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Israels Annexion der Golan-Höhen
CAMP DAVID II
Der Vertrag, den der israelische Außenminister Sharon über die strategische Zusammenarbeit mit den USA im Nahen Osten schloß, forderte eine Antwort. Sharon mußte sich von der Opposition anhören, daß er und seine Generäle von den USA "outnegotiated" worden wären, nachdem sie mit einer Wunschliste in die Vereinigten Staaten gefahren sind, die wie "ein Weihnachtsbaum aussah". Und seit wann der Hauptfeind Israels die Sowjetunion sei, wie im Vertrag ausgewiesen, und nicht die Bedrohung durch die arabischen Staaten: Das Abkommen würde die USA nicht dazu verpflichten, einen Angriff durch einen prosowjetischen arabischen Staat wie z.B. Syrien, auf Israel zurückzuschlagen.
Die mangelnde Garantie gedachte sich die israelische Regierung als Gegenleistung für ihre Kooperationsbereitschaft mit den USA selbst zu verschaffen und beschloß zu einer von ihr als weltpolitisch günstig eingeschätzten Stunde die rechtliche Fixierung der 1967 vollzogenen Annexion der Golanhöhen. Die Aktion kam insofern überraschend, als eigentlich alle Welt eher mit einem solchen Schritt bezüglich des Westjordanlandes gerechnet hätte, wo Israel mit seiner Siedlungspolitik und Terror gegen die dort ansässigen Palästinenser seit einiger Zeit dafür sorgt, daß die Einverleibung in das israelische Staatsgebiet gleichgültig gegen den Ausgang von Autonomieverhandlungen vollzogen wird. Auf jeden Fall meldeten sich aber genügend Stimmen, die den Einverleibungsbeschluß bezüglich des Golan als Manifestation verstanden wissen wollten, daß es ein Israel in den Grenzen vor 1967 nicht mehr geben werde.
Der Streit mit den USA
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Die USA nehmen den Streit, den Israel ihnen hinsichtlich der Freiheiten eröffnet hat, die es sich unter dem amerikanischen Konzept der strategischen Zusammenarbeit im Nahen Osten herausnehmen darf, eher diplomatisch. "Ja, die Annexion führt einen Faktor ein, der die Dinge kompliziert, gibt Ronald Reagan zu." Auch die amerikanische Formulierung der Aufforderung des Sicherheitsrates der UNO, den Annexionsbeschluß rückgängig zu machen, fällt eher bescheiden aus:
"Die Vereinigten Staaten akzeptieren keine einseitigen Schritte, die geeignet sind, den Status der Gebiete zu ändern, die in der Auseinandersetzung von 1967 durch Israel besetzt worden sind." (US-Botschafter Charles Liechenstein)
Diesen Standpunkt wollen die USA auch in weiteren Sitzungen des UN Sicherheitsrats über dieses Subjekt beibehalten, aber weitergehende Vorstöße, als die Annexion für illegal zu betrachten, oder Sanktionen aller Art - politisch, ökonomisch oder diplomatisch - nicht erlauben.
"Die Administration glaubt, daß ihre Botschaft von Herrn Begin verstanden worden ist, und daß jetzt die Zeit gekommen ist, die Golan-Angelegenheit beiseite zu legen und sich auf andere Aspekte des Friedensprozesses im Nahen Osten zu konzentrieren." (International Herald Tribune, 6.1.1981)
Die neue schwierige Aufgabe, die die Administration sehen will, besteht in der Beseitigung der 'schweren Spannungen', die die amerikanisch-israelischen Beziehungen seit letztem Monat 'belasten'- wegen des US-Votums im UN-Sicherheitsrat. Und das letzte Geleitwort Reagans für Haig auf seiner Reise in den Nahen Osten war die Feststellung, daß aller früherer Ärger vergessen sein soll.
Das blöde Theater, das ja auch arabische Staaten durchschauen, an das sie sich aber halten, weil sie ihre Kalkulation aufgemacht haben, inwieweit sie Einfluß auf die US-Politik gewinnen und den israelischen, unter dem US-Regierungen angeblich immer stehen, zurückdrängen können, leisten sich die Vereinigten Staaten, weil sie die Fortschritte des nahöstlichen Friedensprozesses unter dem Gesichtspunkt einer für den Westen wichtigen kriegsstrategischen Zone begutachten und behandeln.
"Beamte des Pentagon, die an der Ausarbeitung des Abkommens beteiligt waren, das General Sharon im Dezember in Washington unterzeichnete, teilten dem MIDDLE EAST mit, daß das Awacs-System, das Bodenstationen umfaßt, die auf saudischem Territorium gebaut werden sollen, eventuell amerikanische Streitkräfte in Israel, Ägypten und der Türkei, amerikanische Flugzeugträger im Golf von Oman und die Luftabwehr von Saudi-Arahien, Kuweit und anderen Mitgliedstaaten des Gult Co-operation Councils in einem einzigartigen Netzwerk von, Militäroperationen unter der Regie der USA koordinieren soll." (The Middle East, 1/82)
So einfach nämlich geht Frieden - als Kriegsstrategie unter dem Oberkommando der US-forces.
Die involvierten Staaten werden imperialistischer Kontrolle unterstellt, und die imperialistische Kontrollmacht gibt sich den Gestus des "Vermittlers", der es mit keiner Seite verderben könne und wolle. So muß Israel sich in letzter Zeit anläßlich seiner Operationen immer wieder Kritik in internationalen Gremien auch von den USA gefallen lassen.
Wie allerdings Israel damit kalkuliert, zeigt Begin, wenn er lauthals verkündet, er habe die USA nicht in Kenntnis des Vorhabens der Golanannexion gesetzt, um sie nicht zu kompromittieren. Wie bei Südafrika sind die einschlägigen UNO-Resolutionen stets nur die Anerkennung der faktischen Macht und des erreichten Zustands, der in Resolution Nr. soundso verurteilt wird. Die diplomatischen Unhöflichkeiten, die zwischen Jerusalem und Washington eingerissen sind, gehören zum Geschäft und sind dem Umstand geschuldet, daß außer Israel mittlerweile auch noch andere Staaten interessieren. Begin mußte sich darauf einstellen, daß, wenn die USA als Vermittler auftreten, er als Partei auftreten und sich unnachgiebig für seine nationalen Positionen einsetzen muß.
Dabei befindet sich Israel in der günstigen Lage, bereits über alles zu verfügen, was die Nation begehrt, während die arabischen Staaten von den USA erst etwas wollen. So werden Israel mit allen diplomatischen Affronts alle Freiheiten gelassen, sich in dern, Rahmen zu betätigen, der diplomatisch noch zur Disposition gestellt wird. Wenn Israel erklärt, daß für es weder Gaza, Westjordanien, Jerusalem noch Golan Verhandlungsmasse sind und es sich eine Lösung im Libanon offenhält, dann heißt die Nahostreise Haigs mit dem Ziel, Autonomiegespräche über das Westjordanland noch vor Ablauf des Sinaiabkommens zu einem Ergebnis zu bringen, noch lange nicht, daß Israel hier zu etwas gezwungen werden soll. Und wenn Israel im geeigneten Augenblick erklärt, daß nach der Klärung des Grenzverlaufs im Süden mit Ägypten die Fronten im Osten und Norden durchaus noch fließend wären, nützt das der Vermittlerrolle der USA eher als es ihr schadet.
"Der israelische Generalstabschef Eytan hat vor der Gefahr eines neuen Nahost-Krieges gewarnt. Syrien unternehme Schritte, die zu einem Krieg mit Israel führen könnten. Er wisse nicht, ob Syrien wirklich Krieg wolle, aber Damaskus bringe sich selbst in eine Lage, die zum Krieg führen könne. Israels Ziel in einem möglichen weiteren Krieg mit Syrien müsse sein, diesen Krieg zum letzten gegen Damaskus werden zu lassen. Ein Krieg mit Syrien könne die gesamte israeysche Ostfront, also auch Jordanien mit einbeziehen. Es sei denkbar, daß in einem solchen Fall Irak und Iran ihren Krieg beendeten. Bislang gebe es dafür allerdings keine Anzeichen, da beide Seiten zu stur seien, um nachzugeben. Es sei ein Vergnügen, sie sich gegenseitig umbringen zu sehen. Die syrischen Luftabwehrraketen im Libanon seien kein dringendes Problem, Ihr Abzug solle mit politischen Mitteln bewerkstelligt werden. Jedoch könne Israel nicht ewig auf die politische Lösung dieses Problems warten." (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 9.1.82).
Eine neue arabische Front
Die Lage im Nahen Osten hat für Israel einige Fortschritte gebracht. Es kann inzwischen Aktionen wie die juristische Annexion des Golan durchführen, ohne daß dies mit einem Krieg verknüpft wäre. Daß Israel Syrien damit einen Kriegsgrund geliefert hat, hat dieser Staat verlauten lassen, aber zu weitergehenden Maßnahmen als der Forderung nach UNO-Sanktion wollte er sich gegen die Militärmacht Israel nicht hinreißen lassen.
Auch Ägypten wollte durch diesen "schweren Verstoß" gegen das Abkommen von Camp David (Mubarak) den Friedensprozeß nicht beeinträchtigt und die Rückgabe des Sinai gar gefährdet wissen.
"Israels Annexion der syrischen Golanhöhen hat einen ungewollten Effekt: Das zerstrittene arabische Lager schließt sich wieder zusammen. Für diese Kehrtwendung, die der irsraelische Ministerpräsidcnt Begin nicht einkalkuliert hatte und die Washingtons Friedensbemühungen vor neue Aufgaben stellt, gab es zu Jahresbeginn eine Reihe von Signalen." (Zeit, 7.1.82)
Ziemlich lächerlich, der Kommentar, Begin hätte sich hinsichtlich der Einheit des arabischen Lagers verkalkuliert und - dies die Unterstellung - hier würde ihm eine ungeahnte Drohung erwachsen. Der einzige Staat, der ganz konkrete Kriegsdrohungen aufmacht, ist Israel, während die arabische Einheit, an der wieder einmal zwischen allen Staaten des Maghreb und Mashrek gebastelt wird, im Unterschied zu früheren Allianzen einen ganz und gar diplomatischen Charakter mit Berechnung auf Washington hat.
Die Grundlage für die hier angestrebten Koalitionen ist von vorneherein der Blick auf die USA, gegen deren Gewalt sich niemand etwas verspricht. Das schnelle und undiplomatische Scheitern der "arabischen Gipfelkonferenz" in Fes, schon in der Teilnehmermannschaft ein Zeichen der "Spaltung im arabischen Lager", fällt ja nicht mehr unter die früher geläufigen Uneinigkeiten über die "gemeinsame" Gangart gegen Israel, sondern ist der innerarabische Ausdruck einer generellen Umdrehung der politischen Berechnung. Hatten früher die innerarabischen Einigungsquerelen am Verhältnis für oder gegen Amerika eine einzukalkulierende Bedingung, so ist jetzt der Streit um die "arabische Sache", sprich das Verhältnis zu Israel, nur noch eine zu berücksichtigende Unterabteilung im jeweiligen Bemühen, durch Ausnutzung der guten Beziehungen zur Weltmacht Nr. 1 oder durch Beweise der Zurückhaltung gegenüber deren Drohungen seine Position in der Konkurrenz um die Führungsrolle unter den lokalen Mächten zu verbessern. Die "Annäherung" zwischen Saudi-Arabien und Libyen ist deshalb von saudischer Seite auch nur die Demonstration an die arabische Seite, daß man gerade als Vertreter eines eigenen - rein theoretischen - Friedensplans für die Israel-Frage die israelische Aggression verurteilt. In der Hauptsache aber ist sie die Demonstration an die amerikanische Seite, sie solle um des guten Verhältnisses zu den Arabern willen, für sie mäßigend auf Israel einwirken.
Aber nicht mehr nur die Sprüche Saudi-Arabiens gegen Israel, gegen das nach wie vor der "dschihad" geführt wird, sind als Rhethorik kenntlich, die seit längerer Zeit schon durch die Andeutung der Möglichkeit einer Anerkennung Israels bei einer einvernehmlichen Grenzregelung begleitet wird. Auch libysche Angriffe sind nicht so gemeint, wie auch dessen neuestem antiamerikanischen Schlag, der Entschädigung abziehender amerikanischer Ölfirmen, zu entnehmen ist. Inzwischen ist also das amerikanische Konrept, unabhängig von allen Gegensätzen im Nahen Osten Israelis und Araber zu einer antisowjetischen Verteidigungslinie - nicht nur militärisch - zusammenzuschließen und danach Freund und Feind in der Region festzulegen, soweit durchgeschlagen, daß noch jeder expansionistische Verteidigungsakt Israels auf der Gegenseite das Bemühen bestärkt, die Affäre diplomatisch beizulegen und sie nicht zu einer Störung der eigenen Beziehungen zu den USA werden zu lassen, und zwar sowohl bei denen, mit denen die USA kalkulieren, wie auch bei denen, gegen die sich die amerikanische Politik richtet.