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Dieser Artikel ist in der MSZ 5-1982 erschienen.

Systematik

Neues von den Rohstoffmärkten
WAS SICH MIT DEM WELTMARKT ALLES (NICHT) ANSTELLEN LÄSST

Die Quelle des "Reichtums" und damit Grundlage der Kreditwürdigkeit der als eigene Kategorie der Wirtschaftsstatistik geführten "Entwicklungsländer mit Rohstoffquellen" sind die Anteile, die sie aus dem Verkauf der bei ihnen geförderten Rohstoffe erhalten. Ob diese Anteile auf den im Förderland ausgewiesenen Gewinn des abtransportierenden Rohstoffkonzerns berechnet werden oder auf den am Weltmarkt realisierten Preis, weil die betreffenden Länder formell Gewinnung und Export des Zeugs "nationalisiert" haben, spielt dabei für die Höhe dieses Anteils im Resultat eine untergeordnete Rolle.

Für die Staaten selbst aber ist es der Ausgangspunkt für die Illusion, nicht nur ihr Boden und seine Ausbeutung durch fremdes Kapital sei ihr Mittel, sondern sie könnten den Weltmarkt selbst zu ihrem Mittel machen.

Angebot und Nachfrage rohstoffmarktkonform

So animiert sie die Tatsache, daß der Weltmarkt nicht für sie, sondern für die Realisierung des Profits des Kapitals da ist, bisweilen zu bemerkenswerten Aktionen, zumal wenn, wie derzeit, die Preise ihrer Rohstoffe in den Keller fallen und ihr Kredit aus demselben Grunde beim Teufel ist. Meldungen wie die folgenden gehören deshalb zur Zeit zu den täglichen Freuden der Wirtschaftspresse:

"Mexiko will seinen Ölhahn kräftig aufdrehen. Die staatliche mexikanische Ölgesellschaft Pemex rechnet für das laufende Jahr mit einer Steigerung der Ölexporte um 36% auf 1,5 Mill. Barrel pro Tag. Das Land erreichte in den ersten Monaten lediglich eine Durchschnittsexportmenge von 1,38 Barrel/Tag, was deutlich unter dem Zielwert liegt. Wirtschaftsexperten erklären denn auch, daß die Pemex gar nicht über die ausreichende Infrastruktur verfüge, um die Exporte im verbleibenden Teil des Jahres auszuweiten. Auch sei die Lagerkapazität begrenzt. Wenn nicht die wirtschaftliche Rezession in der Welt unerwartet schnell zu Ende gehe, wäre es sehr unwahrscheinlich, daß Mexiko seine Wirtschaftsprobleme durch erhöhte Öleinnahmen lösen könnte." (Süddeutsche Zeitung, 1.10.82)

"Kupfer: Die Preise werden durch die schleppende Konjunktur gedrückt. Hinzu kommen Meldungen, daß in Chile die Kupferproduktion für 1983/84 beträchtlich ausgeweitet werden soll. Die Welt-Vorräte haben inzwischen 1,3 Mill. t erreicht. Derzeit arbeiten viele Hütten mit erheblichen Verlusten.

Zinn: Dieses Metall bleibt bei den derzeitigen Preisen auf Preisstützungskäufe angewiesen, Kartellbildungsgespräche zwischen Malaysia, Indonesien und Thailand haben einen gewissen Einfluß auf den Markt." (Süddeutsche Zeitung, 5.10.82)

Das sind die Alternativen des freien Agierens auf dem Weltmarkt:

  • Die eigene Rohstoffproduktion um jeden Preis dem Markt zur Verfügung stellen, um die eigene Kreditwürdigkeit wiederhernustellen; das verfehlt zwar wegen der Auswirkungen auf den Preis seinen Zweck, senkt aber auf jeden Fall die Produktionskosten des Kapitals und die Aufwendungen der strategischen Vorratshaltungen in den Abnehmerländern.
  • Oder: Zum Zwecke der Preisstützung den Verbaucherländern die strategische Vorratshaltung und deren Kosten gleich abzunehmen. Für diese Alternative erlangte heuer Malaysia einige Berühmtheit, indem es seine Marktposition als Rohstoffland auf dem Weltmarkt konsequent ausreizte und als größter Zinnexporteur der Welt selbst als Käufer den Zinnmarkt betrat und für 1,2 Mrd. Dollar sein eigenes Produkt an der Londoner Metallbörse aufkaufte, um dessen Preis zu stützen. Die Wirkung auf den Preis reichte gerade dazu, um wenige Wochen lang einige Terminspekulanten goldene Nasen verdienen und andere herbe Verluste einstecken zu lassen. Als diese groß genug wurden, stellte die Börse den Zinnterminhandel ein - um den Markt "sich beruhigen" zu lassen. Zur Beruhigung trugen auch die USA bei, die die kurzzeitigen Hochpreise zum Versilbern eines Teils ihrer eigenen Zinnreserve nutzten. Seitdem kauft Malaysia sein Zeug "behutsamer" auf und bemüht sich, die anderen wichtigen Produzentenländer zum Mitmachen zu gewinnen, siehe oben.

Kein Mißbrauch von Stabex!

Denjenigen Entwicklungsländern, deren "natürlicher Reichtum" vor allem im Export von Agrarrohstoffen besteht und die deshalb schon von den natürlichen Produktionsbedingungen her nur begrenzte Möglichkeiten haben, so flexibel auf dem Weltmarkt zu agieren wie die metall- und ölexportierenden Staaten, deren Zahlungsfähigkeit deshalb auch in besseren Zeiten immer schon der Stützung von außen bedurfte, griff bekanntlich die EG mit ihrem Ausgleichsfonds zur Exporterlösstabilisierung (Stabex) unter die Arme, um sie und vor allem sich vor allzu heftigen Marktschwankungen zu schützen sofern sie exklusiver Nutzung ihrer Produkte durch die EG-Staaten zustimmten und dem AKP-Abkommen beitraten.

In diesem Jahr durften die AKP-Staaten nun von der EG erfahren, daß Stabex natürlich nur für Schwankungen der Preise eingerichtet ist und nicht für den derzeitig anhaltenden und starken Verfall der Rohstoffpreise. Unter den gegebenen Verhältnissen können deshalb die vertraglichen Ausgleichszahlungen nur zu einem Viertel ausgezahlt werden - weil mehr Geld nicht im Topf ist. Aber in wenigen Jahren regelt sich dieses Problem von alleine. Da die Ausgleichszahlungen aus der Differenz des Preises im abgelaufenen Jahr und dem Durchschnittspreis in den drei davorliegenden Jahren berechnet werden, ist bereits 1984 mit einer Entspannung zu rechnen, wenn die Referenzperiode die preisschwachen Jahre 1981 und 1982 umfaßt.

Kein Geld für den Luxus eines Putsches!

Im Moment führt das Ausbleiben der Ausgleichszahlungen freilich auch bei relativ besser dastehenden AKP-Staaten wie Kenia zu akutem Zahlungsnotstand. Wenn man dann einen Stützungskredit des IWF will, reicht es allerdings nicht, dessen berühmte "wirtschaftspolitische Auflagen" nach Kräften zu befolgen. Wer sich da überflüssigerweise den Luxus eines - wenn auch erfolgreich niedergeschlagenen - Putsches leistet, ist disqualifiziert:

"IWF suspendiert 162-Mio-Dollar-Stützungskredit an Kenia... als Folge des Putschversuchs der Luftwaffe im August, der das Vertrauen in die politische Stabilität des Landes erschütterte. ... Der Putsch soll Kenia über 200 Mio. Dollar durch ausgefallene Touristeneinnahmen, Plünderungen und Kapitalflucht gekostet haben." (Financial Times, 1.10.82)