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LINKE STIMMEN ZUR WENDE
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Mehrere Mitarbeiter der "taz" appellierten am 24. September in einem "Offenen Brief" an den "sehr geehrten Herrn Dr. Strauß"
durch Nein-Stimmen der CSU beim Mißtrauensvotum
"uns davor (zu) bewahren, uns auf ein immer mieseres Niveau politisch einlassen zu müssen."
Was da scheinbar ironisch daherkommt als Sponti-Gag zu den Tagesthemen, schlägt einen Ton an, der die Sache, um die es geht, zurücktretenläßt hinter die gar nicht gekünstelte Sorge über eine Personalentscheidung, die den tazlerischen Ansprüchen an die subjektive Ausstattung der Macht nicht gefallen will:
"Dieser Frankenstein des Deutschen Spießertums, zusammengesetzt aus verschiedenen Elementen ungelüfteter deutscher Ecken! Dieses leere Gesicht, über dem immer ein leichter Schweißfilm liegt.... die schweißgebadete Null - die man nicht mehr 'Mittelmaß' nennen kann, man müßte sich beim Mittelmaß dafür entschuldigen!"
Was Kohl macht und wofür er einsteht, das würde man ihm in "taz"-Kreisen noch durchgehen lassen, aber wie er es öffentlich darstellt, das ist für diese Gourmets des Staatsgeschäfts eine so unerträgliche Zumutung, daß sie die Person von der Sache abtrennen, über diese mit aufgeklärtem Realismus hinwegsehen und jene auf eine Art und Weise "charakterisieren", wie sich faschistische Belletristen das Untermenschentum ausmalen. Mit gespielter Koketterie sorgt sich alternativer Nationalismus über die unvermeidliche Blamage des deutschen politischen Niveaus auf dem internationalen Parkett
"Sie wissen schon, wie die Simultandolmetscher jetzt schon grinsen... Die Welt hätte sich kaputtgelacht über den häßlichen Deutschen." -
und wird ganz unverhohlen plötzlich bierernst im Festhalten nationaler Interessen:
"Reagan wird mit ihm Schlitten fahren, und Breshnew wird ihn ausspielen."
In der reklamierten objektiven Bündnispartnerschaft mit Franz Josef Strauß ("Es wird Ihren Interessen nützen und uns davor bewahren..."), wird nicht mal mehr augenzwinkernd eine Kumpanei zwischen distanzierten Kennern der Macht und ihren gekonnten Handhabern beschworen, die dafür sorgen soll, daß Deutschland nicht nur regierbar bleibt, sondern die Macht auch ästhetischen Ansprüchen genügt.
Was eigentlich unterscheidet den alternativen Spott über die Figuren der Herrschaft von ihrer devoten Verehrung in der bürgerlichen Öffentlichkeit? Wer die Macht nach der mehr oder weniger geglückten Personalbesetzung beurteilt, der lebt bestens mit ihr: Bei Hofe gab es immer schon Narren und Schranzen.
II
"Vor lauter Aufatmen (über den Wechsel zwischen Regierung und Opposition) darf man natürlich nicht alle (!) früheren Analysen über Schmidts Regierungskurs vergessen..." ("rote blätter")
Genau so fängt das große "Vergessen" an. Kaum ist die SPD in der Opposition, ist für den MSB auch schon eine gänzlich "Neue Lage" entstanden, die einer neuen Sichtweise bedarf. Nicht, daß Spartakisten über Nacht vergessen hätten, wer es war, der die Stationierung neuer Mittelstreckenraketen initiiert und das Sparprogramm durchgesetzt hat, -
ABER:
"Nach 13 Jahren sozialliberaler Koalition ist dies ein bedeutender Einschnitt. Er bedeutet vor allem weiter wachsende Gefahren einer forcierten Rechtsentwicklung, einer noch bedingungsloseren Bindung der Regierungspolitik an den US-Raketen-Kurs, Gefahren der realen Durchsetzung einer fundamentalen Wende hin zu noch größerem Sozialabbau." (MSB, "Neue Lage", 20.9.82)
Wenn die CDU den "Sozialabbau" weitertreibt - worin soll da eine "fundamentale" Wende liegen? Wenn die SPD bedingungslos für die Raketen ist, wie soll das zu steigern sein? Der opportunistische Entschluß, die SPD auf jeden Fall wieder einmal als große Chance für die Linke zu propagieren, ist freilich ohne logische Bocksprünge nicht zu haben. Da muß man schon einige unmögliche Komparative bilden!
"Die SPD weiß, daß sie nicht nur eine kuuze Talsohle zu durchschreiten haben wird. Sie will ihren Einfluß von unten her, von Städten und Gemeinden und aus den Betrieben heraus zurückgewinnen. Der Schmidt-Kurs ist schon erprobt. Er hat ihr (!) nicht viel gebracht. Daß Eppler recht hat, wenn er kritisiert, es gäbe 'kein einziges großes Thema (!), das die Partei integrieren (!) und von der CDU absetzen könnte', spüren viele. Schon deshalb besteht die Möglichkeit, daß in der SPD etwas mehr Bewegungsspielraum für neue Versuche entsteht." ("rote blätter")
Da hat sich der MSB wirklich einen schönen Bündnispartner auserkoren: den Willen der SPD, schnellstmöglich an die Macht zurückzukehren und dafür die Partei neu zu integrieren und zu profilieren. Der MSB ist sich offenbar mittlerweile nicht mehr zu schade, den Parteitaktikern der SPD deren eigene Kalkulation mit nützlichen Idioten links von der SPD als Weg zu neuen Erfolgen anzuempfehlen: Imagepflege, sich den Linken "öffnen", um sich so von den regierenden Christen "absetzen" zu können - wenn das keine welthistorische Gelegenheit ist! Das Schöne an diesem Hilfs-Angebot: Die SPD braucht gar nichts zu tun, um in den Genuß eines wahlstrategisch günstigen Images bei linken Kritikern zu gelangen. Sie braucht sich gar nicht zu "öffnen", weil die Restlinke ihr Herz ganz von selber der SPD geöffnet hat.