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Dieser Artikel ist in der MSZ 4-1982 erschienen.

Großbritannien
KRIEGERISCHER WETTSTREIT DER PARTEIEN

"England expects that every man will do his duty!" (Lord Nelson of Trafalgar)

Wenn demokratische Politiker neidisch kundtun, in "totalitären Regimen" ließen sich die Leute leichter in den Krieg schicken, dann stimmt das nicht. Sie verkünden allein die Ansprüche, die demokratische Herrscher ihren Untertanen gegenüber für selbstverständlich halten. Diese Ansprüche beruhen auf der Gewißheit, daß der Krieg so gut wie seine Vorbereitung mit keiner Herrschaftsform besser durchzuführen ist als mit einem demokratisch gereiften Volk, das schon im Frieden seine Unterwerfung unter das öffentliche Wohl ganz überparteilich und daher um so schlagender - als naturgemäßen Sachzwang, vor dem noch jedes subjektive Wollen und Wünschen verblaßt, auffaßt.

Gerade der vielstimmig vorgetragene Wunsch nach Frieden n Freiheit macht den Krieg erst so richtig heiß, weil gerecht: Die demokratische Diskussion um Kriegsziele und Kriegsmittel stellt nicht nur den am besten, nämlich durch das Volk legitimierten Einsatz der Staatsgewalt dar, sondern setzt gleichzeitig den Rahmen, innerhalb dessen die nationale Angelegenheit debattiert werden darf. Genau das läßt sich an der demokratischen Bewältigung des Falkland-Kriegs in Großbritannien studieren. Die "Gefahr der Gleichschaltung der britischen Öffentlichkeit" (Süddeutsche Zeitung) wittern nur hiesige Journalisten, weil dieser Krieg nur bedingt der ihre ist, womit sie ein weiteres Mal demonstrieren, daß ihnen nichts ferner liegt, als ihren Bleistift gegen die eigenen Herrschaften und ihre Beteiligung an diesem Krieg zu spitzen. "Kriegsbegeisterung", Pressefreiheit und parlamentarische Opposition schließen sich nämlich nicht aus, sondern ergänzen sich prächtig. Gerade hier läßt sich sehen, wie ungebrochen der Nationalismus aus Friedenszeiten, der sich angeblich keine "Ressentiments" gegen andere Völker erlauben will, und deshalb schlicht "Patriotismus" genannt wird, übergeht in die jeweils bei anderen Nationen dann bemäkelten Formen von "Hurrapatriotismus", "Chauvinismus" oder "Jingoismus", ein "extremer Nationalismus, gepaart mit Verachtung für andere Länder, welcher eine kriegerische Politik unterstützt" (Oxford-Lexikon). In den betreffenden Ländern heißt dies immer noch und erst recht "wahrer Patriotismus" auf den jeder verpflichtet wird, wenn ein Krieg zur "Verteidigung nationaler Interessen unausweichlich" geworden ist.

Dann schlägt die

Stunde der Exekutive

Schließlich kommt es dann nur noch auf den möglichst erfolgreichen Einsatz des Militärs an. Und über dessen Einsatz entscheidet der, der den Befehl hat, die Legitimation liefert allein der Erfolg. Und darum gilt es zu handeln: Erstens Entsendung der Flotte und zweitens Entlassung des Ministers, der dafür verantwortlich gemacht wird, daß sie noch nicht unten ist. Eine "Regierungskrise" ist das wohl nicht, erst recht keine "Staatskrise", viel eher schon eine entschlossene Demonstration der kriegerischen Verteidigungsbereitschaft, indem die Regierungschefin das Entlassungsgesuch des Außenministers akzeptiert und das des Verteidigungsministers zurückweist, zumal sie ins Außenamt einen bekannten Gegner der Abrüstung der Flotte (zugunsten der Raketenrüstung gegen die Russen) beruft. Die Figuren, die während des Kriegs die Regierung repräsentieren, stehen gleichzeitig für das Regierungsprogramm: Die Wiederherstellung der Souveränität der britischen Regierung (Thatcher) auf den Inseln, also die Kapitulation Argentiniens muß erreicht werden, gleichgültig ob mehr durch Verhandeln auf Basis der Kriegsdrohung (Pym) oder durch Wahrmachen dieser Drohung zwecks Herstellung von Verhandlungsbereitschaft beim Gegner (Nott). Und weil für denselben Zweck der eine den diplomatischen, der andere den militärischen Part übernimmt und Frau Thatcher beide aufeinander abstimmt und füreinander einsetzt, befürchtet eine demokratische Öffentlichkeit gleich eine Spaltung der Regierung in "Falken" und "Tauben". So beurteilt die Öffentlichkeit den Streit in der konservativen Partei, ob nicht Verhandlungen überhaupt einen erfolgreichen Krieg verhindern. In der Presse wird diese "Spaltung der Konservativen" auf jeden Fall angesichts der gemeinsamen nationalen Sache für "schädlich" erachtet, ganz unabhängig davon, ob man die Kapitulation nun von Gesprächen, Kanonen oder von einem ausgewogenen Verhältnis beider erhofft. Eine durchaus konstruktive Kritik angesichts dessen, daß die Regierung in den Verhandlungen unnachgiebig bleibt und die militärische Gewalt erfolgreich einsetzt. Deshalb kann Frau Thatcher auch Kritiker erfolgreich mit den Sachzwängen der gemeinsamen Sache kontern:

"Es ist gänzlich inkonsequent, die Entsendung der Einsatztruppe zu unterstützen und nun dagegen zu sein, sie auch einzusetzen.

Mehr noch: Es wäre höchst gefährlich, auf diese Weise zu bluffen. Britische Soldoten und Schiffe werden feindlichen Angriffen ausgesetzt, Argentinien würde an unserer entschiedenen Entschlossenheit zweifeln. Der diplomatische Druck würde untergraben." (Thatcher, Guardian, 30.4.82)

Der Niederschlag dieser Erfolge in "überwältigenden" Siegen der Konservativen bei den Kommunal- und Nachwahlen reduziert das Geheimnis demokratischen Wahlerfolgs auf seinen gewaltsamen Kern und zeigt nebenbei, daß die Stimmenverluste der Tories vor dem Krieg mit einer Opposition gegen Existenzgefährdung durch Arbeitslosigkeit und Lohnsenkung aber auch gar nichts zu tun gehabt haben.

Opposition für den Sieg

Wie es sich gehört für eine parlamentarische Opposition, konzentriert sie ihre Kritik an der Regierung darauf, ihr den Erfolg zu bestreiten, indem sie ihr Versagen vorwirft, die Besetzung der Inseln als Niederlage der Regierung geißelt und so von der Regierung verlangt, ihrer Pflicht nachzukommen:

"Brutale, verruchte Aggression muß zurückgewiesen werden durch Taten und nicht nur durch Worte, wo immer sie ihr Haupt erhebt."

Für seine Rede erhielt Oppoationsführer Michael Foot nicht nur den Beifall der eigenen Fraktion. Gestandene Erzreaktionäre, wie Winston Churchill jun. lobten ihn für seinen "konstruktiven Beitrag" und bestätigten ihm, er habe mit dieser "schärfsten Aufrüstungsrede der Nachkriegszeit" "für England gesprochen". Labour berwies stolz darauf, daß die Regierung Callaghan vor fünf Jahren durch rechtzeitige Entsendung einer Friedensstreitmacht einer argentinischen Aggression entgegengetreten sei und sie so verhindert habe. Den Vorwurf, daß Labour Süd-Thule von Argentinien habe besetzen lassen, konterte ein Sprecher damit, daß

"es sich dabei um nicht viel mehr als einen unbewohnten Haufen Vogelscheiße" (Guardian, 5.4.82)

gehandelt habe - während bei den Falkland-Inseln das Selbstbestimmungsrecht von Briten durch ein diktatorisches Regime mißachtet worden sei. Deahalb fand die Entsendung der Eingreiftruppe nicht nur die Billigung der Labour-Partei - sie wurde geradezu stürmisch von ihr gefordert. Mit dieser Debatte sorgte sie gleichzeitig für die offizielle Festlegung der Kriterien, für die ein Staat des Freien Westens einen Krieg zu führen hat. Wie konnte die Maßlosigkeit des darin erhobenen politischen Anspruchs eindrucksvoller vorgetragen werden als durch einen Vertreter der Opposition?

"Können Sie die Zusicherung geben, daß die Regierung die Truppen, die gegenwärtig zur Verteidigung Belizes eingesetzt sind, nicht reduzieren wird, solange es von seiten Guatemalas bedroht ist?" (Denis Healy, Times, 20.4.82)

Oder noch besser von einem Vertreter der Opposition in der Opposition:

"Angesichts Ihrer Haltung gegen die faschistische Junta in Argentinien - was ist mit der Tatenlosigkeit Ihrer Regierung gegen eine andere faschistische Junta, in der Türkei, die immer noch einen Teil eines Commonwealth-Landes, nämlich Zypern, besetzt hält. Was ist Ihre Haltune zu dieser Okkupation? Was gedenken Sie zu tun, um diese Truppen zu entfernen? Und was werden Sie tun, wenn die Generale in Ankara sich weigern, ihre Truppen zurückzuziehen?" (Thomas Cox, Times 23.4.82)

Das Verlangen, die Regierung möge die Souveränität Großbritanniens möglichst effektiv und ausnahmslos überall vertreten, ist ein Einwand gegen eine Kriegsführung der Regierung, der die Opposition den Erfolg nicht bestreiten kann und will. Deshalb nur rechnet sie der Regierung als Mißerfolg an, daß sie die Flotte nicht auch anderwärts zum Einsatz bringt. Wenn Parteiführer Michael Foot die Entsendung der Flotte zwecks Vertreibung der "Argies" gebilligt und den ersten Einsatz als "übereilt" kritisiert hat; wenn er jeden weiteren Einsatz als Erfolg der "tapferen britischen Soldaten" würdigt und fragt, ob es nun nicht Zeit wäre zu verhandeln - dann bespricht er als Oppositionsführer nichts aaderes als die Regierung: Verhandlungen eben als Ausnutzung der Androhung und Einsetzung von Gewalt. So bekundet er die nationale Einigkeit im Zweck, die Argentinier zur Kapitulation zu zwingen und steckt das Feld ab, auf dem Einwände gegen die Regierungsmaßnahmen genehmigt sind, ohne daß sie als "Vaterlandsverrat" abgestempelt werden.

Mit dieser Nörgelei an einer erfolgreichen Kriegsführung, der solidarischen Kritik in einer nationalen Grundsatzfrage, bewährt sich die Opposition als zuverlässige nationale Kraft und bewahrt sich den moralischen Schein, die Regierung zu einer menschen- und materialschonenderen Politik aufzufordern - eine oppositionelle Heuchelei, die sie noch während des beginnenden Schlußmassakers um Port Stanley und in Erwartung des Sieges - erneuert: Die Regierung sollte doch jetzt nicht auf bedingungsloser Kapitulation bestehen, sondern mit "Großherzigkeit" ihre Bedingungen zur Verhandlung stellen. So erfüllt die Opposition in einer Situation, wo Volk, Staat und Regierung eins sein sollen ihre demokratische Pflicht, indem sie für den Staat mit der Regierung gegen sie ist - und das mit der Begründung, er wolle sich mit der Unabhängigkeit von der Regierung die "Freiheit der Kritik" bewahren, um nach jedem Schuß kritische Fragen folgenden Kalibers stellen zu können:

"War es notwendig oder klug oder richtig von Downing Street, diesen Befehl (zum Bombardement von Port Stanley) zu geben, bevor der Außenminister den Generalsekretär der Vereinten Nationen getroffen hat." (Foot, Daily Telegraph, 3.5.82)

Her Majesty's (Labour-)Opposition wird darum nicht müde, das Ideal einer Durchsetzung britischer Interessen per Verhandlungslösung hochzuhalten. Die eigene Ernsthaftigkeit demonstriert sie, indem sie noch vor dem wirklichen, den Schattenaußenminister zum UNO-Generalsekretär Perez de Cuellar entsendet und sich weigert die Verantwortung für die militärischen Aktionen zu übernehmen, indem sie sich an den All-Parteien-Gesprächen nicht beteiligt und statt dessen verlangt, daß diese wichtige Sache nicht von ein paar Leuten, sondern jeweils vom ganzen Parlament entschieden werden müsse.

Die Weigerung, an den Sitzungen des Kriegskabinetts teilzunehmen, verdankt sich allerdings mehr der Tatsache und der Einschätzung, daß es sich bei diesem Krieg die Opposition noch leisten kann, sich der "Verantwortung zu entziehen". Aber nur, weil er nicht die Anspannung aller nationalen Kräfte erfordert, sondern Großbritannien offensichtlich die Freiheit hat, den Krieg als Unterabteilung der Außenpolitik zu behandeln oder vom Standpunkt des Verteidigungshaushalts als sowieso vorgesehenes größeres Manöver zu betrachten. Labour möchte jetzt nicht die Verantwortung für die Entscheidungen der Regierung mittragen - sie werden ohnehin durchgeführt -, damit hinterher darauf verwiesen werden kann, daß man sich immer schon für elegantere Lösungen eingesetzt, die Tories aber nicht auf einen gehört hätten. Die SDP schafft es, unbedingte Loyalität zur Regierung mit der Kritik an ihr zu verbinden:

"Nach der Invasion hat es keine Alternative zur Anwendung der Flotte gegeben und zur Bereitschaft Militär einzusetzen, wenn Verhandlungen scheitern. Die gegenwärtigen Operationen müssen zu einem erfolgreichen Abschluß gebracht werden, und das mit unbeschränkter Unterstützung für die in die gefährlichen Operationen verwickelten... Die Premierministerin kann nicht von der Verantwortung für die Fehler entbunden werden, die die Argentinier Falkland erobern ließ." (William Rodgers, Times, 28.6.82)

Die britisch-parlamentarische Friedensbewegung

um die 31 Labourlinken, die einen sofortigen Waffenstillstand und die Anerkennung der argentinischen Ansprüche fordern, leisten sich die Abweichung vom nationalen Standpunkt, "Falkland für keinen Kriegsgrund" (Benn) zu halten. Damit vertreten sie ausgerechnet die Kritik der NATO-Partner in England, die diesen Krieg nicht für einen halten, für den das Volk sterben muß, weil es für den Staat etwas zu gewinnen gibt:

"Die Soldaten werden in den Tod geschickt für eine verlorene Sache." (Benn zitiert aus dem Brief eines Marinesoldaten vor Falkland, Sunday Express, 2.6.82)

Hier sollen also nationale Kräfte vergeudet werden, die man doch für höhere Aufgaben bewahren müsse. Wer sich allerdings für die Nation lohnende Sachen vorstellen kann, der will natürlich auch den politischen Zweck des Falklandkriegs nicht sehen. Entweder behauptet er, Frau Thatcher habe ihn aus persönlicher Eitelkeit angezettelt, oder er entzieht nicht nur der Politik, sondern auch der Politikerin die Verantwortung, indem er sie einem schrecklichen Sachzwang ausgeliefert sieht:

"Die Wahrhoit ist, daß die Premierministerin gar nicht länger in dor Verantwortung ist. Sie ist eine Gefangene ihrer Politik, ein Zuschauer der Tragödie, die sie im Begriff ist, über das Land zu bringen... mit der Entsendung der Einsatztruppe vorlor sie die Kontrolle." (Bonn, Guardian, 30.4.82)

Eine Dame, die die Friedensbewegung am 10. Juni nach Bonn eingeladen hat, bringt alle Fehler dieser Bewegung in einem Satz unter:

"Mrs, Thatcher ist verantwortlich, wenn Großbritannien in einen wirklichen Krieg zieht, mit allen Risiken der Eskalation - taktische Atomwaffen, möglicherweise die Einmischung des faschistischen Chile und der kommunistischon Kubaner und Russen," (Judith Hart, Daily Telegraph, 3.5.82)

Erstens betrachtet sie einen Krieg nur dann als "wirklich", wenn der Schauplatz auch hier ist und wenn er mit Atomwaffen gegen die Russen geführt wird. Zweitens nimmt sie an, dieser wirkliche Krieg könne einfach so ausbrechen, etwa, indem die mitgeführten Atomwaffen von selbst losgehen. Drittens weiß sie ganz genau, daß der Feind im Osten steht und sich einmischen könnte. Und schließlich ist ihre Altemative zum Krieg eben der Frieden, in dem er vorbereitet wird, mit all seinen schnuckeligen Erpressungsmethoden:

"Mrs. Judith Hart fragte, ob Mr. Pym zögere, die Art von Druck auf Argentinien auszuüben, die nötig sei, er solle ernsthaft über Alternativen zum Krieg nachdenken. Eine Alternative zum Krieg könnten eventuelle finanzielle Sanktionen sein, auch wenn sie die Banken schädigten." (Times, 13.5.82)

Dieses verantwortungs- und kriegsbewußte Denken halten viele Konservative für "Hochverrat" und Labourvize Denis Healy für parteischädigend:

"Äußerunqen, daß der Gebrauch nuklearer Waffen im Bereich des Möglichen liege (eine Option, die sich die Regierung für den Fall der "Bedrohung der Flotte" ganz offiziell offenhält!) und die Regierung den totalen Krieg wolle... sind eine Schande für die Partei." (Times, 13.5.82)

Die Kriterien, die die eine Seite debattiert, garantieren, daß im "wirklichen Krieg" die andere nicht tätig zu werden braucht. Aber dann sind ja auch sämtliche NATO-Staaten, "wir alle" also, dabei.

Stimmen für den Frieden

Bei aller Solidarität - einen "Burgfrieden", der erst gebrochen wird, wenn die Niederlage sich abzeichnet, haben die englischen Parteien nicht geschlossen. Im heftigen Disput und mit persönlichen Beleidigungen wird die Regierung zu höchstem Einsatz und das Volk zu pflichtergebenem Nationalbewußtsein angetrieben. Nicht nur, daß das Volk nach den Kosten des Kriegs nicht fragt - die Kosten des Friedens trägt es ja auch - es liefert auf Befragen auch seine staatstreue Meinung über "Argies" und "Kelpers" ab und demonstriert ganz bewußt in den Wahlen, daß das Volk hinter der Regierung steht deren Alternativen tun's ja auch. Die Zustimmung zum Krieg muß ja nicht begeistert sein und auch nicht unbedingt mit der zu Frau Thatcher zusammenfallen, auch wenn das, solange der Krieg im Gange ist, eins ist. Neben der Ausschlachtung des Erfolgs, gerade dadurch, daß jede Partei uneingeschränkt den nationalen Zweck propagiert, indem sie seine Durchsetzung bezweifelt, ist deshalb die Wahlwerbung mit dem Krieg und seinen besseren Alternativen sowie die Debatte um die Erfolgschancen der Parteien im vollen Gange. Dabei kalkulieren alle Beteiligten mit dem - je nach Standpunkt - erfreulichen oder leidigen Sachverhalt, daß ein erfolgreicher Krieg hervorragendster Ausweis für eine schlagkräftige Regierungsmannschaft ist.

Die Allianz aus Sozialdemokraten und Liberalen, die ja schon immer ihren Erfolg in nichts anderem suchten, als ihn den Konkurrenzparteien zu bestreiten, hat diese Debatte um die Strategie und Taktik des Wählerfangens zu ihrem einzigen Unterscheidungspunkt gegenüber der Regierung gemacht. Eine Partei, die ihre Stimmen mit der Behauptung gewinnt, die Regierung sei handlungsunfähig und erfolglos, kann ja auch nichts anderes, als Punkte übers Mitmachen zu sammeln, wo die Regierung so sichtbar erfolgreich zuschlägt:

"Die Regierung mußte einen niederschmetternden Schlag hinnehmen. Allerdings auch unser Land; deshalb kann sich meiner Meinung nach niemand freuen oder die Hände reiben." (David Owen, Times, 6.4.82)

Das einzige Problem ist ihr dabei, daß die Punkte eben die Regierung macht:

"Die große Gefahr ist, daß sie (die Regierung) in den nächsten paar Wochen und Monaten im Südatlantik Entscheidungcn treffen könnte, um ihr politischcs Ansehen daheim aufzupolieren, statt sich nach den objektiv notwendigen Kriterien zu richten." (ebd.)

Wenn man weder an den Zwecken des Staates noch an den Mitteln, mit denen sie durchgesetzt werden, etwas auzusetzen hat; wenn also der gegen das Einzelinteresse absolut rücksichtslose Standpunkt des Allgemeininteresses so allgemein durchgesetzt ist - dann bleibt eigentlich nur die Möglichkeit, dem Verwalter des Allgemeininteresses aus eigenem höheren Parteiinteresse ein parteiisches und darum niederes Interesse unterzujubeln. So leistet man sich mitten im Krieg auch noch einen Wahlkampf, der sich als sprudelnde Quelle der Handlungsfähigkeit und Schlagkräftigkeit der Regierung bewahrt. Das ist funktionierende Demokratie!

Nach dem Sieg

Die meisten Blätter feierten ihn mit der Schlagzeile "Victory!" und der berufsmäßig liberal-seriöse "Guardian" sah Argentinien auf der Titelseite gleich weltweit gedemütigt: im Schießen gegen die Briten, beim Fußball gegen die Belgier, im Tennis gegen Schweden und im Boxen gegen Santo Domingo. Regierung wie Opposition sandten dankbare Grüße an die "wunderbaren britischen Soldaten und die Verwandten der Gefallenen"; das Parlament beschloß Dankesfeiern. Ein Denkmal will die Permierministerin den Siegern von Port Stanley bauen, zusätzlich zu dem, das sie sich mit "ihrem Erfolg selbst gesetzt haben", verkündete sie im Parlament und baute sich gleich selber eins, indem sie eine Direktive an die Historiker herausgab:

"Die erfolgreiche Rückeroberung der Falklandinseln wird in die Geschichtsbücher als einer der größten militärischen Erfolge eingehen." (Guardian, 16.6.82)

Die nationale Begeisterung über den Sieg will schließlich genützt und gewahrt werden, nicht daß die Konservativen am Ende von ihrem Sieg gar nichts haben, wenn die "durch den 'Falkland-Faktor' gesteigarte Popularität dar Regierung - innerhalb weniger Wochen schwinden könnte" (Daily Telegraph, 16.6.82)

Darum nimmt Frau Thatcher auch in voller Rüstung mit den gefechtserprobten Falklandtruppen den etwas in Vergessenheit genntenen Kampf an der Heimatfront gegen die arbeitenden Truppen wieder auf:

"Ich finde es zynisch, wenn ausgerechnet im Augenblick der Siegesfeier unserer bewaffneten Truppen andere Leute in den Streik treten." (Daily Telegraph, 16.6.82)

Die Opposition legt sich ins Zeug, um den Popularitätsvorsprung der Regierung aufzuholen, indem sie den "Falklandfaktor" für sich nutzt und sich Sorgen macht, ob der Sieg nicht zu teuer erkauft wurde und ob die Regierung in der Lage ist, den Erfolg auch zu sichern: Der Liberale Steel möchte nicht nur "Waffenverkäufe an Argentinien, sondern auch die Marinepolitik" in die Untersuchungen einbezogen wissen; Michael Foot verlangt die Beteiligung der UNO an einer "Zukunftslösung"; und Tony Benn will nachweisen, daß eine solche schon lange verbaselt worden ist, wenn er die "Veröffentlichung aller Verhandlungsvorschläge während der Krise" verlangt.

Einen Untersuchungsausschuß will die Regierung auch, die Vorschläge der Opposition weist sie jedoch zurück: nach der Rückeroberung sei die Beteiligung der Uno absurd, die Untersuchung der gesamten Verteidigungspolitik käme angesichts ihres Erfolges nicht in Frage und Benn, der diesen Krieg als "tragisch und unnötig" bezeichne, könne "die Freiheit der Rede, die er so brillant" nutze, gar nicht genießen, wenn "niemand bereit sei dafür zu kämpfen" (Guardian). Ein Untersuchungsausschuß solle sich nicht nur auf die unmittelbare Vorgeschichte beziehen, sondern auch auf die Zeit früherer Regierungen. Der Hinweis, daß England in Port Stanley auch gleich Süd-Thule miterobert habe, zeigt, daß die Regierung bei dem Versuch, ihr ihren Sieg madig zu machen, indem man ihr nach dem Krieg vorwirft, sie habe ihn überhaupt nötig gemacht, nicht schlecht dasteht - bei einem Volk, das sich glücklich fühlt, daß die Schafzüchter "wieder die Regierung haben, die sie wünschen" (Falkland-Kommandant J. Moore).

"Schluß mit den Kämpfen, sagt Labour"

meldete 8. Juni die Londoner "Times". Ein überraschender Sinneswandel der Labourpartei? Weit gefehlt! Der für die Partei sich in fehlenden Wahlstimmen niederschlagende "Falkland-Faktor" hatte den Labourführer zu einem Appell an die eigenen Genossen veranlaßt, den "Kampf untereinander zu beenden."