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Dieser Artikel ist in der MSZ 2-1983 erschienen.

Systematik

Die Grünen
ATOMKRIEG VERSEUCHT VÖLKERRECHT

Im Februar luden die Grünen internationale Prominenz zu einem "Nürnberger Tribunal gegen Erstschlag- und Massenvernichtungswaffen in Ost und West." Den rechtsetzenden Staatsgewalten West sollte ein Verstoß gegen ihre eigenen - von den Anklägern geteilten - Prinzipien nachgewiesen werden und über die prinzipielle Rechtlosigkeit der Staatsgewalten Ost bestand von vornherein voller Konsens. Beabsichtigt als moralisch-agitatorischer Hauptschlag: die lokale Szene für das Tribunal.

1945: Die Siegermächte des 2. Weltkrieges klagen Deutsche und Deutschland als Kriegsverbrecher an. Dem Besiegten präsentieren sie ihre Kriegsideologie: Freedom and democracy und Krieg vertragen sich überhaupt nicht; böse Diktaturen, die so etwas anzetteln, werden von außen "befreit". Das in Nürnberg abverlangte Bekenntnis der Besiegten zu Freiheit und Demokratie, die Bedingung für eine neue politische Karriere der ganzen Nation, stellt die neue BRD unter den demokratischen Auftrag seit 45: Bollwerk gegen die Diktaturen des Ostens zu sein. Freedom and democracy und Krieg schließen sich aus?

1983: Grüne Deutsche setzen in Gedanken die Siegermächte von 45 auf die Nürnberger Anklagebank. Was die westliche Siegermacht betrifft, halten die Ankläger die Konsequenzen des weltumspannenden demokratischen Auftrags nach dem 2. Weltkrieg für ein Verbrechen gegen Freiheit und Demokratie. Gute Deutsche kehren die Siegerideologie von 45 1983 gegen ihre Urheber. Während im Westen Atomwaffen die harmonische grüne Vorstellung von Demokratie stören, fällt der Osten unangenehm auf: Auch er hat Waffen, aber nicht einmal eine Demokratie.

Ein Tribunal, das mit einer Kritik von Atomwaffen in Ost und West beginnt, endet mit einem Aufruf zur Verteidigung der demokratischen Vaterländer gegen den russischen Bären. Ob Zufall der Regie oder logische Konsequenz - des Tribunals, das eigene Vaterland wird mit einem Heimvorteil bedacht:

"Aus Zeitmangel mußte der Tribunalpunkt mit der Anklage gegen die BRD aus dem Programm gestrichen werden." (TAZ, 22.2.83)

Die

"KLAGESCHFRIFT GEGEN DIE NUKLEARMÄCHTE"

formuliert unter anderem folgende Hauptanklagepunkte:

"Anklagegunkt 11: Zerstörung von Völkerrecht und Menschenrechten.

Die Nuklearmächte zeigen durch Herstellung und Besitz von Atomwaffen die Absicht und Bereitschaft, zur Durchsetzung ihrer nationalen Interessen Atomwaffen einzusetzen. Damit verstoßen sie nicht nur gegen Völkerrecht und Menschenrechte - sie entziehen ihnen die Grundlage. So verhindern die Nuklearmächte die Überwindung des Faustrechts in den Beziehuneen der Völker."

Bemerkenswert ist nicht nur, wie betont ignorant sich die grünen (Laien-)Juristen zu Völker- und Menschenrechten stellen. Diese unter maßgeblicher Anleitung der westlichen Führungsnationen gepflegten Prinzipien haben Korea- und Vietnamkrieg ebensowenig unterbunden wie die Folter in der Türkei. Wie sollten sie auch! Schließlich haben ihre Paragraphen mit der vorgestellten Verhinderung von Gewalt im zwischenstaatlichen Miteinander nichts zu tun und Kriege - mit modernsten Mitteln geführt - nichts mit den Überlebenskämpfen von Steinzeitmenschen; sie sind weder primitiv noch überholt! Auch ein Grüner könnte wissen, daß das Völkerrecht die Prinzipien der Andeutung staatlicher Gewalt kodifiziert, wenn er in Atomwaffen ausgerechnet einen Verstoß gegen Kriegsrechtsparagraphen der Haager Konvention entdecken will.

Daß ohnnehin nicht der Gehorsam gegenüber eingebildeten Regeln der Friedfertigkeit die Politik der Nationen bestimmt, sondern "nationale Interessen" mit- und gegeneinander durchgesetzt werden, spricht der Anklagepunkt selbst noch aus. Bloß: Welche Interessen welcher Nationen da ohne Atomraketen nicht auskommen, ist keiner Frage würdig. "Nationale Interessen" stehen hier eben nur für den negativen Inhalt, daß sich solcher "Egoismus" von Staaten an die Gemeiinsamkeit nicht hält, die sich Freunde der Völkerverständigung gerne einbilden. Deswegen ist der Fehlschluß ebenso folgerichtig wie beabsichtigt, daß ein Unterschied zwischen Urhebern und Adressaten der Weltkriegsdrohung nicht mehr auszumachen ist. Atomwaffen in "Ost und West" sitzen gleichermaßen auf der Anklagebank - auch wenn jeder Tageszeitung zu entnehmen ist, daß Reagan die "letzten Kapitel des Kommunismus" zu schreiben beabsichtigt und nicht umgekehrt.

Lieber erklärt man die Technik, die Kriegsmittel zum Kriegsgrund, bevor man die unbescheidenen Zwecke des NATO-Imperialismus beim Namen nennt:

"Anklagepunkt 14: Entwicklung von Erstschlagstechniken.

Sie (die Nuklearmächte) haben sich damit auf einen Weg begeben, der aus rein technischen Gründen zwanesläufig zum Atomkrieg führt."

Und wer schon der Politik die Zwecke nicht entnehmen will, die ohne die Kalkulation von "over-kill"-Kapazitäten nicht auskommen, stattdessen in Atomwaffen eine Abweichung von an und für sich befürworteten Rechtsprinzipien der Politik sieht, der bläst sich auch zur Kassandra der Nation auf:

"Anklagepunkt 16: Kriegführung gegen die Zukunft.

Die lebende Natur ist in der Lage, vielfältige Eingriffe durch die Technik des Menschen auszugleichen, verträgt jedoch nicht Radioaktivität über die Menge der natürlichen Umgebungsstrahlen hinaus, da radioaktive Strahlung die Erbanlagen zerstört."

Dadurch gefährden die Nuklarmächte laut "Anklagepunkt 18... den genetischen Artbestand der Menschheit insgesamt."

"Anklagepunkt 17: Zerstörung des Zukunftsglaubens der Jugend.

Die Nuklearmächte verhindern durch die dauernde Verwendung von Atomwaffen zur Vernichtungsdrohung die gesunde geistige Entwicklung der jungen Generationen in allen Völkern der Welt."

Gewarnt werden hier Nationen davor, daß die Wirkungen des Krieges mit der Zerstörung der ganzen Gattung auch die Grundlagen der Nation, die Brauchbarkeit ihres Materials zunichte macht. Mit den Interessen eines kurzgehaltenen Bandarbeiters oder arbeitslos gemachten Jugendlichen hat es nichts zu tun, die Erhaltung der Art einzuklagen, also gegen die Benutzung der Menschheit und ihre Schädigung die schiere Erhaltung ihrer Existenz - Staatsbejahung eingeschlossen - zu setzen und den Gebeutelten auch noch die frohe Botschaft zukommen zu lassen, nicht ihre Gegenwart sei beschissen, sondern die Tatsache, daß womöglich der grundlose Glaube an die Zukunft abhanden gekommen sein könne. In der Abstraktion vom "Überleben" der Gattung steht der Mensch genau als der Tropf da, zu dem er von Staat und Kapital gemacht wird: Weil es auf seine ökonomische und politische Benutzung ankommt, zählt er nur getrennt von seinen eigenen Interessen, als benutzbare Existenz eben. Und weil die nicht erst im politischen Dienst auf dem Schlachtfeld ramponiert wird, ist auch der Glaube an die Zukunft, der bedingungs-, also anspruchslose Optimismus des -Mitmachens so gefragt... Die

"KLAGESCHRIFT GEGEN DIE DEUTSCHE BUNDESREGIERUNG"

hat nichts als diesen Untertanengeist zum Inhalt der in dem einen Vorwurf mündet, die Bundesrepublik lasse sich von anderen Nationen zuviel gefallen und werde deshalb in Eskapaden verstrickt, die ihr die treue Fürsorge gegenüber ihren Knechten zu Hause verunmöglichen:

"Anklagepunkt N 2: Zulassung der Stationierurng reiner Erstschlagswaffen.

Die Bundesregierung läßt ihre nationalen Interessen bei den Genfer Verhandlungen über Mittelstreckenwaffen von den USA vertreten, obwohl nach amtlichen amerikanischen Quellen entgegengesetzte nationale Interessen der USA vorliegen. Die Bundesregierung liefert somit wichtige Anteile ihrer Souveränität einer ausländischen Regierung aus."

Die Folgen:

"Anklagepunkt N 3: Hinnahme der Rolle als zentrale NATO-Kampfzone."

Und:

"Anklagepunkt N 6: Duldung von Atomeinsatzplanuneen gegen deutsche Ziele",

wobei nach Lesart des Kuratoriums Unteilbares Deutschland gleich "DDR-Ziele" mitgemeint und damit der bundesdeutschen Obhut und Aufsicht anheimgestellt sind.

Das Ziel der Genfer Verhandlungen pfeifen die Spatzen von den Dächern. Der Westen verlangt die einseitige Verschrottung russischer Raketen, weiß um die Unerfüllbarkeit dieses Ultimatums vom Standpunkt der SU-Sicherheitspolitik und verschafft sich mit dem vorprogrammierten "Scheitern" der Verhandlungen die moralische Rechtfertigung. Ein Gegensatz nationaler Interessen ist diesem gemeinsamen Ziel nicht zu entnehmen. Das tun nicht einmal die Grünen. Daß die Souveranität des Ostens keine fraglose Angelegenheit ist, sondern für gewisse nationale Interessen zur Disposition zu stehen hat, scheint einem Grünen geläufig zu sein, der in seiner Klage für jene mitspricht, denen mitzuwirken versagt war: die Brüder aus der Ostzone.

Nicht diese Absicht des Westens, sondern die aus ihrer Verwirklichung folgenden Konsequenzen für deutsches Territorium, also die Beeinträchtigung der deutschen Nation, ist Gegenstand der Klage. Es erübrigt sich 1983 darauf hinzuweisen, daß dieses Bedenken der Rüstungskritiker längst vor ihnen von den Rüstungsmachern im Kanzleramt gewälzt und "gelöst" wurde: Die Beeinträchtigung der BRD als "Schlachtfeld" in einem Weltkrieg soll gerade dadurch unterbunden, zumindest erheblich eingegrenzt werden, daß sich Westdeutschland mit einer Raketenstreitmacht als NATO-Brückenkopf unentbehrlich macht und eine Vorverlagerung des Gefechtsfelds nach Osten von allen NATO-Partnern betrieben wird.

Der Hinweis erübrigt sich deswegen, weil die Grünen Klage sich dazu vorgearbeitet hat, nicht länger mit Wirkungen des Krieges, mit der Verletzung deutscher Souveränität gegen die Weltkriegsplanung, wie falsch auch immer, zu agitieren. Heute liest sich dieses Argument mit anderem Akzent. An der Kriegsvorbereitung stört grüne Nationalisten die untergrabene deutsche Souveränität:

"Anklagepunkt N 7: Verzicht auf freie Entscheidung über Parteinahme im (!) Krieg.

Die Bundesregierung duldet die Stationierung von Atomwaffen in der Bundesrepublik unter alleinigem Befebl der USA. Damit gibt sie gemäß NATO Vertrag bestehende und in ihrer Souveränität begründete Freiheit preis, bei Kriegsausbruch beliebige Maßnahmen zu treffen, 'die sie für erforderlich erachtet, um die Sicherheit des nordatlantischen Gebietes wiederherzustellen und zu erhalten.'

Begründung: Sollte die Bundesregierung beispielsweise die Entscheidung treffen, sich in einem zwischen den USA und der Sowjetunion ausgebrochenen Krieg für neutral zu erklären, so wäre ibr die Durchführung dieser Entscheidung unmöglich, da sie bereits durch die Anwesenheit von Atomwaffen unter amerikanischem Befehl auf ibrem Hoheitseebiet, auf jeden Fall aber durch den Verzicht auf die Veto-Möglichkeit gegen deren Einsatz, automatisch selbst zur Kriegsgartei auf Seiten der USA wird."

Wer die Möglichkeit freier Parteinahme m Krieg reklamiert, hat gegen den Entschluß zum Krieg prinzipiell kein Argument. Soll denn wirklich die militärische Benutzung von 50 Millionen Deutschen dadurch bekömmlicher werden, daß sie garantiert unter deutscher Befehlshoheit abgewickelt wird? Was schließlich die Freiheit der Parteinahme angeht, steht die Sache genau andersherum. Es sind die Konsequenzen vollzogener Parteinahme der BRD, die als Verhinderung freier Entscheidung im Kriegsfall gedeutet werden: Von den Mittelstreckenraketen bis zum Host-Nation-Support ist jeder Akt ein Stück Vollendung des gemeinsamen selbsterteilten Auftrags der Westmächte, weltweit für die Geltung ihrer politischen Prinzipien in Sachen Freiheit zu sorgen.

Welchen Einwand will ein Grüner eigentlich noch erheben, der seiner geschätzten BRD huldvollst die Freiheit für "beliebige Maßnahmen im Kriegsfall" anheimstellt und sich auch noch auf den NATO-Vertrag beruft, der die Vorneverteidigung der Freiheit bis Afghanistan und zum Roten Platz für unabweisbar erklärt?! Dieses Programm ist doch ohne Pershings auf deutschem Boden kaum zu haben!

Daß die NATO eine "Defensiv-Allianz" gegen Überfälle Dritter sei, wie Friedensfreunde vielleicht aus der Formulierung "Sicherheit des nordatlantischen Gebietes wiederherzustellen und zu erhalten" herauslesen, können die Grünen ja selbst nicht glauben - und dieser Idealismus bezüglich des NATO-Vertrages wird im Anklagepunkt auch gar nicht geltend gemacht, wenn auf die Freiheit zu seiner garantiert souveränen Einlösung gepocht wird. Selbst im guten Glauben der Idealisten der Klageschrift gelten die vorgetragenen Argumente nicht als unabweisbare Einwände gegen Krieg. Die halten so etwas für einen "Fall", auf den sich die BRD gut vorzubereiten hat, ohne sich von US- und anderen Oberbefehlshabern dazwischenreden zu lassen. Wer den folgenden Satz zu Papier bringt

"Anklagepunkt N 15: Versäumnis des vorbeugenden Zivilschutzes.

Die Bundesregierung versäumt seit Jahren grundgesetzwidrig den Ausbau eines wirksamen Zivilschutzes." -,

der muß die Frage, warum seine eigenen Politiker dem Volk einen Krieg in Aussicht stellen könnten, dahingehend beantwortet haben, daß es sich nur um zu befürwortende Gründe handeln kann, weswegen man zutraulich bei den Urhebern militärischer Gewalt um Schutz nachsucht.

Grüne Freiheit für die Roten

Wie diese Gründe durch die grüne Brille aussehen, hat stellvertretend für viele Johan Galtung auf dem Nürnberger Tribunal dargelegt. Das Publikum brachte stehend Ovationen für die folgende Bemerkung:

"Die Sowjetunion hat vielen ihrer eigenen Bürger und denen anderer Länder schreckliche Dinge angetan, sagte Galtung, und deshalb müßten die Bürger Westeuropas fürchten, daß sie das 'eines Tages auch mit ihnen machen könnte.' ... 'Jede Entstalinisierung, also die Gewährung von mehr Freiheit in der Sowjetunion, ist für die Friedensbewegung nicht nur im Westen eine entscheidende Hilfe.' ... Genauso deutlich kam Galtung auf die Gegenseite eines unseligen Zusammenspiels zu sprechen, als er Ronald Reagan den 'besten Mitkämpfer der Stalinisten in der Sowjetunion nannte.' ... Das Parlament der Vereinigten Staaten müsse offen und ehrlich über alle Verbrechen diskutieren, die im amerikainischen Namen in Kriegen und durch die Unterstützung brutaler Diktaturen begangen wurden." (Nürnberger Nachrichten 21.2.83)

Ausgerechnet die Ideologie der Adenauer-Ära vom Einfall des russischen Bären in deutsche Vorgärten machen sich aufgeklärte Fortschrittsfreunde zu eigen. Als wäre diese Idiotie nicht längst durch Theorie und Praxis der NATO ad absurdum geführt. Wenn der NATO-Generalstab beschließt, daß in Afghanistan die Leute von den falschen Militärstiefeln getreten werden und die schiere Existenz russischer Mittelstreckenraketen nicht länger hinnehmbar sei, dann kann von einer Bedrohung durch die Sowjetunion nur noch in einem Sinne die Rede sein: Gemessen an dem maßlosen Anspruch imperialistischer Weltherrschaft wird die SU zum Hindernis, daher zur Bedrohung dieses Anspruchs.

Daß schließlich auch im Osten ein Untertan schon einmal mit seiner Herrschaft aneinander gerät, ist einer der blödesten Gründe, die Form demokratischer Herrschaft zur Oase der Freiheit des einzelnen zu verklären. Die C-Führungsgarnitur hat sich soeben demokratisch zu einem "Aufschwung für Deutschland" ermächtigen lassen. Das bringt neben den vielgepriesenen Opfern für Rentner, Arbeitslose und andere für den Profit Unbrauchbare einer Gewerkschaft Kritik ein, die ihr Reallohnsenkungsprogramm noch als Lohnrunde statt als Lohnpause abwickelt. Und wer sich überhaupt zur Benutzung der Meinungsfreiheit entschließt, um ein paar Einwände vorzubringen, wird mit einem Demonstrationsrecht vertraut gemacht, das neben dem Recht auf uneingeschränkte Observierung der Demonstranten (Diskussion über das Vermummungsverbot) auch die Bezahlung der Prügel durch die Verhauenen vorsieht. Welche Chance hätte hierzulande wohl eine Gewerkschaft Solidarnosc gehabt, die ihrer Obrigkeit nicht huldigt, sondern den Gehorsam verweigert?

Die sachliche Beurteilung der Lebensumstände in West und Ost gibt das Material für die Parteinahme für Freiheit und Demokratie nie her, ein nationalistisches Vorurteil aber gelangt zu diesem "Schluß" auch gegen alle Tatsachen. Auch die Verurteilung amerikanischer Metzeleien vergangener Tage kann diese Parteinahme offenbar nicht erschüttern. Während nämlich Afghanistan als Ausweis einer schlechthin bösen Macht gilt, segelt das traditionsreiche Register von US-Schlächtereien unter der Rubrik "Verbrechen" gegen die eigenen begrüßenswerten Prinzipien von Freiheit und Demokratie, für die unsere westlichen Heimatländer rund um die Uhr Wache schieben. Der Witz liegt gerade darin, daß in der Anklage der westlichen Führungsmacht schon die ganze Parteilichkeit für sie enthalten ist. Ihre Abweichung von den eigenen demokratischen Werten und Idealen oder was als solches interpretiert wird, unterstellt eben umgekehrt, daß sie für diese "Errungenschaften" prinzipiell einsteht, während die SU zu solchen Verstößen gar nicht mächtig ist, bzw. ein einziger Verstoß ist, weil sie nicht einmal die vom Westen gepachteten Prinzipien ihr eigen nennt.

Insofern entdeckt dieser Idealismus unabhängig von allen Raketenhochrechnungen seinen prinzipiellen Widersacher genau da, wo ihn die NATO aus etwas anderen Gründen auch ansiedelt: im Osten. Mit der Bekanntgabe des gemeinsamen Gegners sind auch Aufrufe zur Verteidigung der Vaterländer nur konsequent:"

"Gegen jede Bedrohung von außen müsse Europa absolut defensive Streitkräfte aufbauen, die in sozialer Verteidigung ebenso wie im Guerillakampf trainiert würden." (wieder Galtung, Nürnberger Nachrichten 21.2.83)

Daß diese Streitkräfte "absolut defensiv" , sein sollen, muß deswegen betont werden, weil sonst ein Unterschied zur NATO-Strategie überhaupt nicht mehr kenntlich ist. Ob aber umgekehrt der grüne Wunschtraum von "mehr Freiheit in der Sowjetunion" mit ein paar Guerillas im Bayerischen Wald je zu haben sein wird?