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DAS BLEIERNE BOOT
Im ersten Teil dieser Doppelvorstellung von Margarete von Trotta und der Bavaria-Film GmbH tauchen wir tief hinab in die jüngere deutsche Vergangenheit und erleben action von absolutem Hollywood-Format. Deutschland als U-Boot, so lautet die kaum verschlüsselte Botschaft des Streifens: Es läuft aus, greift an, wird selbst gejagt, fast auf Grund gesetzt, taucht immer wieder auf, wird notdürftig repariert und zerbricht an den inneren Widersprüchen im Heimathafen. Nach dem Roman von Buchheim wurde in der Nordsee und im Studio gedreht. Herausgekommen ist nur vordergründig ein Kriegsfilm mit Torpedos, Wasserbomben, Geleitzügen und dem beengten Leben im U-Boot. Zwar haben die Fachleute für special effects keine Mittel und Mühen gescheut, um den gnadenlosen Feldzug auf und unter dem Meeresspiegel in Farbe und Breitwand wieder auferstehen zu lassen, im Mittelpunkt des Geschehens steht jedoch ein deutsches Schicksal: Der "Alte", ein tragischer Held, der trotz der selbst erkannten Sinnlosigkeit seines Auftrags und der sich abzeichnenden Erfolglosigkeit seiner Mission um die ihm anvertrauten Männer kämpft.
Nur scheinbar ubergangslos setzt der zweite Teil in den siebziger Jahren ein, trotzdem ist er ohne das Vorspiel unter Wasser nicht zu verstehen. Zwar sind nicht mehr die Männer der Kriegsmarine Träger der Handlung, sondern zwei deutsche Schwestern, die in einem Pfarrhaus nach der bedingungslosen Kapitulation aufwachsen. Jedoch auch hier ist die muffige Enge, das zermürbende Warten auf den Einsatz, die die menschliche Beziehungen auf die starre Regel der Ordnung reduzieren, der Schlüssel zum Verständnis individuellen Handelns. Die eine Schwester hält das nicht mehr aus, taucht unter und erlebt die klassische U-Boot-Situation: Kampf gegen eine überwältigende, technisch überlegene Übermacht bis zum bitteren Ende. Während jedoch der U-Boot-Kommandant eindeutig durch Feindeshand umkommt, bleibt der Tod der militanten Schwester ungeklärt: Mord oder Selbstmord, das ist die Frage, an deren Klärung sich die andere Schwester macht. Genau hier setzt die Schwäche des zweiten Teils ein. Während die Zeit im Boot sich nie in platter Turbulenz des Geschehens verliert, sondern gerade die perfekteste action den Problemhorizont des Werks dem Betrachter unter die Haut gehen läßt, beschränkt sich von Trotta im Folgestreifen auf allzu vordergründige Effekthascherei. Hier wird nicht mehr in verfremdenden Kulissen gedreht, sondern mit fadem Realismus auf die Wirkung des authentischen Stammheim und die Erinnerungen an die realen Schlüsselpersonen vertraut. Das exaltierte Spiel der Hauptdarstellerinnen verfälscht den Aufeinanderprall zweier Wege deutscher Schicksale zu einem Frauenroman ungleicher Schwestern. Unverständlich, warum die Jury in Venedig auf den primitiven Sensationsjournalismus des zweiten Teils hereinfiel und d ie sublime Gestaltungskraft des ersten einfach überging.