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Oskar Lafontaine
DIE SPD VOR DEM WELTKRIEG
Ein prominenter linker Sozialdemokrat hat seine Bedenken gegen die NATO-Politik als "Angst vor Freunden" zusammengestellt. Das Buch wirft Fragen auf.
1. Ist Oskar Lafontaine ein Kriegsgegner?
Seine Argumente lassen uns daran zweifeln. Denn er hält Krieg unter den heutigen Bedingungen nur für kein politisches Mittel mehr:
"Der Krieg hatte den Sinn, einem Gegner seinen Willen aufzuzwingen. Wenn kein Gegner mehr lebt, und wenn sein Land nuklear verseucht ist, ist keiner mehr da, dem man seinen Willen aufzwingen kann. Wenn die Bevölkerung desjenigen Staates, der seinen Willen durchsetzen wollte, nicht mehr lebt, dann ist auch kein Wille mehr da, der sich durchgesetzt hat." (Angst uor den Freunden, S. 34)
Lafontaine läßt Illusionen keinen Raum: Krieg bespricht er nicht als Mittel der Verteidigung des Volkes, sondern von vorneherein als Mittel des Staates, anderen Staaten seinen Willen aufzuzwingen. Das Volk kommt daher auch gleich als Mittel und Bedingung der Herrschaft vor und nicht umgekehrt die Herrschaft als Sicherung des Volkes. Wenn die Bevölkerung tot ist, ist der Staat kaputt; das Volk ist nichts anderes als Manövriermasse des Staates. Mit der Kriegsgegnerschaft Lafontaines ist es also nicht weit her. Unter den heutigen Bedingungen müssen, so Lafontaine, Staaten mit friedlichen Mitteln der Erpressung vorliebnehmen.
2. Ist Oskar Lafontaine ein Gegner dessen, was er "Rohstoffimperialismus" nennt?
Uns scheint - nur sehr bedingt. Denn seine Hauptsorge ist es, daß "wir" in einen "rohstoffimperialistischen" Krieg hineingezogen werden:
"Wenn es am Golf Streit um's Öl gibt, kann eine der beiden Weltmächte den Krieg nach Mittel-Europa verlagern. Wenn die Weltmächte ihre technischen Möglichkeiten voll nutzen, weiß man noch nicht einmal, wer den Krieg begonnen hat. Bedarf es noch anderer Gründe, um deutlich zu machen, daß sich die Europäer aus der tödlichen Umklammerung der beiden Weltmächte lösen müssen - insbesondere (!) die beiden deutschen Staaten?" (S. 37)
"Die neue Waffentechnologie mit all ihren Folgewirkungen (Was für ein Argument gegen imperialistische Kriege!) muß jedem verantwortlichen europäischen Staatsmann klarmachen, daß der Zustand, daß die Europäer jedes Abenteuer einer Weltmacht mitmachen, unerträglich ist." (S. 79)
Worin faßt sich hier Lafontaines Kritik an den Kriegen um Rohstoffe zusammen? "Wir" haben als mittlere Mächte nicht die Machtmittel, die garantieren, daß "wir" bei einem Krieg, den die Weltmächte anzetteln, auch ein Wörtchen mitzureden haben. Deshalb nimmt es auch nicht wunder, daß er auf links Manes Sperbers Forderung nach der Großmacht Europa formuliert:
"Es ist offensichtlich, daß eine Verselbständigung Europas der Weg ist, die Rivalität der beiden Weltmächte zu mindern. Die Europäer dienen dem Frieden mehr, wenn sie der Rivalität der beiden Weltmächte (womit eigentlich?) entgegenwirken. Sie können durch ihre Verselbständigung dazu beitragen, daß das Duopol in einer pluralistischen Mächtestruktur aufgelöst wird." (S. 87)
3. Ist Oskar Lafontaine dagegen, daß sich Staatsmänner das Recht herausnehmen, über "Leben und Tod " ihrer Untertanen souverän zu entscheiden?
Uns scheint - überhaupt nicht. Es sei denn, ausländische Staatsmänner fällen diese Entscheidungen:
"Es ist in der Tat ein ungutes Gefühl zu wissen, daß unser Leben von der Entscheidung eines der alten (!) Männer im Weißen Haus oder im Kreml oder von dem Funktionieren eines Computers abhängt." (S. 75)
"Ein souveräner Staat überläßt die Entscheidung über Leben und Tod, die Entscheidung über den Kriegseintritt, - nicht einer anderen Macht, auch nicht einer Weltmacht." (S. 79)
Wenn ein deutscher Kanzler "Leben und Tod " seiner demokratischen Untertanen in voller Souveränität auf's Spiel setzt, stirbt sich's wohl angenehmer?
Oder glaubt Oskar Lafontaine im Ernst daran, daß der Vorbehalt, ein Politiker aus dem eigenen Volk solle über den Kriegseintritt souverän entscheiden, einen Krieg weniger wahrscheinlich und weniger tödlich macht? Waren etwa die Oberbefehlshaber der letzten drei Kriege, die in knapp hundert Jahren von deutschen Staaten angezettelt wurden, Ausländer?
4. Was hat eigentlich nach Oskar Lafontaines Meinung ein deutscher Arbeiter zu verteidigen?
Uns scheint - nichts anderes als den Zustand, daß er seine Befehle von seiner Regierung und von seinen Ausbeutem auf deutsch erteilt bekommt:
"Das Konzept der sozialen Verteidigung beinhaltet die Verweigerung der Zusammenarbeit mit dem Aggressor, Boykottaktionen, Arbeitsniederlegungen und zivilen Ungehorsam." (S. 98)
Der Wille deutscher Arbeiter zur Dienstbarkeit soll nur einer deutschen Herrschaft zu Gebote stehen. Der gleiche Dienst für eine ausländische Herrschaft ist als Kollaboration zu verweigern. Wenn sich aber am Dienst nichts ändert, gleichgültig, ob er für einen deutschen oder für einen ausländischen Herrscher geleistet wird, dann gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder man hat gute Gründe, die "Zusammenarbeit" schon jetzt mit der deutschen Herrschaft zu verweigern, oder aber man hat auch dann keinen Grund, den Dienst zu verweigern, wenn der Regierungschef einen russischen Akzent hat.
Dann rebellisch zu werden, wenn man keinen Kanzler Kohl mehr hat, sondern einen Generalsekretär Kotschanskij, ist blanker Nationalismus; da mag sich Lafontaine noch so sehr gegen den Vorwurf des "Nationalismus von links" (S. 89) wehren.
5. Wie kommt eigentlich Oskar Lafontaine zu dem Ruf eines Kämpfers gegen den Dritten Weltkrieg, obwohl er nicht müde wird klarrustellen, daß er ein ganz anderes Problem hat?
"Wenn die nukleare Katastrophe kommt, muß die SPD zumindest guten Gewissens darauf verweisen können, daß sie zu einem bestimmten Zeitpunkt ein Weiterrüsten als unverantwortbar erklärt hat."
Und unter Berufung auf Carlo Schmid:
"Und wenn doch wieder einmal irgendwo der Wahnsinn des Krieges ausbrechen (!) sollte; und wenn dabei das Verhängnis (!) es wollen sollte, daß unser Land das Schlachtfeld wird -, nun dann wollen wir eben untergehen und dabei wenigstens das Bewußtsein mitnehmen, daß wir nicht das Verbrechen begangen und gefördert haben." (S. 105)
6. drängen sich folgende Antworten auf:
- Oskar Lafontaine richtet sich also darauf ein, daß der Krieg kommt.
- Er hat mit diesem Krieg nur ein Problem: seiner Partei rechtzeitig ein gutes Gewissen zu verschaffen.
- Er geht schon heute hausieren mit den sauberen Nachkriegshänden seiner Partei.
- Dieser Mann fängt schon jetzt mit dem ersten Nachkriegs-Wahlkampf an!