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Dieser Artikel ist in der MSZ 2-1983 erschienen.
Der Fall Klaus Barbie
WOZU IST EIN "SCHLÄCHTER VON LYON" GUT?
Nur ein paar Antifaschisten mag es ein Problem sein, daß der "Schlächter von Lyon" 40 Jahre seines Nachkriegslebens lang ungeschoren davonkam, verwechseln sie doch den Kampf der alliierten imperialistischen Staaten des Westens gegen den Konkurrenten Deutschland allzugern mit (ihrem eigenen) Antifaschismus.
Dabei haben diese Staaten nicht nur Atomforscher und Raketenexperten der Nazis zu schätzen gewußt, sondern sich mit deren Parteigängern (Kiesinger), Waffenträgern (Scheel, Schmidt), Rechtspflegern (Carstens, Filbinger), KZ-Baumeistern (Lübke) usw. ins Benehmen gesetzt und die Rolle der Bundesrepublik Deutschland im Weltgeschehen neu ausgehandelt. Verdiente Meister der Spionage Ost (Gehlen) fanden bei dieser Aufgabenstellung ebenso Verwendung wie solche der Folter West (Barbie), die über Interna der französischen Resistance Wissenswertes beicusteuern hatten und dem CIA immer als seine bezahlten Sachverständigen dienen können.
Zur Genugtuung über die Festsetzung Barbies im Militärgefängnis von von Lyon, wo er früher Menschen für zweckdienliche Erkenntnisse seiner Regierung quälte, besteht angesichts der Souveränität, mit der die imperialistische Staatenwelt sich solcher Faschisten bedient bzw. sie verstößt, kein Anlaß. Barbies spätes Ende genügt keiner höheren Gerechtigkeit, sondern verdankt sich der schlichten Tatsache, daß solche Kreaturen irgendwann einmal ihrer bisherigen Dienste für ledig erachtet werden.
Hatten die Amerikaner Barbie zunächst wegen der Kenntnisse aus seiner Gestapo-Zeit angeheuert, müssen sie seine professionellen Fähigkeiten derart überzeugt haben, daß sie sie weiter für sich zu nutzen gedachten. So kam der Geheimdienst-Mann nach Südamerika, wo er sich für den CIA bei bolivianischen Generälen/Präsidenten verdingte und als Anti-Guerilla-Spezialist einen Namen machte. So wurde er auch fur den Bundesnachrichtendienst interessant - Kontakt war zu dem alten Spezi rasch hergestellt. Mittlerweile stieg er zum Intimus des Gorillas Hugo Banzer auf und kam bei soviel Protektion gar nicht umhin, am flotten Kokain-Geschäft der bolivianischen Politiker zu partizipieren und Reichtümer zu sammeln. Daß die so überaus erfolgreiche Agententätigkeit für den rüstigen Siebzigjährigen jetzt beendet ist, zeigt nur, daß, er nicht unersetzbar ist: Die neue bolivianische Regierung hielt es im Interesse ihres demokratischen Image und guter Beziehungen zu Frankreich jedenfalls für angebracht, den "Herrn Altmann" wegen seiner "unkorrekt zustandegekommenen" bolivianischen Staatsbürgerschaft auszuliefern. Der findet es höchst undankbar, aus dem Verkehr gezogen worden zu sein:
"Die ganze Welt hat Achtung vor mir, weil ich eine anständige Haltung gezeigt habe."
Doch auch hinter französischen Kerkermauern tut der alte Faschist noch einen letzten, wenn auch unfreiwilligeii und unbezahlten Dienst am Imperialismus: Frankreich hat mit seiner Inhaftierung staatlichem Recht genügt und sich damit selber eine nationale Ehre angetan. Die will ideologisch gebührend herausgestrichen werden:
"Die Franzosen und Französinnen dürfen nicht die Geschichte, die die ihrige ist, vergessen. Die jungen Generationen müssen wissen, was damals durchgemacht wurde, damnit sie immer bereit sind, für die Würde ihres Vaterlandes und mehr noch für die Menschenwürde einzustehen."
Das Volk muß schließlich wissen, daß es für die Würde sich nichts kaufen soll, sondern einsatzbereit zu sein hat - eine schöne Tugend, die der Staat bei seiner Abrechnung mit dem Faschismus präsentiert!