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Dieser Artikel ist in der MSZ 5-1982 erschienen.

Systematik

Politik und Ökonomie in der imperialistischen Demokratie '82
KRISENBEWÄLTIGUNG NEUEN TYPS

Daß eine Krise ist, behaupten alle. Darin, aber auch nur darin, stimmt der folgende Artikel den berufsmäßigen Lagebeurteilern und den beflissenen Amateuren zu.

Was eine Krise ist, worin die Besonderheit der jetzigen besteht und welchen Notwendigkeiten "wir alle" deswegen unterworfen werden sollen - in diesen Fragen halten wir die kursierenden Auffassungen für rundweg falsch. Ihrer politischen Zielsetzung nach stellen die einschlägigen Ideologien nur Rechtfertigungen des obersten Staatsauftrages dar, an dem sich imperialistische Demokratien stets bewähren.

1. Was ist eine Krise?

Das genuine Geschäft der freien Marktwirtschaft, die Vermehrung von Kapital, geht nicht mehr. Erfolgreich betrieben hat es zur Anhäufung von Produktionsmitteln, Waren und Geld geführt. Dieser nach allen Regeln der Ausbeutungskunst akkumulierte Reichtum - manche Rationalisierung, viele Ausländer, billige Frauenhände, Sonderschichten und Kurzarbeitsphasen, fernöstliche Tagelöhner, gesundheitliche Opfer mancher Schichten usw. haben da ihren Beitrag leisten dürfen - weist für seine Besitzer und wirtschaftskundigen Verwalter einen entscheidenden Mangel auf. Es läßt sich nicht mehr weiterverwenden, zumindest nicht nach den Maßstäben des Geschäfts. Sicher ließen sich Leute finden, die mit dem Maschinenpark von AEG etwas Nützliches anzustellen wissen; die mit den Autos, welche die Halden füllen, herumfahren können; die sich von dem Geld auf den Konten, wäre es das ihre, manch schönes Genußmittel auf den Basaren der Marktwirtschaft erstehen würden. Doch dafür ist das alles nicht vorgesehen, sondern für das Wachstum. Dieses in Geld bezifferte Resultat des Investierens und Produzierens, des Kaufen und Sparens, des Exportierens und Importierens läßt sich nach verläßlicher Auskunft "der Wirtschaft" nicht mehr erzielen.

Dabei unterscheiden die maßgeblichen Leute ihre Geschäftslage sehr wohl von einem gelegentlichen Mißerfolg, der zur Konkurrenz im Kapitalismus dazugehört. Daß sich eine Firma einmal verkalkuliert - was ihren Managern hinterher, nach vollzogenem Vergleich ihrer Produkte auf dem Markt mit denen der anderen, immer als Fehler und Versäumnis, als "Mißmanagement" angerechnet wird - und vielleicht sogar in Konkurs geht, bedeutet keineswegs "Krise". Eine Pleite, durch die ein Konkurrent ausscheidet, kann für die, die sich seines Eigentums bemächtigen, durchaus einen Aufschwung ihres Geschäfts einleiten. Unter den verminderten Kosten ist mancher Betrieb rentabel, mit dem sein ursprünglicher Eigentümer keinen Gewinn, keinen Überschuß über seine Kosten erwirtschaften konnte. Ganz abgesehen vom prinzipiellen Vorteil, daß die Dezimierung der Konkurrenten auf dem Markt für sich schon eine bessere Geschäftsgrundlage für die "gesunden" Firmen bietet.

In der Krise dagegen werden Konkurse nicht als zum kapitalistischen Konkurrenzkampf gehörige Fehlschläge verbucht, sondern als "Zeichen" - für einen allgemeinen Niedergang des Geschäfts. Die Leute, die "die Wirtschaft" heißen, gewahren an den Problemen einzelner Konkurrenten, daß sie von ihrem Untergang nicht profitieren können, vielmehr selbst mit den Schwierigkeiten "des Marktes", "einer stagnierenden Auftragslage" usw. fertig werden müssen. Die Geschäftswelt bemerkt, daß die Produktion für den Markt, den alle als die Sphäre schätzen, in der sich ihre Produkte gewinnbringend versilbern lassen, ohne Rücksicht auf die Schranken des Marktes vorangetrieben worden ist. Weil sich die Bedingungen ihrer Produktion von denen der Realisierung ihrer Produkte getrennt haben, taugen die Mittel ihres Geschäfts - Produktionsinstrumente, Waren, Arbeitskräfte - mit einem Schlag nichts mehr.

Daß die Überproduktion von Kapital - die Anhäufung von u viel Reichtum in Bezug auf den Zweck seiner weiteren Vermehrung - ihr eigenes Werk ist, mögen sie allerdings nicht einsehen. Sie verstehen es stets, "die Konkurrenz" für die miserable Geschäftslage verantwortlich zu erklären, und sie meinen damit nicht das Geschäftsgebaren aller in der Konkurrenz, also auch das von sich - sondern die anderen. In Krisen blüht die kundige Suche nach Schuldigen: vom "Mißmanagement" bis zum eigenen Staat, der doch wahrlich alles für die Geschäftsbedingungen seiner dynamischen Lieblingsbürger getan hat, ist keiner der sonst so anerkannten Macher vor dem Verdacht gefeit, er sei es gewesen; und - gemeinsam gehen Wirtschaftskapitäne mit Staatsmännern daran, auswärtige Störenfriede des Geschäftserfolgs auszumachen - die Japaner verkaufen ihre Sachen zu billig, die Ölscheichs zu teuer, die Franzosen zuviel... -, ganz als würden sich die Kapitalisten dieser Erde in der hohen Kunst des Unternehmertums ausgerechnet nach Fairneß-Kriterien unterscheiden. Daß die eigenen Kosten in sittenwidriger Weise zu hoch geklettert seien, dürfen sich die Lohnempfänger in schöner Regelmäßigkeit vorrechnen lassen - so daß schließlich niemand mehr daran denken mag, wer mit seinem moralisch so integren Anliegen des Gewinns die Zahlungsfähigkeit der gesamten Gesellschaft unablässig strapaziert. Leute, die nichts normaler finden, als sich durch die Vergrößerung ihres Kapitals, durch die Erhöhung der Produktivität "größere Marktanteile" zu sichern, die mit der Masse des Umsatzes kalkulieren, der die Senkung des Gewinns pro rata des eingesetzten Kapitals kompensieren soll; Leute, die um der Überlegenheit in der Konkurrenz willen von allem so viel wie möglich ünd so billig wie nötig auf den Markt werfen, sich andererseits als Käufer außerstande sehen, etwas für die Konsumtionskraft der restlichen Gesellschaft, der Lohnabhängigen schon gleich nicht, zu tun, beschweren sich in der Krise locker darüber, daß ihnen andere das Geschäft vermasselt haben und sie keine Vorzugsbehandlung durch den Staat genossen haben. Dabei haben sie keinerlei Hemmungen, den Maßstab, an dem Konsumtion wie Produktion in "schweren Zeiten" scheitern, offen zu benennen: ihren Gewinn. "Unter diesen Bedingungen lohnt sich nichts..."

Mehr vom "Ganzen" her, die Pflicht zur Sorge um das Gelingen der Marktwirtschaft betonend, behandeln die gelehrten Volkswirtschaftler die Überproduktion von Kapital. Daß für die Bedürfnisse des auf Vermehrung erpichten Eigentumes zu wenig gekauft wird, übersetzen sie halb auf lateinisch: "Unterkonsumtion". Daß an der einen Stelle zu viel, an der anderen zu wenig vorhanden ist, verwandeln sie ohne Rücksicht auf die Frage, wofür zu viel / zu wenig in die Theorie der "Disproportionen". "Psychische Kernprozesse", "Innovationen", periodisch gehäuft, der "Zeitfaktor" überhaupt, der erntewirksame Einfluß der Sonnenflecken tun bei der Krisentheorie ebenso gute Dienste wie die Behauptung, "die" Wirtschaft sei eben ein "System von Schwingungen", für das sich manch feines mathematische Modell aufstellen lasse. Immerhin ist mit den Theorien der letzteren Art wenigstens die Erinnerung daran getilgt, was eigentlich womit in Widerspruch gerät, wenn das Geschäft im Kapitalismus einmal nicht geht; eine Erinnerung, die in der Verwandlung von Krisenphänomenen in ihre eigene Erklärung sich irgendwie aufdrängt.

Zu guter Letzt sei bei der ideologischen Behandlung der Krise auch noch des Einwands gedacht, dem sich sicher auch die gelehrte Linke aus Berlin und anderswo anschließt. Der Einwand lautet schlicht, die Sache mit der Überproduktion sei "zu einfach", das wirkliche Krisengeschehen heute nicht so banal zu fassen, wie der "alte" Marxismus das zu seiner Zeit vielleicht durfte, vielmehr "komplex". Einmal abgesehen davon, daß "komplex" keine Eigenschaft von nichts ist und schon gleich nicht eine Erklärung von etwas - dafür aber die Selbstbespiegelung moderner Wissenschaftler, die ihre Bemühungen für etwas Hohes ansehen (weil Erklärung ihres Gegenstandes "nicht einfach", er deswegen das Kompliment, "komplex" zu sein, verpaßt kriegt!) -, leugnet dieser besserwisserische, auf Wissen aber gar nicht erpichte Standpunkt schlicht, daß keine der vielen "Ursachen" und "Faktoren" für die Krise seine störende Wirkung tun könnte, gäbe es nicht den (dann verletzten) Maßstab des Kapitals.

2. Konkurrenz und Kredit

"...die reale Krisis kann nur aus der realen Bewegung der kapitalistischen Produktion, Konkurrenz und Kredit, dargestellt werden." (Marx, TüM 2/513)

Ideologen der Schuldfrage wie multifaktorielle Modellbildner eines stetigen Wachstums brauchen sich in ihrer Leugnung des Begriffs der Krise auch nicht die vom theoretischen Standpunkt fällige Frage zu stellen, welche sich aus der Überproduktion ergibt: Wie bringt es eine Klasse, die um des lieben Gewinns willen nur für den Markt produzieren läßt, fertig, "ohne Rücksicht auf die vorhandenen Schranken des Marktes oder der zahlungsfähigen Bedürfnisse" zu produzieren? Die Krise legt nämlich immerhin davon Zeugnis ab, daß dieselben Geschäftsleute, die mit jedem Pfennig Arbeitslohn so minutiös kalkulieren, die immer wissen, wieviel "die Wirtschaft" verträgt, in einer Hinsicht sehr prinzipiell "über ihre Verhältnisse" leben.

Sie behandeln den Markt, das zahlungsfähige Bedürfnis der Gesellschaft, als ihre Voraussetzung und gesichertes Mittel, das sie durch die stetige Steigerung der unmittelbaren Exploitation benützen können. "Nur" die Konkurrenten scheinen ihnen zum Problem zu werden, wenn es um die Vermehrung ihres Reichtums geht - ganz als ob die Beschränkung des Wachstums an anderer Stelle - und überall: der lohnabhängigen Klasse - nicht die Bedingungen der Realisation reduzieren würde!

Mit der in der Krise widerlegten Fiktion, der Markt gewähre dem tüchtigen Kapitalisten, der sich auf ordentliche Ausbeutung, Rationalisierung und fristgemäße Erweiterung seiner Produktion versteht, immer auch sicheren Gewinn, wird in der Konkurrenz tagtäglich Ernst gemacht. Und zwar in allen Angelegenheiten, in denen der Kredit als Hebel für den Gang der Geschäfte angewandt wird.

- Schon in den einfachen Formen des Kredits, in denen mit Zahlungsversprechen operiert wird, "übersprirngt" das Kapital eine Schranke des Marktes. Der Kontinuität des Rückflusses einmal ausgelegten Kapitals darf es nicht schaden, wenn zeitliche oder lokale Beschiänkung der Zahlungsfähigkeit vorliegt - so daß Schulden in den Bewegungen des kommerziellen Kredits zirkulieren, als wären sie Geld. Nicht vorhandene Zahlungsfähigkeit wird da im Vertrauen auf den Geschäftserfolg des Schuldners wie der Vollzug eines erfolgreichen Verkaufs behandelt. Im Verhältnis von Gläubiger und Schuldner ergänzen die Konkurrenten ihre negative Beziehung aufeinander um die positive Abhängigkeit von Leuten, die auf den Erfolg anderer bei ihrem Geschäft angewiesen sind. Aber noch in der Weise, daß einzelne Personen oder Unternehmungen das Gelingen der eigenen Transaktionen gefährden und verbürgen.

- Sobald Schulden nicht nur wie Geld, sondern unmittelbar wie Kapital behandelt werden - wenn also Kredit genommen wird, um ein gewinnträchtiges Unternehmen auf die Füße zu stellen oder eine Erweiterung vorzunehmen, die die (weitere) Teilnahme an der Konkurrenz gewährleistet -, sieht das "Überspringen der Marktschranken" schon anders aus. Da wird "fehlende Liquidität" zum positiven Geschäftsmittel: Die Banken, die die flüssigen Mittel, Guthaben wie Schulden, aller verwalten, "versorgen" ihrerseits die Geschäftswelt mit Kredit und erlauben ihnen, das Geld der gesamten Gesellschaft zu verwenden, als wäre es ihr privates Kapital. Zinsen werden erhoben unabhängig davon, ob der erwartete Gewinn der Bankschuldner sich einstellt - und so manche Geldsumme existiert zweimal, und zwar stets als Anspruch auf ihre Vermehrung. Neben die wirkliche Reichtumsvermehrung tritt eine fiktive Akkumulation, deren Agenten sich viel darauf zugutehalten, den Konkurrenten in der realen Akkumulation zu Diensten zu sein.

- Dieser Dienst wird von den industriellen Kapitalisten nicht nur nicht ausgeschlagen, sondern zur Konkurrenz m Kredit fortentwickelt. Die Bewährung in der Konkurrenz, im Kampf um Märkte, die die Rentabilität des eigenen Vermögens gegen andere gewährleisten, hängt von der Größe des verfügbaren Kapitals ab. Um von den Schranken loszukommen, die ihnen ihr privates Vermögen bezüglich des Umfangs ihres Produktionsprozesses, bezüglich des ihnen zugestandenen Kreditvolumens und der Leichtigkeit, in profitable Anlagesphären umzusteigen, setzt, organisieren sich Unternehmer von vorneherein auf Grundlage einer Kreditgemeinschaft. Durch Zusammenschluß zu Aktiengesellschaften verschaffen sie ihrem Vermögen seine gewinnbringende Funktion, zu der es für sich nicht mehr tauglich wäre: durch die Aufgabe ihrer Selbständigkeit, durch die Kombination mit fremdem Eigentum sichern sie ihrem Reichtum seine Vermehrung.

So oft der Kampf um rentable Anlagesphären, um die Attraktion von Kredit ausgetragen wird - und das ist in allen wichtigen Geschäftszweigen der "Industrieländer" der Fall -, findet eine Trennung des Kapitaleigentums von seiner ökonomischen Funktion statt. Aber nicht nur in dem Sinne, daß die berüchtigten "Leistungen" wie Abstinenz und persönlich-dynamischer Einsatz für das Gelingen der Produktion offensichtlich für die Vermehrung von Eigentum nicht ausschlaggebend sind - lohnabhängige "Mitarbeiter" erledigen den Kram für eine hohe Stelle in der Hierarchie der Löhne. Der Kapitalmarkt - der Handel mit Wertpapieren, die einen Preis nach Kriterien ihrer "Verzinsung" im Vergleich mit den Erträgen von Leihkapital (u.a.) erhalten - verselbständigt sich gegen seine Grundlage, die "Erwirtschaftung" von Überschüssen im Geschäft der Industrie. In noch ganz anderem Maße als beim gewöhnlichen Bankkredit akkumulieren sich in der Spekulation mit Wertpapieren - die in der Börse institutionalisiert ist - nominelle Repräsentanten gar nicht vorhandenen, fiktiven Kapitals.

Diese Eigentumstitel haben für ihre Inhaber die angenehme Eigenschaft, wie alle anderen Formen des Kredits, wie Geld zu funktionieren; Banken, die sich ohnehin gerne im Erwerb solcher "Sicherheiten" hervortun und sie zu ihren Einlagen zählen, sehen sich in der Lage, viel mehr Kredit in Umlauf zu bringen als ohne solche "Werte", die an einigen Stellen bereits als Privatvermögen geführt werden - und die "Versorgung" der "Gesellschaft" mit "Liquidität", also Zahlungsfähigkeit, nimmt ihren von keiner materiellen Grundlage getrübten Verlauf. Was da "unter dem Kreditsystem" zirkuliert, als Umlaufsmittel dient, sind Kreditzeichen, immerzu und überall. Und der Haupt- und Lebensauftrag aller Geschäftsleute, die aus Geld mehr Geld zu machen berufen sind, läßt sich mit Fug - in Anlehnung an das Marx'sche - G' - als "Kredi- Kredit'" darstellen.

In einer Hinsicht allerdings ist die Freiheit trügerisch, die der Kreditüberbau den Geschäftsleuten in Sachen "begrenzte Zahlungsfähigkeit" oder "Abhängigkeit vom Markt" verschafft: der Maßstab ihres Erfolgs bleibt derselbe - ein Überschuß muß her. Die durch den in die Zirkulation geworfenen Kredit, der so gut wie Geld ist, erzeugte Zahlungsfähigkeit will schließlich ausgenützt sein - und zwar gegen die Konkurrenten wie mit der Erfüllung der Verpflichtungen gegenüber denen, die einen selbst kreditieren. Die Methoden der Konkurrenz unter der Voraussetzung, daß Kreditzeichen das Geld ersetzen, sind ebenso bekannt wie die Folgen:

  • Die Konkurrenz über die "preiswerteste Ware", die Steigerung des Verhältnisses von Kosten: Ertrag durch entsprechende Maßnahmen im eigenen Laden, wird ergänzt um höhere Rechnungen. Daß man preiswerter als die Konkurrenz sein muß, heißt nämlich nicht, darauf zu verzichten, so viel zu verlangen, wie man kriegen kann. Also bewirkt die Geschäftswelt genau das, worauf sie sich beruft: Inflation.
  • Ein Erfolg läßt sich bei diesem Vorgehen jedoch nicht in Abrede stellen. Die Leute, die nicht mit der Möglichkeit gesegnet sind, für den Verkauf ihrer Ware von "wegen Inflation" einfach mehr zu verlangen, werden ärmer. Die Rede ist von den Verkäufern von Arbeit, die den Zuwachs an Umlaufsmitteln in der Geschäftswelt solange als Mangel an "Kaufkraft" zu spüren kriegen, wie sie nicht organisiert auf einer Teuerung ihrer Arbeitskraft bestehen. Die Herrlichkeit kreditierter Zahlungsfähigkeit erfahren sie nur als technisch verfeinerte Variante des Sich-Einteilens, als "Konsumenten-Kredit"! Und der kostet was, statt ein Mittel darzustellen, durch das man sich schadlos hält! Schulden sind eben entweder ein Geschäftsmittel, das durch Zuwachs der eigenen Gelder lohnend gestaltet wird, oder ein Jammer.
  • Bei allen schönen Errungenschaften in der Frage der Lenkung des Preises der Arbeitskraft bleibt nach wie vor die soziale Verpflichtung des Eigentums erhalten. Und die besteht im Gewinn, von dem in der Marktwirtschaft alles abhängt, vornehmlich "unsere Arbeitsplätze". Gerade weil sich jedes Unternehmen in Abhängigkeit von Kredit befindet, der ihm zugestanden wird - und die maßgeblichen Kreditvergabeinstanzen, die Banken, sehr genau auf ihren Überschuß achten (fiktiv hin, Kreditzeichen her) -, ist die Bilanz ziemlich entscheidend. Pleite geht man nämlich unter dem Kreditsystem nicht zuerst, um dann seine Bonität zu verlieren. Genau umgekehrt ist es, so daß die Erhaltung der Kreditwürdigkeit bewiesen sein will. Und das geht nur mit schwarzen Zahlen oder mit Erfolgsstrategien, die trotz roter Zahlen einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz versprechen. Somit hat sich durch das fiktive Kapital, das so viel zur allgemeinen Zahlungsfähigkeit beiträgt, doch nichts "geändert".
  • Außer der Kleinigkeit, daß das Ausbleiben von Gewinn, die Nichtwiederverwendbarkeit des Erlöses, die schlechte Auftragslage, die Insolvenz etc. n einer Stelle die Geschäftsgrundlage der gesamten Mafia in Frage stellt. Die positive Abhängigkeit, in die sich Unternehmer, Aktionäre und Banken voneinander über den Kredit begeben, macht sich bemerkbar: Das Vertrauen (lat. credit) auf das Gelingen des Geschäfts hier war die Garantie für das Geschäft dort, so daß der Mißerfolg eines Konkurrenten das Kreditvolumen einer Bank dezimiert, weil ihre Bilanz, und darüber auch die eigenen Mittel. Geld - wiewohl nur in der lausigen Gestalt von Kreditzeichen - wird Mangelware.

3. Die Bewältigung der Krise

"In allgemeiner Krise der Überproduktion ist der Widerspruch nicht zwischen den verschiednen Arten des produktiven Kapitals, sondern zwischen dem industriellen und loanable Kspital, zwischen dem Kapital, wie es als in den Produktionsprozeß direkt involviert und wie es als Geld selbständig (relativement) außer demselben erscheint." (Grundrisse / 316)

Durch das Kreditwesen erhält jedes Unternehmen gemäß seinen Produktionsbedürfnissen Geld zur Verfügung gestellt. Daß alles Geld - außer wenn für die Konsumtion ausgegeben - Kapital ist, bildet den Ausgangspunkt aller Formen des Kredits. In ihnen verläßt sich die Geschäftswelt auf das Produktionsverhältnis - ganz als hätte der Erfolg von Produktion und Handel, der Überschuß, keinerlei Schranken.

So ziehen die konkurrierenden Unternehmen mit Hilfe des Kredits immer mehr gesellschaftlichen Reichtum an sich, vergrößern in einem fort den Maßstab ihrer privaten Bereicherung, das Kapital, dem "der Markt" seinen Überschuß bezahlen soll - und mindern durch die Methoden dieses Geschäfts ständig die zahlungsfähige Nachfrage: keine Kosten sind ihnen ihr Geld wert, wenn sie nicht der Rentabilität dienen. An diesem Kriterium halten sie fest, wenn sie "das Investieren" für nicht lohnend befinden und der Welt mitteilen, daß "der Markt" die Gültigkeit der Gleichung Geld = Kredit = Kapital widerlegt hat; und sie geben es auch nicht auf, wenn sie sich an der praktischen Kritik dieses Zustandes zu schaffen machen, der "Krise" heißt. Ihre Anstrengungen gehen darauf, die vermißten Geschäftsbedingungen - im Namen des Gewinns und für den Gewinn - wiederherzustellen; gegeneinander, versteht sich, und immer auf Kosten der am Geschäft höchstens durch Arbeit beteiligten Mehrheit. Statt einer Feier des Zusammenbruchs der freien Marktwirtschaft pflegt in Krisen

  • das fiktive Kapital seiner "Scheinhaftigkeit" überführt zu werden; die Streichung einiger Nullen auf den Schuldzetteln gibt dem Kredit das nötige Vertrauen zurück.
  • das aus Gründen der Zahlungsunfähigkeit zum "unbedingten" Verkauf angebotene Warenkapital sehr billig erstanden zu werden - sofern ein entwertungsgeschädigter Gläubiger seine Verluste in Sachen Kreditreduzierung durch Aufschwungsgeschäfte zu kompensieren hofft - oder einfach zu vergammeln.
  • die Produktionsanlagen, deren Eigentümer keine "Investitionsneigung" zeigen und an Barem nicht genug haben für ihre Verpflichtungen, wechseln ebenfalls ihren Besitzer zu Niedrigpreisen. Auch hier ist für eine Gläubigerbank, die an Fiktivem einbüßt, ein gewisser Trost zu haben, und wenn es nur das Grundstück ist. Bisweilen kann sich auch ein "relativ" stabil gebliebener Konkurrent durch einen Kauf für den Aufschwung rüsten; was den Besitzern von Aktien seines Unternehmens, das sich einer gekauften Konkurrenz erfreut,
  • durchaus Krisengewinne beschert. Denn auch auf die gelungene Expropriation läßt sich spekulieren wie aufs Wachstum des Kapitals sonst.

Leider beschränkt sich die Bewältigung von Krisen nicht auf die Kontraktion des Kredits und die damit verbundenen Expropriationsstreitigkeiten. Da sich die Aufwendungen für einen stattlichen Teil der Produktion nicht lohnen angesichts des kontrahierten Marktes, wird nicht nur der materielle Reichtum der abstrakten Form geopfert, in der er beziffert wird. Wo aus der Anwendung von Arbeit kein Geld zu machen ist, wird der Klasse, die vom Verkauf ihrer Arbeit lebt, das Einkommen verwehrt. Das Kapital löst seine übliche Praxis, Attraktion und Repulsion von Arbeitskräften gemäß seinen wechselnden Produktionsbedürfnissen vorzunehmen, durch die Produktion einer Überbevölkerung ab: u viele derer laufen herum, die auf die Gnade eines rentablen Arbeitsplatzes angewiesen sind, wenn das Kapital "schlechte Zeiten" ausruft. So kommt es zu jener kapitalistischen Idylle, die sich alle paar Jahre wiederholt: Nebeneinander sind alle Elemente für die Produktion von Reichtum versammelt - ungenutzt, weil sie für den Zweck der freien Marktwirtschaft nichts mehr hergeben. Ein Heer von Arbeitslosen wird öffentlich beklagt, wenn es die Erfahrung macht, daß nur zahlungsfähiges Bedürfnis des Genusses kapitalistischer Produkte würdig ist und darauf aufmerksam gemacht, daß alles vorhandene Geld, und das andere Zeug dazu, erst wieder im Aufschwung im Sinne der Beschäftigung von Lohnabhängigen eingesetzt werden kann. Selbstverständlich unter dem Vorbehalt, daß diese sich so maßvoll und anspruchlos aufführen, wie es einer "abhängigen Variablen" zukommt...

Seltsamerweise ertönt in solchen Zeiten, wo der Gegensatz zwischen dem ehrenwerten Geschäftsinteresse der Unternehmerzunft und dem Bedürfnis nach einem Auskommen auf seiten der Arbeiter selten klare Konturen annimmt, der Ruf nach dem Staat. Und zwar nicht nur von seiten der Kapitalisten, die sich bei der Wiederherstellung von brauchbaren Geschäftsbedingungen einiges von der öffentlichen Gewalt erwarten, sondern auch seitens derer, die im Namen der Arbeiter und ihrer tugendhaften Dienstbarkeit die Stimme erheben. Humanitär und umweltfreundlich gesonnene Menschen, fortschrittlich denkende Ökonomen und Gewerkschaftsfunktionäre finden nichts dabei, den Staat als Anwälte der arbeitenden Klasse anzurufen. Wenn sie ihn so als Richter amtieren sehen wollen, der die am Lohnarbeiter vollstreckten Urteile widerruft, muß ihnen glatt entgangen sein, was der Verwalter der freien Marktwirtschaft mit Geld und Kredit, Lohn und Armut zu tun hat.

4. Staat und Krise

Um gleich mit dem "Sozialstaat" anzufangen, auf dessen Verpflichtungen gegenüber den "sozial Schwachen" so geübt wie matt bestanden wird, sooft die Opfer der freien Marktwirtschaft auffällig zunehmen: Auf die Verhinderung "sozialer Schwäche" scheint er es nicht abgesehen zu haben, wenn er ein System von Zwangsversicherungen einführt! Vielmehr rechnet dieser Staat mit einem festen Bestand an Armut, zu deren Bewältigung er den Betroffenen eine Versicherung organisiert. Diese bildet dann einen Posten in seinem Haushalt und dient als Geldquelle, solange sie nur von einer Minderheit in Anspruch genommen wird. Kaum haben Millionen die "Sozialleistungen" nötig, befindet sie der Staat für unmöglich, da sie ihn belasten. Deshalb lautet in den famosen 80er Jahren die Parole: Erhaltung des "sozialen Netzes" - durch Abbau seiner "Leistungen".

Quer durch sämtliche alte und neue Regierungsparteien hat sich das Rezept als "vernünftig" herausgestellt, daß auf seiten der Lohnabhängigen jeder Verzicht auf Opfer gefährlich ist: während der Zeiten des flotten Wachstums für - das Wachstum, in Krisenzeiten für - den nötigen Aufschwung. Und in den ideologischen Aussagen dieser Art wird der Staat dem praktischen Auftrag, den er sich zuerkennt und vollführt, durchaus gerecht. Denn jenseits aller werbewirksamen Interpretationen von Politik, mit denen sich die Parteien in Szene setzen, befleißigt sich der Staat prinzipiell und immerzu

- des Schutzes der Konkurrenz, weil ihm am Wachstum des privaten Eigentums, seiner gewinnträchtigen "Initiative" einiges liegt. Aus dieser Art Reichtum auf Kosten und durch die Dienste der lohnabhängigen Mehrheit gründet sich seine Macht. Er weiß sich als die unverzichtbare Bedingung für das Funktionieren der Klassengesellschaft, beziffert die ökonomische "Gesundheit" von Land und Leuten, die seiner Gewalt unterstehen, in Geld, das mehr wird und auch ihm die Mittel abtritt, mit denen er seinen Gewaltapparat nach innen wie nach außen funktionstüchtig erhält. Für das florierende Geschäft weiß er umgekehrt wieder manche Mittel locker zu machen: Während er sich für den Konsum armer Leute nie und nimmer ein "Haushaltsloch" leisten mag, hat er immer etwas übrig, wenn es um Investitionen geht, die für Rationalisierungen, modernere Ausbeutungsmethoden, lohnkostensparende zumal, gut sind. Wegen "unserer Industrie", die konkurrenzfähig bleiben oder werden muß...

- der Pflege des Kreditwesens, des Hebels der Kapitalvermehrung. Dabei garantiert er nicht nur die ordnungsgemäße Benützung des Kredits in der Konkurrenz, die Geschäftemacherei der Banken und das Geldwesen samt seinen Härten, die alle erfahren, welche Geld nicht als Kapital, sondern als Kaufmittel verwenden und durch Arbeit verdienen müssen. Als Gewalt, die den Ausschluß von Reichtum durch den Maßstab des Geldes sichert und dessen Anwendung als Kapital gewährleistet haben will, verfügt derselbe Staat über das Monopol für die Ausgabe der allgemein gültigen Kreditzettel - und macht aus seiner Verwendung von Geld als Kaufmittel eine für die Geschäftswelt offenstehende Quelle von Kredit. Seine Schulden bringt er als Umlaufsmittel bzw. als Rechtstitel auf die Ausgabe von Kredit unter die Leute - so daß er nicht nur auf die akkumulationsfördernde Benützung von Schulden als Kapital achtet, sie verwaltet, sondern seine freie Marktwirtschaft mit dem Mittel ihrer Überakkumulation ausstattet.

- Dabei hat er - als politischer Agent des Geschäftserfolgs seiner Lieblingsbürger - außer dem Bedürfnis nach Kredit, das aus dem Gang der Geschäfte erwächst und über die rege Kommunikation zwischen Banken und Bundesbank, Bundesbank und Finanzminister, Finanzminister und Kanzler immer an sein Ohr dringt, noch ein paar zusätzliche Rücksichten geltend zu machen: Die Wirkung seiner Verschuldung auf die Wechselkurse interessiert ihn, den ideellen Gesamtkapitalisten, ebenso wie die Höhe des Zinses, die bisweilen nachteilige Wanderungen von Kapital über die Grenzen nach sich zieht etc. Er relativiert ständig seine Kreditpolitik gegenüber seinen nationalen Banken und Unternehmen an erwünschten und mißliebigen Folgen von Staatsschuld, Inflation etc. für das internationale Geschäft, so daß man beim Lesen des Wirtschaftsteils der Presse vor lauter Widersprüchen fast übersehen möchte, welches Kriterium allen Entscheidungen und Alternativen zugrunde liegt: der Erfolg des nationalen Kapitals, für den sich eine imperialistische Demokratie immer zu ständig weiß.

Verwirrt in dieser Hinsicht zeigen sich zumindest all die bürgerlichen wie linken Kritiker des Staates, die ihm anläßlich der eingetretenen Überakkumulation vorwerfen, er wäre im Verhindern der Krise "gescheitert". Dafür ist nämlich die Staatsgewalt überhaupt nicht zuständig, auch wenn "antizyklische Konjunkturpolitik" sich so anhört für Leute, die von den ökonomischen Taten der Staatsgewalt nichts wissen wollen, in der Krise aber meinen, zur Vermeidung von Ungemach in Sachen Kapitalvermehrung wäre der Staat wohl gehalten. Sicher ist es keinem Kabinett recht, wenn Gewinne ausbleiben - daraus jedoch zu folgern, die Gewinnförderung hätte zu entfallen, da sie immer mit der Gefahr der Krise ("Überhitzung" ) schwanger gehe, ist ein seltsames Anliegen an die Politik. Daß sie es mit Konjunkturen zu tun hat, wissen ihre Macher selbst, und sie legen sich ihre Aufgabe so zurecht, daß sie eben das Beste aus dem Auf und Ab zu machen haben. Albern jedenfalls ist es, das dabei gepredigte Ideal - "nur Aufs" - ausgerechnet im Namen der Opfer zu verlangen, die im Boom wie in der Depression fällig sind.

Die Bewältigung der Krisen fordert den Klassenstaat schon heraus - aber in getreuer Kontinuität der Leistungen, die seine Gewalt zwischen den Krisen vollbringt: in konsequenter Parteinahme für ein erfolgreiches Hantieren mit Geld und Kredit, für eine in diesem Sinne nützliche Armut setzt r die Krise durch - und plädiert im Namen der Arbeitslosen für den Aufschwung des Geschäfts, von dem in der freien Marktwirtschaft eben alles abhängt. Sogar die Existenz der Leute, die das Geschäft überflüssig macht: Besteht nicht der soziale Beruf des Kapitalisten in der Schaffung von Arbeitsplätzen?

Die Besonderheiten der gegenwärtigen Krise

Von den marxistischen Dogmen über den Begriff und Grund der Krise widerlegt die Szene '82 kein einziges. Den getätigten Geschäften, die sich nicht gelohnt haben, den nicht lohnenden, die gar nicht erst getätigt werden, den mit allerlei geheuchelten "leider" vorgenommenen Entlassungen würde Marx ohne weiteres den "Fall der Profitrate" entnehmen. Und aus dem Hin und Her in der AEG-Affäre, um gewährte wie zur "Rettung" des Unternehmens benötigte Kredite, um staatliche Bürgschaften und um die Techniken der "Sanierung" hätte er (trotz und wegen der Personalunion zwischen Banker und Unternehmer) einiges über den Gegensatz "von produktivem und loanable Kapital"" wie er für Krisen charakteristisch ist, erfahren. Auch die gegen jegliche Illusion taugliche Art des Umgangs mit überflüssigem Arbeitervolk, wie ihn Kapital und Staat pflegen, hätte ihn kaum überrascht. Vielmehr darin bestätigt, was er immer schon vertreten hat: Klassenkampf tut not, und nicht gesamtgesellschaftliche Seufzer nach Vollbeschäftigung.

Dennoch - im Umgang des Staates mit den täglich beschworenen "Schwierigkeiten", als da sind "kein Wachstum", "keine Solidität der Finanzen" etc., sind ein paar historische Neuerungen zu verzeichnen, die es in sich haben.

1. Staatsverschuldung ohne Konjunkturpolitik

Zunächst einmal hat sich der Staat - in der BRD unter sozialliberalen Parolen - bei der Ausstattung seiner Ökonomie mit Kredit über Jahre hinweg nicht an den konjunkturgemäßen Bedürfnissen der Geschäftswelt orientiert, sondern am "Bedarf" nach Aufrüstung, wie er in den Bündnisgremien der NATO hochgerechnet worden war. So erfreute sich die Finanzwelt einer wachsenden Flut von Geschäftsmitteln - und des staatlichen Auftrags, Geschäfte zu organisieren, die die rücksichtslose Staatsverschuldung kompensieren sollten. Deswegen durften als Erqänzung zum Aufrüstungsprogramm, dessen Finanzierung kein Streitgegenstand der Haushaltspolitik zu sein hatte, alle anderen Kosten des Staates unter dem Titel "Sparprogramm" einer Revision unterzogen werden. Diese in mehreren Abteilungen vollzogene Senkung des Preises der Arbeit zielte nie auf "Ausgleich" der Staatsfinanzen - wie sollte die Schröpfung der arbeitenden Klasse auch die Beträge "umverteilen", die für die Rüstung feststanden? -, sondern auf die Befähigung der nationalen Wirtschaft, über Extraprofite als Kriegswirtschaft zu taugen und doch Marktwirtschaft zu bleiben. Seitdem häufen sich auch jene Streitigkeiten zwischen den führenden Nationen im Bündnis, die unter dem Titel "Wirtschaftskrieg", oder zumindest "drohender", geführt werden.

Der Leistungen, die die imperialistischen Demokratien von ihrem nationalen Kapital erwarteten, war dieses allerdings nicht fähig. An der internationalen Konkurrenz - in der sich die verbündeten Nationen um die Kosten der beschlossenen Hauptkampflinie streiten - erfahren sie heute, wie flott sie überakkumuliert haben. Und in konsequenter Fortsetzung des Kampfes um die Verteilung des Schadens wickeln die Herrennationen des Weltmarkts die Bewältigung ihrer Krise ab. Seitdem diese auf der offiziellen Tagesordnung steht, wissen ihre Führer, daß Konjunkturpolitik im überkommenen Sinn nichts taugt. Der Kontraktion des Marktes, welche die Geschäftswelt beklagt und auf die sie reagiert, folgt keine Kontraktion des Kredits, den die Nation verwaltet - zu wichtig ist die Aufrechterhaltung der eigenen Währung als internationales Finanzierungsmittel, des Kapitalmarkts als "Attraktion" für Anlagen, die sich noch lohnen: Der Entschluß, keine Entwertung abzuwickeln - alle in den nationalen Farben getätigten Geschäfte wären da plötzlich in Frage gestellt -, hat sogar den Zins zu unverdienten Ehren gebracht. An seiner Höhe, ansonsten ein Resultat von Angebot und Nachfrage auf dem Geldmarkt, sollte sich das Schicksal ganzer Nationen entscheiden! Und soviel ist wahr daran: Solange das eingestandene Mißverhältnis zwischen realer und fiktiver Akkumulation aufrechterhalten und sogar noch ausgebaut wird, spielt die staatlich garantierte Fiktion, mit national eingefärbten Eigentumstiteln und Schuldscheinen ließe sich ein lohnendes Geschäft machen, eine Rolle.

Für die Industrie allerdings eine fatale. Die Kontraktion des Marktes läßt sich nämlich trotz eines bleibenden Angebots an Finanzierungsmitteln nicht übersehen, so daß die Techniken der Entwertung hier voll zum Einsatz gelangen. Weder Reagans noch Kohls "neuer Anfang" hat etwas anderes bewirkt als die Dezimierung erfolgreicher Produktion. In der Welt des Profits setzt ein Aufschwung immer noch die Bereinigung der Geschäftsbedingungen voraus, die dem Gewinnemachen nicht mehr gemäß sind - und da die imperialistisch maßgeblichen Staaten diese Bereinigung wegen ihrer Konkurrenz nicht zulassen, erfahren sie in ihrer Konkurrenz untereinander ihre Grenzen. Unter dem Schutz der NATO sind sie angetreten, den Weltmarkt zur Quelle ihrer dauerhaften Bereicherung herzurichten. Die dafür gerne eingegangene Verpflichtung, ihr Wachstum der Aufrüstung unterzuordnen, bringt ihnen nun den historisch neuen Auftrag ein, eine Weltwirtschaftskrise unter NATO-Vorbehalt zu inszenieren: mit Konkurrenzmitteln gegen das Ausland, die erstens in jedem Gegner den politischen Partner berücksichtigen müssen, und die zweitens aufgrund der dreißig Jahre lang geschmiedeten positiven ökonomischen Abhängigkeit den Ruin der eigenen nationalen Geschäftsgrundlagen einschließen, sobald sie konsequent eingesetzt werden. In den Verlautbarungen über zahlungsunfähige Länder - die das Bedürfnis nach Rückflüssen aus dem imperialistischen Geschäft als aktuelles erkennen lassen, sowohl bei Geschäfts- wie bei Nationalbanken -, die man aber besser nicht für zahlungsunfähig erklärt, weil dies durchaus einer Kontraktion des eigenen Nationalkredits gleichkommt, deutet sich die ständige Gefahr eines "klassischen Zusammenbruchs" an. Und in dem Bemühen, durch Geschäfte mit dem Gegner im Osten Kreditmittel (insbesondere ihre Basis: Gold) in seinen Besitz zu bringen, zeigt sich, daß selbst die angefeindete Besonderheit der Staatswirtschaft, nicht voll in den Weltmarkt für Kapitalakkumulation und Kreditgeschäfte 'integriert' zu sein, als entgegenwirkende Ursache gegen die Gefährdung des eigenen Nationalkredits eingesetzt und zum Gegenstand innerwestlicher Konkurrenz wird.

Wie bei allen Widersprüchen des Imperialismus gilt leider auch für die gegenwärtige Krise und die aus ihr folgenden Besonderheiten der internationalen Konkurrenz der Lehrsatz, daß weder Politiker noch Wirtschaftskapitäne sie auszubaden haben. Das überlassen sie anderen, und zwar per Verordnung. Ihr Programm heißt

2. "Rettung der Nation"

Wenn das Kapital in der Krise ist, weil es unter Regie des Staates "über seine Verhältnisse" gewirtschaftet hat, dann sind die großen und kleinen Führer schnell mit einem Beschluß bei der Hand. Und der heißt: "Das Volk hat über seine Verhältnisse gelebt!" Diejenigen, die im Namen der Wirtschaft den Klassenkampf von oben als Staatsauftrag vollziehen, sind selbstkritisch: sie zeihen sich selbst - oder, was im Konkurrenzkampf demokratischer Parteien immer gut ist, den Vorgänger - einer schweren Verfehlung. Nämlich der, dem Volk zu viel geschenkt zu haben, was der Wirtschaft und dem Staatshaushalt unermeßlichen Schaden zugefügt haben soll. Damit steht für sie auch schon der Auftrag fürs Volk fest: es ist für die Rettung des Staates da, und als gutes Volk, das seine Führer schließlich per Wahl ermächtigt hat, weiß es auch, was sich gehört. "Keiner drückt sich!", "Alle müssen die Ärmel hochkrempeln wie nach dem Krieg" - als das liebe Gemeinwesen in noch schlechterer Verfassung war als heute - so tönt ein neuer deutscher Sozialminister. Hatte der alte Kanzler in der "Bildzeitung" noch mit der Weisheit aufgewartet: "Das deutsche Volk ist verwöhnt!", so wissen die Betreiber der "moralischen und geistigen Erneuerung" schon mehr. Die geistige und sittliche Zersetzung habe unter Anleitung sozialliberaler Demagogen wie eine "Volkskrankheit" um sich gegriffen; eine wissenschaftliche Dolmetscherin (Mewes) vergleicht den an Geburtenschwund, Kriminalität und Drogensucht belegten Verfall mit Tuberkulose - und belegt demokratisch-öffentlich ebenso wie Kanzler Kohl mit seinen in "Mein Kampf" längst gedruckten "Werten", wie wenig das Faschismus-Etikett taugt, wenn es gilt, politische Programme und Taten zu charakterisieren. Der Moralismus des Faschismus-Vorwurfs hat sich offenbar längst getrennt von einem Inhalt, der von dem ruinösen Umgang von Staatsmännern mit ihrem Volk kündet - er ist nur noch ein Kürzel für "Staat vergeigt!" Deswegen wird er auch von einem Kabinettsmitglied nach dem anderen gegen die "Grünen " losgelassen. Der Verdacht lautet, solche Parlamentarier würden die Souveränität des Staates, die Handlungsfreiheit der Regierenden gefährden. Und die will heute nicht nur in den Phrasen der politischen Selbstbespiegelung als "Führer, geistig" genutzt sein. Die bis zum Erbrecher wiederholte Vokabel "Opfer" will in die Tat umgesetzt werden, und zwar ohne die Perspektive, daß die "Gesundung" der Republik etwas mit (gesteigertem) Wohlstand zu tun haben könnte. Nicht um den Arbeitslosen zu einem Auskommen zu verhelfen wollen sie an die Macht müssen und Verantwortung übernehmen (eine solche "Dienstleistung" hatte sich Hitler im Namen der Volksgesundheit noch vorgenommen), sondern weil die Arbeitslosen ohnehin noch mehr werden! Armut wird verordnet - und mit "Solidarität" begründet. Die Zwangsgemeinschaft, die ein Staat nun einmal ist - was er seine arbeitende Klasse auch immerzu spüren läßt - darf man sich als total von Herzen kommende Gemeinschaftlichkeit zu Herzen nehmen - und im Verelendungs-Solidaritätsprogramm praktizieren. Das müssen sogar die Ausländer einsehen. In medizinischen Metaphern ist zu denken geboten der Staat = "wir alle" leidet, muß gesund werden. Und dafür taugt das Geltendmachen materieller Ansprüche absolut nichts.

So kommt in der neuesten und doch so alten form der Krisenbewältigung der Klassenkampf vor. In dem Augenblick, wo der Gegensatz der Klassen wie der zwischen Staat und Bürger ganz brutal zur Anschauung gebracht wird - Kriegsvorbereitung d urch Verelendung gewährleistet! -, setzt die Politik den faschistischen Untertan als ihr Ideal in die Welt und tut alles, um dieses Ideal wahrzumachen!

Der Kritik dieses Krisenfanatismus haben sich die berüchtigten "fortschrittlichen Kräfte" noch nicht einmal theoretisch angenommen: weder durch die Klarstellung dessen, was eine Krise ist, noch durch die Ablehnung der Sorgepflicht, die aus der ideologischen Verwandlung jeden fortschritts von Geschäft und Gewalt in eine "Krise" deduziert wird. Während linke Wissenschaftler nostalgisch werden und echte "Konjunkturpolitik" herbeisehnen, kaum ist sie nicht mehr Staatsprogramm; andere das neue Staatsprogramm an seiner alten, sozialdemokratischen Interpretation messen, gefällt sich der DGB in der kompromißlosen Forderung "Gleiche Opfer für alle!" - die sicher erhört wird. Es sind nämlich immer die Lohnabhängigen gemeint, nur unter verschiedenen Titeln: als Krankenversicherte, Rentner; Arbeitslose, Beschäftigte und Volk mit leichten Einkommensunterschieden.

Überhaupt: die Arbeitslosen! Welche Dummheit, welche Gemeinheit läßt sich mit diesen schon erzielten Opfern eigentlich nicht rechtfertigen?