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Dieser Artikel ist in der MSZ 6-1982 erschienen.

Systematik

Die PCF in der Regierung
VERANTWORTUNG BIS ZUM LETZTEN

Die Aufnahme von 4 kommunistischen Ministern in die französische Regierung im Juni 1981 löste im Bündnis - vor allem in den USA - einige Unruhe aus: Soll man etwa ein Land gegen die Kommunisten verteidigen, das selbst von Kommunisten mitregiert wird?!

Die Zusammenarbeit "der Linken" an der Macht in Frankreich hat sich jedoch so hervorragend bewährt, daß man kaum noch Material zur Bestätigung des ewigen Verdachts findet, "die höhere Solidarität der PCF (gelte) dem Kreml" (Süddeutsche Zeitung), und sie könne jederzeit ihre Arbeitermassen plötzlich auf den Staat loslassen. Die PCF selber ist nämlich darauf spezialisiert, durch Wort und Tat jeglichen Zweifel an ihrer Regierungstreue zu blamieren.

Die Partei in der Regierung

Mitterrands Einfall, die PCF, deren Wählerschaft in den Präsidentenwahlen vom Mai 1981 nicht zuletzt wegen der Aufforderung, erst Marchais, im zweiten entscheidenden Durchgang aber Mitterrand zu wählen, auf den tiefsten Punkt (15%) seit 1936 gesunken war, die Hälfte ihrer Abgeordnetenmandate verloren hatte und zur Mehrheit der Sozialisten im Parlament völlig überflüssig war, trotzdem ins Kabinett aufzu nehmen, war wahrhaft nicht ungeschickt. In guter Kenntnis der Kommunisten, deren Schwächung er sich seit jeher erklärtermaßen zum Ziel setzt, erkannte er, daß sie für eine offizielle Beteiligung am "changement" eine nicht zu verachtende Gegenleistung zu erbringen bereit sind: Unterstützung aller Regierungsmaßnahmen - nicht nur in der Regierung, im Parlament und in der Öffentlichkeit, sondern vor allem seitens der größten Gewerkschaft Frankreichs, der kommunistischen CGT. Mitterrands erste Maßnahme, die Verstaatlichung der Kommunisten, ist ein Kalkül, das voll aufgegangen ist. Der Beschluß der PCF, die "linke Wende" - also die Fortsetzung der Offensive gegen Osten und das Bemühen um eine politische und ökonomische europäische Führungsrolle ohne formelle NATO-Zugehörigkeit, aber auf Basis und im Sinne von NATO und EG als nationales Fortschrittsprogramm nicht ohne sich vonstatten gehen zu lassen, wenn sich schon die Chance der Machtbeteiligung bietet, dient einerseits unmittelbar einer reibungslosen Durchsetzung der Politik Mitterrands. Andererseits betreibt die PCF damit ihren Niedergang in eigener Regie, weil sie sich unter den Zwang gesetzt hat, die Regierung mitzutragen, also Erwartungen ihrer Wähler zu enttäuschen: weil sie damit nicht für linke Wähler attraktiv wird und die Unzufriedenheit mit der sozialistischen Regierung für sich ausnutzt, sondern den staatsbürgerlichen Realismus befördert, man könne gleich besser die Sozialisten wählen.

So besteht die gegenwärtige Linie der französischen Kommunisten darin, sich auf Grundlage der Selbstverpflichtung zur Solidarität mit den Regierungsbrüdern als eigenständige Kraft zu profilieren, indem sie sich als der Garant für das Linksprogramm hervortut und bei ihrer Unterwerfung unter die Regierungsmehrheit beständig betont, es mit ihrem Programm noch ernster als diese zu meinen. Opposition zu denjenigen, die für das "Wohl der Nation" zuständig sind, haben sie ja schon immer konstruktiv verstanden, und Kritik an den Sozialisten war für sie schon seit langem ein leider notwendiger Stieit innerhalb des "linken Lagers", den sie noch dann mit Einheitsappellen und vor allem mit dem ernsthaften Ziel der Einigung für eine Regierungsmehrheit bestritten haben, wenn die Sozialisten schon auf entschiedene Distanz zu ihnen gegangen sind und sie zugleich als Wahlhelfermannschaft beansprucht haben.

Jetzt sehen sich die wahren Vertreter der arbeitenden Franzosen endlich in einer Mitverantwortung, in der sie sich ganz dem Beweis ihrer nationalen Konstruktivität und Seriosität in Sachen Fortschritt widmen können. Innerhalb der Regierung besteht ihre Eigenständigkeit deswegen in einer besonderen Methode, Regierungseinigkeit zu betonen und sich zugleich als Anwalt der linken Einheit und als soziales Gewissen aller von ihnen mitgetragenen Maßnahmen zu präsentieren. Die Methode gehorcht dem schönen Schema "Oui-mais.../Non-mais...":

"Politik der Strenge - a, aber nur im Sinne der Erneuerung der Wirtschaft, der Einhaltung unserer Verpflichtungen vom Mai 1981."

"Die PCF ist gegen den Lohnstop, aber die kommunistische Fraktion wird der Regierung das Vertrauen aussprechen."

Diejenigen, die für den Sieg der Sozialisten unter dem Firmenschild 'Wandel durch die vereinte Kraft der Linken unter sozialistischer Führung' und für das Versprechen ihrer Beteiligung an den Früchten dieses Sieges die Stärke der eigenen Partei aufs Spiel gesetzt haben, haben also eigentlich nur noch theoretische Vorbehalte anzumelden, erinnern nur noch an die gemeinsamen Ideale, um zu beweisen, daß sie noch eine selbständige Kraft sind, auch wenn praktisch davon nichts mehr zu spüren ist.

Kommunistische Regierungsdisziplin mit sozialistischer Selbstdarstellung

Kein Wunder, ging doch der Aufnahme der Kommunisten in die Regierung die Unterzeichnung einer Erklärung voran, in der sich die Partei verpflichtet hat, praktisch sozialistische Politik zu machen. Sie verpflichtete sich 1. zur Solidarität mit der siegreichen Regierungspartei auf allen Ebenen, inklusive der Betriebe; 2. zu einer nur etappenweisen Verwirklichung der Reformen; und 3. zu einer Aufforderung an die Russen, die Polen und Afghanen in Ruhe zu lassen. Die vier kommunistischen Minister haben dann ihren Auftrag so ernst genommen, daß Premierminister Mauroy nicht umhin konnte zu wünschen, all seine Minister wären so diszipliniert wie die Kommunisten. Alle Maßnahmen gegen die Arbeiter wurden ohne Widerspruch mitbeschlossen - erst die von der Regierung seit diesem Herbst selbst ausgesprochenen "Angriffe auf die Kaufkraft", Lohn- und Preisstop und begleitende soziale Kürzungen riefen "innenpolitische Differenzen" in der Koalition hervor: Der kommunistische Gesundheitsminister Ralite wandte sich öffentlich dagegen, daß der sozialistische Minister für nationale Solidarität Beregovoy öffentlich behauptet, die kommunistischen Minister hätten die Sparmaßnahmen gebilligt; erstens hätten sie sehr wohl Vorbehalte angemeldet und zweitens dürfe niemand die Beratungen des Ministerrats ausplaudern! Selbst ein solcher "Eklat" bleibt aber die absolute Ausnahme. Im allgemeinen sind die vier angeblichen Wölfe im Schafspelz geradezu penetrant im Beteuern ihres Einverständnisses. Eine typische Alltagsbemerkung:

"(Seit Juni 1981 gab es) keinen einzigen Fall, wo die kommunistischen Minister als solche im Verhältnis zur übrigen Regierung isoliert gewesen wären. Die Regierung muß sich mit einer einzigen Stimme ausdrücken, sobald die Entscheidungen im Ministerrat so gefällt werden, wie sie gefällt werden müssen..." (Minister Le Pors, 10.10.82)

Die - alte revisionistische Propaganda, man dürfe sich nicht von den Massen isolieren, ist also der Beteuerung gewichen, man habe sich nicht vom Willen der demokratischen Mehrheitsrepräsentanten des Volkes entfernt und habe die unbedingt notwendige Stärke und Geschlossenheit der Regierung für ihre "schweren" Entschlüsse garantiert. Darüberhinaus gibt man für die eigene Basis, für die Öffentlichkeit und für die Opfer der Regierungseinheit laufend Interpretationen der Notwendigkeit dieser Linie und der hervorragenden Rolle, die man dabei spielt:

- Erstens hat man sowieso nichts zu bestellen, weil

'die verfassungsmäßige Rolle der Minister sowieso gering ist angesichts der Autorität des Präsidenten und des Premierministers.'

- Zweitens erlaubt die unbedingte Solidarität einem deswegen auch eine eigene Meinung in der Regierung, denn

'Solidarität bei Abstimmungen ist nur (!) bei Grundsatzentscheidungen notwendig'.

- Drittens müssen die Grundsatzentscheidungen sein, weil man als Mitregierer die Auffassung teilt, daß das Volk für die Ansprüche des Staates in "schweren Zeiten" zur Verfügung zu stehen hat:

"Der Realismus, den wir im Lauf der fünfzehn Monate an der Macht gewonnen haben, läßt uns berücksichtigen, daß die gegenwärtige Situation eine komplizierte Krisensituation ist."

- Viertens ist die Regierung genau auf dem richtigen Wege zur Volksbeglückung; man muß nur die Härten als Schritte in die ideale Richtung interpretieren und alle möglichen Schuldigen für die unangenehme Realität der Ideale haftbar machen, denen die Regierung sich mit aller Macht über das Volk entgegen stellen muß. Das sagen zwar die Sozialisten auch, aber die Kommunisten noch radikaler:

"Im Wesentlichen geht die Regierung in Richtung soziale Gerechtigkeit, ökonomische Effizienz und Demokratie; die Schritte sind noch partiell, beschränkt - es gilt ganz bestimmt weiterzumachen - mit umsomehr Entschlossenheit und Hartnäckigkeit, als die Krise ernst ist, die internationale Umwelt und die im Lauf der Jahre akkumulierten Schäden auf uns lasten und Pressionen gegen uns ausgeübt werden."

- Fünftens ist es gut, wenn statt anderer Parteien die Kommunisten in der Regierung Mitgefühl mit den Opfern der Regierungsmaßnahmen heucheln. Dadurch sind doch beide bestens in der Politik vertreten - die Opfer und die KP:

"Es ist gut, daß die Kommunisten bei Einhaltung ihrer Verpflichtungen ihr Mitgefühl zu einem angemessenen Zeitpunkt aussprechen und Aufmerksamkeit darauf lenken können. Es ist besser, daß die Leute, die Probleme und Sorgen haben, feststellen, daß es in der Mehrheit Männer gibt, die es wissen, hören und sagen, als dies dem Gegner zu überlassen."

- Sechstens kommt dadurch endlich der wahre Charakter von Kommunisten zum Vorschein: durch und durch blau-weiß-rot-fortschrittlich:

"Ein solches Verhalten entspricht ganz meinen kommunistischen Empfindungen. Zu oft werden Kommunisten als verbissene Gesellschaftsbezweifler, ewige Opponenten, Verfechter des Schwarz-Weiß hingestellt. Das ist doch eine Karikatur. Kommunisten sind zum Aufbauen, Führen, Regieren berufen, und zwar gemeinsam mit allen fortschrittlichen Kräften." (alles Zitate bzw, Paraphrasen von den vier Ministern im Oktober 1982)

Die Partei - außerparlamentarische Opposition für die Regierung

"Da sehen Sie, daß die KP kein Monolith ist." (Marchais)

Durch diese von den vier Ministern praktizierte ziemliche "Verwischung der Unterschiede zwischen Kommunisten und Sozialisten" (das ist die nachträgliche Kritik der PCF an ihrem in den siebziger Jahren mit den Sozialisten eingegangenen Bündnis, das sie für den großen Wählerverlust letztes Jahr mitverantwortlich macht!), erhält auch die Partei eine neue Aufgabe: Sie muß außerhalb der Regierung demonstrieren, wie streitbar sie geblieben ist und wie ernst sie es mit den Idealen meint, die sie in der Regierung vertritt, und daß sie deshalb in der noch viel mehr vertreten sein müßte. Deshalb zeitigt diese in der Presse argwöhnisch festgestellte "Doppeltaktik" der PCF Konflikte von ungefähr der gleichen Brisanz wie die innerhalb der Regierung. Lajoinies, der Führer der kommunistischen Fraktion im Parlament, prangerte z.B. Anfang Oktober einen gewissen Rechtsdrall bei der Regierung an - nicht um sie zu kritisieren, sondem um die Arbeiter zur Verteidigung des guten Geistes der Regiervng gegen alle Feinde außerhalb der Regierung aufzurufen:

"Weil das Gewicht der Kommunisten in der Mehrheit unzureichend ist und die Pression der Kräfte der Rechten und des Kapitals immer stärker wird, müssen wir begreifen, daß allein die massive Intervention der Arbeiter geeignet ist, den reaktionären Druck abzuwehren und den Linkskurs zu wahren. Denn: wir wollen mit aller Kraft erreichen, daß der Linkskurs beibehalten und die Wahlverpflichtungen respektiert werden."

Auch sonst hört man von den Kommunisten keine Kritik an der Regierung, die nicht ausdrücklich als deren Interesse geäußert wird und sie mit der Stärke - und vor allem Bosheit - ihrer Gegner entschuldigt, die

"gegen jede positive Maßnahme kämpfen. Sie wollen die neue Politik sabotieren, organisieren die Spekulation gegen den Franc und die Kapitalflucht. Sie nehmen Staatshilfen entgegen und weigern sich zu investieren..."

Diese nationalistische Kritik, dieses Aufmachen einer Pseudodifferenz zur Regierung an der mangelnden Verantwortung des Kapitals für ein mächtiges Frankreich ist nichts als eine Art und Weise, die eigene Unentbehrlichkeit für den Erfolg des Linksprogramms herauszustreichen. Und entsprechend werden die Anklagen der PCF gegen den Lohnstop, "sozialen Abbau" usw. und die Forderung nach einer massiven Intervention der Arbeiter von den Sozialisten verständnisvoll als Äußerungen eines Profilierungsbedürfnisses angesichts, der nahenden Gemeindewahlen behandelt. Was haben sie auch groß zu befürchten von einer massiven Intervention der Arbeiter, die

"nach wie vor gegen die Ausbeutung kämpfen müssen, bloß jetzt anders: sich wendend an große Fragen wie Investitionen, Forschung, Export... als verantwortliche, immer kompetentere Männer, da es sich immer um komplizierte Fragen handelt" (Le Pors)?

Werden doch da die Arbeiter zum Kampf für nationale Wirtschaftsprogramme aufgerufen, die in der Regierung selbst propagiert werden, also zu ihrer Unterstützung animiert. Und in der Tat ist die CGT um einiges weniger streikbereit als die nichtlinke Gewerkschaftskonkurrenz, verliert immer mehr Mitglieder und ist immer schwerer zu mobilisieren. So bringt die KPF in die Regierung eine unschätzbare Morgengabe mit ein - ein Stück sozialen Frieden durch die Gewerkschaft, den die Regierung deshalb umso härter auf die Probe stellen kann. Selbst die jüngsten drastischen Kürzungen bei der Arbeitslosen- und Rentenversicherung hat die CGT 'schweren Herzens' hingenommen und sich auf die Verteidigung der eigentlich guten Absichten der Linksregierung gegen die Störenfriede der nationalen Arbeit auf Kapitalseite und im Ausland verlegt, die die Regierung zu so harten Maßnahmen zwingen. Die "Kampf"aufforderungen der PCF sind deshalb eher eine Reaktion auf die zunehmende Skepsis der Adressaten (also aus Sorge um ihren Anhang geboren, dem die KP beständig die Richtigkeit ihres Kurses erläutert) als - wie man hier liest - ein möglicher Auftakt dazu, "den Deckel der brodelnden Lohnforderungen zu lüften und die Unzufriedenheit in Kämpfgeist zu verwandeln" (SZ, die meint, Mitterrands Zähmung der KP sei ausgerechnet "nur in der Sonne spürbarer Erfolge der Regierung zu verwirklichen"; 23.9.82)

Die einzig sichere Bestätigung für die "Rücksichtslosigkeit" der PCF ist ihr Bemühen um Geschlossenheit in der eigenen Partei für ihren staatstragenden Kurs: Im Oktober 1981 wurden schon wieder 30 Kritiker ausgeschlossen, da sie sich mit ihrem auf keinen inhaltlichen Punkt der Politik bezogenen Verlangen nach mehr innerparteilicher Demokratie des "Fraktionismus" schuldig gemacht hatten - der "umfangreichste Parteiausschluß seit 1934" (FR)!

Die SU: Globalement positif, im ein zelnen kritikabel - ansonsten Schweigen

Auch den Verdacht, sie treibe eine hinterhältige Doppeltaktik durch Einverständnis auf innenpolitischem Gebiet und außenpolitische Opposition, widerlegt die PCF nach Kräften. Seit sie mitregiert, steht es für sie erst recht fest, daß das "russische Modell" keinesfalls ein "Exportartikel" ist und jedes Land seinen eigenen Weg zum Sozialismus braucht - und ihre berüchtigte "Moskauhörigkeit" besteht darin, den Sowjetkommunismus nicht offiziell zu diffamieren. Auch hier bewährt sich nämlich die Oui/Non - mais...-Methode: Gemäß dem Ideal einer ganz abstrakten Solidarität unter Sozialisten heißt es "globalement positif", was andererseits - der Besinnung auf die "Farben Frankreichs" entsprechend - durchaus kritische Töne gegen das Verbot der "Solidarität" und die Inhaftierung von einzelnen Dissidenten zuläßt. Dieses Hin und Her - erst gründet Marchais ein Komitee zur Verteidigung der Menschenrechte und verlangt von Moskau die Freilassung Schtaranskis, dann zitiert er im Radio die Rechtfertigung Moskaus für die Inhaftierung mit dem Kommentar, er habe weder Grund, die Auskunft Moskaus zu glauben noch sie abzulehnen - hat als einzigen Maßstab die Demonstration einer Eigenständigkeit französischer Außenpolitik unter strikter Vermeidung von Konflikten mit der PSF. Da die kommunistischen Minister Reagan in Paris mitempfangen haben, wurde von einer Teilnahme der PCF an der Anti-Reagan-Demo abgesehen und dafür ein "Friedensmarsch" veranstaltet. Exemplarisch auch die Regelung der Falkland-Frage: Minister Fiterman wies die Parteizeitung "L'Humanite" wegen ihrer Verurteilung der britischen Politik zurecht und meinte, die PCF müsse nicht zu jedem Ereignis der Weltpolitik in Schwarz-Weiß-Manier Stellung nehmen - woraufhin der Chefredakteur Selbstkritik übte! Am liebsten äußern sich die französischen Kommunisten gar nicht mehr zu solchen Fragen:

  • kein Kommentar von "L'Humanite", als die PS das von der Linksunion 1977 aufgestellte und von der PCF weiterhin befürwortete Abrüstungsprogramm verwarf und Reagans Null-Lösung samt der Forderung nach völligem Abbau der SS-20 begrüßte;
  • kein Kommentar von Marchais zur Erklärung des Außenministers Cheysson, er werde keine Moskaureise machen, solange russische Truppen in Afghanistan stehen;
  • kein Kommentar der kommunistischen Minister zur PS-Option: erst nachrüsten, dann verhandeln;
  • kein Kommentar der Minister zur Weiterentwicklung der Neutronenbombe. Schließlich waren französische Kommunisten schon immer für eine starke nationale Verteidigungsstreitmacht gegen jeden Feind; und wenn der erklärtermaßen nur im Osten steht, dann kann man immer noch von der Selbständigkeit der französischen Verbände ausgehen und die eindeutige Richtung der nationalen Verteidigung einfach verschweigen, liegt damit ganz auf der Regierungslinie in Sachen NATO-Beziehungen und spricht noch jedem aufrechten Franzosen aus dem Herzen.

Wie Marchais vor ein paar Wochen selber so schön sagte:

"Der Eurokommunismus heißt nicht mehr und nicht weniger als daß jede KP die eigene Strategie zur Eroberung bzw. Erhaltung der Macht erarbeitet".

Deswegen traf Mitterrand seinerseits den Nagel auf den Kopf mit seiner Behauptung, die Koalition zwischen Kommunisten und Sozialisten in Frankreich müsse eher die Sowjets als die USA beunruhigen. Das heißt allerdings gerade nicht, daß das "bürgerliche Lager", das den Nationalkommunisten immer gerne unterstellt, sie wollten den Zerfall der Macht verantwortungslos abwarten, schüren und sie dann übernehmen, sich durch die Verantwortung der Kommunisten in der Regierung eines besseren belehren ließe: Jetzt stiien sie eben 'nur' zu, um sich 'an der Macht'zu halten. Den für Parteien so selbstverständlichen Zusammenfall von Staatsprogramm, Machtambitionen und politischer Taktik in der Konkurrenz der Parteien will man diesen ungeliebten Teilnehmern demokratischen Getriebe selbst dann nicht zugestehen, wenn man praktisch längst damit ganz sicher kalkuliert. Für die PCF ist das nur ein Grund mehr, für einen "Sozialismus in den Farben Frankreichs" alle notwendigen Staatsmaßnahmen gegen die Arbeiterklasse mitzuverantworten.