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USA:
EINE AMERIKANISCHE IDEOLOGIE
Die USA: "Ich glaube, daß wir zum Leuchtfeuer der Hoffnung für die ganze Menschheit vorherbestimmt sind. Mit Gottes Hilfe werden wir das Werk vollbrinpen." (Präsident Reagan)
Die SU: "Ein Regime, das offen das Gesetz und die Liebe Gottes zurückweist." (sein Kriegsminister Weinberger)
Die führenden Männer und Frauen der Reagan-Administration reden selten von "geistiger Führung" wie ihr Bewunderer Helmut Kohl. Sie berufen sich für ihre Politik umstandslos auf die Führung durch den Großen Geist höchstpersönlich. Die kritische Rezeption von Sprüchen wie den oben zitierten durch "aufgeklärte" Europäer täuscht sich in ihren beiden Varianten: Weder ist Reagans Subsumtion der Welt unters moralische Prinzip von Gut contra Böse bloß ideologische Zutat zur "Realpolitik", noch verdient der fromme Blick nach oben bei der Vorbereitung des III. Weltkriegs das Verdikt bigotter Heuchelei. Es ist schlimmer: Aus tiefster Üherzeugung wird hier mit Ideologien ernst gemacht.
God's Ownn Country
Nichts ist verkehrter als der hierzulande vorherrschende Eindruck, die weltanschauliche Bramarbasiererei der amtierenden US-Führer wäre eine Besonderheit der Reagan-Mannschaft. Man braucht sich nicht nur an den Vorgänger Jimmy Carter erinnern, dessen Wahlkampagne als "Kreuzzug" von Atlanta nach Washington angelegt war, um im Weißen Haus wieder den christlichen Prinzipien der Pioniere eine Heimstatt einzurichten. Seit ihrer Gründung mit der "Declaration of Independence" hat die älteste Demokratie der westlichen Welt sich auf ihre tiefste Fundierung im Höheren berufen. Die intellektuellen Gründerväter der USA, zumeist die Nachfahren europäischer Emigranten, die vor dem Gottesgnadentum absolutistischer Fürsten geflohen waren, ersetzten in ihrer Verfassung den individuellen Souverän durch das freie und gleiche amerikanische Volk und erhoben dessen Mehrheitsvotum in den Stand göttlich gesegneten Willens auf Erden.
Der Erfolg des ameiikanischen Staatswesens in allen seinen bisherigen Kriegen und nicht weniger in den anschließenden Friedenszeiten hat Gott zu einem so zuverlässigen Alliierten der Stars und Stripes gemacht, daß in der Berufung auf ihn mittlerweile durchaus offen ist, wer sich da mehr geschmeichelt fühlen darf: Die Amerikaner, ob ihres göttlichen Patrons oder dieser selbst, weil er - komme was da wolle - auf jeden Fall die USA auf seiner Seite hat:
"Der Mensch kennt in seiner ganzen Geschichte bis jetzt nur ein paar Augenblicke der Freiheit und die meisten dieser Augenblicke gehören uns." (Reagan)
Im Auf und Nieder der europäischen Staatenwelt hatte zwar jede der beteiligten Nationen bei ihren diesseitigen Unternehmungen den Segen aus dem Jenseits auf ihrer Seite, wenn es ernst wurde, aber in Friedenszeiten wird daraus kein besonderes Argument für die Politik, allenfalls ein Prädikat für die Gesinnung, in der sie gemacht wird - und darüber läßt sich streiten ("Ausgerechnet Sie, Herr Kohl, als Politiker, der sich auf das Christentum beruft..."). In den USA gibt es keine Massenpartei, die sich programmatisch "christlich" nennt. Das wäre ein chancenloser Widersinn in einem Staatswesen, wo nicht-christlich schon "unamerikanisch" ist und das auch keine relevante "sozialistische" Partei aus demselben Grunde je gehabt hat. Die Namen der beiden großen Parteien tun nichts zur Sache, die sie vertreten, und solange diese die Größe der Nation stets befördert, braucht sich kein US-Politiker auf seine "besseren" Absichten berufen: Seine Taten müssen sich sehen lassen können vor dem Anspruch einer Nation, die von sich selbst stolz behauptet, die Erste auf der Welt sein zu müssen, weil dies ihr von Gott auserwähltes Schicksal sei. Amerikanische Politiker haben sehr wohl eine Ideologie, mit der sie ihre Politik "begründen", sie haben nur keinerlei ideologische Differenzen. So zitieren sie in ihren Äußerungen bezüglich der "philosophy", von der sie sich leiten lassen, ständig die Namen ehemaliger Präsidenten allein deshalb, damit jeder merkt, daß die immer wieder variierten, ewig gleichen Sprüche von greatness und destiny auch Tradition haben.
Aktuell gemacht werden sie dadurch, daß die konkret anstehenden Ziele der nationalen Politik abgesteckt und der ihnen im Wege stehende Feind benannt wird. Daran hat sich seit der Eroberung des Westens und der hierfür "notwendigen" Ausrottung der Indianer nichts geändert. Der Witz ist nun aber nicht, daß der US-Imperialismus, der dem Westen die ganze Welt erobern will und deshalb den "Roten" unserer Tage ans Leder will, in der Tat sein politisches Weltbild gemäß der Dramaturgie eines Westerns bebildert. Die Brisanz der alttestamentarisch-inspirierten Predigten Reagans liegt vielmehr darin, daß hinter ihnen materielle Gewalt steckt: die Weltmacht Nr. 1!
The Land of the Brave...
"Jene, die ihr Leben für unser Land geopfert haben, dienen als Erinnerung, daß unser Werk unvollendet ist." (Reagan, Memorial Day Proclamation 1983)
Jede Nation gedenkt ihrer Gefallenen, auch Westdeutschland der Toten aus der Nazi-Armee, insofern auch sie fürs Vaterland geopfert worden sind. Nur die Weltmacht USA, die alle ihre Kriege gewonnen und mittlerweile auch die moralische Rehabilitierung der Strafexpedition gegen Vietnam erfolgreich abgeschlossen hat, läßt ihre toten Krieger weiter dienen: als Denkmal-Aktivisten für die Vollendung einer Mission, die ohne Opfer und Krieg nicht zu haben ist. Obwohl die USA mit Ausnahme des Bürgerkriegs ihre Truppen nur zur Eroberung bzw. "Befriedung" fremden Territoriums eingesetzt haben, sind ihre Soldaten zum Schutze der Nation gefallen: ein grenzenloses nationales Interesse.
"Jedes Jahr seit über 100 Jahren haben wir uns am Memorial Day versammelt, um jenen Männern und Frauen die Ehre zu erweisen, die auf dem Schlachtfeld gefallen sind, die ihr Leben geopfert haben, um unsere Freiheit und den Weltfrieden zu erhalten. Indem wir dies tun, werden wir daran erinnert, daß weder der Friede noch die Freiheit gesichert sind und daß unsere nationalen Ideale weiterhin durch weltweite Konflikte, ökonomische Krise, Gewalt und Aggression gefährdet werden." (Reagan, ebd.)
Das Sterben im Staatsdienst ist "America's Secret Life- giving Weapon" (John A. Howard, Präsident des Rockford Instituts vor dem Rotary-Club im November 1982), weil sich das Verrecken für die Nation für diese bislang immer noch gelohnt hat. Mangelnde Bereitschaft zu sterben für die Werte der Nation heißt daher, kein Lebensrecht zu haben und kein echter Amerikaner zu sein.
Wer "sagt, daß es nichts gibt, wofür es sich lohnt zu sterben, sagt, daß es nichts gibt, wofür es sich lohnt zu leben."
Auch diese demokratische Version des Wahlspruchs spanischer Faschisten im Bürgerkrieg "Viva la muerte!" ist keine bloße Erfindung eines fanatischen Reagan-Anhängers, sondern der weltpolitische Schlußpunkt eines Patriotismus, der bislang seiner Toten immer auf Siegesfeiern gedenken durfte und der jetzt nicht einsehen will, warum ihn der Umstand verunsichern sollte, daß beim nächsten Sterben für Amerika die Parade nach Kriegsende mangels Überlebender kärglich ausfallen könnte. Europäische Überheblichkeiten können sich auf keine Differenz im Inhalt der Ideologie etwas zugute halten: Lieber rot als tot - das gehört als Zitat aus Schillers Wilhelm Tell zum abendländischen Kulturgut ("Lieber den Tod, als in der Knechtschaft leben,..." ). Das Erschrecken über Haigs Antrittsspruch von den "wichtigeren Dingen als dem Frieden" war hierzulande auch keine Absage an Gewalt und Krieg, sondern gedämpftes Mißtrauen gegen einen Bündnispartner, das sich in der erznationalistischen Ablehnung des "Schlachtfeld Europa " Ausdruck verschaffte.
Es ist allein die Differenz amerikanischer Kriege, die sich sämtlich gelohnt haben, daß hier der Krieg wirklich bedenkenlos als Vater und Mutter der Nation und all ihrer Werte gefeiert wird. George Washington bestand am 19. Oktober 1781 bei der Unterzeichnung des Kapitulationsdokuments der britischen Truppen auf dem Signaturtext "Done in the Trenches" (Schützengräben) und der amtierende US-Armeeminister John O. Marsh jr. beruft sich auf dieses Ereignis bei einer Rede vor den Repräsentanten am 26. Januar 1983: Unter dem Titel "Soviet Realities" keine einzige reelle Bemerkung über sowjetische Politik, statt dessen nach dem Motto -
"Dies ist eine einprägsame Erinnerung daran, daß freie Männer bisweilen für die Freiheit in die Schützengräben gehen müssen!" -
eine einzige Hymne auf den US-Soldaten als der Garantie, mit jeder "Soviet Reality" fertig zu werden:
"körperlich hart ünd seelisch vorbereitet (mentally conditioned). Er besitzt die individuelle Fähigkeit zum Kampf und fürs Überleben."
Die umstandslose Aufzählung soldatiseher Qualitäten als Garantie der nationalen Ideale
"Was auf dem Spiel steht, sind Werte und Wertordnungen." -,
das ist die Unbefangenheit der amerikanischen Ideologie beim Hochhalten von Tugenden, die in der BRD der Faschismus einige Zeit lang diskreditiert hat. Daß sie "Amerika groß gemacht haben", ist allerdings nur die halbe Wahrheit: Es ist andererseits die gewaltsam durchgesetzte Größe Amerikas, die aus jedem, der in seinem Auftrag getötet hat oder umgekommen ist, einen nationalen Helden macht und die Nation zu immer neuen, größeren Ansprüchen berechtigt.
...The Land of the Free
Die amerikanische Ideologie ist mit dem Aufstieg der Nation zur Weltmacht Nr. 1 so erfolgreich gewesen, daß ihre Siegesmeldungen, gehalten an den Gräbern der in ihrem Namen Erschlagenen, mittlerweile als Dokumente besseren Menschentums in jedem Schulbuch stehen. So gilt Lincolns Gettysburger Adresse als Demokratiedefinition schlechthin -
"Government of the people, by the people, for the people" -,
und niemand kommen deswegen Zweifel an dieser famosen Einrichtung, weil schon damals 50.000 tote Südstaatler "with the help of God" der Preis waren dafür, daß die Freiheit "shall not perish from the earth".
Heute, wo solche Freiheitstöne nicht als Siegesfeier nach der Schlacht angestimmt werden, sondern die Reagan-Regierung mit ihnen zum weltweiten Gefecht der Freiheit bläst, um den störenden Teil der Staatenwelt endlich ganz von der Erde verschwinden zu lassen" werden manche in der "alten Welt" hellhörig:
Nicht, weil die USA keinen Tag vergehen lassen, an dem nicht irgendwo in Asien, Afrika und Lateinamerika der SU im Zuge irgendeiner "Friedensregelung" ein neuer Kriegsgrund vorgesetzt wird.
Nicht, weil die USA ihre weltweiten Waffenarsenale stündlich erweitern, nach der Maxime: so viel wie möglich in möglichst kurzer Zeit.
Nicht, weil die USA ihr eigenes Volk dafür einem "Sparprogramm" unterwerfen, das für eine Hungersnot in Detroit sorgt.
Erst recht nicht, weil das Programm der Freiheit den mit ihr beglückten und vor kommunistischer Unfreiheit geretteten Tod und Elend bringt.
Und schon gleich gar nicht, weil die eigene Herrschaft, zumal die in Bonn, mitplant, mitdurchsetzt, kurz: mitmacht.
Es ist der Ton und nicht die Musik, der geschmäcklerische Ohren störte - denen ja auch an Kohl wie an Reagan nicht die Macht auffallen will, sondern ihre unwürdige Interpretation.
Solche Stilkritik ist in der Tat der Anti- Amerikanismus: Von der Warte überlegenen abendländische,n Kulturmenschentums, herunter hält man die Rhetorik, mit der US-Politiker und Ideologen den gemeinsamen NATO-Kurs in den Rang einer welthistorischen Menschheitsbeglückungsmission erheben, entweder für maßlos übertrieben oder schlicht für platt. Der kritizistische europäische Standpunkt übersieht dabei, daß ihm aus Amerika nichts anderes entgegenschallt als die eigenen Idealismen, mit denen sich überall, wo westliche Freiheit durchgesetzt ist, demokratische Herrschaft und Gewalt "begründen". Was die Differenz ausmacht, ist nichts anderes als die materielle Basis der Ideologie, die bei den USA eine ökonomische und politische Weltmacht Nr. 1 ist. Und weil ein erfolgreich durchgesetztes Interesse noch jeder Idee recht gibt, ist man in Westeuropa, wo man das Interesse teilt, dabei, sich auch keine ideologischen Differenzen mehr zu gestatten.