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SPRÜCHE UND WIDERSPRÜCHE
Die moralischen Sieger
der Bundestagswahlen, wie nicht anders zu erwarten, sind sie sowieso gewesen, Deutschlands Kommunisten von der DKP bis zur KPD (ehemals ML). Vorsorglich mit einer "realistischen Einschätzung" angetreten, daß es zwar für eine "revolutionäre Kandidatur" reicht, aber (noch) nicht für parlamentarische Revolutionäre, demonstrierten sie nach der Wahl dennoch, daß man auch Ergebnisse unter 1 bzw. 0,1% ganz im Stile der Großen "auswerten" kann.
In der Welt unter 1%
bei der DKP mußte man zwar wieder einen Stimmverlust von 10% hinnehmen, andererseits registriert man als "wichtigen Mutmacher", daß sich die Verluste diesmal im Vergleich zum vorigen Mal geringfügiger ausnehmen. Immerhin hat man noch um 50% mehr Stimmen bekommen als Mitglieder eingeschrieben sind. Dies zeugt für Parteichef Mies davon, daß die DKP
"eine Partei (ist), die Schritt filr Schritt ihren Einfluß in der Arbeiterklasse erweitert" und "als revolutionäre Arbeiterpartei von besonderem Gewicht" (ist).
Eine unangenehme Konsequenz der eigenen Argumentation im Wahlkampf, es gelte "den Rechtsblock zu stoppen", stellt man jetzt als parteinternes Problem fest: Anscheinend haben viele Mitglieder der Partei und vor allem ihrer "Massenorganisationen" MSB und SDAJ in "resliatischer Einschätzung der Kräfteverhältnisse" SPD oder grün gewählt, weshalb das Präsidiumsmitglied Kurt Frisch wettert:
"Wenn wir die Kandidatur unserer Partei beschließen, muß sich ein Kommunist auch im Wahlkampf entsprechend verhalten" (Zitate aus der "UZ" vom 24.3.)
In der Welt unter 0,1 %
beim Wahlbündnis der KPD mit dem BWK (Bund westdeutscher Kommunisten) kommt man zur Einschätzung:
"Die politische Reaktion und die hinter ihr stehenden finanzkapitalistischea Kreise haben einen klaren Sieg davongetragen, dle Arbeiterbewegung und die Linke haben eine schwere Niederlage erlitten."
Dies die konsequente Fortsetzung des Fehlers dieser "revolutionären Kandidatur": Man stellt sich das BRD-Volk anscheinend analog zu den bürgerlichen Parteien als eine riesige Herde Stimmvieh vor, das den Rechten zum Einseifen und den Linken zur Propaganda zur Disposition steht. Man hat sich angeboten, die Massen sind leider auf den Gegner hereingefallen. Ergebnis: 6000:30 Mio. Scheiße! Wenn man das Votum des Volkes für Demokratie und Kapitalismus sich nur aus den Verführungskünsten der Bourgeoisie erklären will, dann sind die Massen zwar einstweilen mehrheitllch bei CDU und CSU, aber längst nicht verloren für KPD und BWK:
"Der Wahlsieg der Reaktion kann nicht umstandslos als Zustimmung der Mehrheit der Bevölkerung zu diesen umfassenden und reaktionären Bestrebungen gewertet werden."
Und wieso "Sieg der Reaktion"? Trotz starker Sprüche gegen die SPD immer noch die alten Sozialdemokratieillusionen:
"In Betracht der Geschichte der Sozialdemokratie ist zu befürchten, daß ihre Haltung zu Klassenkämpfen von der Absicht bestimmt sein wird, sich den Kapitalisten als Regierungspartei neuerlich akzeptabel zu machen."
Ihr habt immer noch nichts begriffen, Genossen, zumindest in dieser Frage! Ebensowenig übrigens wie unser Flugblatt nach den Wahlen:
"Die MG führte den Wahlkampf mit großem Einsatz und unter der Losung 'Wählen ist verkehrt'... Nach den Wahlen rückte die MG mit der Parole 'Wählen war verkehrt' von dieser Losung ab. Diese ist doppeldeutig interpretierbar und beinhaltet sowohl die Interpretation 'Es war verkehrt, zur Wahl zu gehen', wie auch 'Es wurde verkehrt gewählt'."
Revolutionärer Analphabetismus? Nicht vorenthalten wollen wir dem MSZ-Leser euren daran anknüpfenden Scherz:
"Wir wären interessiert zu erfahren, wie sich die MG das weitere denkt. Wählen bleibt verkehrt Wählen war verkehrt gewesen - Wählen immer noch verkehrt - Wählen ist verkehrt geblieben - Wählen wird immer verkehrt sein - Wählen wird immer verkehrt geblieben sein... igendwie wird uns die ganze Perspektive dabei nicht ganz klar." (Zitate aus den "Politischen Berichten" des BWK)
Wie wär's denn mit "Wählen war noch nie so verkehrt wie heute?" Oder mit: "Noch verkehrter als wählen ist kandidieren!"
Im übrigen entnehmen wü den "Politischen Berichten" des BWK, daß die Genossen bezüglich der geplanten Volkszählung gewisse Befürchtungen bezüglich der staatlichen Auswertung hegen, die wir nicht von der Hand weisen wollen. Habt ihr euch eigentlich mal überlegt, ob es sich lohnt, dem Verfassungsschutz ein paar Tausend Unterschriften, die ihr für die Kandidatur gesammelt habt, frei Haus zu liefern, nur damit ihr hinterher schreien könnt:
"Das Wahlergebnis von 6000 Stimmen entspricht unseren Erwartungen."?
Irgendwie wird uns die Perspektive dabei nicht ganz klar.
In der Welt als Wille und Vorstellung
bei der MLPD (Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands) hat man einen stimmträchtigen Bündnispartner gefunden, indem ztum "aktiven Wahlboykott" mittels "ungültiger Stimmzettel" aufgerufen wurde. Und 342.243 Spinner, Faschisten oder schlichte Trottel haben die schwäbischen Maoisten nicht im Stich gelassen:
"342243 unpültipe Stimmen sind ein Ausdruck des Protests und, daß keine der zur Wahl stehenden Parteien akzeptiert wurde." (Rote Fahne vom 12.3.)
Das Weltbild
des KB schließlich hat durch das Wahlergebnis nur scheinbar einen Knacks gekriegt: Während der "Arbeiterkampf" munter weiter an seinem bunten Schlachtentableau malt, demzufolge laut Ausgabe vom 5. April bereits in der Kinderstube sich Widerstand regt, nachdem jahrelang jeder feststellbare (und oftmals auch erfundene) Gegensatz in der bürgerlichen Welt, von den Frauen über die Schwulen im Schulterschluß zu allen "Befreiungsbewegungen" in der "Dritten Welt", zum "Widerstandspotential" aufaddiert wurde, fand sich in der Ausgabe vom 7. März eine massive Beschimpfung des Publikums als Dummheitspotential:
"Das ist ein so starkes Potential an politischer Dummheit und Verblendung, an Ignoranz auch gepenüber den einfachsten eigenen Interessen, daß man für dieses Land wieder einmal das Allerschlimmste befürchten muß. Ja, es steht durchaus zu befürchten, daß dieser Mehrheitsblock von politischen Dummköpfen, Zu-Spät-Merkern und Mittrabern erneut die Gesamtheit des Volkes ins Verderben reißen wird."
Das deutsche Volk hat sich also mehrheitlich seiner Interpretation durch den KB als unwürdig erwiesen, so daß dessen Schreiber Kt. jetzt in eine herbe Suada über das Volk ausbricht, in dessen Reihen er bis vor kurzem noch lauter Genossen am Kämpfen sah. Nichts begriffen vom falschen Bewußtsein der diversen "Kämpfe", die im "Arbeiterkampf" gefeiert worden sind und werden und deshalb nur konsequent das falsche Bewußtsein der Dummheit des Kopfes angelastet! Wäre es da nicht besser, um Brecht zu bemühen, der KB löste das Volk auf und wählte ein anderes...