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Dieser Artikel ist in der MSZ 12-1983 erschienen.

Die Freiheit stiftet Ordnung
WELTWEIT UNTERWEGS IN SACHEN FRIEDEN

Politikerreisen in Vorkriegszeiten haben entweder den Charakter von Truppeninspektionen, wenn sie Freunde heimsuchen, oder erinnern an Erkundungsmissionen hinter den feindlichen Linien, wenn die Sendboten des Frontstaats BRD im Zeichen der Raketenstationierung "Ostkontakte pflegen".

Lauter Freunde von "uns", wie zu hören war, hat der

Kanzler in Fernost

besucht. Zuerst die Japaner. Das erste Thema, über das verhandelt wurde, galt natürlich wieder einmal den leidigen Handelsbilanzdefiziten zu Ungunsten von BRD und EG beim Geschäft mit Japan. Kohl, der in Tokio als selbsternannter "Pflichtverteidiger japanischer Interessen in Europa" auftrat, wartete zunächst einmal mit der Drohung "unvernünftiger" EG-Partner auf, die angeblich immer nach Protektionismus zur Beschränkung japanescher Handelserfolge rufen. Der deutsche Kanzler ganz freundschaftlich-selbstlos:

"Das Problem der japanischen Handelsüberschüsse muß durch eine Steigerung der japanischen Importe gelöst werden."

Sichergestellt vwurde auch noch einmal der Beitrag der BRD gegen die fernöstliche Konkurrenz:

"Die Deutschen sind nicht out und haben nicht abgedankt. Also, Sie können und dürfen mit uns rechnen, auch mit unserer Konkurrenz."

Eine nette, kleine Handelskriegserklärung, die der Kanzler noch extra für den Gegner und als Forderung ans eigene Arbeitsvolk verdolmetscht:

"Meine eigenen Landsleute sollten über die Tüchtigkeit der Japaner nicht klagen, sondern es ihnen gleichtun!"

So wird mittels friedlichen Wettbewerbs zwischen Opel-, Siemens- und Werftarbeitern und ihren japanischen Klassenbrüdern jenen das Feindbild von den gelben Arbeitsplatzkillern erhalten und zugleich auf Einmütigkeit zwischen den beiden Regierungen Wert gelegt. Diese beruht gemuß der Tokioter Erklärung beider Staatschefs darin, daß die wechselseitige Benutzung der eigenen Wirtschaftsmacht nicht zur politischen Feindschaft ausarten darf. Eine Einmütigkeit, die um so notwendiger ist, weil Japan und die BRD ein gemeinsames Sicherheitsinteresse haben, dem der Hauptteil des Staatsbesuches galt. Die beiden westlichen Frontstaaten eint nämlich ein höheres Schicksal: "Eine gemeinsame schwere Vergangenheit", ein verlorener Krieg gegen den Rest der Welt und "eine gemeinsame Zukunft" mit dem Rest der Welt gegen den gemeinsamen Feind. Eine neue Achse zwischen Deutschland und Japan wird durch den Umstand geschmiedet, daß die sowjetische Grenze einen westlichen und einen östlichen Streckenabschnitt besitzt, den die alten Weltkriegsverlierer auf beiden Seiten besetzt halten. "Mit der Dislozierung von sowjetischen SS-20-Mittelstreckenraketen hat in den vergangenen Jahren die Bedrohung eine neue Qualität erhalten", aus der jetzt eine ganz eigene Verantwortung der Bundesrepublik für Japan erwächst: Sollte nämlich Kohls unbedingtem Willen zur Abrüstung - der Sowjetunion - nachgegeben werden, schon ist Gefahr in Verzug - für Japan.

"Aber wir sind nicht bereit zu einem Verhandlungsergebnis zu jedem Preis... Und ich füge klar und deutlich hinzu: auch nicht zu Lasten unserer japanischen Freunde und unserer übrigen Freunde in Ostasien. Wir wollen eine drastische Verminderung der Bedrohung. Aber es ist völlig ausgeschlossen, daß wir einer Verlagerung der Bedrohung von Westeuropa nach Ostasien zustimmen werden. Friede und Sicherheit in der heutigen Wett sind unteilbar, deshalb ist es undenkbar, daß unsere Sicherheit auf Kosten der japanischen Sicherheit geht."

Logische Folge: Aufrüstung hier wie dort ist angebracht. Egal, wie die Genfer Verhandlungen ausgehen: Dem "eurostrategischen Gleichgewicht" muß ein ostasiatisches entsprechen. Und das folgt zwingend aus der japanischen Vergangenheit.

"Die Namen Hiroshima und Nagasaki stehen für uns als verpflichtende Mahnungen zum Frieden... Mit tiefer Besorgnis sehen wir den über Vietnam in den Pazifik ausgreifenden Expansionismus, die Unterjochung des afghanischen und die Unterdrückung des Freiheitswillens des polnischen Volkes. Wir erkennen in diesen Krisenherden nicht nur das Unglück anderer Vötker, sondern die eigene Bedrohung... SS 20..."

Es ist also keinesvvegs makaber, in Japan mit dem Namen Hiroshima das gemeinsame Aufrüstungsprogramm hochleben zu lassen. Schließlich haben die alten Friedensvvaffen Japan an die Seite der Macht gebombt, die beiden Kriegsverlierern eine Karriere im Bündnis eröffnet hat, mit der verglichen sich die alten Weltherrschaftsabsichten bescheiden ausnehmen. Daher lassen sich heute beide von ihrer Vergangenheit zu einem erfolgreichen Kriegsprogramm "mahnen" und definieren ihre Bedrohung am Maßstab der eigenen Vorhaben. Die Gefahr für die Inseln besteht nach Kohl heute darin, bei der Aufrüstung der westlichen Front nicht entsprechend mitzuhalten. Hierbei kommt der japanischen Rüstung eine Aufgabe zu, mit deren Erfüllung sie ihrem verfassungsgemäßen Titel "Selbstverteidigungsstreitkräfte" in ganz neuen Dimensionen nachkommen kann.

Die gemeinsame Willenserklärung, "die Weltwirtschaft zu beleben" und die Kritik des Kanzlers, "daß Japan bislang Großaufträge an die Vereinigten Staaten vergibt", sollte dann wohl auch zu ein paar Großaufträgen an deutsche Waffenschmieden führen. Kleinlich war also die Kritik von Grünen und Friedensbewegten, daß Kohl abschließend ein Goethe-Institut eingeweiht hat, statt Hiroshima zu besuchen. In den Lehren, die sie aus Hiroshima ziehen wollen, waren sich Kohl und sein neuer Freund "Yasu" schließlich einig.

Die Grünen im Osten...

Während der Kanzler in Japan die erforderlichen Leistungen für Frieden und Freiheit erörterte, nahm sich seine grüne Opposition desselben Programms in Moskau an: Einseitige Abrüstung und Menschenrechte, also die freiwillige Entwaffnung und die offizielle Erklärung, daß die Volksdemokratie, gemessen an den Idealen der westlichen, nichts taugt - damit wären die Grünen zufrieden gewesen und hätten im Austausch der Sowjetunion eine gesicherte Zukunft garantiert.

Dasselbe ein paar Tage später n Ostberlin: eine innerdeutsche Wuischliste mit Abrüstung, Senkung des Mindestumtauschs, Reiseerleichterungen, Erlaubnis für Fahrradtouren in die DDR, Umweltschutz und 24 Häftlingen und als Gegengeschenk ein "persönlicher Friedensvertrag" auf grüner Pappe. Eine Freilassung war Honecker die gute Meinung der Grünen auch wert, aber zufriedenstellen lassen sich dadurch die Grünen ebensowenig wie die offizielle Bonner Politik. Eine später angesetzte Demonstration wurde unterbunden, weil der andere deutsche Staat westliche Proteste auf seinem Territorium gegen die Waffen seiner Schutzmacht nicht schätzt. Die Manöverkritik der Grünen:

"Selbst die sogenannten Aktionen sind kein Erfolg gewesen. Praktisch mit Erlaubnis der sowjetischen Behörden haben wir einige Zeit auf dem Roten Platz Plakate hochgehalten, sind mithin ins Leere gelaufen. Und in Ostberlin haben wir lernen müssen, daß ein freundliches Gesicht Honeckers beim Gespräch längst nicht bedeutet, daß wenige Tage später auch dessen Polizei freundlich dreinschaut."

Darin sind sie also sehr gelehrig, daß auch ihnen der Osten nichts recht machen kann, ob er sie nun demonstrieren läßt oder nicht. Gerade so war ihre Aktion sehr erfolgreich: Sie taugte zum Beweis dafür, daß den freundlichen Worten drüben nicht zu trauen ist, weil der "unfreiheitliche Charakter" sich nicht verleugnen läßt. Als Beweis dafür also, daß man mit denen anders umspringen muß.

...im Gefolge ihrer christdemokratischen Kollegen

Wie z.B. ihr Kollege Stoltenberg, der zur gleichen Zeit anläßlich des Luther-Jahrs das SED-Politbüro-Mitglied Günter Mittag aufsuchte. Ganz ohne die Luthersche Abneigung gegen die Zinsknechtschaft überbrachte er die Botschaft, daß die Bundesregierung auf der Eintreibung der politischen Zinsen für die Vermittlung des letzten Kredits besteht. Geldklemme oder Annahme des BRD-Diktats, die DDR darf es sich aussuchen. Einen Teil der Antwort konnte der Bundesfinanzminister gleich mit nach Hause bringen: Die DDR nimmt die Raketenstationierung nicht zum Anlaß, die deutsch-deutschen Geschäfte abzubrechen.

Mit demselben Programm: "Jetzt Ostkontakte pflegen" - also gerade jetzt als neue Raketengroßmacht Interessenkonflikte ins feindliche Bündnis hineinzutragen und auszunützen - bewegten sich andere CDU/CSUler nach Prag und Budapest. Den dortigen Herrschaften erklärte man, daß sie die "ungeschmälerte Erhaltung der Sicherheit der Bundesrepublik" zu schlucken haben, wenn sie weiterhin mit einer "aktiven deutschen Ostpolitik zum gegenseitigen Nutzen", d.h. zur Abwendung größeren Schadens kalkulieren wollen. Während den "Satelliten" nachdrücklich klargemacht wurde, daß sie auf Protest gegen die deutsche Rüstung lieber gleich verzichten sollen, erkundete Todenhöfer in Moskau die sowjetischen Gegenmaßnahmen. Welche Waffen die Sowjetunion aufzustellen gedenkt, welche Modernisierungen sie beabsichtigt, zu welchem Zeitpunkt sie die Gegenmaßnahmen ansetzt, das will man ja schließlich alles genau wissen. Das läßt sich für die Propaganda daheim gut verwenden: 1. rüstet die Sowjetunion ohnehin immer, 2. können ihre jetzigen Maßnahmen daher nicht den moralischen Titel von Gegenmaßnahmen beansprüchen, folglich ist 3. jede westliche "Gegenmaßnahme" nur zu gerechtfertigt. Die Versicherung der sowjetischen Gesprächspartner, daß sie am allerwenigsten den Dialog mit dem Westen einstellen wollten, brachte Todenhöfer auch noch mit zurück. Das taugt auf jeden Fall für den Beweis, daß die Russen ihre eigenen Angriffe auf die Nachrüstung so ernst gar nicht nehmen wie manche ängstlichen Kreaturen hierzulande.

Dieselbe Mission brachte 2 Tage später Genschers Planungschef ins sowjetische Außenministerium, wo er sich seinerseits die Gegenmaßnahmen erklären ließ samt dem guten sowjetischen Willen, irgendwie immer noch auf die Beziehungen zur BRD zu bauen. Auch die BRD, versprach Seitz, will weiterhin Kontakt halten. "Nach Bonner Vorstellung soll dabei jedoch mehr über allgemeine Grundsätze gesprochen werden, statt über bestimmte Gebiete, was die Moskauer Diplomaten gern gesehen hätten." (Frankfurter Allgemeine) Eine Fortsetzung der Gespräche bei absoluter Kompromißlosigkeit des Westens sieht dann eben so aus, daß sich die Sowjetunion auf allen Ebenen die Prinzipien vorhalten lassen darf, gegen die ihre Existenz verstoßt. So hält man diplomatisch auch die "verschärfte Lage" unter Kontrolle.

Vom gleichen Reiseziel kehrte kurz darauf eine Delegation der Jungsozialisten unter Leitung des Vorsitzenden Rudolf Hartung mit einer oppositionsgerechten Hiobsbotschaft zurück. Würde jetzt stationiert, dann sei in Genf alles aus und in Sachen Ost-West-Beziehungen breche die "Eiszeit" aus. Dagegen wollten die SPD-Nachwuchspolitiker mit ihrem Moskau-Trip vorbeugend gewirkt haben.

Genscher in Finnland

Nach einer rundum gemeinschaltlichen Bekräftigung in Norwegen, daß die Nachrüstung in Mitteleuropa und die konventionelle Autrüstung in Nordeuropa unverzichtbar sind, erklärte Genscher den Finnen, auf welche Seite sie dabei gehören:

"Eine Stationierung von Mittelstreckenraketen nach einem möglichen Scheitern der Genfer Verhandlungen wird keine Beeinträchtigung der Sicherheitslage Finnlands und Schwedens zur Folge haben. Dagegen wird ein Verzicht der Sowjetunion auf ihre Mittelstreckenraketen die Sicherheit in allen Staaten Europas verbessern."

Das haben die heutralen im Norden sich zu merken, daß sie von der SS 20 mitbedroht, von der Pershing mitbeschützt werden.

Im übrigen warnte der Außenminister davor, "die Politik auf Raketenfragen zu reduzieren". Vor allem die für Januar in Helsinki geplante "Konferenz über Vertrauensbildung und Abrüstung in Europa" (KVAE) soll sich nämlich nach NATO-Auffassung nicht mit Raketenfragen belasten, damit die Sowjets das Forum nicht für ihre "Propagunda mißbrauchen" können. Nach NATO-Auffassung hat es dort ausschließlich um Vertrauen zu gehen, das die Sowjetunion herstellen soll. Ankündigung, Beobachtung und Nachprüfung militärischer Aktionen in ganz Europa bis zum Ural braucht der Westen für sein Vertrauen, während umgekehrt "die für Europa lebenswichtige Seeverbindung zwischen den Vereinigten Staaten und dem Kontinent sowie die Bewegungen der amerikanischen mobilen Einsatztruppe" keinesfalls auf diese Konferenz gehören. Die finnischen Gastgeber haben Verständnis dafür versprochen und auch Einsicht darin gezeigt, daß die KVAE nicht durch den alten skandinavischen Vorschlag einer atomwaffenfreien Zone in Mitteleuropa gestört werden soll. Dafür hat Genscher ihre Rolle als neutrale Vermittler eigens gewürdigt - den Erfolg können sie sich zugutehalten, daß in so schwierigen Zeiten der Gesprächsfaden nicht abreißt.

Derweil trifft

Kohl in Indonesien

ein. Aus der Vorausschau der "Frankfurter Allgemeinen": "Der Bundeskanzler wird in Indonesien einen wohlgeordneten asiatischen Staat vorfinden."

Seit der Abschlachtuny der Kommunisten 1967 haben die Militärs alles fest im Griff inkl. der Bevölkerung Osttimors, von der immer noch nicht genug umgebracht worden sind, um die Vorzüge der Zugehörigkeit zu diesem wohlgeordneten Staat einsichtig zu machen. Im weiteren zeichnet sich Suhartos sauberes Staatswesen durch eine "eigenständige Außenpolitik gegenüber Vietnam und Kambodscha" aus, "eigenständig", weil als Scharfmacher im ASEAN-Bündnis. Und drittens hat Suharto den Ölpreisverfall geradezu staatsmännisch bewältigt: "den Gürtel enger geschnallt, die Rupiah abgewertet, Subventionen für Düngemittel und andere Produkte gestrichen. Das war für die Bevölkerung, von der ein Teil immer noch an der Armutsgrenze lebt, schmerzlich, scheint aber verstanden worden zu sein." Wie also nicht anders zu erwarten, "wird der Bundeskanzler in Jakarta viel Freundlichkeit spüren. Die Beziehungen sind wirklich gut und problemlos."

Dementsprechend hat es dem Kanzler dort auch gefallen. Er hat sich den Honolulu-Blumenkranz vor den Bauch gehängt und seine Friedensbotschaft passend für ein solch blitzsauberes Vorbildentwicklungsland abgefaßt. Klar, daß auch die Indonesier nichts so verabscheuen wie Afghanistan, Kambodscha und Polen. Klar, daß dafür gerüstet werden muß. Klar, daß deshalb Rüstungsfragen Indonesien unmittelbar angehen:

"Die Länder der Dritten Welt können mithelfen, dieses Ziel zu verwirklichen, indem sie auch auf die Sowjetxnion einwirken, sich für eine solche gleichgewichtige und nachprüfbare Abrüstung aufgeschlossen zu zeigen."

Dann nämlich, "dann würden wir starke Kräfte zur Bekämpfung von Hunger, Not, Elend und Unterentwicklung auf der ganzen Welt freisetzen". So aber sind die Russen natürlich an der ganzen "Unterentwicklung" schuld.

Die Nebenfront, den weltweiten Wirtschaftskrieg der BRD, hat der Kanzler dabei nicht vergessen. Über Kredite ließe die Bundesregierung auch jetzt mit sich reden, allerdings müßte sich auch Indonesien "von der einseitigen Bindung an Japan frei machen" (Boenisch). Das gebietet der faire Welthandel gegen die japanischen Freunde. Ein Zeichen guten Willens hat der Kanzler schon mit zurückgebracht: Ob nicht deutsche Airbusse "Hunger, Not und Elend" in Indonesien eher beseitigen als amerikanische Boeings, haben unsere indonesischen Freunde zu prüfen versprochen.

Ganz so gesprächig zeigte sich der Kanzler nach seiner nächsten Station

In Indien

nicht. Zwar erklärte er auch dort als erstes seine Besorgnis über die SS 20. Aber die indische Regierung wollte sich nun einmal nicht von der SS 20 bedroht fühlen und gab statt dessen ihre Besorgnis über die NATO-Rüstung sowie ein Lob für die sowjetischen Abrüstungsvorschläge zu Protokoll. Schließlich lohnt es sich für die Hauptmacht der Blockfreien immer noch, sich mit beiden Seiten zu arrangieren. Daß die indischen Politiker daher nach wie vor ihr Bekenntnis zur "Sinnlosigkeit von Militärblöcken" ablegen wollten, trübt die Beziehungen aber auch nicht weiter. Zumal der Kanzler eine ansehnliche Bestelliste für die Firmen Dornier, Krauss-Maffei, MTU, MBB und Siemens entgegennahm. Auch wenn die Inder das Zeug nicht wegen der sowjetischen Bedrohung einkaufen -, daß sie es bei uns einkaufen, ist Garantie genug, daß Waffen bei den Indern nicht in falschen Händen sind.

BRD-Innenpolitik auf Grenada

Ärger im Kabinett erwartete den Kanzler dann zu Haus wegen eines anderen Reiseunternehmens. Spranger, Staatssekretär im Innenministerium, war zu Besuch bei den amerikanischen Freunden zwecks Beratungen über "Umweltschutz" und "Terrorismus", was ja irgendwie dasselbe ist. Einigkeit erzielte er nach mehrtägigen Gesprächen mit dem CIA und dem Nationalen Sicherheitsrat darüber, "daß der kommunistische Einfluß auf die Friedensbewegung unter Kontrolle gebracht werden muß" und "daß die Sowjetunion bei der Ausbreitung des internationalen Terrorismus eine Schlüsselrolle spielt. Man braucht daher eine politische Strategie, denn mit polizeilichen Mitteln ist das Problem allein nicht zu lösen." Nur logisch also, daß er sich von seinen CIA-Gastgebern als erster inoffizieller Staatsbesuch ins frisch befreite Grenada einfliegen ließ, um seinen Polizeiverstand an den dortigen toten und lebenden Beweisen für den internationalen Terrorismus zu schulen. Kubaner hat er vorgefunden und Waffenlager; beides nach einem armseligen und völlig aussichtslosen Versuch, sich zu verteidigen - Beweise für das Gegenteil: "Waffenlager, die jedes legitime Verteidigungsbedürfnis weit übersteigen." Daß noch der altmodischste Vorderlader gegen eine US-Armee "illegitim" ist, weiß Herr Spranger eben, wahrscheinlich aufgrund seiner innenpolitischen Vorstudien über die Gewalttätigkeit von Kapuzen und Ölmänteln.

Den Ärger gab es, weil sich Kompetenzstreitigkeiten zwischen Zimmermann- und Genscherleuten nicht gehören. Sie könnten nämlich dem Kanzler als Führungsschwäche ausgelegt werden, und wo käme eine so sensible und weltweit für Gewaltlosigkeit streitende Demokratie hin, wenn das Vertrauen in die Führungskraft der ob ersten Figur verlorenginge. Währenddessen reisten schon wieder die nächsten in Wirtschaftsfragen,

Lambsdorff nach Moskau und Strauß in die Republik Südafrika

Während Lambsdorff die Tagung der deutsch-sowjetischen Wirtschaftskommission wegen der sowjetischen Rüstung mit einem häßlichen Ton einleiten mußte -

"Mit großer Betroffenheit hat die Bundesregierung die angekündigte Raketenstationierung in der DDR und der Tschechoslowakei zur Kenntnis genommen. Sie hält dies für eine gefährliche Eskalation" -,

absolvierte Strauß ein reines, rundum ersprießliches Festprogramm und weihte ein neu erweitertes BMW-Werk ein. Während Lambsdorff gleich dem gefährlichen sowjetischen Ansinnen entgegentreten mußte, die BRD mit wirtschaftlichen Bestechungen von ihrem Freiheitswillen abzubringen, konnte Strauß allen Beteiligten in Südafrika nur Glück wünschen zu ihrer prosperierenden Wirtschaft:

"Die wirtschaftliche Entwicklung und der allgemeine Aufschwung, die dieses Land erlebt hat, müssen weitergeführt werden zum Nutzen für alle rassischen Elemente, nicht nur die Weißen, sondern auch die Mischlinge und die schwarze Bevölkerung."

Nichts ist den Schwarzen zuträglicher als ein funkelnagelneues BMW-Werk, ausgestattet mit dem Menschenrecht, für einen starken Partner der Freien Welt und deutschen Profit verheizt zu werden. Als gute Landesväter sollen sich die südafrikanischen Kollegen nicht von der superdemokratischen Mäkelei an ihrer Apartheid verdrießen lassen, rät Strauß.

"Die Erhaltung der Leistungsfähigkeit Südafrikas ist mit einer schwarzen Regierung, ist mit einer schwarzen Mehrheitsregierung nach dem Prinzip 'one man, one vote' unvereinbar."

Was sich wiederum aus dem roten Arbeitssklaven an neuen Geschäften herausschlagen läßt, verhandelten Lambsdorff, Wolff von Amerongen, Beitz und Oetker als echte Demokraten: "Überdimensionierte Großprojekte" hielten sie aufgrund der unsicheren Zukunft des sowjetischen Imperiums nicht für rentabel. Auch die hoffnungsvolle sowjetische Adresse an die deutsche Unternehmerwelt als mächtige Friedenslobby hat der Wirtschaftsminister zum krönenden Abschluß höchstpersönlich zurückgewiesen. 1. hat sich eine solche Friedensinitiative bei ihm noch nicht vorgestellt, und 2., wenn es sie gäbe, ließe sich die Bundesregierung auch nicht von ihren Lieblingsbürgern in ihr Geschäft pfuschen. Im übrigen steht er mit den Herren auf bestem Fuße: die seien gerade so mit ihrer Bundesregierung zufrieden.

Wer in der Welt neben dem einen unbelehrbaren Feind nur noch Freunde hat, erhält auch viel Besuch. Der

Ägyptische Verteidigungsminister

z.B. besichtigte Bundeswehrübungen, Werften und andere Waffenfabriken. Die Aufnahme einer militärpolitischen Zusammenarbeit wie mit Saudi-Arabien wurde ebenso dementiert wie aktuelle Waffenkäufe. Beide Abteilungen werden ja zur Zeit zwischen Ägypten und den USA bestens geregelt. Aber was nicht ist, kann noch werden. Deutsche Waffen interessierten Ausländern vorführen, schadet nie. Zwei Pannen gab es bei den Besuchen, von denen die eine den deutschen Bürgern zur Freude, die andere zum Ärger gereichen sollte. Der

König von Tonga

soll sich im Münchner Hilton überfressen haben, so daß ein Besuch im KZ Dachau ausfallen mußte. "BamS" berichtete: "Drei Filetsteaks, drei Portionen Ofenkartoffeln, drei Portionen Broccoli. Dazu: zehn Pils. Alles nur für sich allein." Die betreffende Person ist König über 170 Inseln in der Südsee, die seit Bismarcks Zeiten Deutschland lieben und bei denen es sonst auf nichts ankommt. Daher darf der dicke König auch gerne zu uns auf Vergnügungsreise kommen und wird dem Volk als Zoologikum liebenswerter Natur vorgezeigt. Das mit Dachau kann dann ruhig entfallen. Nicht entfallen darf hingegen ein Besuch an der Mauer. Die Weigerung einer Parlamentarierdelegation aus Griechenland, das Bauwerk zu betrachten, hat die Nation, bzw. ihre politischen Sittenwächter in Aufruhr versetzt. Staatsminister Mertes hat den Griechen den entsprechenden Anstandsunterricht erteilt:

"Die Berliner Mlauer ist ein unnatürliches" (wohl im Gegensatz zu organisch gewachsenen Grenzen) "und anarchistisches" (im Gegensatz zu gemeinschaftsgewollten Grenzen) "Bauwerk, das die leidvolle Spaltung für die beteiligten Menschen zum Ausdruck bringt. Vor dieser Realität im Herzen Europas darf mar nicht die Augen verschließen."

Wenn es sie nicht gäbe, müßten die Bonner Politiker die Mauer selber bauen. Ein so ausgezeichnetes Instrument zur Prüfung der Unterwürfigkeit zweitklassiger Staatsbesucher gibt es nicht noch einmal.

Frau Thatcher

die das dahinterliegende freie Berlin eigenhändig mitverteidigt, braucht selbstverständlich nicht jedesmal hin: Sie bekräftigte in Bonn zusammen mit Kohl den Stationierungswillen sowie das Vorhaben: "Jetzt geht es darum, in die Zukunft zu schauen." Deshalb, weil Kohl ihr dabei half, die Verärgerung über die mangelnde Berücksichtigung der europäischen Kompetenz bezüglich Grenada zurückzustellen. Daher stand auch nicht Grenada zur Debatte, sondern "die Verbesserung von Konsultationsmechanismen im Bündnis". Damit hatten die europäischen Herrschaften auf die ihnen gebührende Rolle bei der Überwachung des Weltfriedens hingewiesen. Und der Blick "in die Zukunft" stellte das Einvernehmen wieder her: "Grenada besitzt nun eine neue Chance, zur Demokratie zurückzukehren".

Die erwünschte Berücksichtigung erfuhren Kohl und Thatcher gemeinschaftlich von seiten der nächsten Besucher, der

US-Politiker Dam und Burt

Erstens "sei Washington enttäuscht über die voreiligen und negativen Urteile, die man eilends abgegeben habe, statt sich erst einmal die Argumente und die Rechtspositionen der Vereinigten Staaten anzuhören." (Süddeutsche Zeitung) Zweitens wurden Kohl und Thatcher dann ausführlichst mit allen zwischenzeitlich erstellten Dokumenten bekannt gemacht. Damit sind sie in allen Ehren konsultiert worden und können die Unsinnigkeit jeglicher Kritik an der US-Invusion mit lauter bestürzenden "Erkenntnissen" vertreten. Drittens untermauerten die amerikanischen Besucher den Stationierungswillen ihrer europäischen Partner durch allerallerletzte amerikanische Vorschläge. Dam übermittelte eine Botschaft seines Präsidenten, "keinen Stein im Spiel unberührt zu lassen, damit man später sagen kann: Wir haben alles versucht." Und darauf kommt es schließlich an.