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Dieser Artikel ist in der MSZ 6-1981 erschienen.

Systematik

Ökologisches Denken 1981
OPFER FÜR EINEN GRÜNEN NATIONALISMUS

Bonner Politiker präsentieren ihr Sparprogramm, mit dem sie aus jedem Pfennig kümmerlichen Lebensunterhalts ihrer Bürger eine Finanzierungsquelle für den endgültigen Feldzug gen Osten machen, mit dem schlichten Bescheid, es gehe nicht anders. Gewerkschaftliche Sparkommissare kontern darauf mit der wenig erfreulichen Alternative, die notwendigen Opfer für die Nation ließen sich auch anders erbringen als in Bonn geplant. Das ideologische Meisterstück, die moderne Form der Kriegsfinanzierung als einen einzigen Segen für die Menschheit auszugeben, bleibt den GRÜNEN im Lande überlassen. In ihrem Namen hat der Halstuchträger im Schwabenparlament, Wolf-Dieter Hasenclever, die aktuelle ökologische Verzichtsparole ausgegeben:

Staat verwöhnt opferbereiten Bürger

Offenbar hat auch im Lager der Grünen die amtliche Lüge verfangen, der Staat - und sonst niemand - befinde sich im materiellen Elend und müsse, gleich der Hausfrau, die mit dem Haushaltsgeld nicht zurechtkommt, mangels Masse sparen. Ein Grüner baut die Lüge gleich noch aus und verwandelt den Zwang, der in den Beschlüssen der Apels, Matthöfers und Ehrenbergs steckt, in einen, der nicht auf den Geldbeutel der Leute wirkt, sondern auf ihr Hirnkastl. Wer in Steuererhöhungen und anderen Schröpfereien eine heilsame Gehirnwäsche erblickt, der hat sich in die Köpfe seiner Mitbürger offenbar lauter materialistische Flausen hineingedacht, die auszutreiben jetzt endlich die Zeit gekommen ist. Eine Chance eröffnet sich mit dem Bonner Sparprogramm dem ökologischen Prediger, der immer schon gewußt hat, was die Menschen brauchen, nämlich weniger, und der diesen Idealismus des Verzichts 1981 ganz realistisch vortragen kann: eben als heilsamen Zwang zum Umdenken. Zu einer Zeit, da jeder Bonner Politiker zwölfmal am Tage ausspricht, daß die Bürger für den Sozialstaat dazusein haben und nicht umgekehrt, malt Hasenclever die Schlaraffenland-Idylle des sozialen Netzes aus:

"In der Politik pflegte man Forderungen durch schlichtes Zahlen zu befriedigen..." (Bekanntlich steigt jeden Morgen in Bonn ein Flugzeug auf, um Blankoschecks übers Volk niedergehen zu lassen.)

- um der Menschheit in aller Deutlichkeit mitzuteilen, daß die Zeit der gebratenen Tauben vorbei ist. Soviel hat ein Hasenclever schon von seinen Politikerkollegen gelernt, daß auch die umstandslose Aufforderung, den Gürtel enger zu schnallen, einer Begründung bedarf. Er findet sie in der Bescheidenheit des Volkes, die alle Politiker blamiert:

"Darüber hinaus sollten solche Strukturen gefördert werden, die den Vorstellungen der Menschen - insbesondere der Jugend - von verstärkten Möglichkeiten selbstverantwortlicher, sinnvoller und erfüllter Tätigkeit entgegenkommen. Dies sicher nicht aus einer verschwommenen Romantik heraus, sondern deshalb, weil sich anders die dringend benötigte Kreativität, der Einsatz und die Bereitschaft zu materiellen Einschränkungen nicht herausbilden werden."

Ja, wenn die Jugend nicht wär'! Früher wünschte man sie sich hart wie Krupp-Stahl und zäh wie Leder - dienstbereit also an Volk und Staat. Heute entdeckt ein grüner Politiker, ganz unverschwommen und ohne Romantik, in ihr sein Idealbild des Bürgers: Er bringt seine ganze Phantasie und seinen Willen dafür auf, nichts zu wollen vom Staat. Neu ist diese ökologische Botschaft nicht. Immer schon galt die Sorge der Grünen ja nicht den Bäumen, Walen und Robben, sondern der Unersättlichkeit der Menschen. Neu ist nur der perfide Realismus, mit dem heute diese Botschaft vorgetragen wird, die Attitüde des "Wir Grüne haben es ja schon immer gewußt", mit der den Bürgern das Bonner Sparprogramm als Hebel der tatkräftigen Umsetzung des ganzen ökologischen Geseiches schmackhaft gemacht wird, und mit der an die Politiker die Aufforderung ergeht, sich mit ihren Beschlüssen bloß nicht unter die Opferbereitschaft ihrer Untertanen zu begeben. Nie also war, so Hasenclever, das grüne Credo so wertvoll wie heute: Der Bürger will gebeutelt und gefordert sein.

- o kommt ein Grüner 1981 auf Atomkraftwerke zu sprechen:

"Dazu (zur Bereitschaft zu materiellen Einschränkungen) gehört das Bemühen um ein hohes Maß an Unabhängigkeit von Energieimporten durch den Ausbau alternativer Energieträger..."

Keine Spur einer Erinnerung daran, daß die Atommeiler Leib und Leben bedrohen und vom Staat im Bewußtsein dieser Gefahr installiert werden. Die Rede von der Unumgänglichkeit nationaler Unabhängigkeit in Energiefragen (das Bekenntnis dazu, die ökonomischen Interessen der Nation mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu sichern) geht einem Hasenclever so lässig von der Zunge wie einem Hauff - und wo die grüne Fraktion heutzutage noch eine Gefahr in Sachen AKWs entdeckt, da lautet sie wie folgt:

"Die wirtschaftlich fragwürdigen, finanzpolitisch skandalösen und gefährlichen Großprojekte des Schnellen Brüters und des Hochtemperaturreaktors müßten fallen."

Dann seid aber auch konsequent und ersetzt die "AKW, nein danke!"-Buttons durch die zeitgemäße Ausgabe: "Bitte keine Staatsverschwendung"!

- So, will sagen vom Maßstab der noch uneingelösten Opferbereitschaft des Volkes, macht sich ein grüner Möchte-Gern-Sparkommissar für Korrekturen am sozialen Netz stark und plädiert für den

"Abbau zentraler Versorgungsstrukturen zugunsten kleiner Netze bei einem hohen Maß an Selbstverantwortung und Selbstbestimmung der Betroffenen."

Wie sich die Bilder ergänzen. Die offizielle Politik bemüht die Metapher vom Netz, um ein ums andere Mal darauf hinzuweisen, daß eine übermäßige Benutzung (die heute schon bei DM 1,-- anfängt) die ganze Sache zum Reißen bringen kann: Ergo, dient dem Sozialstaat, indem ihr ihn gar nicht erst in Anspruch nehmt.

Und ein Grüner? Der will die Massen ganz selbstverantwortlich im kleinen Netz zappeln lassen. Was haben sie denn davon? Wenn die Kasse stimmte, wär's doch wirklich egal, wo der Scheck herkommt, von der Zentrale oder sonstwo. Ach so, das ist ein kleinlicher Gedanke, weil ein Grüner bei "Selbstbestimmung" und "Selbstverantwortung" an höhere Werte denkt. S.o. Merke: Selbst etwas zu tun heißt, dem Staat nicht auf der Tasche zu liegen.

Ein alternativer Sparkommissar

grüner Provenienz weiß also nicht weniger als seine amtlichen Kollegen, wo etwas fürs Gemeinwesen zu holen ist. Und nicht minder treffsicher als diese mobilisiert er den Neid, den gesunden Anti-Materialismus des gehorsamen Steuerzahlers, um sich seinerseits als alternativer Steuereintreiber zu betätigen. Die Sortierung von Interessengruppen und Ansprüchen unter dem Gesichtspunkt der Schädigung des Staatswesens ist der zweite originäre Beitrag der Grünen zur Flankierung des Sparprogramms. Ganz so originär ist die Parasitensuche freilich auch nicht, denn irgendein Ministerialbeamter in Bonn hat sicherlich auch schon auf seiner Strich- und Schröpfliste vermerkt, was einen Hasenclever fündig werden läßt.

  • Zu holen wären "rund vier Milliarden aus der Knappschaftsversicherung der nicht unter Tage arbeitenden Anspruchsberechtigten", denn allein wer das schwarze Gold für die Nation eigenhändig zutage fördert, hat sich etwas verdient für die Staublunge; die überirdischen haben ihre Marken wohl nur zum Spaß geklebt.
  • "Oder die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst: Eine Rente von über 100 Prozent des letzten Nettoeinkommens ist überhaupt nicht gerechtfertigt", befindet der grüne Quaestor aus Schwaben. Klar, wo die, die sich nicht ins gesicherte Netz des öffentlichen Dienstes gesetzt haben, auch mit der armseligen Rente auskommen.
  • Dafür "Anhebung unsozialer Kleinstrenten", denn lebenslanges Opfer an Kapital und Staat verdient einen modesten Anerkennungspreis und kann darüber hinaus "der Jugend das Gefühl geben, daß sie nicht nur allein den Preis in Form hoher Arbeitslosigkeit und geringerer Zukunftschancen zu zahlen hat."
  • Perspektiven sieht ein Grüner in "gesamtwirtschaftlich erforderlichen Maßnahmen", und da lassen sich auch die Jungen und die Arbeitslosen unterbringen, denen es nicht an Geld, sondern an Sinn mangeln soll. Autobahnen als Sinnerfüllung sind heutzutage nicht mehr aktuell, wohl aber die sinnstiftende Verwendung der Arbeitskraft "besonders im Umwelt- und Energiebereich".
  • Und da sind dann noch die Bauern, die Beamten und noch ein paar andere Gruppen im Lande, an denen ein grüner Verzichtsideologe seine Version des gesunden Volksempfindens betätigen kann. Überall findet er Leute, die das ökologische Gleichgewicht stören.

Wie sagte doch Hasenclevers Fraktionskollege Kretschmann?

"Wir sind eine Partei und kein Mönchsorden. Wenn wir uns etablieren wollen, dann können wir nicht immer die weiße, grüne Weste anbehalten, sondern müssen uns auch mit dem befleckten Geschäft der Politik einlassen."

Diesen Fortschritt zumindest kann man den GRÜNEN nicht bestreiten.

Vom grünen Umgang mit Parasiten

Was, wenn die Bürger - jung oder alt -nicht hinreichend kreativ und einsatzbereit in Sachen Opfer sind? Vom grünen Standpunkt aus gestaltet sich die Antwort darauf recht einfach: dann werden sie als Schädlinge betrachtet und behandelt. Aufgrund der herrschenden parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse (vorläufig) nur ganz theoretisch. Kostproben dieses Umgangs liefert die Bremer Sektion des grünen Parlamentarismus.

"Die Intellektuellen spielen die Klaviatur des Sozialstaats voll aus",

diagnostiziert der Bremer Abgeordnete Olaf Dinne, und die konsequente Therapie verabreicht seine Kollegin Delphine Brox in einem Artikel mit dem Titel "Züchte Raben und sie kratzen dir die Augen aus":

"Der normale Bürger bezahlt mit seinen Steuern diejenigen, die ihm anschließend den Laden einschlagen, ihn ausplündern und sein Häuschen mit ekelhaften Parolen beschmieren. Für dieses Gesellschaftsmodell der SPD gibt es nur einen Namen: pervers!"

Wahrlich, wir leben in modernen Zeiten. Heute heißt es nicht "Rübe ab!", wenn es jemand an Tauglichkeit für das große Ganze fehlen läßt. Heute reicht die Forderung, "die Millionensubventionen an die Linkssektierer einzustellen." (Brox)

Perversion oder Folgerichtigkeit grüner Politik?