Info

Dieser Artikel ist in der MSZ 1-1983 erschienen.

Systematik


DIE JAPANISCHE KONKURRENZ

Japan hat weder die souveräne Position der USA auf dem Weltmarkt, die als Garantiemacht des freien Welthandels gegen den Vorwurf seines Mißbrauchs prinzipiell gefeit sind, noch gehört es zur EG als der Einrichtung, in der die übrigen imperialistischen Staaten der zweiten Garnitur ihre Konkurrenz und den Umgang mit ihren Wirkungen, d.h. ihrer wechselseitigen Schädigung durch bestimmte Regelungen des politischen "Interessenausgleichs" ergänzt haben.

In gelungener Ausnutzung des GATT hat Japan sich zur erfolgreichen Handelsnation und einer der imperialistischen Hauptmächte einfach durch systematische Ausnutzung des Prinzips gemacht, unter dem die USA nach dem 2. Weltkrieg den Weltmarkt für sich eingerichtet und die übrigen Nationen im GATT darauf verpflichtet haben: daß grundsätzlich allein die Produktivität des Kapitals das Mittel der internationalen Konkurrenz zu sein habe. Daß damit einige Geschäftszweige in den anderen kapitalistischen Ländern draufgingen bzw. zumindest in Mitleidenschaft gezogen wurden, war so lange ein begrenztes Problem, als die nationale Akkumulation insgesamt lief. Seitdem es damit hapert, wurde nicht nur der japanische Produktivitätswettbewerb schnell als "unfairer Handel" identifiziert, vielmehr das ganze Auftreten von japanischem Staat und Kapital in der Welt als langfristig geplante ein heitliche Strategie der "Japan Incorporated" zur Eroberung fremder Märkte erklärt.

Die Anleihe bei der Vorstellung vom staatsmonopolistischen Kapitalismus, die die Beschreibungen japanischer Wirtschaftspolitik nahmen; wenn sie in der "schwer zu durchdringenden Verfilzung" der Regierungspartei LDP mit den großen japanischen Firmengruppen, den diversen verschwiegenen "Freitagskonferenzen", "Montagsrunden" der politischen Abklärung, den Planungs- und Lenkungsfunktionen des "allmächtigen MITI" (des Ministeriums für Industrie und Außenhandel), kurz dem "mysterious process of Japanese politics" (Financial Times) schwelgten, führte da durchaus konsequent auch mal zum Madigmachen der japanischen Demokratie ("immer dieselbe Partei an der Regierung", "Korruption der politischen Führung", "Belegschaften der Großunternehmen wählen, wie die Firmenleitung es von ihnen erwartet"). Und neid- bzw. vorwurfsvoll wurden auch noch die japanischen Arbeiter zu aktiv Beteiligten an der japanischen Usurpation angestammter Betätigungsfelder des deutschen, englischen, französischen Kapitals gemacht: haben sie sich doch ganz unproletarisch und anti-internationalistisch mit niedrigeren Löhnen und Sozialleistungen und mit geringerem Urlaub begnügt, und ihre minimalen Krankenausfallzeiten können nur Ergebnis nationalistischer Indoktrination, ja Erpressung sein.

AII das gab die letzten Jahre genug Argumente ab, den japanischen Erfolg auf dem Weltmarkt, wo er störend wurde, für irregulär zu erklären und die entsprechenden legitimen irregulären Gegenmaßnahmen zur Schädigung der japansichen Ökonomie öffentlich zu fordern. Etliche wurden denn auch sehr gezielt angewendet - worüber freilich kaum was zu lesen war.

Inzwischen können die Japan-Korrespondenten die Exotik-Metaphern rund um die gelbe Gefahr wieder zurückhaltender verwenden und ziemlich normale Verhältnisse aus dem Osten melden: Nicht zuletzt dank der Folgen der "Abwehrmaßnahmen" seiner Handelspartner hat die Krise inzwischen auch Japan erreicht und dort die vertrauten, durchaus nicht spezifisch japanischen Krisensymptome gezeitigt. Absatzeinbruch auf den Hauptexportmärkten, Produktionsrückgang selbst in den gerade noch erfolgreichen Wachstumsbranchen, Steuerausfälle, Haushaltskrise, Währungsschwäche, Regierungswechsel sind ebenso befriedigt registrierte Anzeichen von Normalität in Japan wie die schon im dritten Jahr über den NATO-Anforderungen liegenden Steigerungsraten der japanischen Militärausgaben.

Für Japans Wirtschaftsbeziehungen zu seinen Konkurrenten heißt das keineswegs, daß es jetzt auf vermehrte Berücksichtigung seiner Interessen rechnen könnte. Im Gegenteil. Wo bislang einzelne "Abwehrmaßnahmen" zum Schutz bestimmter Branchen des industriellen Kapitals gegen japanische Konkurrenten ergriffen wurden, steht inzwischen das "Gleichgewicht" der jeweiligen Handelsbilanz als solches auf der Tagesordnung. Man drückt so als Mißtrauen in die "Rechtmäßigkeit" der Konkurrenzerfolge japanischen Kapitals die Forderung aus, der japanische Staat habe für eine Zunahme von Importen zu sorgen. Dabei liegt es auf der Hand, daß es nicht die "protektionistische" Handelspolitik Tokios, bzw. die eingefleischte "Freihandels"mentalität in Bonn, Paris und Washington sein kann, die Honda und Toyota im Ausland mehr reüssieren läßt als vergleichsweise VW, Renault und Ford in Japan. Wenn der exportierte japanische Wagen schon auf ausländischen Märkten seine Konkurrenz aus dem Felde schlägt, dann wird er wohl auch zuhause gegen sie erfolgreich bestehen können. Die Konkurrenz der Newcomers auf dem imperialistischen Weltmarkt bleibt für die EG und USA eine stete "Herausforderung" und die Antworten auf diese wechseln mit den jeweiligen Konjunkturen.

So ergeben sich für die gegenwärtigen "Handelsgespräche" der EG-Kommission in Tokio und die derzeit absolvierten bzw. anstehenden Reisen des japanischen Außenministers Abe und des Ministerpräsidenten Nakasone zu den Hauptbündnispartnern und -konkurrenten USA und EG-Staaten durchaus neue Geschäftsperspektiven. Nicht nur darüber ist zu verhandeln, wieviel Entgegenkommen in Form unterlassener Maßnahmen gegen den japanischen Export die jüngsten Zollsenkungen Japans für 75 Agrar- und Industrieprodukte wert sein sollen. Auch mit den Zollschikanen gegen Videorecorder in Frankreich läßt sich gut handeln, sollen sie doch keineswegs eine - nicht vorhandene - französische Viedeoproduktion schützen, sondern möglichst einigen Airbussen oder ähnlichem Großgerät den Weg nach Japan ebnen. Auch die kürzlich vereinbarte französisch-japanische Kooperation bei Entwicklung und Vertrieb von Industrierobotern entsprang diesem fruchtbaren Geschäftsklima, in dem auch die Anti-Dumping-Klage von Grundig und Philips gegen die japanischen Videoproduzenten noch manchen guten Abschluß zeitigen dürfte.

Vor allem aber wird Japan bedeutet, daß kaum eine Warengattung so geeignet ist, zügig und unkompliziert die meisten Handelsbilanzprobleme zu lösen, wie ausgiebige Rüstungskäufe bei den imperialistischen Partnern, zumal nachdem die neue japanische Regierung endlich die der Stellung Japans unter den westlichen Führungsmächten für zutiefst unwürdig befundene Begrenzung der Militärausgaben auf 0,9 % des Sozialprodukts fallen lassen will und damit "einen greifbaren Beweis dafür" liefert,

"daß Japan bereit ist, sich bedingungslos zum Mitglied eines Bündnisses zu bekennen, ohne dessen Hilfe und Schutz es sein gegenwärtiges wirtschaftliches Niveau nicht erreicht hätte." (Financial Times, 7. Januar 1983)