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Dieser Artikel ist in der MSZ 5-1982 erschienen.

Systematik

Friedensbewegung
DIE LETZTEN (FORT-)SCHRITTE

Obwohl sie als Bewegung für den Frieden schon immer mehr war als eine reine Oppositionsbewegung, betrachtete sie es als eines ihrer wesentlichen Ziele, die Aufstellung der neuen Mittelstreckenraketen zu verhindern. Das brachte dieser neuen "Fundamentalopposition" ziemlich schlimme Vorwürfe ein bis hin zum Kommunismusverdacht. Sie paßte nicht ins öffentliche Bild der auf innere Einheit ausgerichteten Vorkriegszeit.

Die Aufstellung der Raketen ist näher gerückt - und auch die Friedensbewegung zweifelt nicht mehr an ihrer Realisierung. Daneben feiert sie ihre - nach eigenem Bekunden - 500000 Mann-/Frau-Demo als großen Erfolg und ist sogar in Form der Grünen in etlichen Parlamenten vertreten. Die öffentliche Kritik wurde differenzierter: Ihren Idealen wird durchaus Anerkennung gezollt, und der Kommunismusvorwurf aus CSU-Kreisen wird mit dem fast verständnisvollen "nicht bewußt" garniert. Da muß sich auch mit der Bewegung einiges getan haben, die solches erreicht hat.

Die Bewegung

An der im Dezember '79 beschlossenen und für Herbst '83 geplanten Stationierung atomarer Mittelstreckenraketen in Europa und v.a. in der BRD könnte einem auffallen, daß die NATO-Politiker ihrem Bündnis die militärische Überlegenheit über den Hauptfeind sichern wollen, um im Umgang mit ihm jede Freiheit bis hin zum Krieg zu haben. Das läßt auch den Schluß auf den Zweck der westlichen Gemeinsamkeit zu, den Ostblock "aus der Geschichte" zu tilgen.

Die Bedrohung der Menschheit

Das mochte der Friedensbewegung an der "Nachrüstung" nicht auffallen. Dennoch machte sie ausgerechnet an diesem weiteren westlichen Rüstungsschritt Opposition. Ihr fielen an den neuen Waffen gerade nicht die beabsichtigten, sondern die möglichen Wirkungen - die Zerstörungskapazität - auf; und an den ausgemalten Wirkungen für Deutschland und Europa wurden die Atomwaffen überhaupt als Gefahr für die Menschheit thematisiert. So betrachtet Bastian

"Hiroshima als die eigentliche Zeitwende in der Menschheitsgeschichte..., weil der seit jeher im Bewußtsein individueller Bedrohung lebende Mensch erst von diesem Tag an mit dem Bewußtsein leben muß, auch als Spezies ausgelöscht zu werden. Leider (ist dies)... nicht ins Bewußtsein ihrer Sachwalter gedrungen..."

Hierin ist ausgesprochen, wieso jemand darauf kommt, die Atomwaffen als Wirkung ohne Zweck zu betrachten: er glaubt den Politikern des Westens die Ideologie, sie seien die "Sachwalter der Spezies Mensch". Er hat nicht nur die Identifikation des Individuums mit dem nationalen "wir" und seiner Verwaltung durch die Führer der Nation im Kopf, sondern auch das Ideal des Imperialismus, wonach alle Nationen in der internationalen Völkergemeinschaft, der Menschheit also, zusammengefaßt sind als ein gemeinsames Interesse und die internationale Politik in dessen Verwaltung besteht. So wird die internationale Politik an der dem Bild von der "Katastrophe der Menschheit" zugrundeliegenden und ihr entgegengehaltenen Idealität des Friedens für die Menschen - "Wir und alles lösen sich in der Einheit auf - und das ist Frieden" (Dieter Mittelsten Scheid) - gemessen; dies Ideal hat die ideelle Negation der existenten internationalen und nationalen Gegensätze zum Inhalt - denn wer käme auf Einheit als Zweck, wenn er nicht von Gegensätzen ausginge -, und ist nicht frei von dem Widerspruch, die Einheit der Menschheit, die es herzustellen gelte, jenseits aller Gegensätze bereits zu unterstellen. An der an diesem Ideal gemessenen internationalen wie nationalen Politik werden dann immer Verstöße dagegen ausgemacht. Schon die diese Kritik benennenden Termini - "Verantwortungslosigkeit", "verhängnisvolle Fehlentscheidung", "Rüstungswahnsinn" - zeigt die Negativität, das Messen dieser Kritik mit dem an ihr festgestellten Mangel als Resultat.

Und weil man die positiven Zwecke der Politik und ihre verheerende Wirkung nicht sehen will, dürfen auch die Mittel, mit denen genau das Subjekt des eigenen Ideals vernichtet werden könnte, keine Mittel der internationalen Politik sein. Die Konsequenz dieser moralischen Kritik ist dann der messerscharfe Schluß, daß nicht sein kann, was nicht sein darf. An den genau auf diese Mittel abzielenden Maßnahmen und Entscheidungen der Politiker, wie z.B. am Raketenbeschluß, wird dann ein "Versagen der Politik" bei ihren Aufgaben konstatiert. Ein Urteil, das damit zugleich doe Resultate der Politik als von ihr zu lösende Probleme ausspricht:

"Kein einziges Problem, welches vor zehn oder zwanzig Jahren bestanden hat, ist einer Lösung auch nur einen Schritt näher gebracht worden. Im Gegenteil: Die Probleme haben sich (!) verschärft. Aber alle Politiker und alle Regierungen haben nur (!) das eine Ziel: genauso weitermachen wie bisher..." (Hans A. Pestalozzi)

Diese in ihrer Solidarität mit der Politik solidarisch, weil ein gemeinsames Interesse, das vor gemeinsame Probleme gestellt ist, angenommen wird - sehr radikale Kritik der westlichen Aufrüstungsbeschlüsse verliert zwar das Vertrauen in die "ihre Augen vor den Problemen verschließenden" Politiker, hält aber gerade darin am Vertrauen in die Politik fest.

Die Kritik der Waffen...

rückt daher in den Mittelpunkt, denn sie sind der Fehler der Politik. Und wer nicht den Schluß von der Wirkung auf den damit beabsichtigten Zweck ziehen will, der hält sich an der Logik von Ursache und Wirkung fest, die darin besteht, in dem, was wirkt, die Ursache zu erkennen. So werden die Waffen als Ursache ihrer eigenen Wirkungen zum Angriffspunkt. Die politischen Subjekte, die diese "Ursachen" schließlich in die Welt setzen, werden zum bloßen Vermittler der "Logik der Waffen":

Im "Rüstungswettlauf"

der Supermächte wird deren Ankauf von Waffen tautologisch um seiner selbst willen begründet, in der "Rüstungsspirale" ist die Erinnerung an die Auftraggeber bereits durchgestrichen und im tausendfach der Fantasie freien Lauf lassenden Bild von der Selbstauslösung des Krieges sollen konsequenterweise die bereits bei ihrer Anschaffung von allen Auftraggebern emanzipierten Waffensysteme auch noch ihre Anwendung selbst herbeiführen, was nichts anderes bedeutet als den Unglauben an die Anwendung dieser Waffen. Der Krieg ist dann kein - "falsches" - Mittel der Politik mehr, sondern ein Subjekt, das uns als Gefahr bedroht. So stehen sich als Antipoden auf der Weltbühne nicht mehr zwei "Supermächte" gegenüber, sondern der Mensch und die Waffe:

"Atomwaffenfreiheit, wo immer beginnend, muß das Ziel dieses Krampfes sein, der von der Menschheit gewonnen werden muß, will sie nicht an sich selbst zugrunde gehen." (Bastian)

Kommt ein Mann wie Bastian, der durchaus weiß, daß die "Nachrüstung" dem Westen Überlegenheit verschafft, erst einmal auf die Menschheit, dann wird sie Subjekt und Objekt ihrer Vernichtung zugleich und davor verblaßt denn auch die unterschiedliche Waffenpotenz von West und Ost, die Atomwaffen - "wo immer beginnend" - werden gleichgültig zum Feind.

...in West und Ost

Den Atomwaffen - einmal als Bedrohung genommen - ist der Unterschied in den politischen Zwecken ihrer Auftraggeber ja tatsächlich nicht anzusehen. So ging die Friedensbewegung von ihrer Opposition gegen Cruise Missile und Pershing II ab, indem sie sie "erweiterte". Daß sie diesen Übergang auf Kritik von oben hin vollzog, ist kein Argument gegen die ihrer Opposition entspringende Logik des Übergangs; schließlich hätte sie der öffentlichen Kritik ja nicht nachgeben zu brauchen. Aber mit der Art ihrer Opposition gegen den Doppelbeschluß entzog sie ihr selbst das Standbein der "Einseitigkeit". Sie wollte nicht mehr "auf einem Auge blind sein". Das führt zum Widersinn, daß die Friedensbewegung Opposition gegen die NATO macht, die genau dem NATO-Diktat der Nullösung gegen die Russen entspricht. Und mit den russischen SS 20 rückte auch die östliche "Schwerter-zu-Flugscharen"-Bewegung in den Mittelpunkt der Friedensbewegung, unisono mit den NATO -Parolen für Freiheit im Osten. Dem "Widerstand" gegen die westliche Aufrüstung ist damit der letzte sachliche Gehalt genommen; er reduziert sich auf die formelle Differenz, daß die Friedensbewegung ihre Parolen ganz anders meint als die von einigen Politikern so apostrophierte "größte Friedensbewegung" NATO: nämlich als Aufweis der Berechtigung ihrer Kritik an der westlichen Aufrüstung. Bloß, was hilft's, wenn dann als einzige Differenz der formelle Vorwurf an die Herren im Bündnis übrigbleibt, ihre "Nullösung" wäre schon recht, sie würden bloß nicht ernsthaft dafür verhandeln! Hauptaufgabe solcher Opposition ist dann, die USA zu Verhandlungen zu dem "zu zwingen", worüber sie eh verhandeln und - je nach nationaler Gesinnung - die eigene Regierung in ihrem Einfluß auf die Amis zu unterstützen.

Kein Wunder, daß eine solche Friedensbewvegung, die sie spätestens seit dem 10. Oktober '81 ist, nicht mehr der früher üblichen Anfeindung ausgesetzt ist, ja für ihr Ideal der beiderseitigen Abrüstung sogar teilweise Lob erntet, freilich mit dem unverschämten Anspruch verknüpft, sie solle ihre

Friedfertigkeit

unter Beweis stellen. Und das tut sie! Denn wer der Politik die falschen Mittel für ihre verschimmelte Aufgabe der Menschheitsverwaltung vorwirft, der will auch konsequent beweisen, daß die Menschheit dieser Mittel nicht bedarf, sondern bereits friedfertig ist. Und was wäre eine Friedensbewegung, die das Ideal des friedlichen Zusammenlebens predigt, wenn sie das nicht selbst einlösen würde. Sie wird an ihrem eigenen moralischen Maßstab gemessen und mißt sich selbst daran, um ihre Berechtigung unter Beweis zu stellen. Die einzige Forderung, die dementsprechend auf der letzten Demo an die Politik übrigblieb, war die devote Bitte: Laß mich in Frieden friedlich sein! Ich bin dafür eine positive Bedingung.

Diese Inpflichtnahme der Menschheit für den ihr zukommenden Frieden ist eine Verlängerung des Bildes von der Politik als "Sachwalter der Spezies Mensch". Daß damit der Poli tik ein Freibrief für ihr Gewaltmonopol, mit dem sie nicht nur die Aufrüstung durchsetzt, erteilt ist, wollen die Friedensbewegten nicht einsehen. Im Gegenteil: Weil sie von ihrer Vorstellung ausgehen, die Politik würde sich an ihren Untertanen als Teil des einen großen Ganzen orientieren, sehen sie in ihrer Drucklosigkeit gerade ihre Stärke und konstatieren allenthalben Wirkungen ihres Treibens auf die Macher, bis hin zu dem Größenwahn, daß Reagan und überhaupt der NATO-Gipfel ausgerechnet wegen ihnen nach Bonn gekommen wären.

Eine glaubwürdige Bewegung

In all ihrer Friedfertigkeit versteht sich die Friedensbewegung nicht nur als Appell an die Politik, sondern in voller idealistischer Widersprüchlichkeit auch als Appell an die übrige Menschheit. Sie wissen um ihre Differenz zum "normalen Bürger", der mit ihren Absichten durchaus nichts im Sinn hat, und begreifen sich zugleich als Anwalt von dessen Friedfertigkeit, die der zumindest noch nicht unter Beweis stellen will. Da also auch das Verhältnis der Friedensbewegten zum Rest der Menschheit durch den Glauben an ein ideelles Gesamtinteresse geprägt ist, das gleichzeitig immer noch nicht hergestellt ist, gehen sie nicht auf Überzeugung durch Kritik aus, sondern auf Vereinnahmung unter Berufung auf die Gemeinsamkeit. Daher kümmert sich die Friedensbewegung auch nicht um Argumente, sondern um "Glaubwürdigkeit". In dieser Vokabel ist der ganze dialektische Pfiff im Standpunkt der Friedensmenschen zusammengefaßt und von je dem sachlichen Interesse und politischen Willen gesäubert.

Wer glaubwürdig sein will, der tut grade so, als würde der Gegensatz zum Gegenüber, den er damit überwinden will, aus der Welt geschafft durch bloße Berufung auf die Gemeinsamkeit, durch ihre glaubwürdige Darstellung. Dabei macht es einen großen Unterschied, ob die Apostel der Glaubwürdigkeit solche mit Macht sind, wie die Herren Politiker, die bei ihrer Durchsetzung auf Glaubwürdigkeit gerade nicht angewiesen sind, oder solche, die außer ihrer Glaubwürdigkeit nichts aufzuweisen haben. Im Unterschied zu den Zynikern der Macht sind die Friedensbewegten Idioten der Ohnmacht, die nichts anderes glaubwürdig beweisen Glaubwürdigkeitsgefimmel selbst verpflchtet haben: daß sie keines ihrer Anliegen durchsetzen wollen und darin ihre Berechtigung haben. Für ein solches Anliegen ist natürlich die Glaubwürdigkeit schon der Erfolg. Die ursprünglich noch intendierte Verhinderung der "Nachrüstung" ist bei diesem Standpunkt passe - im Namen der Ideale, mit denen sie begründet wurde. So wird mit der Stationierung bereits kalkuliert und sich zurechtgefunden. Und diejenigen, die noch vor zwei Jahren so von ihrem Idealismus überzeugt waren, daß sie die "Nachrüstung" für nicht "durchsetzbar" hielten, sind heute noch um soviel mehr von ihrem Anliegen überzeugt, daß sie die Verhinderung für nicht "durchsetzbar" erklären. So bewahren sie sich ihre Bewegung, und die sieht inzwischen genauso aus, wie sie geworden ist.

Für Frieden pur

Wer sein Ideal an der restlichen Menschheit praktiziert, wird gewalttätig; wer, es an sich selbst praktiziert, verrückt. Die Friedensbewegung hält sich, das zeigen ihre Erfolgsmeldungen, für ihr realisiertes Ideal und verhält sich dementsprechend. Die Bewegung hat sich in ihrem Selbstbewußsein aufgelöst, dessen Praktizierung zugleich dessen Demonstration ist, weshalb auch große Demos "kein adäquates Kampfmittel" mehr sind.

Den Frieden im Herzen

Was soll man denn davon halten, wenn einige Zehntausend auf einem alternativen Katholikentag Lieder singend fröhliche Kindertänze aufführen? Und ausgerechnet diese Albernheiten betreiben sie als "Opposition" gegen den offiziellen Katholikentag, auf dem Politiker und Pfaffen in größter Einmütigkeit Kriegshetzen in Sachen Frieden durch Freiheit für unsere Brüder und Schwestem im Osten vom Stapel lassen und zudem die Unverschämtheit besitzen, den inneren Frieden für den äußeren verantwortlich zu machen, so als ob sie bei einem Aufstand Krieg gegen den Osten anzetteln würden. Man kann daran sehen, daß die Politiker um so unverschämter den inneren Frieden einfordern, je weniger ihn jemand in Frage stellt; denn innerer Friede war noch immer die Bedingung für Freiheit nach außen. Und da feiern die Friedenskinder, daß sie nicht nur, wie so ziemlich jedermann in diesem Lande, den inneren Frieden einhalten, sondern geben das auch noch als ihr dezidiertes Menschheitsrettungsprogramm aus. Sie meinen offensichtlich, daß der Friede im Herzen und ein dementsprechendes Benehmen bereits Grund und Inhalt einer anderen Welt wäre. So vollziehen sie die Ansprüche der Politik mit Übersoll an sich und machen mit diesem Übersoll Opposition. Und zwar Opposition für (!) den Frieden, der die Verantwortung aller herausfordert, der sie stellvertretend für den Rest der Welt entsprechen. So brauchen sich diese Stellvertreter der Menschheit im Kleinen um das, was die Politiker mit etlichen Teilen derselben an Ausbeutung, Gewalt nach innen und periodischen Kriegen anstellen, nicht mehr zu kümmern; zumindest nicht als etwas, was ihre Selbstzufriedenheit stören könnte. Daß die Welt um sie herum schlecht ist, das wissen sie mit schlechtem Gewissen und machen daraus ihren Auftrag zum guten Gewissen, daß sie besser sind. So haben sie ihren Ausgangspunkt vom schlechten Verwalter der guten Menschheit auf seine moralische Qualität reduziert, daß es am guten oder schlechten Menschen liegt, wie die Welt aussieht. So ist die Menschheit selbst schuld daran, wenn sie schlecht verwaltet ist. Die Bewegung gegen die "Nachrüstung", teils schon immer im Büßergewand angetreten, hat sich gänzlich zur Jüngerschaft Jesu entwickelt, der ihr einiges mit auf den Weg gegeben hat:

"Jesus von Nazareth... wollte das Schöpferische in den Menschen provozieren, wollte ihnen zeigen, daß nur eine neue Art des Zusammenlebens, des Handelns für und mit anderen die Umstände, die menschliches Leben beschädigen, beseitigen hilft, und daß jeder selbst sein Scherflein zur Unterdrückung des anderen beiträgt." (Manfred Kühle)

Und die religiöse Dialektik des Guten im schlechten Menschen und umgekehrt beherrscht auch die nicht unmittelbar pfäffischen

"Friedensinitiativen"

in denen die friedensbewegten Aktivisten ihrem Selbstbewußtsein der aus reinem Herzen kommenden Verantwortung für das Wohl der Welt freien Lauf lassen und um die Vermehrung ihrer Gemeinde werben. Sie beherzigen dabei den Grundsatz, daß Selbstdarstellung die beste Werbung für ihr Anliegen ist.

  • Sie führen sich Filme von Hiroshima, Nagasaki und anderen Brandwundern dieser Welt vor und bestaunen in Galerien deren Resultate, um sich selbst in ihrer moralischen Empörung über die Schrecken der schlechten Welt zu gefallen und in anderen die gute Saite zum Schwingen zu bringen und merken dabei nicht einmal, daß jeder Politiker und jede Oma auch ohne unmittelbare Bebilderung darin mit ihnen einig sind, dies alles als sehr schrecklich zu empfinden. Denn schließlich ist das die Moral, die zu jedem Krieg dazugehört, seine Opfer zu bedauern, wie es auch von den öffentlichen Fernsehanstalten anläßlich der jüngsten Kriegsopfer, v.a. der unschuldigen Frauen und Kinder, wieder in aller Humanität vorgeführt wurde. Und daß es "nie wieder Krieg" gibt, das ist die gemeinste Auffassung von jedem Krieg, mit der man sich über die Kriegsvorbereitungen hinweg tröstet.
  • Sie diskutieren alternative Verteidigung, um sich ihr Ideal auszumalen, daß es im Krieg um ihre Verteidigung geht und daß sie deshalb - ein kleiner Widerspruch zum Krieg! - auch nicht dabei draufgehen dürfen. Und daß sie einen Feind haben, das übernehmen sie dabei allemal aus der offiziellen Kriegspropaganda!
  • Sie proben und praktizieren den Widerspruch des "gewaltfreien Widerstandes", bei dem etwas verhindert werden soll, ohne dem Feind dabei zu schaden. Aber auf Verhinderung kommt's ja nicht an, sondern

"die Methoden des gewaltfreien Widerstandes setzen den Staat ins Unrecht, wenn er zur Verfolgung schreitet." (Bahro, TAZ, 6.10.82)

Es ist also beabsichtigt, daß der Widerstand in der Demonstration seiner Berechtigung draufgeht!

- Sie stellen die revolutionären Forderungen auf: "Keine Atomrakete in unserer Straße!" - wo die eh nicht hinsollen - und wollen ganz normale Wohnviertel zur "atomwaffenfreien Zone" erklären nach Unterschriftensammlungen in der Bevölkerung, ganz so als ob Atomraketen auf Wunsch der Bewohner in deren Schrebergärten aufgestellt und entsprechend auch wieder beseitig würden. Freilich sind diese "Aktionen" nicht so gemeint, die ganze BRD sukzessive von Atomraketen zu säubern - darüber sind sie längst hinaus! -, sondern als Ausdruck dessen, daß die Bürger - die Friedensbewegten allen voran - auf den "Schutz der Raketen verzichten", im Volk also durchaus Friedenswille vorhanden ist. Daß sie nicht gleich die ganze Nation auf einmal befragen, liegt daran, daß sie sich aus einer Verknüpfung des nationalen Gedankens des friedliebenden Volkes mit der Liebe zur unmittelbaren Heimat - ein erzreaktionärer Gedanke, der die Zufälligkeit des Wohnorts bereits zum Grund zur Zufriedenheit macht - die größte Glaubwürdigkeit versprechen.

Obwohl sie in ihren Initiativen ihre Friedwilligkeit und deren Berechtigung immer wieder unter Beweis stellen, kommt es ihnen doch sehr darauf an, daß ihre Friedensliebe noch durch Repräsentanten aus dem öffentlichen Leben - je renommierter, desto besser vertreten wird. So beweisen sie also durchaus auch Skepsis in ihre Glaubwürdigkeit, die durch repräsentative Vertreter erst so richtig Gewicht erhalten soll. Eine nicht unberechtigte Spekulation auf die Realitäten der öffentlichen Meinung, vor der sich jede noch so brav unter Beweis gestellte Glaubwürdigkeit immer wieder als mangelhaft erweist eine Spekulation, der sich auch die Ausrichtung von einem

Künstlerfest für den Frieden

im Bochumer Ruhrstadion verdankt - der letzte Höhepunkt der Friedensbewegung. Da waren an die 200000 zur Feier des Friedens versammelt, während gleichzeitig der Abtransport der Überlebenden des israelischen Libanonkrieges in Konzentrationslager vonstatten ging. Da baten sie gesanglich "Give peace a chance" und waren kaum darauf überwältigt von ihrem eigenen "We shall overcome". So fanden sie sich also, ziemlich ungerührt vom Weltgeschehen, in ihrem Selbstbewußtsein zusammen, für eine gute Sache zu sein und Siegeszuversicht zu demonstrieren. Und ihre absolute Anspruchslosigkeit in dieser ihrer guten Sache unterstrichen sie auch noch damit, daß sie ihnen - gemäß den Gepflogenheiten der demokratischen Gesellschaft, in der etwas immer so viel zählt wie der, der es sagt - von einigen top stars der ebenso idiotischen wie illustren Künstlerwelt als besonders gute vorgeführt wurde. Sie waren also nach Bochum geströmt in dem Bewußtsein, eine Heimat zu haben, die Reputation genießt, daß ihr Engagement also einen Sinn hat. Und einen Sinn im Leben braucht der Mensch allemal, um angesichts der laufenden Aufrüstung und Vor-Kriege nicht zum Gegner der westlichen Kriegsvorbereitung zu werden!

Diesen Menschen fehlt also nur noch eins rum Glück:

Die politische Heimat

- aber die haben sie ja schon! Eine Bewegung, die am verlorengegangenen Vertrauen in die Politiker leidet und sich dieses Leiden zur eigenen positiven Qualität gemacht hat, die also Vertrauen in die mit Macht ausgestattete Personage der Herrschaft haben will, weil sie selbst Vertrauen verdient - eine solche Bewegung läßt sich eben parlamentarisch repräsentieren. Mit ihren Idealen der demokratischen Herrschaft lassen sie sich gerne zum Wähler-Idioten machen, der dieses Ideal nicht nur verdient, sondern seine Realisierung auch abtritt, wenn ihm nur ein Vertreter zu entsprechen scheint. Daß die Grünen keine Chance haben, mittels dieser Ideale an die Ausübung der wirklichen Herrschaft zu kommen, läßt allerdings eine optimale Lösung schon erwarten: Warum sollten die Friedensbewegten nicht ihre endgültige politische Heimat in der SPD finden, deren Demokratie-Ideale in der Opposition schnell wieder aufpoliert sind?

Ein bißchen Frieden, ein bißchen Freundschaft

war wohl das Motto am 11. September im Bochumer Ruhrstadion, in dem sich 200.000 Leute drängten, um von Gitte bis zu Harry Belafonte Schlager- und Liedermacherprominenz zu bejubeln. Als Kommentar dazu nur zwei Zitate. Das erste stammt von den Veranstaltern dieser Mammutshow "Künstler für den Frieden", der "Krefelder Initiative" selbst, und verrät ohne Umschweife, worum es den Auftretenden hauptsächlich ging (von ein bißchen Promotion für die Plattenverkaufszahlen 'mal abgesehen):

"Im und am Ruhrstadion wird es insgesamt 6 Bühnen geben, auf denen mehr als 200 (!) Künstler aus dem In- und Ausland ihren Beitrag für den Frieden leisten."

Schöner kann man es nicht sagen, was Udo Lindenberg zum Frieden beiträgt: Er singt - und selbst darüber könnte man noch streiten. Das zweite Zitat haben uns leider unbekannte Täter auf eine Mauer in der Nähe des Stadions gesprüht und es trifft die Beweggründe einer Bewegung, die DM 15.- Eintritt bezahlt und sich selbst, vormacht, daß der Kunstgenuß um so größer ist, wenn für einen guten Zweck:

"Laßt euch durch unsere kriege nicht vom feiern abhalten. Stop. Bis bald, helmut und ronald."

Saubermänner

In Anlehnung an die in jeder Straßenbahn zu lesenden Worte "unseres" Stadtoberhauptes Kiesl (CSU) zwecks Erhaltung der "Liebenswürdigkeit und Schönheit unserer Stadt" fordert die DKP also Münchens Bürger auf, auch die Atomraketen in die Papierkörbe zu werfen.

Abgesehen davon, daß uns bisher noch keine Bürger mit Atomraketen unter dem Arm begegnet sind, hielten wir eine solche "direkte Aktion" doch für etwas gefährlich hinsichtlich der Explosionsgefahr einerseits und hinsichtlich der Überfüllung der Papierkörbe über den ursprünglich gedachten Inhalt andererseits. Wir können außerdem nicht umhin festzustellen, daß die DKP den Bürger mit ihrer etwas weitgefaßten Definition von Unrat entschieden überfordert: Womit soll "unsere saubere Stadt" denn dann verteidigt werden? Die DKP sollte sich diesem Problem - das dem Bürger mindestens ebenso wichtig ist wie das der Sauberkeit - nicht länger verschließen. Ihr Bürgersinn kann ihr dabei sicherlich sehr hilfreich sein.