistische Doktrin" von einem ebenso gerechten Krieg für eine teuflische Anmaßung erklärt wird. "Gegenüber der anhaltenden Bedrohung durch totalitäre Systeme bleibt der Bürger zur Verteidigung eines Friedens aufgerufen, der durch die Achtung der Menschenwürde und durch konkrete Freiheiten bestimmt wird. ...

...kann diese Verteidigung einstweilen auch auf einen militärischen Beitrag - nicht verzichten."

"Einstweilen", als wenn ein Bischof darauf vertraute, seinen und der Nation Gegner per Diskussion überzeugen zu können. Nein, hier wird ganz billig die Ideologie der NATO übernommen, daß alle Rüstungsanstrengungen nur der Kriegsverhütung dienen, um daraus den moralischen Appell zu verfertigen, daß alle Aufrüstung und die Wahl ihrer Mittel auch diesem ideellen Ziel dienen müßten. So kommt großes Verständnis auf bei.den Propagandisten der Nächsten- und Gottesliebe für "Abschreckung ", die logisch dann am besten klappt, wenn man dem Gegner mit so viel Waffen kommen kann, daß dieser notgedrungen stillhält.

Die Verteidiger des Friedens in Freiheit sind so frech, "Überlegenheitsstreben" moralisch abzulehnen, nur solche militärischen Mittel zulassen- zü wollen, wie sie "zum Zwecke der an Kriegsverhütung orientierten Abschreckung gerade noch (600 Mittelstreckenraketen?) erforderlich sind", daneben in Gestalt von Höffner mit sorgenzerfurchter Miene im Fernsehen die Galgenfrist zu beschwören, die der "Menschheit" noch zur Ein- und Umkehr gegeben ist, sich dann heuchlerisch in den tröstlichen und im nachhinein immer feststehenden "Willen Gottes" zu ergeben (der hat nach seinem unergründlichen Ratschluß Politiker bekanntlich schon in zwei Weltkriege und mehr "hineinschlittern" lassen!) und zugleich dem wahren Kern der Ideologie der friedensstiftenden Abschreckung zu huldigen:

"Eine Massenvernichtung anzudrohen, die man nie vollziehen darf - eine moralisch (?) unerträgliche Vorstellung - wird zum Zweck der Kriegsverhütung als besonders wirksam angesehen. Diese ungeheuerliche Spannung (!) ist nur hinzunehmen, wenn die gesamte Sicherheitspolitik auf das Ziel der Kriegsverhütung ausgerichtet ist..."

Dieses friedensstiftende Ideal trägt noch jeder westliche Politiker vor sich her, während er gerade mal wieder aufrüstet und abschreckt. Mehr wissen die katholischen Mahner auch nicht zu sagen. Von wegen "Krieg kann kein Mittel der Politik mehr sein"! Unsere Nachfolger Jesu teilen mit der Politik den Grund für Millionen Leichen, die Freiheit und den Hauptfeind, der nicht so will wie sie; sie akzeptieren die kriegerischen Mittel für die Behauptung und Ausweitung dieser "Gerechtigkeit", von ihnen auch "die höchsten Güter der Menschen" genannt - kein Zweifel, was sie damit meinen; sie setzen nurmehr hinzu, daß die NATO-Doktrin besser ohne Krieg erreicht werden möge - wer wollte das nicht.

Wo die aufgestellten Grundsätze, die wahrlich konkret genug sind, mit militär-politischen Entscheidungen vom Kaliber des Ersteinsatzes von Atomwaffen und der Nachrüstung in Europa konfrontiert werden, ziehen sich die Bischöfe mit ihrer falschen Bescheidenheit darauf zurück, daß ihre Botschaft nur allgemein moralischen Charakter besitze. Zur Frage des Ersteinsatzes von Atomwaffen hat man sich "bewußt nicht geäußert", zur Nachrüstung will man nicht mit Ja! oder Nein! Stellung nehmen, und hat so Stellung genommen: "Ich würde weder dem einen noch dem anderen einen Vorwurf machen." Denn die Regierung hat die Aufstellung längst entschieden. Dieser wollen die Oberhirten, die sich nur vom Geist Gottes leiten lassen, nicht in die Quere kommen.

Wo dabei die Theologie, die Bergpredigt geblieben ist? Nun, was Wörner ohne, kann Höffner auch mit dem lieben Jesulein (wobei sich beide gemäß dem Gebot der Nächstenliebe eindeutig entgegenkommen). Theologisch geschulte Exegeten der Heiligen Schrift, die vorher wissen, an was sie nachher glauben, bedienen sich sehr frei skeptischer Verfahren moderner Wissenschaft, um die eigene dogmatische Position zum Wohle der NATO und der freien Welt zu beweisen. Hätte Jesus heute gelebt, er hätte schon gemerkt, wohin der Hase läuft:

"Die Forderungen der Bergpredigt vertragen keine Ermäßigung auf Kosten der Absichten Jesu." - Nein? - "Aber was hat Jesus wirklich gewollt?"

Die Botschaft der Bergpredigt doch wohl, oder...! Mit dem Trick, daß der liebe Jesus pharisäerhafter Gesetzestreue widerstanden hätte, werden die Ideale seiner Predigt damals für den heutigen Gebrauch - zurechtgestutzt und die Untertanenmoral des Bürgers als einzig sichere politische Moral aus der Bergpredigt ausgedeutet: Erstens darf man sie nicht dogmatisch festhalten, zweitens muß vor allem bedacht werden, daß der liebe Herr Jesus, wenn man ihn ernsthaft mit den politischen Realitäten vergleicht, in dieser Hinsicht auch ein Spinner war. Für die politische Führung taugen sie keinesfalls, die hehren Grundsätze gottgefälligen Umgangs miteinander:

"Aber die Weisungen der Bergpredigt sind eben keine Gesetze, die schematisch anzuwenden wären.... Es wäre deshalb ein Mißverständnis, das gesellschaftlich-politische Leben unmittelbar (lieber mittelbar über Höffner) nach den Weisungen der Bergpredigt gestalten und ordnen zu wollen. Vernunft und Klugheit, die vom Träger politischer Verantwortung zu fordern sind, werden durch die Befolgung der Weisungen Jesu nicht ersetzt. Aber sie sollen sich von ihnen inspirieren lassen."

Und so haben sich die deutschen Bischöfe denn, gemäß den Weisungen ihres Meisters, von dem klugen, vernünftigen, insofern keineswegs schematischen Programm der NATO völlig mittelbar eingeisten lassen:

"Christliches Verhalten, das sich an der Bergpredigt orientiert, ist also nicht blind gegenüber dem Bösen. Unrecht bleibt Unrecht..."

Womit wir wieder am Anfang wären. Obwohl und gerade weil der Höffner nicht Bundeskanzler ist, obwohl und gerade weil Kohl kein Kardinal ist, haben die katholischen deutschen Bischöfe, ihren Frieden mit dem Raketenkanzler und seinem NATO-Hinterhof gestiftet. Die Millionen Toten, die bei dieser chrislich-nationalen Glaubensgewißheit abfallen werden, sollen einem gläubigen Gewissen keine Kopfschmerzen bereiten. Die katholische Führung hat die Absolution gegeben: "Gerechtigkeit schafft Frieden." Für "die Gerechtigkeit sorgt die NATO mit allen Mitteln der Gewalt. Das ist gut so, weil es schon im deutschen Kathechismus steht:

"Wo ein solcher Verzicht (auf Anwendung von Gewalt) auf Kosten des Wohls anderer, zumal Dritter, geht, kann er sogar gegen die Absicht Jesu sein." (Hirtenwort)

Gebet für Führer, Volk und Wehrmacht

"Lasset uns beten

In Deiner Hand, o Gott, liegt die Herrschaft über alle Reiche und Völker der Erde.

Segne unser deutsches Volk in Deiner Güte und Kraft und senke uns tief ins Herz die Liebe zu unserem Vaterlande. Laß uns ein heldenhaftes Geschlecht sein und unserer Ahnen würdig werden. Laß uns den Glauben unserer Väter hüten wie ein heiliges Erbe.

Segne die deutsche Wehrmacht, welche dazu berufen ist, den Frieden zu wahren und den heimischen Herd zu beschützen und gib ihren Angehörigen die Kraft zum höchsten Opfer für Führer, Volk und Vaterland.

Segne besonders unseren Führer und Obersten Befehlshaber in allen Aufgaben, die ihm gestellt sind. Laß uns alle unter seiner Führung in der Hingabe an Volk und Vaterland eine heilige Aufgabe sehen, damit wir durch Glauben, Gehorsam und Treue die ewige Heimat erlangen im Reiche Deines Lichtes und Deines Friedens. Amen"

Aktuelle Ideale - veraltete Aufmachung