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Dieser Artikel ist in der MSZ 12-1983 erschienen.

Systematik

Vor dem 1. Weltkrieg
IMMER DASSELBE?

Sicher war damals vieles anders als heute. Doch gewisse Prinzipien, die vor Kriegen einreißen, galten damals genauso. Ein paar Auszüge aus einem Geschichtsbuch (Ploetz, Auszug aus der Geschichte) belegen das.

"1887

Der im Zeichen der Heeresvorlage neugewählte Reichstag stimmt dem Septennat zu (Heeresvermehrung auf sieben Jahre)

Nach der Veröffentlichung des Zweibundvertrages (zwischen Rußland und Frankreich) am 3. Febr. 1888 neue Heeresverstärkung und berühmte Friedensrede Bismarcks im Reichstag am 6. Febr. mit den Schlußworten: 'Wir Deutschen fürchten Gott, aber sonst nichts auf der Welt.'

1893

Nach Auflösung des Reichstags neue Militärvorlage: weitere Verstärkung des Heeres.

1898

Erstes Flottengesetz vom Reichstag angenommen (seit 1897 Staatssekretär des Reichsmarineamts Alfied v. Tirpitz). Deutscher Flottenverein gegründet.

1900

Zweites deutsches Flottengesetz. Die Verstärkung der Flotte steht unter dem "Risikogedanken", d.h. der Erwartung, daß eine starke deutsche Schlachtflotte jedem Gegner einen Angriff riskant machen muß. Teilnahme am Boxerkrieg.

1909

In der Annexionskrise verursacht eine deutsche diplomatische Intervention in St. Petersburg zugunsten Österreich-Ungarns die Ausdehnung der russischen Verstimmung auf Deutschland.

911

Zweite Marokkokrise: Gegen das französische Vorgehen in Marokko protestiert Deutschland durch Entsendung des Kanorienboots "Panther" nach Agadir.

912

Neue Flottenvorlage (Gesetz im März: Bauprogramm bis 1920)

913

Heeresverstärkung (2 neue Armeekorps)

914

Julikrise nach der Ermordung des österreichisch-ungarischen Thronfolgers

1. Juli

Am Morgen wird die russische Mobilmachung in Berlin bekannt. ... Nachmittags die Kriegserklärung des Deutschen Reichs an Rußland.

3. August

Nachmittags Kriegserklärung des Deutschen Reiches an Frankreich als Antwrort auf die unbefriedigeride französische Note zum deutschen Ultimatum und auf die französische Mobilmachung, begründet durch französische Grenzverletzungen und angebliche, größtenteils auf Falschmeldungen beruhende Kriegshandlungen.

4. August

Die Kriegskredite werden von allen Parteien einschließlich der Sozialdemokraten bewilligt. Der innerpolitische 'Burgfriede' - wird gelobt..

Ursachen: Der Krieg wird von den Staatsmännern Europas zumeist nicht gewollt. Trotzdem rechnet man überall mit dem zwangsläufig drohenden großen Krieg, in den man Anfang August 1914 'hineinschlitterte'..."

Immer dasselbe? Nun, einiges war schon ziemlich anders: Es gab kein festes Kriegsbündnis gegen einen gemeinsamen Hauptfeind; die Atomwaffe war noch nicht erfunden; die Staatenkonkurrenz damals hatte noch nicht die Eigenart der NATO-Zeiten, wo das Wort "Freiheit" schon das Gütesiegel dafür ist, daß ihr böses Gegenteil mit allen Mitteln militärischer Kunst aus der Welt geschafft gehört; der Antikommunismus war noch nicht das absolute und unhinterfragbare Feindbild. Aber sonst?

Fleißig aufgerüstet wurde, je näher desto schneller. Die diplomatischcn Frechheiten nahmen offensichtlich zu. Auch "Abschreckung" gab es schon in dem wirklichen Sinne, daß nämlich mit genügender Aufrüstung das Risiko, im Krieg zu verlieren, sinkt. Kriege wurden auch geführt vor dem großen. Der Anlaß für diesen wurde selbstverständlich gefunden, weil der dann nur eine Entscheidungsfrage der Gegner ist. Und eine Friedensbewegung gab es vor dem 1. Weltkrieg zum ersten Mal in der Weltgeschichte in ganz Europa. So war das Zustandekommen des 1. Weltkriegs kein Wunder mehr. Seltsam, daß schon über damals das Urteil gefällt wird - in einem Geschichtsbuch -, es hätte ihn niemand recht eigentlich gewollt, aber jeder doch sehr cool mit ihm gerechnet. Das sollte man sich merken: Niemand will ihn, alle kalkulieren mit ihm, weil sie eben ihre Gründe kennen, weshalb sie sich Flotten und Pershings anschaffen. Schon damals haben die Staaten gewußt, daß ihre Handlungsfreiheit mit und in der Welt eine Gewaltfrage ist. Also haben die Verantwortlichen aufgerüstet, dann mobil gemacht. Was noch auffällt ist die Dieselbigkeit der Sozialdemokrutie: Damals zogen sie mit dem "Burgfrieden" in den Krieg; heute lehnen sie die Nachrüstung m Parlament ab. Wo ist da der Unterschied?