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"AUF DER SUCHE NACH DER WAHRHEIT ÜBER VIETNAM"
"Anlaß war die Einweihung des Mahnmals für die Gefallenen. Auf schlichten dunklen Marmorplatten, die, aneinandergereiht, einen großen rechten Winkel bilden, stehen die Namen von mehr als fünfzigtausend Toten. Zehntausende überlebender Soldaten marschierten an einem Samstagvormittag im Nov. 1982 zu dieser Gedenkstätte. ... Die Sonderkommandos der 'green berets', die Angehörigen der legendären Schocktruppe, hatten ihre grünen Barette aufgesetzt. Auf schweren Motorrädern, die mit flatternden Nationalflaggen geschmückt waren, fuhren 'Ledernacken', die harten Männer der Marine-Landungstruppen, neben dem Zug her. General Westmoreland, mit allen Orden angetan, marschierte mit farbigen Unteroffizieren der Reserve, Soldaten aller Waffengattungen und ehemaligen hoch dekorierten Obersten an der Spitze. Washington wurde damals fast lärmend in die Vergangenheit zurückgestoßen." (FAZ, 14.3.83)
Mit dem "Vietnam-Syndrom", jenem geisterhaften Schock über die vermeintliche vernichtende Niederlage der stärksten Nation der Welt in Vietnam, ist es endgültig vorbei. Schon das Szenario der Feierlichkeiten zur Einweihung eines schwarzen Vietnam-Marmor-Mahnmals mit dem Auftritt der für ihre Tötungstaten geehrten Vietnam-Veteranen und der "treu zur Nation stehenden" Demonstration der "marines" und "greenberets" machte in seiner offensiv ausgerichteten Vergangenheitsbewältigung deutlich, daß sich Amerika seiner "Patrioten in Uniform", deren Kriegsschlächtereien (My Lai etc.) und der Vernichtung von Land und Leuten in Vietnam vor dem Rest der Welt und vor allem vor sich selbst nicht mehr zu schämen braucht. Der demonstrative Wille, eine solche "Schmach" niemals mehr zuzulassen, versöhnt mit dem Abzug aus Vietnam, erhebt die Schlächter in den Rang lang verkannter Helden - und legt die abschließend harte nationale Beurteilung dieses "dunklen Kapitels" fest: Es war eine politischem Zaudern und nationaler Schwäche geschuldete unnötige Niederlage, also ein Vergehen an der sieggewohnten Weltmacht. Diese moralische Kehrtwendung als "sichtbarer Schritt" in der öffentlichen Begutachtung des "vietnamesischen Abenteuers" hat natürlich die dazugehörigen wissenschaftlichen Apologeten gefunden, die mit sensationellen Enthüllungen aufwarten, die geradezu zu einer neuen, befreiteren Sichtweise zwingen - selbstverständlich auch deutsche "Freunde Amerikas":
Eine innenpoLitische Klemme
so die erste Erkenntnis, habe zum Vietnamkrieg geführt. Das Beste gewollt und dafür ein kleineres Übel in Kauf genommen:
"Erstens: Lyndon Johnson ist zu Unrecht (!) als Kriegspräsident in die Geschichte eingegangen. Er schickte immer mehr Truppen nach Vietnam, weil er sein innenpolitisches Programm der 'Großen Gesellschaft' verwirklichen wollte. Er versuchte mit einem Widerspruch zu regieren: mit der Entsendung von 500.000 Mann nach Vietnam wollte er die 'Falken' im Lande beruhigen und sich mit diesem Verhalten innenpolitisch die Freihelt des Handelns erkaufen."
So soll man das also sehen: Weil LBJ nur das Beste für seine Landsleute wollte, unter denen ein paar außenpolitische Scharfmacher waren, war es doch nur gerechtfertigt, ein paar Vietnamesen umzulegen. Der Wahrheitsgehalt dieser Behauptung braucht nicht zu interessieren - es kommt hier nur auf die ungeheuerliche Selbstgerechtigkeit der weltgrößten Freiheitsnation an. Für die Freiheit des amerikanischen Präsidenten, ein (erfundenes) innenpolitisches Problem durch ein (erfundenes) Fortschrittspragramm zu lösen, ist es ein legitimes Mittel, Truppen nach Vietnam zu schicken und ein ganzes Volk "in die Steinzeit zurückzubomben". Welche Mittel stehen ihm dann wohl rechtmäßigerweise zu, wenn endlich nicht bloß die Schaffung der "Großen Gesellschaft", sondern gleich die Schaffung der "Großen Weltfreiheit" ansteht?! Da geht es ihm ja nicht nur um das Wohl seiner Amerikaner - die Befreiung aller freiheitsdürstenden Menschen steht dann an.
Der Krieg ist gar nicht verloren
heißt die zweite Erkenntnis:
"...Alle amerikanischen Präsidenten (haben) die Auffassung vertreten, daß sie den Krieg nicht hätten gewinnen können. Deshalb hätten Kennedy, Johnson und Nixon die Macht Amerikas immer nur bremsend eingesetzt. Es habe niemals eine strategische Konzeption gegeben, die auf Sieg gesetzt habe. Die Initiative habe man Hanoi gelassen. Amerika habe einen 'billigen' Krieg gegen ein Nordvietnam geführt, das einen totalen Krieg führte."
Jetzt, nachdem endlich die Lehre aus der damaligen "Schmach" gezogen ist, nämlich den Gedanken an eine so unerträgliche Schwächung der Weltvormacht ein für allemal aus der Welt zu schaffen, jetzt kann - wenngleich in ideologischer Verdrehung - auch mal die Wahrheit über den Vietnamkrieg verkündet werden: Völlig überflüssig, daß die Vietnamesen die Waffen streckten; die Wüste, die man ihnen hinterließ, ist doch Sieg genug. Und zwar ein Sieg, der für die USA tatsächlich 'billig' zu haben war. Denn das ist doch ein schönes Resultat: Die USA tun einfach so, als wollten sie den Krieg gar nicht gewinnen - wofür waren sie denn eigentlich dort? Um das Umfallen von Dominosteinen zu betrachten? Damit ihre Soldaten das Flugzeugfliegen unter Heroin lernen? -, und für die Vietnamesen bedeutet das, nicht, daß sie sich eines 'totalen Kriegs' gegen sie erwehren müssen, sondern daß bloß sie einen solchen führen. Auch so kann man sich vom "Niederlagen-Trauma" "befreien". Schaut euch den Ruin dort drunten an, den wir dort hinterlassen haben, Amerikaner, bewundert die weise Zurückhaltung der eigenen Nation beim Kriegführen gegen das Exotenvölkchen und richtet euch stolz auf! Wir haben aus unserem Überfluß heraus mal 10 Jahre Krieg geführt, der uns heutzutage erhebende Aufmärsche von Vietnam-Veteranen beschert, während die anderen immer noch nicht wissen, wie sie überhaupt überleben sollen.
Der Krieg wurde ganz albern verloren
weil es nämlich den Generälen an Zivilcourage und der Politik an militärischem Sachverstand mangelte. Erkenntnis Nr. 3:
"...Die militärischen Führer im Pentagon hätten gewußt, daß ohne die Befriedung von Laos und Kambodscha und ohne eine direkte Einwirkung - das heißt einen Einmarsch (!) - der amerikanischen Streitkräfte in Nordvietnam der Krieg im Süden nicht gewonnen werden konnte. Doch anstatt sich als Fachleute gegen die Zivilisten durchzusetzen oder als Patrioten in Uniform aus Protest gegen die dilettantische strategische Führung im Weißen Haus zurückzutreten, hätten die Generäle und Admiräle resignierend am militärpolitischen Trauerspiel teilgenommen."
Die Klarstellung, daß man den Krieg so und nicht anders führen wollte, beißt sich überhaupt nicht mit der "Erklärung", daß man ihn aufgrund eigenen Versagens verloren habe. Militärisch war es also nicht das geringste Problem, die Führungsmacht hat es nur wegen eines sehr luxuriösen Kompetenzstreits zwischen Politikern und Militärs versäumt, den letzten Streich zu führen. Woran hat es denn eigentlich nur gefehlt? Daß man Kambodscha, Laos und Vietnam gleich auf einen Schlag zusammenbombt und die Überreste ins Meer kehrt. Wenn schließlich Politikern nicht einmal die einfachsten militärischen Erkenntnisse ins Auge springen, und das Volk ihnen dolch stoßartig in den Rücken fällt:
"...in Amerika und in der westlichen Welt nicht begriffen (habe), daß die Tet-Offensive eine katastrophale Niederlage des Vietcong, gewesen sei. Die amerikanische Öffentlichkeit habe hingegen panikartik (!) auf den ephemeren (!) Erfolg des Vietcong reagiert und nicht erkannt, daß die amerikanische Militärmaschine die Aufständischen (!) in Wirklichkeit vollkommen vernichtet hätten...",
dann ist schließlich die Lehre aus diesem unnützen Kompetenzstreit verfertigt: In Zukunft hat eben der geradlinige und demokratisch nicht angekränkelte Verstand der Militärs zu entscheiden bzw. haben die Politiker militärisch zu denken und zu handeln! Glücklicherweise ist Ronald Reagan einer ihrer Vordenker.
Zersetzung der Wehrbereitschaft
ist als vierte Erkenntnis schnell aus der vorherigen gewonnen. Politiker haben sich beeinflussen lassen - von fadenscheinigem Freiheitsgedusel des Feindes: Die amerikanischen Kritiker der Regierungspolitik "haben aus Unkenntnis der vietnamesischen Psyche (!) die Vietcong stets idealisiert. Sie haben geleugnet, daß der Norden den Süden gewaltsam an sich reißen wollte, die Einheit also (!) durch Gewalt hergestellt werden sollte..."
Wo es doch nur eine Macht auf der Welt gibt, die alle Ideale auf ihrer Seite hat und sie deshalb rücksichtslos in der Politik geltend machen darf! Umgekehrt: Wenn ein Feind mit so etwas daherkommt handelt es sich um einen perfiden Appell an den amerikanischen Menschenrechtssinn, mit dem sich einerseits der Appellant als nationaler Wehrkraftzersetzer entlarvt, und vor dem andererseits das amerikanische Gewissen gefeit werden muß. Wer nicht die instinktgemäße Unterscheidung zwischen berechtigter Freiheit und nur vorgetäuschter drauf hat, ist eben ein schlechter, ein verführter Amerikaner.
Erkenntnis Nr. 5: Die amerikanische Friedensbewegung weiß es gar nicht, aber sie verliert im Moment den Vietnamkrieg ein zweites Mal:
"...der politische Einfluß der amerikanischen Friedensbewegung sei maßlos überschätzt worden. Johnson habe sich nicht wieder zur Wahl gestellt, weil er annahm, der Kongreß werde ihn finanziell kaum weiter unterstützen. Nicht die "Antikriegsdemonstrationen" hätten den Präsidenten bewogen, mit dem Truppenabbau in Vietnam zu beginnen. Der Chef des Weißen Hauses habe befürchtet, daß kein Senator mehr für die Weiterführung des Krieges stimmen werde."
Sie war damals zwar ganz wirkungslos, aber weil sie - und andere - sich eingebildet haben, sie hätten auf die amerikanische Politik Einfluß genommen, bleibt ihr auf jeden Fall das Attribut des Wehrkraftzersetzers. Was kann man also aus dem Vietnamkrieg für die jetzige Friedensbewegung lernen? Daß sie ein ganz unbedeutender Wehrkraftzersetzer ist, der nichts anderes verdient, als ohne großes Aufhebens weggeräumt zu werden, und Senatoren keinen amerikanischen Präsidenten davon abhalten sollten, seine nationale Pflicht zu tun und sich dafür wählen zu lassen.
(All diese Erkenntnisse sind einem Artikel des Adelbert Weinstein in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" zu entnehmen, in dem er über neue Ergebnisse der amerikanischen "Vietnamforschung" referiert. Sein Fazit:
"Hanoi glaubt... der Westen wolle diese Zeit ganz aus seiner Erinnerung streichen und deshalb brauchte man vor der Geschichte nicht mehr Versteck zu spielen. Ein Hinweis, der den amerikanischen Suchern der Wahrheit nur willkommen sein kann." - Der FAZ natürlich auch, denn schließlich siegt die Wahrheit immer: der Siegreiche hat sie ja auf seiner Seite.)