Info

Dieser Artikel ist in der MSZ 1-1983 erschienen.

Systematik

Gatt-Konferenz
PFLICHT ZUR VERSÖHNUNG

"Das Gatt ist formalrechtlich nur ein multilaterales Handelsabkommen, de facto jedoch anderen internationalen Organisationen gleichzuachten. Es übt entscheidenden Einfluß auf die Handelspolitik der Vertragsparteien aus; seine Regeln legen für viele Bereiche des internationalen Handels die Vertragsparteien auf bestimmte Verhaltensweisen fest...

Einer der Grundgedanken des Gatt ist es, keine der Vertragsparteien zu majorisieren, sondern stets auf einen Ausgleich hinzuwirken. Infolgedessen müssen nach den Regeln des Gatt über jede Angelegenheit Konsultationen geführt werden, ehe eine Vertragspartei oder (die Gesamtheit der) Vertragsparteien Vergeltungsmaßnahmen - sogenannte Retorsionen - anwenden dürfen..." (Internationale Organisationen und Abkommen..., Sonderdrucke der Deutschen Bundesbank Nr. 3, S. 102/9)

Das Gatt ist ein Abkommen, in dem die Methoden der Handelskonkurrenz festgelegt sind. Indem die Vertragsparteien zugestehen, daß ihr Handelsgebaren einem generellen Verhandlungsprozeß, an dem ihre Konkurrenten beteiligt sind, unterzogen wird, organisieren sie die Formen ihrer Auseinandersetzung auf dem Weltmarkt. Es ist dies zugleich das Verbot, die weltweite Akkumulation des Kapitals aufgrund nationaler Sonderinteressen zu unterbinden.

Nicht aus der Welt geschaffen ist damit, daß es jedem Staat auf seinen Erfolg im Handel ankommt und daß er diesen gegen andere erringt. Die Konkurrenzbemühungen haben sich aber zu relativieren am Ideal der "Liberalisierung und Ausweitung des Welthandels", Bn einer tendenziell schrankenlosen Freiheit des produktivsten Kapitals, überall auf der Welt den unterlegenen Konkurrenten aus dem Feld zu schlagen. Wie so etwas geht, zeigten die 4 großen Zollrunden, wo sich die Konkurrenten darauf verständigten, generelle Abstriche an der freien Verfügung über das Kernstück ihrer Außenhandelsaolitik zu machen: Sie senkten sich damit wechselseitig die (staatlich beeinflußten) Kostpreise des Kapitals, reduzierten die staatliche Verteuerung, die auf die unterschicdlichen Kapitalproduktivitäten zum Zwecke des Schutzes und der Förderung des eigmen Kapitals reagiert.

Sie haben sich damit der nationalen Einflußnahme nicht begeben - es handelte sich um Zollabbau und nicht Zollbeseitigungsrunden -, aber per gemeinsamem Beschluß den 'Rahmen' dieser Einflußnahme enger gesteckt. Die Resultate der Konkurrenz können in diesem 'Rahmen' beeinflußt, nicht aber durch Staatsgewalt rückgängig gemacht werden. Das Ideal des freien Welthandels ist insofern verwirklicht, als Zollerhöhung (oder die vielfältigen Variationen/Substitute dessen) auf Dauer kein Mittel ist, sich in der Konkurrenz durchzusetzen. Es ist verwirklichtes Ideal aber immer auch nur, sofern und soweit die Staatenwelt praktisch dahintersteht, sofern und soweit sich die Staaten wechselseitig darauf verpflichten, das Wachstum des Kapitals als Voraussetzung nationaler Kapitalakkumulation gelten zu lassen.

"Freihandel oder Protektionismus" - veraltet

Das Vertragswerk setzt sich über den uralten Streit "Freihandel oder Protektionismus" souverän hinweg, Die im altvorderen Kapitalismus in allen Ländern existierenden zwei theoretischen Lager errangen ihre Siege immer entlang der gerade vorherrschenden nationalen Erfolge bzw. Mißerfolge - das Gatt hat mit diesem Streit hingegen aufgeräumt insofern, als es beiden Seiten recht gibt, damit zugleich aber auch klarstellt, daß die weltweiten Bewegungen des Kapitals sich von national geprägtem Ideologeneifer nicht im geringsten beeinflussen lassen:

  • Die sogenannte Meistbegünstigungsklausel macht tendenziell alle Fortschritte im Abbau von Handelsschranken im Verkehr zwischen zwei Staaten zur Verpflichtung für alle. "Begünstigungen", die sich zwei Staaten untereinander eingeräumt haben, sollen allen anderen auch gewährt werden. Auf diese Weise sehen sich alle Staaten - ungeachtet ihres unterschiedlichen Entwicklungsstandes - mit der jeweils fortgeschrittensten Produktivität und Freizügigkeit des Kapitals konfrontiert, was fürs nationale Kapital immer den doppelten Charakter von Chance und Herausforderung hat. Als Prinzip ist damit eingerichtet, daß sich der ökonomische Vergleich der Nationen aus den Erfolgen der Konkurrenz zu ergeben hat, die wiederum nicht - je nach (un)liebsamer Wirkung - durch nationales Sonderinteresse eingerichtet oder gar unterbunden wird.
  • Anerkannt ist zugleich, daß die Wirkungen dieser Konkurrenz zu "ernsten Beeinträchtigungen nationaler Volkswirtschaften" führen, und so sind im Vertragswerk genügend Aufhebungsparagraphen enthalten, die den negativ betroffenen Staaten "protektionistische Maßnahmen" ausdrücklich zugestehen. Diese Maßnahmen sind jedoch als Übergangslösungen eingeführt, die Rücksicht auf wirtschaftfiche Rückständigkeit nur insofern nehmen, als ihr die Möglichkeit zur Anpassung an den jeweils gültigen Standard eingeräumt wird. "Protektionistische Maßnahmen" müssen beim Gatt eingereicht, diskutiert und genehmigt werden - die Vertragsparteien einigen sich über die Schädigungen, die sie sich gegenseitig zufügen. Darin ist enthalten, daß Übergänge zurückzuhalten sind, die Revision erzwingen und sogar gar einen Wirtschaftskrieg in Kauf nehmen wollen. Daß bei diesen Verhandlungen die stärkeren Bataillone mehr Erpressungsmittel zur Verfügung haben, mag bei den Benachteiligten zwar zu manchen Klagen führen, ist aber nur gerecht, als sich hier Erfolg auf dem Weltmarkt als Verhandlungsmacht geltend macht.

Beitritt und Austritt erfolgen beim Gatt freiwillig und gemäß nationaler Nutzenerwägungen. Von einem Nicht-Beitritt oder gar Austritt eines kapitalistischen Landes ist freilich nichts bekannt: Die USA haben mit der Einrichtung des Gatt ihren imperialistischen Partnern ein Angebot gemacht, das diese gar nicht ablehnen können und - da der Weltmarkt unverzichtbares Betätigungsfeld ihres Kapitals ist - auch gar nicht ablehnen wollen; es ist dies das Angebot, an dem Wachstum des Weltmarkts zu partizipieren; um aus ihm Mittel für den Fortschritt des nationalen Kapitala zu ziehen, sind freilich auch Leistungen zu erbringen. Die Führungsrolle der USA - historisch: die einzige imoerialistische Nation mit funktionierender Ökonomie nach dem letzten Weltkrieg, interessiert an weltweiter Akkumulation für den Fortschritt ihres Kapitals - ist insofern logische und praktische Voraussetzung, als es eines Monopolisten bedarf, um die konkurrierenden Staaten zu einem Beschluß zu bewegen, der sie ihr nationales Interesse an der Notwendigkeit umfassender Konkurrenz relativieren läßt. Weiter: Der sie ihr nationales Interesse in einer weltweit funktionierenden Konkurrenz am besten aufgehoben sehen läßt - welche "Einsicht" sich schnell dann einstellt, wenn die Konsequenz des Abseits-Stehens zu dieser einmal eingerichteten Institution manifest ist: ökonomischer Untergang oder - feindliches Lager. Den kapitalistischen Untermächten war's das Stück Preisgabe von Souveränität (gezwungenermaßen) noch allemal wert. Vom Erfolg dieser "Einsicht" zeugt die Erweiterung des Gatt auf mittlerweile 105 Staaten: denen der "Dritten Welt" bleibt gar nichts anderes übrig, als ihre "natürlichen Reichtümer" dem Raisonnement der kapitalistischen Staatenwelt zu unterwerfen, welch' bestmögliche Verwandlung in kapitalistischen Reichtum im konkurrierenden Gegeneinander sich damit bewerkstelligen läßt.

Die USA gehen davon aus, daß die ihnen zufallende Sorge um die Ordnung ihren Erfolg in der Konkurrenz gewährleisten wird und muß; die somit eingerichtete Freiheit des Kapitals, der produktivitäts- und akkumulationsfördernde Vergleich von Nationalökonomien, müssen dem eigenen Kapital quasi automatisch als Ankurbler und Nutznießer profitabler Produktion, wo sie auch immer entsteht, zugute kommen.

Damit ist auch der Maßstab des Sich-Bewährens vorgegeben: Das Gatt ist für den Staat ein Vorteil, der seine Geschäfte über die ganze Welt auszudehnen versteht nationaler Wirtschaftserfolg verlangt entschiedenen Internationalismus in Sachen Ausbeutung. Die ökonomische Gegensätzlichkeit konkurrierender kapitalistischer Staaten kommt dadurch erst so richtig schön zur Blüte. Daß es ein Gatt gibt, schafft ja nicht die Tatsache aus der Welt, daß die Konkurrenz zwischen Verlierern und Gewinnern scheidet, im Gegenteil: Wenn staatliche Schutzmaßnahmen fürs eigene Kapital nur noch unter den Bedingungen des Gatt ergriffen werden können, heißt dies, daß man entweder den Erfolg auf dem Weltmarkt (= in allen anderen Ländern) packt oder seine nationale Ökonomie ausländischem Gewinnstreben anzubequemen hat. Damit ist schon der nächste Witz dieser Konkurrenzregelung angegeben: Es besteht ein Interesse der erfolgreichen Staaten an der Aufrechterhaltung der von ihnen benützten Ökonomien, ein Interesse, das

sich überhaupt nur geltend machen kann, weil dem unterlegenen Staat die gewaltsamen Mittel zur Revision des Handelsmißerfolgs untersagt sind, und das

sich in Form der Hilfe vorträgt: Die geschädigte Ökonomie muß - da Ruinierung ja beiden Seiten nichts einbringt! - staatlich kreditiert und privat mit Kapital versorgt werden, damit ihre Ressourcen, die sie selbst nicht profitabel anzuwenden verstand, sich für auswärtige Reichtumsproduktion weiter nützlich machen. Die in den "protektionistischen" Paragraphen des Gatt enthaltene Rücksichtnahme auf die Schädigungen durch den Welthandel erweitert sich also in die unmittelbare staatliche Fürsorge um den unterlegenen Konkurrenten. Entsprechende Einbußen an Souveränität hat dieser natürlich hinzunehmen - angesichts des Verbots, aus ökonomischer Gegensätzlichkeit den Übergang zu staatlicher Gegnerschaft zu machen, ist dies jedoch die genau richtige Methode für den viertrangigen EG-Staat bis hin zur Bananenrepublik, sich auf dem Weltmarkt zu bewähren und Anerkennung und Berücksichtigung einfordern zu können.

Zweifel an der Nützlichkeit des Gatt

Eines ist damit über die jetzigen ökonomischen Streitigkeiten der imperialistischen Staaten gleich klar: Mit "Rückfall in den Protektionismus" hat das nichts zu tun. Weiterhin gilt das Gatt. Die große Genfer "Krisen"-Konferenz im Oktober '82 - zu der die tragenden Staaten vorab großen Skeptizismus und mangelnden Einigungswillen ankündigten - endete mit einem Kommunique, worin es gleich zu Anfang heißt:

"Die Vertragsparteien haben übereinstimmend beschlossen:

Sie bestätigen erneut ihre Verpflichtung, den Gatt-Bestimmungen nachzukommen, das Handelssystem des Gatt zu unterstützen und zu verbessern, auf daß es kraftvoll zur weiteren Liberalisierung und Ausweitung des Handels - beruhend auf wechselseitiger Verpflichtung, wechselseitigem Vorteil, weltweit gültiger Reziprozität und der Meistbegünstigungsklausel - beitragen möge; und sie wollen in der Handhabe und Funktion der Gatt-Instrumente die Einheit und Folgerichtigkeit des Gatt-Systems bewahrt sehen; und sie wollen sicherstellen, daß das Gatt ein fortdauerndes Forum für Verhandlungen und Konsultationen darstellt, worin allen Vertragsparteien ein angemessenes Gleichgewicht von Rechten und Pflichten gewährleistet wird und worin die Regeln und Prozeduren des Systems effizient und fair angewendet werden, und zwar auf Basis übereinstimmender Interpretationen und zugunsten der wirtschaftlichen Entwicklung und Wohlfahrt aller."

Genauso wenig, wie dies bloß schöne Worte sind, sondern die ausdrückliche Beteuerung, am Gatt-Prinzip festhalten zu wollen - was die mit "Rückfall in den Protektionismus" angedeutete Vorstellung des Rückzugs in einzelstaatliche Aktionen, bzw. bilaterale Handelsabkommen, Bündnisse zum Zwecke des Wirtschaftskriegs etc. ad absurdum führt -, genauso wenig waren aber die Verlautbarungen der Vertragsparteien vor der Konferenz pures Klappern. Die Lamentos über den "fairen Handel", den angeblich dauernd die anderen verunmöglichen, kann man ja noch unter die üblichen Verhandlungspräliminarien subsumieren. Wenn aber Staatsmänner, wie zum Beispiel Frankreichs Jobert, öffentlich die Berechtigung des Gatt in Zweifel ziehen und als einzig sinnvolle Maßnahme einen eigenständigen Protektionismus erörtern, wenn plötzlich Staaten, denen die "Ungleichgewichtigkeiten" des Welthandels doch wohl nichts Neues sein dürften, daherkommen und behaupten, der einzig wahre Handel bestünde darin, daß immer alles, schön ausgeglichen sei; wenn sie über ganz übliche protektionistische Begehren eines Handelspartners ein furchtbares Zetern anheben, ihrerseits aber ungeniert zig Möglichkeiten androhen, wie sie dem anderen alle möglichen Geschäfte vermasseln könnten; wenn sie schließlich Weltmarkt und Welthandel als eine einzige Bedrohung der nationalen Ökonomien bezeichnen, eine Bedrohung, die nur dadurch wieder zu einem Mittel nationalen Wachstums gemacht werden kann, indem anderen explizit Schädigungen zuzufügen sind - dann hat das harmonische Mit- und Gegeneinander auf dem Weltmarkt zumindest den Knacks abgekriegt, daß, bei aller Einsicht in die Notwendigkeit, grundsätzliche Zweifel hinsichtlich seiner Nützlichkeit bestehen. Die massive Antwort der USA -

"Der amerikanische Handelsbeauftrage William Brock hat vor einem Fehlschlag der Gatt-Ministerkonferenz gewarnt und angekündigt, daß in diesem Falle die amerikanische Regierung handeln würde, um ihre vitalen Interessen zu schützen." (FAZ, 14.11.82) -

ist die Reaktion auf den von vielen Seiten sehr national-interessiert vorgetragenen Wunsch nach Modifikation.

William Brock weist dieses Begehren mit der Binsenweisheit zurück, daß das Gatt aus den "vitalen Interessen" der USA entsteht und diesen zugutezukommen hat. Jeder Verstoß dagegen wäre ein "Fehlschlag". Modifikationen sind dann drin, wenn sie von den USA ausgehen, und da hatten sie schon im Vorfeld der Konferenz einiges klargestellt. Einige ausdrücklich zugestandene, zentrale Gatt-Ausnahmen bezeichneten sie nämlich plötzlich als Verstöße gegen den Vertrag, die sie a) nicht länger hinnehmen würden und wogegen sie b) einige Kampfmittel auf Lager hätten. Beispielhaft hierfür der Agrarstreit: Zu den Präliminarien gehörte die Drohung der USA, den Weltmarkt - für sie selbst auch schädlich - mit ihren Reserven an Milchprodukten zu bepflastern; die EG hielt dagegen, daß der Gemeinsame Agrarmarkt ein absolut unverzichtbares Einigungsband ihres Zusammenschlusses ist. Das Ergebnis: Der Streit wird für 2 Jahre in eine Kommission ausgelagert, damit wird aber der Agrarmarkt einer Revision unterworfen. Die USA haben Recht behalten, jedoch zugestanden ist, daß die EG bei der Revision mitzureden hat - im Gatt wird eben keiner "majorisiert".

Die frontale Herangehensweise der USA steht den Konkurrenten nicht offen, weswegen sie ihre Modifikation sozusagen "unterhalb" der Gatt-Regelungen betreiben; die neuesten Formen der Wirtschaftsdiplomatie befinden sich vielleicht nicht im Einklang mit dem Vertrag - sie verstoßen aber auch nicht dagegen: Die "nichttarifären Handelshemmnisse" werden immer unverfrorener ausgereizt - wie z.B. die berühmte Schließung aller französischen Grenzübergänge für Videorecorder bis auf einen gänzlich abgelegenen Zwei-Mann-Posten in einem kleinen Kaff, wo sich jetzt die LKWs stauen, oder das Zurückweisen von Importware, weil in den Zollpapieren ein Wort falsch übersetzt war -;

  • "Selbstbeschränkungsabkommen" kommen immer mehr in Mode; in erpresserischer Manier wird einem unangenehmen Konkurrenten klargemacht, daß er ganz freiwillig seine Warensendungen zu reduzieren habe weder durch Zölle oder sonstige Verbotsmaßnahmen will man diesen Import behindern, sollte er aber im selben Umfange weitergehen, hätte man genügend Druckmittel an der Hand, deren Anwendung der Konkurrent durch frühzeitige Einsicht vermeiden könne;
  • die EG droht Japan gegenüber mit der Wucht ihres Binnenmarktes; wenn es nämlich über das Zufügen von Schädigungen per Einführung immer neuer, prospektiver Handelsschranken geht, dann ist dieser Markt eine relativ bessere Bedingung, woran sich zu klammern den Europäern zwar viele Geschäfte verunmöglichen wird, die Japaner aber noch mehr schädigen wird; man kann also aus dem alten Ärgernis, die Japaner hätten ihren Markt nicht geöffnet, im offensiven Verzicht geradezu ein Positivum machen. Da wird der Weltmarkt ganz neu definiert, nämlich nach den Brocken, die man davon besetzt hält, und nicht als eine Sphäre, wo man überall die Chance hat, mit guten Angeboten auf sich aufmerksam zu machen.

Abwälzung von Krisenlasten

Das Hervortreten des Zwangscharakters des Gatts, der die Staaten zu allerlei überlegungen beflügelt, wie man die Verpflichtungen auf den Konkurrenten zurückfallen lassen und dabei die schwindenden Vorteile bei sich versammeln kann, erklärt sich aus der weltweiten Überakkumulation, mit deren Beendigung aus eigener Anschauung kein Staat rechnet. Das in allen Ländern herrschende staatliche Krisenverbot, nämlich die staatlich erzwungene Aufrechterhaltung des Nationalkredits zum Zwecke der Kriegsvorbereitung (MSZ 5/82, Krisenbewältigung neuen Typs), hat auf die Ökonomien eine ziemlich verheerende Wirkung. Die abnehmende Profitabilität großer Betriebe, ja ganzer Branchen, hat nicht für die Wirtschaft generell zu gelten; nationale Entwertung des Kapitals geschieht nicht, die internationale Konkurrenz um die Entwertung des fiktiven Kapitals findet nicht statt; die Krisenbedingungen bleiben aufrechterhalten - ein ökonomischer Widerspruch neuer Art, den die Staaten in die Welt setzen und der sie ganz zwangsläufig dazu bewegt, gegen den auswärtigen Konkurrenten loszugehen. Und zwar gemäß einem widersprüchlichen Ideal:

Der Markt hat nur fürs eigene Kapital dazusein - daheim und auswärts.

Wenn das weltweite Wachstum des Kapitals ausbleibt, weil es in allen Nationalstaaten ausbleibt, dann wird der Weltmarkt zu einer eigentümlichen "Chance": Er, daß heißt: alle anderen, soll die Lasten der Krise tragen.

Die Vermeidung der Krise im eigenen Land kümmert sich nicht darum, was das für andere bedeutet. Mehr noch: Es ist offizieller Standpunkt, daß dies nur auf Kosten anderer geht; grad weil die Geschäfte immer schlechter gehen, müssen sie auswärts um so besser gehen. Umgekehrt wär's hingegen ein Skandal. Die eine - für die, die was daraus zu machen verstanden, sehr nützliche - Seite des Gatt-Idealismus will so niemand mehr glauben: Aufs weltweite Florieren der Geschäfte kann und will keiner mehr setzen; am Erfolg des Konkurrenten ist die nützliche Seite, nämlich sich daran beteiligen zu können, entfallen, stattdessen unterliegt solcher Erfolg dem grundsätzlichen Verdacht, ob er nicht protektionistisch erzwungen und protektionistisch zu bekämpfen ist. Jetzt, wo die Aussicht auf "Ausbau der Handelsbeziehungen" und die diversen hilfreichen Angebote zur weiteren Nutzbarkeit des Geschädigten entfallen, buchstabiert sich "Nutzen" im Gatt ohne jeden idealistischen Schlenker: Ökonomische Unterlegenheit hat ihren Preis zu zahlen derart, daß sie durch fortschreitende Ruinierung sich kompensatorisch nützlich macht. Handelsbeziehungen können aber unmöglich einen Beitrag zur Krisenbewältigung leisten, indem man sie ruiniert. Wenn es aber um die Verteilung der Lasten einer dauerhaft eingerichteten Krise geht, wenn nationaler "Profit" darin besteht, den vergleichsweise geringeren Schaden zu tragen, dann gebiert eigenes Interesse sehr wohl die Vorstellung, daß nationaler Vorteil den Ruin anderer verlange. Grad durch das Beharren auf eigenem Nutzen andere zu ruinieren, ist, schon sinnvoll für imperialistische Staaten nämlich, die an ihre Ökonomie den Maßstab anlegen, einen möglichst großen Beitrag zur Entlastung des alle ökonomische Vorstellungen übersteigenden Staatsprogramms zu leisten. Diese dem Staatsprogramm untergeordnete, ökonomisch aber maßlose Betrachtungsweise nationaler Ökonomie verfolgt unbeirrt das Ideal, daß fremde Märkte dem eigenen Kapital zur vollen Nutzung offenzustehen habe, der eigene Markt aber gänzlich zu separieren sei. Daß sich die im Gatt eingegangenen positiven ökonomischen Abhängigkeiten sehr unangenehm bemerkbar machen, gibt nur einen Schluß ab: Der Konkurrent soll die Folgen der Aufkündigung dieser Abhängigkeiten alleine tragen.

Ideelle Gesamtkapitalisten als Agenten ihres Kapitals

Diese Auseinandersetzung ist, aufgrund der im Gatt institutionalisierten "gegenseitigen Abhängigkeit", keineswegs vorab entschieden. Der erste Abschnitt des Kommuniques der letzten Gatt-Konferenz drückt - das so aus:

"Die Vertragsparteien anerkennen, daß die gegenseitige Abhängigkeit der nationalen Ökonomien beinhaltet, daß kein Land seine Handelsprobleme isoliert lösen kann, Lösungen würden außerdem durch parallele Anstrengungen auf dem Gebiet der Finanz- und Geldpolitik erheblich erleichtert werden."

Natürlich ist es nicht "die Abhängigkeit", der sich die Konkurrenten da unterworfen sehen, worüber sich die Einrichter der "Abhängigkeit" aber auch keine falschen Vorstellungen machen. Diese Hervorhebung des - wechselseitigen Aufeinanderangewiesenseins in der Konkurrenz, hier noch mit dem ideologischen Touch der "Notlage" versehen, will nicht auf neue Vorhaben hinaus, sondern gibt zum einen die ungelösten Gegensätze einfach wieder - es "sollte" dieses und jenes geschehen - und bekräftigt zum anderen den Zwang, sich eben darüber im Gatt zu verständigen.

Der jahrzehntelang betriebene "Abbau von Handelsschranken" hat sehr unterschiedliche Resultate hervorgebracht, er ist vorbei - und im Verlauf dieses "Abbaus" wurde Protektionismus als ein Mittel eingeführt, die so geschaffenen Freiheiten auszunutzen. Jetzt stellen sich diese Freiheiten nur noch von der Seite der wechselseitigen Abhängigkeit dar, die man durch protektionistische Maßnahmen einseitig aufzulösen versucht.

Wurde früher untersucht, welche Freiheiten der Weltmarkt dem eigenen Kapital böte, sind nun die dort errungenen Erfolge in Schutz vor ihm, in nationale Bastionen und Erpressungsmittel umzumünzen. Der Streit mit den Konkurrenten ist nicht länger von Angeboten begleitet, die die Berücksichtigung auswärtiger Nutzenerwägungen als zu erbringenden Preis einkalkulieren.

Das verwendete Instrumentarium ist das klassische: Marktschließung, Marktöffnung erzwingen, Steigerung der nationalen Kapitalproduktivität. Während der "Kampf um die Märkte" in immer detaillierteren Aufrechnungen und immer zahlreicheren Unterkonferenzen ausgeübt wird, wo Erpressungsmittel herausgefunden und offen verhandelt werden, unterliegen die Zuwendungen ans eigene Kapital aufgrund der dafür eigentlich nicht zu strapazierenden Staatsschuld einem doppelten Vorbehalt: Der "Subventions-Wildwuchs" blüht, aber die dafür in Frage kommenden Branchen werden nach innen genauestens nach Maßgabe ihrer internationalen Durchsetzungskraft ausgesucht. Nach außen wird darauf geachtet, daß dieser staatlich erhöhte Kapitalvorschuß nicht anderen zur Geschäftemacherei verhilft, woraufhin die Kritik nie ausbleiben kann, daß eigenes Kapital nicht genügend daraus gemacht hat, oder daß fremdes Kapital sich doch wieder eingeschlichen habe - das eigene Kapital wird in seiner internationalen Tätigkeit darauf verpflichtet, auswärtigem Kapital Marktanteile und Profite abzujagen, die sich in Verbesserung der Zahlungsbilanz niederschlagen. Auf "parallele Anstrengungen auf dem Gebiet der Finanzpolitik" werden sich da zwei nur einigen, wenn ein Erfolg gegen Dritte dabei herausschaut.

Frankreich bezeichnet die Tatsache, daß die Verstaatlichung mit anschließendem Kapitalzuschuß zu einer Erhöhung deutscher Exporte nach Frankreich führte, als "unerträglich" und fordert kategorisch Maßnahmen von Seiten des deutschen Staates, dem Erfolg deutschen Kapitals entgegenzutreten.

Die Bundesregierung kontert mit der Abhängigkeit des Franc von den Veranstaltungen der Deutschen Bundesbank.

Die EG verlangt von der BRD, ihren Konkurrenzvorteil - den sie nicht zuletzt dem europäischen Markt verdankt - in eine "Lokomotiv"-Funktion umzumünzen: Die Bundesregierung soll ein Konjunkturprogramm auflegen, also sich zusätzlich verschulden, um den euröpäischen Partnern ein paar zusätzliche Geschäfte auf dem Binnenmarkt zu eröffnen. Die Bundesregierung weist darauf hin, daß eine niedrige Inflationsrate der beste Schutz für den europäischen Block sei.

Weil die Staaten ihre Ökonomien dem Standpunkt unterworfen haben, sich für das Aufrüstungsprogramm nützlich zu machen, weil also die Marktwirtschaft daraufhin betrachtet wird, inwiefern sie als Kriegswirtschaft taugt, treten die Staatsmänner nach außen als Agenten ihres Kapitals auf. Es herrscht nicht mehr der, Standpunkt, daß nationale Wirtschaftspolitik und Welthandelsordnung die Bedingungen darstellen, unter denen sich nationales Kapital - laufende staatliche Hilfe unterstellt - bewähren soll; vielmehr werden die heimischen Kapitale danach sortiert, welche Erfolge sich damit gegen ausländische Konkurrenz erzwingen lassen - Geschäftserfolg fällt zusammen mit der dem fremden Staat abgenötigten Erlaubnis. Aber: Das Herausfinden, welche Zugeständisse wechselseitig erzwungen werden können, welche Zumutungen gegeneinander aufzurechnen sind, findet m Gatt statt, und es ist und bleibt darin die einigende Klammer.

"Erneuerter Konsensus"...

"Die Vertragsparteien verpflichten sich darauf, Handelsbeschränkungen zu reduzieren, protektionistischem Druck entgegenzutreten (overcome), exportstützende Maßnahmen, die mit dem Artikel XVI des Gatt unvereinbar sind, zu unterlassen und die Liberalisierung und Ausweitung des Handels voranzutreiben.

Sie sind deshalb entschlossen, in gemeinsamer Aktion einen erneuerten Konsensus zur Unterstützung des Gatt herzustellen, so daß das Vertrauen in seine Fähigkeit, einen stabilen und berechenbaren Rahmen für den Handel bereitzustellen und auf neue Herausforderungen zu antworten, wiederhergestellt und vertieft wird."

Es wird also überhaupt nicht geleugnet, daß die Vertragsparteien schon alles mögliche unternommen haben und noch im Sinne haben, das Gatt für sich nicht gelten zu lassen - aber die Antwort darauf ist einfach: Es hat darum erst recht zu gelten!

Kein Widerspruch ist dabei für die USA, daß sie weiterhin Sonderbedingungen beanspruchen kann. Schließlich sind sie Autor und Garant dieses Systems, weswegen die Mitglieder einzusehen haben, daß die Nützlichkeit dieses Systems für die nationalen Wirtschaften nur noch bedingt gilt, daß es in erster Linie auf den mit ihm erzwungenen kapitalistischen Zusammenhalt auch und erst recht in Krisenzeiten ankommt, zugleich traten die USA auf dieser "Krisen"-Konferenz ihren Partnern mit dem Verlangen gegenüber, sich für die "isolierte" Lösung amerikanischer Wirtschaftsprobleme einspannen zu lassen - bei Stahl, Agrar, Textil etc. haben alle Einbußen hinzunehmen, unmöglich ist aber, diese Einbußen auf Kosten amerikanischer Geschäfte zurückweisen zu wollen. Im Gegenteil: Diese Ordnung ist ja für den Erfolg amerikanischen Kapitals eingerichtet worden; wenn dieser sich nicht einstellt, dann ist die Weltkonkurrenz eben so einzurichten, daß er sich doch wieder einstellt. Die Partnerstaaten haben Gegenmaßnahmen, die ihnen ihre erreichte ökonomische Stärke erlauben würde, zu unterlassen und stattdessen Abstriche zugunsten amerikanischer Wünsche hinzunehmen.

..."Versöhnungsprozesse"

Die ausdrückliche Verhandlung der ökonomischen Unversöhnlichkeit geschieht in den Paragraphen des Kommuniques, wo ein weiterer Ausbau der "Schutzmaßnahmen" ("Safeguards") als Selbstverständlichkeit angegeben wird:

"Die Vertragsparteien beschließen: In Bezug auf die Zielsetzungen und Ordnungsmaßnahmen des Übereinkommens besteht die Notwendigkeit eines verbesserten und effizienteren Systems der Schutzmaßnahmen, das für bessere Berechenbarkeit (predictability) und Klarheit sorgt sowie für mehr Sicherheit und Gleichheit der exportierenden und der importierenden Nationen. So sollen die Ergebnisse der Handelsliberalisierung bewahrt und das Weiterwuchern restriktiver Maßnahmen vermieden werden."

Das unkontrollierte "Wuchern" der "restriktiven Maßnahmen" ist der Dorn im Auge; und die Antwort darauf ist, daß der Katalog der "Schutzmaßnahmen" ausgeweitet und noch mehr formalisiert wird, heißt: daß eine möglichst große Anzahl von Konfliktfällen und protektionistischen Maßnahmen von vorneherein verfahrensmäßig festgelegt werden. Das internationale Handelsgesetzeswerk wird also um eine Reihe feststehender "Verbrechen" erweitert, auf daß die zunehmenden Kollisionen gleich auf Methoden des schlichtenden Umgangs treffen.

Der grundsätzliche Unterschied zu Zollabbaurunden, aber auch zum Austüfteln von "waiver" (= Ausnahme) -Klauseln: Es kommt darauf an, daß das Procedere erhalten bleibt, das Instrumentarium der "Streitverfahren" ("Dispute Settlement") muß effektiviert werden. Solange die Institution Gatt funktioniert, indem sie sich der ökonomischen Zuspitzungen verfahrenstechnisch korrekt annimmt, solange sind die unverträglichen ökonomischen Interessen domestiziert. Sie haben nämlich vor dem Gatt zu erscheinen, können sich dort als unverträglich vortragen - und die "good offices" des Gatt bestehen darin, daß hinterher eine Entscheidung da ist

"...es besteht Anlaß für effizienteren Gebrauch des bestehenden Mechanismus' und für spezielle Verbesserungen der hierfür vorgesehenen Prozeduren zu sorgen.

...Wenn ein Streit durch Konsultationen nicht beigelegt werden kann, kann eine Partei - mit Zustimmung der anderen - die guten Dienste ('good offices') des Generaldirektors oder irgendeines Individuums oder einer Gruppe, bestellt vom Generaldirektor, verlangen. Dieser Versöhnungsprozeß wird schleunigst in die Wege geleitet und der Generaldirektor informiert den Rat über das Ergebnis.

Die für die Versöhnung gewählten Verfahren und insbesondere die von den Parteien vertretenen Standpunkte bleiben vertraulich und können bei künftigen Auseinandersetzungen nicht gegen die Parteien verwendet werden."

Daß dem ökonomischen Hin und Her der kapitalistischen Länder eine politische Grundsatzentscheidung zugrundeliegt, scheint so auf, daß sie über die bilateralen Feindseligkeiten den Willen stellen, das Gatt selbst nicht aus den Angeln zu heben. Viel überlegen müssen sie dafür nicht, denn das hat andere Konsequenzen, als sich von einem Wirtschaftskonkurrenten einfach nichts mehr gefallen zu lassen, und diese Konsequenzen sind allen bekannt.

In den Fachoberschulen für Wirtschaftsdiplomatie gibt es also viel Neues zu lernen. Versöhnung, ansonsten ein spektakuläres Beenden einer tiefgreifenden Feindschaft ist nun an der Tagesordnung. In Ordnung geht auch, daß die verfeindeten Parteien Tricks und Gemeinheiten anwenden, die man besser unter Verschluß behält und bei späteren Anlässen (wo sie mal genau das Gegenteil behaupten, womöglich das, was ein früherer Gegner gegen sie verwendet hat) nicht ihnen entgegenhält. Mit eingerechnet ist auch, daß die Versöhnungsprozesse Einigungen erbringen, die ausdrücklich gegen die Artikel des Gatt verstoßen -

"Wenn eine Übereinkunft zustandekommt, die einen Verstoß, eine Annullierung oder Abschwächung von Gatt-Bestimmungen festschreibt..." -,

was aber für den höheren Zweck hinzunehmen ist. Für Wirtschaftsdiplomaten mögen das aufregende Komplikationen sein, am Prinzip hat sich allerdings - bis auf die Weise seiner Durchsetzung - nichts geändert:

Auch und gerade wenn jedem einzelnen Staat der Weltmarkt nui dann noch als eine günstige Bedingung erscheint, wenn er daraus eine "Einbahnstraße" zu machen versteht, wenn der Nutaen des Weltmarkts sich nur nach einstellt dadurch, daß der Konkurrent davon ausgeschlossen wird, ist die Verpflichtung zur Verständigung über gegensätzliche ökonomische Interessen gegeben. Den Zwangscharakter dieser Verpflichtung haben die USA auf der letzten Konferenz noch einmal hervorgehohen und sich von den imperialistischen Untermächten bestätigen lassen. Streit mußte es geben, gehen doch die Manifestationen der Einigkeit geradezu parallel mit weiteren Fortschritten ihrer ökonomischen Feindschaft, werden doch die Auseinandersetzungen, was innerhalb des Gatt-Konsenses ökonomisch gerade noch geht, immer härter.

Wechselseitige Ruinierung ist konzediert, solange sie friedlich bleibt. Wünsche hinsichtlich der Rücksichtnahme auf diese Ruinierung werden ebenfalls im Gatt verhandelt.

"Maßnahmen, die die Vertragsparteien unter den angegebenen Umständen in die Wege leiten, können eine Empfehlung dahingehend beinhalten, eine kompensatorische Angleichung bei anderen Produkten anzusteuern, oder die Erlaubnis zu erteilen, Konzessionen bzw. andere Verpflichtungen - wie sie im Gatt-Vertrag vorgesehen sind - zu suspendieren..."

Im Klartext: Machst du mir irgendeine Branche oder sonstwas kaputt, verlange ich, daß du mir entweder an anderer Stelle ein paar Schädigungen deiner Wirtschaft erlaubst, oder mir ein paar Extra-Erfolge in gewissen Bereichen einräumst - "kompensatorisch". Irgendwie trauen sie aber ihrer eigenen Kiste nicht so recht:

"Die Vertragsparteien bekräftigten noch einmal, daß Konsens weiterhin die traditionelle Methode ist, Streitigkeiten zu schlichten. Wie auch immer, sie stimmten darin überein, daß Obstruktion während des Schlichtungsprozesses vermieden werden wird."

Zankapfel Agrarpolitik

Die bevorstehende Gatt-Runde beschäftigt sich allerdings nicht mit diesen Einzelverfahren; obwohl sie wie ein Damoklesschwert über den Gesprächen hängen. Mittelpunkt des Novembertreffens im Agrarbereich ist das Bestreben, ein agrarpolitisches Arbeitsprogramm, auszuarbeiten. Es soll im Ergebnis zu einer Offenlegung aller Subventionspraktiken und agrarpolitisch relevanten Faktoren und damit zu mehr Transparenz führen. Die EG pocht darauf, daß auch Kreditsubventionen mit einbezogen werden.

Das größte Handikap der Europäer liegt im sogenannten "Agrar-Waiver" des Gatt, der auch von Drittländern heftig kritisiert wird. Diese Klausel gibt den Amerikanern seit 1955 das Recht, Einfuhrbeschränkungen jeder Art im Agrarbereich zu verordnen, auch wenn das von den Gatt-Regeln abweicht.

Erbost sind vor allem die Franzosen, daß die Amerikaner beispielsweise europäische Milchimporte kontingentiert haben, gleichzeitig aber zollfrei enorme Mengen Futtermittel in die EG einführen dürfen. Dies betrachten die USA als eine der Bedingungen, unter denen sie überhaupt der EG-Gründung zugestimmt haben. Die billigen Futtermittel führen nämlich zu Getreideüberschüssen in der EG, die ihrerseits nach den Vorstellungen der Franzosen mit Exportsubventionen offensiv auf den Weltmarkt gebracht werden sollten - zum Ärger der Amerikaner. (aus: Wirtschaftswoche Nr.46, 12.11.1982)