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Dieser Artikel ist in der MSZ 3-1982 erschienen.

Systematik

Neues vom Klassenkampf
PORST, PELIKAN UND EINE UNTERNEHMERDEMO

1.

Daß es sich bei Hans-Heinz Porst ("Photo-Porst") um einen idealistischen Unternehmer handelt, macht die Sache für seine Arbeiter auch nicht besser. So hat Porst zwar den "Mitarbeitern" zwischen 1973 und 1978 29 Mio DM an Gewinnen gutschreiben lassen, wohlweislich aber darauf geachtet, daß die üblichen Beschränkungen

  • Staffelung nach Betriebszugehörigkeitsdauer
  • 5 Jahr Auszahlungssperre
  • und selbstverständlich eine moderate Höhe der Beteiligung

eingehalten blieben, war ihm doch eins gewiß: daß sein Betrieb auf jeden Fall ein kapitalistisches Unternehmen ist, auch wenn es sich über die Verteilung von Geldsummen den Schein der eigenen Auflösung verleiht. "Pech" war es also für den Arbeiter-Anteilseigner, daß es wegen der schlechten Auftragslage nach 1978 nur noch Verluste gab, mit der Konsequenz, daß im Januar '82 die Beteiligungs-GmbH Konkurs anmelden mußte. Die aufgelaufenen Gewinne jedes Mitarbeiters (rechtlich zusammengefaßt in der Beteiligungs-GmbH) wurden mit den Verlusten verrechnet.

Die "Süddeutsche Zeitung" vermeldete dazu, daß die Belegschaftsmitglieder "keinen Verlust" erleiden würden, weil nämlich ihre angehäuften Gewinne zur Ausgleichung der auf sie fallenden Verluste ausreichen würden. Eine sehr mildtätige Abwandlung des Spruches vom Unternehmer, der bereit sein muß, Risiko zu tragen: da haben die Leute allerhand an Hoffnung und Arbeitseinsatz aufgebracht, um nun zu erfahren, daß sie natürlich nie Unternehmer waren, man sie aber deswegen nicht extra bestrafen will. Sie sind es ja schon genug.

Was für eine kontinuierliche Kapitalverwertung ein zwar ärgerliches aber normales Verfahren ist, um wieder Gewinne machen zu können, bedeutet für die Arbeiter das Aus als Anteilseigner. Die neuen Partner von Porst - eine Schweizer Firma namens Interdiscount Holding - haben sich natürlich als erste Sanierungsbedingung die Absage an sämtliche altruistischen Ideale des Herrn Porst schriftlich geben lassen. Laut "Süddeutsche Zeitung" vom 28.4.82 wird man 1982 "die roten Zahlen zwar noch nicht verlassen", aber 1983...

Das Besondere an diesem Konkurs ist die Lehre, die sich über Eigentum und Kapitalverwertung ziehen läßt: Der Gewinn, den man sozusagen als eigener Ausbeuter kassiert hat oder kassieren wollte, reicht nie dazu aus, zu kündigen und - wie es sich für einen rechten Kapitalisten gehört - dazu in der Lage zu sein, von der Verzinsung des privaten Vermögens zu leben, Porst selber ist bei seinem ganzen Idealismus immer noch soviel Realist geblieben, daß er trotz der schlechten Geschäftslage nicht plötzlich nicht mehr von seinem Kapital leben könnte. Eigentum häuft sich eben nur durch möglichst viel Mehrarbeit der Nichteigentümer an, und die Auflösung dieses Gegensatzes, bei Einhaltung der Eigentumsordnung das Geld zu verteilen, haut nicht hin, weil bei verteiltem Eigentum eben der Witz dahin ist, andere für sich arbeiten zu lassen. Da muß man schon die Eigentumsordnung abschaffen!

2.

Genau das wollen die Arbeiter der Firma Pelikan Informationstechnik in Hamburg nicht. In der Angst um ihre Arbeitsplätze - die bisherigen Eigner haben Konkurs angemeldet - kommen sie nicht etwa auf die Idee, gegen eine Wirtschaftsordnung etwas zu unternehmen, die einen rücksichtslos außer Brot setzt, wenn der Gewinn nicht mehr stimmt. Nein! Sie suchen einen besseren Manager - der in ihrem Namen die anstehenden Unannehmlichkeiten gegen sie selber beschließen darf. Selbstverwaltung kommt für diese Belegschaft also nicht in Betracht.

Wie findet man aber nun den Supermann? Ganz einfach, die Belegschaft zahlt eine Anzeige in einem Blatt, in dem potentielle Eigentümer blättern, mit der Überschrift: "Belegschaft sucht tüchtigen Unternehmer." Aus der Tatsache, daß die Geschäftsleitung das Werk schließen und das dort produzierte Gerät an die Japaner verkaufen will, zieht der Betriebsratsvorsitzende den Schluß, daß es sich bei den alten Eigentümern um vaterlandslose Gesellen handeln muß - "Die stärken die Japaner noch mehr." Daraus folgt, wenn es die Japaner schaffen, kann es der richtige Mann mit japanischen Methoden auch hier schaffen. Daß der Erfolg für den neuen Eigentümer nicht ausbleibt, verspricht der Betriebsratsvorsitzende auf die Hand mit "der Bereitschaft und Fähigkeit, hart arbeiten zu können". Um zu unterstreichen, daß die Belegschaft alles in Kauf nimmt, steht in der Anzeige: "Wir glauben, daß wir uns mit abgespeckter Mannschaft so lange über Wasser halten könne, bis das neue Gerät in Serienreife geht." Wenn ein Mann der Arbeiter so sehr die Unternehmererfordernisse kennt - Verringerung der Belegschaft und Mehrarbeit der Verbleibenden - muß sich doch ein neuer Eigentümer finden lassen.

Wenn nicht, dann wird ein deutscher Arbeiter radikal und fragt sich mit seiner Gewerkschaft, ob deutsche Kapitalisten eigentlich noch ihrem Beruf nachgehen, die unbedingte Dienstbereitschaft deutscher Arbeiter zu benutzen.

3.

Eigentlich wollen insbesondere die Jungunternehmer des BJU ihrer Profession schon nachkommen, aber sie können nicht so, wie sie wollen, weil der Staat ihnen ständig Knüppel zwischen die Beine wirft. Was liegt da näher, als eine Demonstration zu organisieren (Ende April in Nürnberg).

"Man wolle keinen von Unternehmern gelenkten Staat, 'aber einen Staat, in dem man noch etwas unternehmen kann'." (Süddeutsche Zeitung, 14.5.82).

Daß die Forderungen, die dort skandiert wurden, nicht im Gegensatz zur Politik der Bundesregierung standen, wundert uns zumindest nicht. Die Jung-Unternehmer wollten nämlich das Programm der Regierung - nur schärfer und schneller durchgesetzt; d.h. Streichung aller Subventionen (außer den eigenen, versteht sich), noch bessere Abschreibungmöglichkeiten (die neueste Verbesserung plant die Regierung mit ihrem "Beschäftiguiigsprogramm") u.ä. den "Produktionsfaktor Kapital" betreffend. Und was die Arbeiter angeht, so liegt der BJU mit seinen Vorschlägen ganz im Trend:

"Eine Kostenentlastung von mindestens 5 Mrd. DM verspricht sich der BJU in Bayern von einer Reduzierung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall auf 80% des Bruttogehalts. Dies bedeute 20% Selbstbeteiligung. Die Lohnfortzahlung ist das einzige Sozialgesetz ohne Beitrag und verführt zu häufigem Mißbrauch... Die mittelständischen jungen Unternehmer, die in Nürnberg mit der 'Ersten deutschen Unternehmer-Demo' Aufsehen erregten, präzisierten damit eine ihrer Forderungen. Die Unternehmer hatten sich zu dieser von ihnen selbst als spektakulär eingestuften Aktion entschlossen, um auf Mißstände öffentlich hinzuweisen, die einer Enteignung durch die Hintertür gleichkämen." (Süddeutsche Zeitung, 14.5.82)

So kann man auftreten, wenn der Klassenkampf ungestört von oben geführt wird. Eine alternative Beschäftigungsdemonstration. Der DGB hätte bei soviel unternehmerischer Dynamik mitdemonstrieren können, wenn das Unternehmen nicht so eindeutig Propaganda für eine neue Koalition und von Unternehmern initiiert gewesen wäre.