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Dieser Artikel ist in der MSZ 3-1982 erschienen.

Fachleute zum Falkland-Krieg
WISSENSCHAFT ODER WAHNSINN?

Die ARD woflte dem "Wahnsinn" im Südatlantik endlich wissenschaftlich auf die Sprünge kommen und veranstaltete ein "Planspiel um den Falklandkonflikt" unter dem Titel "Krisenmanagement oder Krieg?"

Einen Tag lang durften Professoren und Studenten sich in die Rollen der Mächtigen versetzen und so tun, als hätten sie eine aus dem Nichts emporgetauchte "Krise" zu "managen". Man muß sagen, die grauen Theoretiker haben ihr Handwerk glänzend beherrscht: Erstens jonglierten sie wie alte Hasen mit der friedensschaffenden Androhung von Gewalt, und zweitens brauchten sie sie ab dem Zeitpunkt, wo sie planspielerisch am Ruder waren, nicht mehr einzusetzen, weil sie ihre erwünschten Wirkungen auch so erreichten: einfach, indem sie sich "vernünftig einigten". Die Ankündigung des "argentinischen Außenministers", man habe mit der Sowjetunion militärische Zusammenarbeit vereinbart und ihr Landerechte eingeräumt, fiel allerdings so aus dem Rahmen, daß die Gegenseite gar nicht auf die Idee kam, den totalen Krieg zu erklären. Offensichtlich im Bewußtsein seiner Schuld, gegen die internationalen und Plan-Spielregeln verstoßen zu haben, und anscheinend leicht angesoffen, nahm "Mendez" nach einem geheimen Gespräch mit "Haig" das Waffenstillstandsangebot an, ohne weiter auf der Souveränitätsfrage herumzureiten, sichtlich froh, doch noch mit Anstand kapituliert zu haben.

Der Politologe

Prof. Dieter Senghaas von der Bremer Uni findet das alles noch zu wenig "realitätsgemäß". Die Lösung ging ihm zu einfach, als Wissenschaftler wollte er unbedingt die politologische Erkenntnis betont wissen, daß alles unheimlich verwickelt, in der Wirklichkeit kaum faßbar sei. Im Leben, wie die Politologie es liebt, da gebe es Zeitdruck, Phasen der Unsicherheit und Instabilität, vor allem aber eine folgenreiche Uninformiertheit der Politiker über sich und ihre Aktivitäten - bums: Fehlkalkulationen und von neuem... Kurz: anstelle von Politik mache Irrationalität sich breit, welche wiederum gerade bei Kriseneskalation - erst taucht sie auf, dann wächst sie noch - tendenziell allgemein werde und die Politiker befalle - Folge: Sucht, die Massenmeinung zu mobilisieren. Und das angesichts der Meinung des internationalen Drogologen, daß eigentlich das Gegenteil passieren müsse. Der Zuschauer kann die bitter angedeutete Konsequenz nur ahnen: Aufgeputscht putschen die Massen ihre Führer in die tragische Eskalation. Die Entscheidungen werden statt langfristig immer kurzfristiger, fast instinktiv. Welch gefährliche Pfade politologisches Denken zu beschreiten wagt, wurde erst so richtig klar, als Senghaas hervorhob, daß es sich bei dieser Krise nur um einen zweit- oder drittrangigen Konflikt handle. Und dennoch sei er vor drei Jahren nicht prognostizierbar gewesen, es sei eben typisch für politische Krisen, daß sie dort ausbrechen, wo keiner sie erwarte. Sein Vorschlag zur Konfliktlösung kam leider etwas zu spät: "Die frühe Solidarität der EG war ungut, sonst hätte sie vielleicht als 3. Partei eingreifen können."

Der Friedensforscher

Prof. Wolf Graf von Baudissin beglückwünscht sich, daß man Europa nicht mit der Südsee vergleichen könne, um mit den wissenschaftlich fundierten Binsenweisheiten einer Rassenlehre geographische Sensationen zu verbreiten: Im Norden sei kein vernünftiger Mensch zu finden, der meint, daß man mit Kriegen Konflikte lösen könne, da man ja unter dem wohltuenden Schutz eines Frieden spendenden nuklearen Schirms lebe, außerdem über eine lange gemeinsame geschichtliche Erfahrung mit Krieg und Frieden verfüge und zu guter Letzt sich geographisch sehr viel näher sei als im Süden. Auf die nähere geographische Lokalisierung Großbritanniens und der EG, auf die anthropologische Zuordnung von Thatcher, Schmidt, Mitterrand und Co. in diesem verblüffenden Weltbild darf man gespannt sein. Die Lösung des historischen Problems konnte der Graf noch in der Sendung präsentieren: Die Europäer hätten gerade wegen des permanenten und so dichten (Enge!) Konfliktgemenges gelernt, ihr Gemenge auf niedrigem Niveau zu halten; aus der Einsicht heraus, daß die europäischen Konflikte nicht lösbar seien, würden sie gar nicht erst angeheizt. Sein Vorschlag zur Konfliktlösung: "Mehr telefonieren!"

Der General

a.D. Gerd Schmückle, ehem. Oberbefehlshaber der NATO, nahm die Stichworte der Theoretiker dankbar auf und theoretisierte aus praktischer Leidenschaft. Er hatte keinen Grund, sich mit seinen Kontrahenten zu streiten. Im Gegenteil! Er setzte ihnen die Krone auf und faßte zusammen: Die Engländer hätten nicht irrational gehandelt, schließlich gebe es gegen Aggression nur ein Mittel, den Krieg, damit der Frieden wieder Oberhand gewinne. Im Verlauf der Sendung wurde nicht klar, ob dieser Prozeß über eine Art Gesundschrumpfung der Menschheit erfolgt; die Vermutung liegt jedoch nahe; er sieht nämlich das ganze Krisenmanagement in Gefahr, weil zu viele mitzureden hätten, und das auch schon im Osten, wo doch jeder denkt, daß es dort wenigstens noch gesittet zugeht. Ermutigend seine Warnung davor, den Krieg zu verteufeln, schließlich gehöre er zum gesellschaftlichen Leben ebenso wie Glück und Unglück, Unwägbares und Irrationales. Darum bedankte er sich beim lieben Gott für die Abschreckung, von der die im Süden zu wenig haben, und empfahl zur guten Ruh und für den Frieden der Menschen auf Erden "die Atombombe, die aus Angst vor den Folgen nicht angewendet wird."