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Dieser Artikel ist in der MSZ 6-1982 erschienen.

Systematik

Russe, Weltfriedensmachtpolitiker, Hauptfeind, Toter, halbwegs brauchbar gewesener Politiker, aber immer noch Russe
LEONID BRESCHNEW

hat als Arbeiter, Student, Parteiaktivist, Soldat, Politoffizier und politischer Anführer der Neulanderschließung die jeweiligen Beschlüsse der Partei mit soviel Erfolg mit durchgesetzt, daß er die Beschlüsse mitfassen durfte und schließlich in Moskau nach dem Sturz Chruschtschows für die Führung der Staatsmacht ausgewählt wurde.

Das kann man ihm natürlich als unglaubliche Raffinesse auslegen, von wegen der abgründig-mysteriösen Methoden des sowjetischen Führungswechsels, genauso wie bürgerlichen Politkarrieruten, wenn sie oben sind, dieser Sachverhalt als glänzend geplante Karriere und überragend ausgefallener Beweis ihres Könnens attestiert wird. Daß irgendeiner von denen, die ohnehin immer das machen, was als politische Notwendigkeit gilt, deshalb in immer höhere Posten aufrückt, bis er als qualifiziert für den höchsten gilt, läßt sich in der Politik aber nun mal nicht vermeiden. Spekulationen darüber, warum gerade der und kein anderer, sind insofern müßig. Breschnew ist genauso einfach oder kompliziert zur Macht gekommen wie Reagan, Kohl oder wieder einmal Fanfani. Als Anlaß zur Spekulation über die internen Gründe, vermutlichen Intrigen, Machtkämpfe und Beseitigung von Rivalen wird der Sachverhalt ja nur deswegen ausgeschlachtet, weil die angeblich so verschiedene sowjetische Methode des Führungswechsels die Gefahr und Feindlichkeit der feindlichen Staatsmacht mit den Abgründen im Charakter ihrer Repräsentanten bebildert. Der Sache nach gibt es nur einen Unterschied: Wenn die entsprechenden Gremien den Betreffenden ausgeklüngelt haben, Vogel statt Rau und Andropow statt Tschernenko, und der Öffentlichkeit seine Qualitäten vorgezeigt haben - Vogel zeigt sich mit Weizsäcker und hält die längsten Reden, Andropow steht in der Mitte vom Politbüro und hält die längsten Reden -, läßt man sie von einem größeren Gremium bestätigen; in der Sowjetunion "bloß" vom ZK, bei uns von der Wahlversammlung des deutschen Volkes.

Auf diese Weise jedenfalls übernahm Leonid Breschnew die Geschäftsführung der Sowjetmacht aus den Händen seines abgesägten Vorgängers. Dessen Amtsenthebung erfolgte aus Gründen, die ihm seine Nachfolger wie Gegner als Charakterfehler verpaßten:

  • ein ungehobelter Choleriker, siehe Trommeln mit dem Schuh auf das UNO-Rednerpult, Kraftausdrücke, weil er den Optimismus der Sowjetmacht verkörperte, als zweite Weltmacht nunmehr den Westen mit UItimaten und Drohungen ihrerseits zur Erfüllung sowjetischer Forderungen zwingen zu können;
  • ein Naivling, siehe seine Hymnen auf den sowjetischen Maisanbau, den er wie die gesamte sowjetische Wirtschaft unter die Parole "Einholen und Überholen" gestellt hatte, was nicht klappte;
  • ein Schlitzohr, weil er, ohne den Westen vorher um Erlaubnis zu fragen, den Sputnik-Schock verursachte, eine Venus-Sonde vor den Amis losschickte und ihnen Raketen vor die Nase setzen wollte;
  • ein "Abenteurer", weil er sich damit gegenüber dem Westen nicht durchsetzte;
  • "Improvisationsstil", "unbezähmbare Neigung zu außenpolitischen Alleingängen und jähen Kurswechseln", weil er, wenn er die von der Sowjetunion erreichte Weltmachtposition auf ihre Tauglichkeit erprobte, den Westen unter Druck zu setzen, Neuland betreten hatte und des öfteren seine Versuche als gescheitert zurückziehen mußte.

Sowjetisch und offiziell:

"In seiner Tätigkeit kam es zu Äußerungen des Subjektivismus und des Voluntarismus." (Große Sowjetenzyklopädie)

Breschnew, vom "Parteiideologen" Suslow inthronisiert, vermied diese "Fehler" seines Vorgängers, pflegte Zeit seiner Amtsführung den Leninschen Arbeitsstil, indem er sich der Zustimmung des Politbüros versicherte, und erntete schließlich die zwischenzeitlich eintretenden Erfolge der Sowjetmacht.

"Ein Staat des ganzen Volkes"

Seine Leistung ist die, daß er einen eingespielten Staatsapparat übernommen hatte, dessen Ordnung selbstverständlich und pflichtgemäß funktionierte, der die Kriegsfolgen überwunden und es darüberhinaus zu einigem Reichtum gebracht hatte. Daß Breschnew weniger Despot als Landesvater gewesen sein soll, weil unter ihm kein Stalinismus eingerissen ist, ist nicht seine Leistung. Daß er dann doch wieder eigentlich ein Stalin gewesen sein soll - Sacharow -, ist keine Charakterfrage. Die Zweifel, die die volksdemokratische Staatsmacht unter Stalin in ihr eigenes Funktionieren gesetzt hatte, in die Loyalität ihrer Funktionsträger, in die Einheit und Linientreue der Partei, und die sie als unerbittliche Bekämpfung des Klassenfeindes in ihren eigenen Reihen ausgetragen hatte, damit die Tatsache, daß die Partei recht hat jenseits aller sachlichen Fragen oder Argumente, als bedingungsloser Gehorsam und fraktionsloser Parteistandpunkt bekräftigt wurde, waren beendet. Die Staatsmacht war sich ihres Apparats sicher geworden, die Partei als Organ selbstverständlicher Pflichterfüllung war etabliert, und der oberste Volksdiener konnte sich mit seinem Volk so einig wissen und es lieben, wie es Breschnew getan hat. Die Dissidenten sind der Beweis und nicht die Widerlegung: Ihr Protest im Namen einer viel höherwertigen Dienstauffassung war keine Volksbewegung und nach der Auffassung ihrer Obrig betätigten sie sich als Störenfriede, die die einigen Anliegen der Nation durcheinanderbringen wollten, wwhalb mit ihnen im Prinzip ebenso verfahren wurde wie mit den radikalen Minderheiten bei uns, die die hohe Politik dem Druck der Straße ausliefern wollen. Breschnews innenpolitische Krönung seines Lebenswerks, die Verfassung von 1977, ersetzt die alte Stalin-Verfassung und zieht Bilanz:

"Es bildete sich die soziale, politische und ideologische Einheit der sowjetischen Gesellschaft heraus, deren führende Kraft die Arbeiterklasse ist. Nach Erfüllung der Aufgaben der Diktatur des Proletariats ist der Sowjetstaat ein Staat des ganzen Volkes gewoiden." (Präambel)

Diese Selbstzufriedenheit der Sowjetmacht, die die Leninsche Voraussage vom "Absterben der Staatsgewalt" offiziell als überflüssig zurücknimmt, da auch so alles zum Besten gerichtet ist, die die früheren Kampfperioden für beendet erklärt, indem der Staat keine Klassen, sondern nur noch ein ganzes einiges Volk kennen will, dem er sich zum Geschenk auf Dauer macht, diese Selbstzufriedenheit der eingerichteten Volksdemokratie hat Breschnew als Person besessen. Kein Revolutionär, nicht einmal als Attitüde, sondern durch und durch Staatsmann, leutselig und jovial gegenüber seinem sich willig regieren lassenden Staatsvolk, kein Klassen- sondern ein Vorkämpfer.

Er hat es sich nicht nehmen lassen, sich in regelmäßigen Abständen in öffentlichen Reden mit den "Tomaten und Zwiebeln" zu befassen, "die auf den Tisch jedes Sowjetmenschen gehören", oder die wirtschaftliche Leitung dafür zu rügen, "daß es an hochwertigen, modischen Schuhen mangelt." Wir halten es zwar einerseits nicht für würdelos und lächerlich wie die westlichen Hofschranzen, daß sich ein Staatschef um so etwas kümmert. Nur: gekümmert hat er sich darum ja auch nicht. Als oberster Verwalter der Sowjetökonomie hat er seiner Mißbilligung Ausdruck verliehen, daß dieselbe ihre eigentümlichen Versorgungsmängel nicht abstellt, und hat sie bzw. den Eifer des Sowjetvolks dazu ermahnt, es zu tun. Ganz im Sinne der wegweisenden Devise vom letzten Parteitag: "Die Wirtschaft muß wirtschaftlich sein!" Aber die Differenz bleibt: Ihm und seinesgleichen war die unregelmäßige Versorgung seines Volks eine Angelegenheit von Bedeutung, ein kleiner Unterschied zu einem Heiner Geißler beispielsweise, der deutsche Arbeiter und Arbeitslose dazu auffordert, zu Weihnachten ihre üppigen Sparkonten zu plündern, um unserer Wirtschaft einen Wachstumsimpuls zu verpassen. Als echtes Vorbild hat sich Breschnew in seiner Befassung mit der Wirtschaft auch bewährt und beispielgebend die sozialistische Leistungsmoral in seinem, sechsstündigen, stehend vorgetragenen Rechenschaftsbericht für den XXV. Parteitag vorgemacht.

"Eine Politik der aktiven Friedensverteidigung"

Außenpolitisch erntete Breschnew den Erfolg auch der eindrucksvollen Auftritte seines Vorgängers: Er wurde zu der Aufgabe eingesetzt, die vom Westen schweren Herzens gegebene Anerkennung seines Staates entgegenzunehmen und dem imperialistischen Interesse an Entspannung nachzukommen, worunter er und seine Mannschaft sich allerdings etwas anderes vorstellten. Jedenfalls wurde er der sowjetische Friedenspolitiker, ließ in die 77er Verfassung ein eigenes Kapitel über Außenpolitik aufnehmen -

"Die UdSSR verfolgt konsequent die Lenin'sche Friedenspolitik und tritt für die Festigung der Sicherheit der Völker und für eine breite internationale Zusammenarbeit ein" -,

und ins Parteiprogramm folgende Erfolgsmeldung:

"Die Außenpolitik der sozialistischen Staaten, der die Prinzipien des Friedens, der Gleichberechtigung, der Selbstbestimmung der Völker, der Achtung der Unabhängigkeit und der Souveränität aller Länder zugrundeliegen, und auch die ehrlichen, humanen Methoden der sozialistischen Diplomatie zeigen wachsenden Einfluß auf die Weltlage."

Während sein Vorgänger noch Konferenzen platzen ließ, weil er auf sowjetischen Positionen bestand, oder nach erfolglosen Versuchen, Fakten zugunsten der Sowjetunion zu schaffen, klein beigeben mußte, war es Breschnew vergönnt, Staatsbesuche im Westen zu absolvieren, die durch Vertragswerke gekrönt wurden. Er konnte seinem Sowjetvolk "Leistungen" vorweisen, wie die, mit ehemaligen Feinden, den Rechtsnachfolgern des Deutschen Reiches, eine Völkerversöhnung zustandezubringen; mit der 1. Weltmacht Rüstungsabkommen zu schließen, die sich als erste Schritte in Richtung Abrüstung interpretieren ließen; die Erfüllung einer jahrelang erhobenen Forderung des Ostblocks, so etwas wie einen universellen Friedensvertrag mit allen europäischen und für Europa zuständigen Mächten und eine umfassende good-will-Erklärung zu erreichen. Das hat ihm die unangefochtene Anerkennung als Staatschef sowie den Glauben seines Volkes an seine wichtige Arbeit für den Frieden gesichert und hat ihn wohl auch persönlich zufriedengestellt. Im Glauben, den Frieden voranzubringen, hat der sowjetische Staatschef über die während der Entspannung unvermindert beibehaltenen Feindseligkeiten als traditionelle Vorurteile, die sich schon noch verflüchtigen würden, hinweggesehen und hat sich gegenüber seinen Gegenspielern, vor allem gegenüber den deutschen, regelrecht von Rührung überkommen lassen wegen der vermeintlichen Gemeinsamkeit.

Sein diplomatisches Auftreten und sein Verhandlungsstil verkörperten dieselben unangenehmen Eigenheiten zwischenstaatlichen Umgangs wie die westlicher Politiker: die Würde der jeweiligen Staatsmacht und die fingierte persönliche Herzlichkeit von menschlichen Begegnungen, in denen ein Staat vom anderen etwas will. Unterschieden hat er sich von den westlichen Gepflogenheiten dadurch, daß sich 1. die sowjetischen Berechnungen blamiert haben - deswegen wird r hier ja auch irgendwie für "tragisch" gehalten - und daß 2. die idealistische Auffassung von Friedenspolitik in außerprotokollarischen Sympathiebezeugungen für seine jeweiligen Kontrahenten des öfteren mit ihm durchgegangen ist. Während ein Willy Brandt z.B., wenn er in Polen spontan seinen Kniefall inszenierte, nie und nimmer daran glaubt, daß er Verantwortung für die von Deutschen ermordeten Polen trägt, sondern durch und durch berechnend seinen Gastgebern damit schmeicheln wollte, hat Breschnew mit einem naiv zu nennenden Glauben daran, daß er ein Stück Anerkennung für seinen Staat errungen und die friedliche Koexistenz zwischen Staaten und Repräsentanten vorangetrieben hat, den Glauben in Sympathieanfälle seinen Gegenspielern gegenüber verlängert. Er hat wirklich daran geglaubt, daß sie gemeinsam ein Stück Arbeit geleistet hätten, um Krieg und Konfrontationen überflüssig zu machen, hat sich also über das gemeinsame Interesse am Frieden ebenso getäuscht wie über den Inhalt der Diplomatie und der Gesten. Die ihm nachgesagte Gutmütigkeit und spontane Herzlichkeit waren also genau die Charaktermerkmale eines berechenbaren Repräsentanten der feindlichen Macht, dessen wirklicher Wille zur Auflösung der Feindschaft vom Westen anerkannt und benützt worden ist.

"Sein gesamtes großes und erfülltes Leben

war voll und ganz der großen Sache des Oktobers, der Partei Lenins, den Interessen des werktätigen Volkes und dem Aufbau des Kommunismus gewidmet." (Nachruf des ZK der KPdSU)

Daß er seine eigenen Erfolge genossen hat, z.B. in Gestalt seiner vielen Orden - angeblich hält er den Rekord -, seiner Autos und seiner Jagdausflüge, glauben wir gerne. Das kann ja nicht ausbleiben, wenn jemand die Macht, die ihm Arbeit und Gehorsam seines ganzen Volkes zur Verfügung stellen, im Sinne der politischen Ideale ausübt, die die Herrschaft sich zugelegt hat und gemessen an diesen Idealen Erfolge erzielt. Die Art Erfolge, die er damit dem Westen bereitet hat, hat er schließlich auch wieder als Forderungen an seine Verantwortung gesehen,

"Fragt man irgendeinen Sowjetmenschen, mag er Kommunist sein oder parteilos, wodurch der Weg unserer Partei in den letzten Jahren in erster Linie gekennzeichnet ist, wird man zur Antwort bekommen: Dieser Weg ist vor allem dadurch gekennzeichnet, daß es gelingt

den Frieden zu erhalten

Menschen der verschiedensten Altersgnppen und

Berufe sagen aus vollem Herzen: Dank dir, Partei, dafür!" (Sein letzter Rechenschaftsbericht an den XXVI. Parteitag)

In dem Maße, in dem der Westen das Ende der Entspannung eingeläutet hat, hielt er es für seine Verantwortung, die Entspannung zu retten, die für eine Weltmacht beispiellose Demütigung zu praktizieren, eine bloße Mittelmacht um ihren Beitrag zur Rettung der Entspannung anzubetteln. Die Friedenspolitik der Sowjetunion ist so bitter ernst gemeint, daß sie auch die untauglichsten Mittel nicht unversucht lassen will, um der vom Westen angekündigten und schrittweise vorbereiteten Entscheidung auszuweichen.

Aber nicht das ist bei seinem letzten Besuch in Bonn vermerkt worden, stattdessen hat die allgemeine Begutachtung seines Gesundheitszustands diesen freudig als das Symbol für die Agonie des Sowjetimperiums genossen. So paßt die trostlose Abschlußveranstaltung in Bonn als sein persönlicher Fehler genau zum politischen Fehler der Sowjetpolitik: Daß man sich, wenn man schon vor lauter Gebrechen kaum noch gehen und reden kann, wegen irgendwelcher höherer politischer Ziele durch die Welt schleifen läßt, anstatt zu beschließen, daß es reicht, ist eine bescheuerte Auffassung von der Verantwortung eines Staatsführers. Genauso bescheuert wie die typisch revisionistische Kalkulation, die ihn bis zum gehtnichtmehr in seinem Amt gehalten hat: die Meinung, die imperialistische Welt durch die Demonstration einer unbeirrbar festen Linie zu beeindrucken. Daß ein Machtwechsel ein Schwächeanfall ist, beschließt der Westen aus seinen Interessen und nicht wegen der sowjetischen Abwicklung.

Nachrufe

Die westliche Öffentlichkeit ist sich über die Maßen einig. Während sonst jedes Thema seine unvermeidlichen nationalen Interpretationen erfährt, haben den verstorbenen Leonid nach einhelliger Auffassung sechs Eigenschaften ausgezeichnet.

war er wichtig. "Ein politisches Vollblut", Willy Brandt.

nützlich - für den Westen.

"Breschnew war ein konservativer Kommunist. Er wollte den Besitzstand der Sowjetunion wahren. Dafür strebte er politische Abstimmung und militärisches Gleichgewicht mit den Vereinigten Staaten an. Er verhandelte hart, oft stur. Aber er war berechenbar, kein Pokerspieler wie sein Vorgänger Nikita Chruschtschow." (Fritz Pleitgen in der "Zeit")

3. aber nur begrenzt nützlich.

"War das nicht, verglichen mit dem finsteren Stalin und dem sprunghaften Chruschtschow ein idealer Partner für einen großen West-Ost-Ausgleich? Nun, nach dem Tode des Generalsekretärs ist es an der Zeit, sich gänzlich von Illusionen über Breschnew zu trennen. Die Sowjetunion war in der Amtszeit dieses Parteichefs nicht weniger ausgreifend und gewalttätig als unter seinen Vorgängern." (FAZ)

"Aber er hat auf russischer Seite den Rüstungswettlauf ausgelöst, den Truppeneinmarsch 1968 in der Tschechoslowakei und 1979 in Afghanistan beschlossen und 1981 auf Polen Druck ausgeübt". (Jospin, Parteisekretär der franzöäschen Sozialisten)

4. war Breschnew also ein widersprüchlicher tief zerrissener Charakter:

Leonid Breschnew, Herr über 50000 Panzer, friedlich vor dem Kinderwagen, in dem seine Urenkelin Galina strampelt."

und Gott sei Dank, schon ziemlich marode:

"Die schier unlösbaren Probleme und Widersprüche Rußlands, der Weltmacht ohne neue Ideen und Stimulantien, konnte er nur noch mit markigen Worten herunterspielen. Und als der Mann der Mitte suchte er nur halbe Lösungen." (Spiegel)

5. ist sein Gestorbensein ein berechtiger westlicher Rechtsanspruch auf das Entgegenkommen seines Nachfolgers:

"Am Tage von Breschnews Tod sollte der Westen mit seiner großen Macht vernünftig umgehen. Er sollte den Geist der Entspannung und die Ostpolitik zu beleben versuchen, solange noch Zeit ist. Die Entspannung ist nicht gescheitert. Sie ist nie wirklich versucht worden. Sie wiederherzustellen und die Kreml-Herren auf einen vernünftigen Dialog zu verpflichten - das bietet die bestmögliche Gewähr, daß Breschnews Nachfolger keine größere Bedrohung darstellen, als er es selbst war." (The Guardian,)

6. ist er zur Zufriedenheit des Westens gestorben, denn, daß er gestorben ist, stellt auf jeden Fall eine Schwächung der Sowjetunion dar:

"Es muß bald Bewegung innerhalb der Sowjetunion geben. Und der Westen sollte aus dem Ende der Paralyse im Kreml seinen Vorteil ziehen." (The Times)

Die westlichen Differenzen in der Würdigung des Verblichenen, ob man sich nun als Bundesrepublik ins Kondolenzbuch einträgt und als Kohl demonstrativ nach Washington jettet, weil "Wichtigeres" zu erledigen ist als die Trauer am Grab, oder ob man sich groß britannisch weigert, das Kondolenzbuch zu bereichern, das sind Geschmacksfragen.