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Dieser Artikel ist in der MSZ 11-1983 erschienen.

Kohl in Arabien
EIN WAFFENHÄNDLER AUF FREUNDSCHAFTSTOUR

Statt dem Leo hat der westdeutsche Kanzler den Oberen der Saudis gleich den ganzen Panzerwaffenkatalog von Krauss-Maffei mitgebracht. Wirklich eine "salomonische Lösung" für die NATO-Macht Nr. 2 mit ihren "besonderen Beziehungen" zu Israel.

Es war schon etwas komisch. Sonst können Bundesdeutschlands Firmen gar nicht genug ins Ausland verkaufen; die Waffenfabriken der Republik schon gleich nicht. Und Bundesdeutschlands Außenpolitiker bahnen ihnen gerne und nachdrücklich den Weg - zu Argentiniens Militärjunta, zu Chiles Diktator, zu Südafrikas Rassistenregime... und sogar zur Schweizer Volksarmee. Nur in den Nahen Osten sollten Krauss-Maffei und Co. nicht liefern dürfen. Ausgerechnet in den Nahen Osten, der seit Jahren den schwungvollsten Waffenverbrauch aufzuweisen hat, wo die dicksten Milliardenbeträge darauf warten, wieder in "unsere" Wirtschaft "zurückgeschleust" zu werden, ausgerechnet da galt es als höchst schwieriges Problem, daß SPD-Bundeskanzler Schmidt einst seinem mohammedanischen Kollegen, dem König Fahd von Saudi-Arabien, die Lieferung einer kompletten Leopard-2-Panzerarmee versprochen hat. Und wie hoch wurde Kohl gelobt für seine salomonische Lösung: Leo 2 nein, dafür Gepard, Marder und überhaupt.

Wo lag eigentlich das Problem?

Offiziell hieß es immer: Unser Busenfreund Nr. 1 im Nahen Osten, des Westens militaristischer Vorposten Israel, fürchtet um seine Vorherrschaft in der Region - pardon, nein: um "die Sieherheit seiner Grenzen" (die seit 1948 ein paar Mal erheblich ausgeweitet worden sind - wahrhaftig viel zu schützen...!). Eine deutsche Panzerarmee in arabischer Hand, die sich gegen den Judenstaat einsetzen ließe - wie peinlich! So recht glaubwürdig war dieses Bedenken allerdings nie. Sicher: Wie das meiste Bundeswehrgerät, so ist natürlich auch der prachtvolle Standardpanzer unserer Armee dafür geeignet (und dazu da), feindliches Gebiet zu erobern - wozu denn auch sonst! Daß aber ausgerechnet Saudi-Arabien, des Westens Busenfreund Nr. 2, seine Waffen gegen Israel einsetzen würde, das ist nun überhaupt nicht zu erwarten. Dem zuständigen Herrscherhaus ist völlig klar, daß es Waffen bekommt, um "unsere Ölquellen" zu sichern - und zwar durch den Aufbau einer Armee, die "Sicherheit" bis zur sowjetischen Südwestgrenze garantiert und möglichst noch darüber hinaus. Im Ernstfall würden die unentbehrlichen deutschen Fahr- und Schießlehrer sowieso dafür sorgen, daß saudi-arabische Leos auch wirklich in die richtige Richtung rollen und den wahren Feind beschießen.

Überdies steht ja auch gar nicht zur Debatte, die Saudis sollten um Israels willen gar keine Panzer bekommen. Seit der Leopard2 ins Gespräch kam, war gleich auch schon klar daß "ersatzweise" der US-amerikanische M1 geliefert wird (mit der Wunderkanone von Rheinmetall...). Um so mehr stellt sich dann aber die Frage, wieso der deutsche Bundeskanzler sich nicht für die bundesdeutschen Konkurrenten eingesetzt hat. Ist er nun der politische Häuptling aller westdeutschen Waffenproduzenten und -händler oder nicht? Statt dessen hat er sich aufgeführt wie eine alte Jungfer, die ihr Eh eversprechen an einen eifersüchtigen Arab erscheich zurückziehen möchte.

Warum das?

Weil es bei dem Verkauf einer ganzen Panzerarmee natürlich um weit mehr geht, als wenn Lokomotiven und goldene Badewannen verscherbelt werden. Da ist das Empfängerland nämlich nie bloß Kunde - Saudi-Arabien schon gleich nicht; und da ist das Lieferland nie bloß Lieferant - der NATO-Staat BRD schon überhaupt nicht. Mit der Lieferung einer solchen Waffengattung, egal ob aus US-amerikanischen oder bundesdeutschen Fabriken, wird eine längst getroffene politische Entscheidung ein entscheidendes Stück weiter in die Tat umgesetzt. Diese Entscheidung heißt: Die NATO will nach Süden, damit sie dann um so besser nach Osten kann. Die NATO will nicht mehr in der Türkei zuende sein, sondern die Einkreisung der Sowjetunion mit neuer Energie bis an den Indischen Ozean sicherstellen. Aufräumen möchte sie mit dem alten Kriegs- und "Krisengebiet" Naher Osten und sich noch ein paar schlagkräftige Frontstaaten zulegen - unter solchen Vorzeichen passen Feudalismus und Islam lässig mit unter die Herrschaft von Demokratie und Recht, als deren Verteidiger die NATO gelten will.

Und für dieses Vorhaben entscheidet sich an der Waffenfrage, welcher NATO-Staat für diese neuen, zusätzlichen NATO-Kettenhunde am arabischen Meer politisch zuständig sein soll. Diese Frage ist durchaus nicht neu. Der NATO-Partner Frankreich hat schon längst seine Vasallen in der Region herangezogen; in Konkurrenz zu den Amis - und im Endeffekt so, daß eine perfekte Arbeitsteilung des Westens herauskam: Selbst wenn da verfeindete Staaten sich bekriegt haben, NATO-Staaten waren auf beiden Seiten vor Ort und haben aufgepaßt, daß ihr Interesse und damit das antisowjetische Hauptanliegen des Westens nie zu kurz kam.

Diese Arbeitsteilung per Konkurrenz soll jetzt aber offenbar nicht mehr ausreichen. Je gewaltiger das Waffenarsenal zur Bedrohung der Sowjetunion, um so eindeutiger muß die Kontrolle geregelt sein. Und dafür bietet der bravste aller NATO-Staaten sich an, der allerengste Bundesgenosse der USA: die Bundesrepublik. Dafür bietet sie sich an, und dafür wird sie von den USA auch eingeplant: als Helfershelfer für den Aufbau einer prowestlichen arabischen Ordnungsmacht, die für Gefahr an der sowjetischen Südwestgrenze sorgt. (Vielleicht hat Kanzler Kohl dem König Fahd gleich auch schon verraten, wie man es anstellt, ein "strategisches Ungleichgewicht" zwischen der Sowjetunion und dem eigenen Staat zu entdecken und für dessen "Ausgleichung" amerikanische Atomraketen anzufordern...!)

Weltpolitisch ist das ein entscheidender Fortschritt für die BRD. Der Fortschritt nämlich zu einem Juniorpartner, der die militärische Kontrolle der USA über den Globus auch außerhalb des angestammten NATO-Gebietes mit eigenständigen Beiträgen fördert und ergänzt. Nicht - wie Frankreich - in nationalistischer Konkurrenz mit den USA, sondern vor lauter Nationalismus amerikanischer als die Ami-Regierung selbst: So führen Kohl und Konsorten die sozialliberale Weltpolitik fort und tun alles, um den weltweiten Siegeszug der D-Mark durch einen Siegeszug deutscher Waffen, erst einmal bloß durch alle verbündeten Nationen, zu vollenden. Falls so etwas demnächst wieder fällig werden sollte: das nächste "Vietnam" findet nicht mehr ohne bundesdeutsches Engagement statt! Zu ihrem ohnehin so liebenswerten Charakter gewinnt die bundesdeutsche Republik jetzt also auch noch die lieblichen Züge einer imperialistischen Kontrollmacht hinzu; diese neue Unbescheidenheit ist der wirkliche Inhalt des Kohl-Besuchs bei den "guten" Arabern. Die Oberhoheit lassen die USA sich dadurch selbstverständlich nicht nehmen. Und das erlaubt es der Bundesregierung, ihren höchst unbescheidenen Fortschritt als einen Akt äußerster Zurückhaltung darzustellen. Mit der simpelsten Heuchelei - erst so tun, als wollte man zum Allein-Ausrüster einer neuen saudi-arabischen Landarmee werden; dann diese Aufgabe mit der USA teilen und sich als Ausbund von Bescheidenheit bewundern lassen! "Wir liefern bloß den Gepard, den Marder..", - so lenkt man propagandistisch davon ab, daß die BRD ihren neuen Frontstaat-Partner immerhin mit modernstem Kampfgerät ausstattet. Und so eröffnet man diplomatisch die neue Dimension westdeutscher Außenpolitik, die heißt: Ab sofort ist die westdeutsche Staatsgewalt mit ihrem militärischen Gewaltapparat überall da mit vor Ort, wo die USA ihren treuesten Vasallen mit dabei haben wollen.

Ein reines diplomatisches Schaugeschäft also: das bundesdeutsche "Gewissen" beim Waffenverkauf in das nahöstliche "Spannungsgebiet." Außer Kraft gesetzt worden sind die alten Bedenken; überwunden ist die Beschränkung der BRD auf die Rolle des vordersten Frontstaats - ein bißchen hat sie jetzt in den arabischen "Freunden" ihren vorgeschobenen "Frontstaat" gegen den Osten. Noch nicht ganz so, wie Kohl und Genscher eigentlich möchten; aber immerhin... Da lohnt es sich doch endlich wieder, ein Deutscher zu sein, oder?

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Zu dem Kohl-Geschäft paßt die Nachricht, daß die USA eine schlagkräftige "Eingreiftruppe" zusätzlich im Nahen Osten stationieren wollen. Der Einfachheit halber mit ortsansässigem Personal: Jordanische Elitesoldaten werden zu Ersatz-"Ledernacken" herangezogen. Unter US-Kontrolle, versteht sich - die Einsatzplanung liegt beim Pentagon.