Info

Dieser Artikel ist in der MSZ 11-1983 erschienen.

Systematik


ZWEI BÜCHER, DIE AUS DEM RAHMEN FALLEN

Über den Frieden wird heute derart viel geredet, daß man meinen sollte, mancher käme darauf, wie sehr der Krieg droht, wenn alle Welt über den Frieden sinniert. Stattdessen wird aber die unerschütterliche Versicherung der Staatsmänner, sie hätten den Frieden fest in der Hand, weil sie ihn kräftig sichern, mit der Alternative beantwortet, man möge ihn doch mit weniger Waffen, mehr Entspannung und ganz viel Gespräch erhalten. Über Krieg wird heute auch mehr denn je gesprochen und geschrieben. Einerseits soll seine Möglichkeit wieder zugenommen haben wegen der nicht zu übersehenden Spannungen zwischen den Supermächten; andererseits wird ein Welt- und Atomkrieg für eigentlich unmöglich erklärt, weil damit die Vernichtung der Menschheit drohe und kein lohnender Sieg mehr herausschauen könne.

Ob über Krieg oder über Frieden debattiert wird, die Auseinandersetzung ist ein einziger Glaubensstreit. Die Regierenden fordern Vertrauen in ihre "Friedenspolitik". Mit dem Hinweis auf ihre alleinige Zuständigkeit - "wir sind gewählt!" - begründen sie ohne jedes Argument ihre Glaubwürdigkeit: Ihnen muß man ja alles abnehmen. Manche Regierte bezweifeln diese Glaubwürdigkeit - allerdings ohne ihre Zuständigkeit zu bestreiten, also bloß moralisch mit dem Bedenken, ob man sich nicht mit der Aufrüstungspolitik an der Menschheit und nachfolgenden Kindern vergehe und überhaupt das Falsche tue für den Frieden.

Das Buch von Karl Held und Theo Ebel: "Abweichende Meinungen zur 'Nachrüstung', DER WESTEN WILL DEN KRIEG, Acht Beweise und ein Schluß", nimmt nicht teil an den endlosen Debatten darüber, wie denn der Frieden, das höchste Gut, am besten gesichert werden könnte - zur Lösung dieses verkehrten Problems ist inzwischen von Afghanistan über die Bergpredigt bis zum deutschen Wald ja auch schon alles ins Feld geführt worden, was deutschen Müttern auch immer einfällt, wenn sie ihren Kindern erzählen, warum Papi im Krieg ist. Das Buch hält dagegen an der Einsicht fest, daß Krieg und Frieden mit gut und böse, mit menschlichen Verirrungen oder waffentechnischer Eigendynamik gar nichts zu tun haben. Es gibt zu bedenken, daß ein Staat wie die BRD, der beste Frontstaat in der NATO, mit Interessen überall, wo Öl, Sojabohnen oder auch nur Wüstensand in der Gegend liegen, schon immer mit fremden Staaten als Hindernissen, mit Gewalt als Mittel der "Problemlösung", also auch mit dem Krieg kalkuliert - warum sonst die Bundeswehr! Wer sich ohne moralische Brille ernsthaft die 'Lage' ansieht, der kann nach dieser 'Abweichenden Meinung' leicht merken, wie eindeutig die Zeichen für den Dritten Weltkrieg sind. Die verantwortlichen Politiker zeigen ja selbst in ihren Worten und Taten, wohin ihr Weg führt. Die Aufgabe der NATO, der Freiheit zum Sieg und einer von ihnen kontrollierten Staatenordnung zu endgültiger Sicherheit zu verhelfen, erscheint vielen der dafür Verantwortlichen jetzt reif für die Vollendung.

Zum Beweis bezieht sich das Buch auf lauter Bekanntes:

- die Akkumulation des Friedensgeschreis geht mit der Anhäufung von Waffen parallel;

- die bodenlose Hetze gegen den Hauptfeind stellt selbst die Gerüchte von der russischen Bösartigkeit an Hinterhältigkeit in den Schatten, speziell mit ihrem guten Gewissen, "kein Feindbild" zu kennen;

- selbst eine unbedeutende Touristeninsel wird zur strategisch wichtigen Bastion ernannt, und zwar gleich durch eine ganze Invasionsarmee;

- für die Perfektionierung der Kriegsmittel darf kein Preis zu hoch sein;

- der Jugend wird erklärt, sie habe die Tugenden der Nachkriegszeit vergessen, und so der Soldat als Vorbild hingestellt;

- schon eine Demonstration von Friedensliebhabern gilt als ungehörig, und wenn Protestierer weggetragen werden, dann werden sie gleich auch noch für den inneren Frieden polizeilich erfaßt;

- schon die harmlose Gewaltlosigkeit von Kinderwägen und Menschenschlangen stört eigentlich die Freundschaft mit den Amerikanern, an der nichts zu deuteln ist. Heißt das nicht, daß der freie Westen einschließlich BRD sich nicht vom Volk bei seinen "friedenspolitischen" Lösungen stören lassen, es vielmehr auf die Kriegszeit einschwören will, die gerade mit Pershing-Raketen unübersehbar vorbereitet wird? In acht Beweisen wird in diesem Buch jedes Glaubensbekenntnis zu einem todsicheren Frieden aufgekündigt. Der stattdessen angegebene Tip, wie die todsicheren Kriegsaussichten zu verändern sind, ist von unbestreitbarer Originalität in der bundesdeutschen Friedens-Buch-Preis-Landschaft. Deshalb wird er an dieser Stelle auch nicht preisgegeben. (Das Buch kostet 5,- DM.)

Von denselben Verfassern gibt es schon seit Juli '83 ei, Suhrkamp-Bändchen: Karl Held/Theo Ebel, Krieg und Frieden, Politische Ökonomie des Weltfriedens, edition Suhrkamp, NF 1149. Auf 324 Seiten wird da nachgewiesen, daß und inwiefern erstens die ganze Scheiße am Kapitalismus liegt; warum zweitens der Weltfrieden immer so ungemütlich ist, und wozu drittens der Westen so kriegsbereit ist - auch das ohne jede Spekulation!