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Dieser Artikel ist in der MSZ 4-1981 erschienen.
Ideologien der Kriegsfinanzierung
STAAT MACHT SACHZWANG UND RUINIERT SICH DAMIT
Die den Marxisten zugesprochene Sentenz, daß sich alles gesellschaftliche Leben "letztlich" auf den herrschenden ökonomischen Verhältnissen gründe, wird von niemandem so ernst genommen wie von den Gegnern des Marxismus. Diese haben nämlich ein tiefes Interesse daran, sich die Handlungen des bürgerlichen Staates als Ausfluß ökonomischer Sachzwänge zu erklären, ihn zum Bloß- Verwalter und Bloß- Förderer des Wachstums, welches wiederum vom Kapital betrieben wird, zu verharmlosen. Grad in solchen Situationen, wo der Staat sehr souverän gegenüber der ihm zugrundeliegenden Ökonomie nur sich zum Programm macht und alles gesellschaftliche Leben auf seine Behauptung und gewaltsame Durchsetzung verpflichtet, grad da macht der bürgerliche Verstand große Anstrengungen, aus dem "letztlich" ein "direkt" zu machen und noch die letzten staatlichen Wahnsinnstaten in ein ökonomisch unausweichliches Schicksal zu verwandeln. (Komplementär dazu: Politiker drehen durch.)
Ihren Höhepunkt erreicht solche Apologetik konsequenterweise in Krieg und Faschismus: Noch jede sozialkundliche "Erklärung" kann auf die Behauptung nicht verzichten, der Krieg sei um ökonomischer Vorteile willen - geführt worden und der Faschismus verdanke sich ungelösten Problemen des Wachstums. In ihrem gemeinsamen Willen, den Staat vor seinen eigenen Taten zu entschuldigen, lassen sich da Bürger und Revisionist selbst vom bloßen Augenschein nicht beirren - wo ist es denn in Krieg oder Faschismus jemals um die Beseitigung "ökonomischer Probleme" gegangen?
Warum fällt niemandem die Freiheit des Staats in seinem Umgang mit der Wirtschaft auf, wenn er ihr jetzt einige Anstrengungen abverlangt, ohne sich davon abhängig zu machen - allerdings auch, welche Freiheit er seinem Kapital damit und dafür verschafft?
1. Inflation - Ruin der Finanzen?
Das erste an der Staatsverschuldung entdeckte "Problem" ist die Inflation: Der Staat rufe mit ihr eine lästige und sozusagen unvermeidbare Belastung seiner selbst und der Wirtschaft ins Leben. Eiserne ökonomische Gesetzlichkeiten machen sich ununterdrückbar geltend und rufen dem Staat in Erinnerung, daß sein Egoismus sich letztendlich an Maßstäben vernünftigen ökonomischen Handelns zu relativieren hat. Dieser Gedanke streicht einfach durch, daß die Staatsschuld Ausgangspunkt und Grundlage der Inflation ist, daß diese also vom Staat ins Werk gesetzt wird, - leugnet also die staatliche Absicht mit der Behauptung, an der Inflation könne doch, da schädlich, niemandem liegen. Wem aber soll denn diese "Geldaufblähung" schaden?
Der gute alte Brockhaus findet offene Worte:
"Sie begünstigt die Schuldner zu Lasten der Gläubiger und führt zur Enteignung der Geldvermögen."
"Der Staat kann sich durch Inflation leicht von seiner auf inländische Wäbrung lautenden Schuldenlast befreien."
Wie kann man da noch behaupten, die Inflation würde dem Staat schaden? Was gibt es Schöneres auf der Welt, als sich dadurch zu entschulden, daß man neue Schulden macht? Was gibt es Schöneres, als sich laufend neue Waffensysteme mit gepumptem Geld zu kaufen und dadurch die alten Schulden - ebenfalls für Waffen aufgenommen - zu entwerten?
Angesichts der Tatsache, daß Staatscchuld und Inflation Hand in Hand gehen und dem Staat als Initiator diese Tatsache ja wohl nicht unbekannt ist, angesichts dessen gehört schon ein eingewurzeltes ideologisches Interesse dazu, den Staat ausgerechnet dann in eine Klemme manövrieren zu wollen, wenn er mit dauernder, massiver Neuverschuldung mit immer derselben Klappe zwei Fliegen auf einmal schlägt: Ungehinderter Einkauf und Schuldentilgung.
Ja, aber er bereichert sich doch auf Kosten der Gläubiger? Und die Gläubiger sind obendrein noch die Lieblingsbürger, an deren Kapitalmarkt er als Borger auftritt?
Dieser Einwand vertauscht, um sich schreckliche Belastungen des Kapitals incl. heimtückischer Rückwirkungen auf den Staatszweck auszumalen, schnell die personae dramatis und stellt sich auf den Standpunkt des Hänschen klein. Dem bleibt tatsächlich nichts anderes übrig, als dem Dahinschmelzen seines Sparguthabens zuzusehen - das er gleichzeitig nicht auflösen kann, weil trotz allem ein Notgroschen unbedingt erforderlich bleibt - und die ständig steigenden Preise zu bezahlen. Aufgrund seiner materiellen Lage wird ihm die Härte eines in Vergessenheit geratenen Gesetzes auch nicht bewußt -
"Geld... vom Staat eigens und ausdrücklich anerkanntes, durch Währungsgesetz bestimmtes gesetzliches Zahlungsmittel, das jeder annehmen muß" (Meinhold) -
wäre er doch froh, wenn man ihm zum Annehmen von viel Geld zwingen würde, obwohl dieses Gesetz andererseits die staatliche Festschreibung dessen ist, daß er von seinem Lohn zu leben hat, selbst wenn sich die Kaufkraft, die für ihn ja zählt, beständig verschlechtert. Gleichzeitig muß er sich von (Gewerkschafts-)Ideologen Theorien über seine "Beteiligung" an der Inflation aufbrummen lassen, wobei es keine Rolle spielt, ob man die "Lohn-Preis-Spirale" arbeitnehmerfreundlich in "Preis-Lohn-Spirale" umdichtet - bescheuert ist es in beiden Fällen.
Sich die reale Verarmung der Massen als Beleg für eine Belastung des Kapitals auszudenken, sagt eigentlich schon alles über die Freiheiten des kapitalistischen Umgangs mit der Inflation. Mal abgesehen davon, daß es noch immer die Herren Unternehmer sind, die mit freundlicher Unterstützung des durch die Staatsverschuldung garantierten Kreditwesens die Preise hochsetzen, bekommen sie
- erstens den Zins, da sie ja die "Gläubiger" sind, und
- zweitens die Schuldenentwertung, da sie genauso "Schuldner" wie "Gläubiger" sind. Es liegt doch ganz in der Kalkulation eines Unternehmers, was er mit der Inflationsrate anfängt, sei es nach der Seite der Preisgestaltung, sei es nach der Seite der Kreditaufnahme, sei es durch Ausnutzen der Differenzen zwischen den verschiedenen Nationen. Da steht ihm außerdem ein ganz anderer Umgang mit dem "Währungsgesetz" zu: Zwar wird er im Inland wohl auch DM annehmen müssen - wer aber soll ihn daran hindern, die DM in ihm günstig erscheinende Währungen umzutauschen und sich an der in aller Welt stattfindenden Ausbeutung zu beteiligen? Selbst den Fall gesetzt, die inländische Inflationsrate sei der für ihn ausschlaggebende, hinderliche oder förderliche Faktor - es wird sich doch irgendwo eine niedrigere (oder höhere, je nachdem) finden lassen. Und wenn er sich umschaut, wird er feststellen, daß die Inflationsraten in allen kapitalistischen Ländern garantiert steigen, was wiederum gewisse Unsicherheiten der Kalkulation beseitigt.
II. Der Zins - eine schwere Last?
Für den Staat sicher nicht, denn er macht ihn ja, indem er dem Kapitalmarkt immer die Konditionen anbietet, die Kapitalzustrom in seinen Säckel bewirken. Wenn die Zinsen dabei steigen - nun gut; die dadurch "anschwellende Schuldenlast" wird sich eben durch Neuverschuldung begleichen lassen. Wie gehabt.
Um sich einen vom Zins gebeutelten Kapitalisten vorzustellen, muß natürlich auch wieder der Nicht-Kapitalist an den Haaren herbeigezogen werden, wenngleich alle an ihm vorgestellten oder demonstrierten "Schwierigkeiten" immer nur beweisen, daß die Kapitalisten ganz andere Möglichkeiten des Umgangs mit einem hohen Zins haben. Weswegen diese Demonstration auch nie explizit gemacht wird, sondern nur mittels der Abstraktion "Wirtschaftssubjekt" an jedermann geläufige Befürchtungen appelliert, die sich mit dem Wort "Schulden" einstellen.
Wer tagtäglich zur Arbeit geht, auf den Verkauf seiner Arbeitskraft angewiesen ist, erhält mittels Kredit die Chance, sich Zugang zu Konsum zu eröffnen, den ihm sein knappes Einkommen nicht eröffnet. Der Kauf eines Autos z.B. entfernt aber das geliehene Geld für immer aus den Händen des Angestellten oder Arbeiters. Um die Schulden zurückzuzahlen und die Zinsen entrichten zu können, muß er die Tugend der Sparsamkeit, des zusätzlichen Konsumverzichts, praktizieren. Ab dem Zeitpunkt der Verschuldung wandert ein Teil des Einkommens, den er mit seiner Arbeit erwirbt, in den Topf der Kreditinstitute.
Der Wille, den Feierabend der Proletarierexistenz in eigenen vier Wänden verbringen zu können - Hauptgrund für die Verschuldung -, hat diesen Menschenschlag zu wahren Meisterleistungen im Verzicht angespornt. Die Zinslasten haben mitentscheidend die Aufwendungen für den Erwerb von Wohnungseigentum auf 40% des Einkommens anschwellen lassen, so daß heute Wohnungsnotverkäufe an der Tagesordnung sind.
Besser als durch die Tatsache, daß ein Wohnungseigentümer einen Großteil seines durch Arbeit verdienten Einkommens für sein Eigentum ausgibt, könnte man nicht mehr demonstrieren, daß der Herr Wohnungseigentumer kein Eigentümer geworden ist. Die wirklichen Eigentümer bestreiten ihren Schuldendienst nicht durch Abzug aus dem Konsum. Die Zinsen, die sie an das Geldkapital zu zahlen haben, berechnen sie als Kost, die ihnen der Verkauf ihrer Waren auf jeden Fall hereinzubringen hat. Man stelle sich nur einen Augenblick vor, daß die Proleten die Zinsen, die sie zahlen, den Käufern ihrer Ware Arbeitskraft in Rechnung stellen.
Der Witz an der Berücksichtigung der Zinsen als Kosten in der Buchführung des industriellen Kapitalisten besteht darin, daß das, was Gewinn ist, als Kost auftaucht, und zwar nur deshalb, weil es der industrielle Kapitalist an eine andere Sorte von Kapitalisten wegzahlt.
Den Anspruch an den gesellschaftlichen Reichtum, den die Banker mit der Verleihung ihres Kapitals stellen, setzt der Industrielle in der Organisation der Ausbeutung im Betrieb durch: Der Herr Unternehmer ist so frank und frei, in seiner Kalkulation nicht nur den Anspruch der Banker auf Zinsen auf ihr Kapital zu vermerken und durchzusetzen, sondern auch für das eigene Geldkapital Zinsen als Kosten zu berücksichtigen.
"Die meisten Kostenfachleute vertreten die Ansicht, daß in der Kostenrechnung nicht nur für das Fremdkiikpital, sondern auch für das Eigenkapital Zinsen verrechnet werden müssen. Die Notwendigkeit zur Verrechnung von Zinsen ergibt sich daraus, daß der Unternehmer, der Eigenkapital in seinem Betrieb anlegt, darauf verzichtet, dieses Kapital anderweitig zinstragend anzulegen. Könnte der Unternehmer z.B. durch den Kauf von Wertpapieren 9% erwirtschaften, so sollte auch das in der Unternehmung investierte Eigenkapital eine Mindestverzinsung von 9% erbringen. Diese Mindestverzinsung ist in der Kostenrechnung durch dle Berechnung kalkulatorischer Zinsen zu berücksichtigen."
Klar ist also, daß nicht nur fremder Gewinn als Kost zu betrachten ist, die ersetzt werden muß (im Verkaufspreis), sondern auch eigener Gewinn Kost ist.
Der industrielle Kapitalist, der Verwalter der Ausbeutung, betrachtet sich ganz lässig selbst als Geldkapitalisten und von diesem Standpunkt aus läßt er das, was er Gewinn zu nennen geneigt ist, erst jenseits der Zinsen auf sein eigenes Kapital anfangen. Mit der Verrechnung kalulatorischer Zinsen erhebt der Industrielle einen doppelten Gewinnanspurch: als Eigentümer von Geldkapital und als Besitzer des Produktionsprozesses.
Die Frage danach, ob denn die Kapitalisten die hohen Zinsen noch verkraften, ist angesichts dessen, was Zinsen sind (= ein Teil des Mehrwerts), und wie die Unternehmer damit umgehen, eine Dummheit. Ändert sich die Höhe des Zinssatzes, den sie für das Fremdkapital zu zahlen haben, so ändert sich eine der Grundlagen für das eigene Geschäft. Es gilt jetzt, die Produktion auf dieser neuen Basis lohnend zu machen. Und: der Maßstab, was lohnend ist, verschiebt sich mit jeder Zinserhöhung (siehe kalkulatorische Zinsen).
Wie man das Geschäft aufbauend auf hohen Zinsen zu einem Erfolg macht, bleibt kein Geheimnis: Mehr Arbeit für weniger Lohri bei weniger Arbeitern. Dies ist das Ergebnis aller aufwendigen Produktionsumstellungen, die mit teuerem geliehenem Geld ins Werk gesetzt werden. Daß die Herren Unternehmer bei hohen Zinsen nicht verzweifeln, belegt das gestiegene Kreditvolumen hierzulande.
III. Rüstung - ökonomischer Widersinn?
Sicher, wenn man sich den Kapitalismus unbedingt als einen sinnreichen Mechanismus zur Erstellung von ganz vielen ganz nützlichen Gütern vorstellen will, wenn man weiter im Staat den obersten Verwalter dieses Mechanismus und gerechten Lenker der Güterströme sehen will, dann allerdings ist die Rüstung ein "volkswirtschaftlicher Verlust", an dem dem Staat doch nie und nimmer gelegen sein kann. Da sind schnell allerhand Entschuldigungen gefunden, wie daß er sich in den Klauen der Rüstungskonzeme befinde, und noch der allerordentlichste Bürger stellt sich die Frage, ob die zweifelsohne für notwendig befundene Rüstung nicht billiger kommen könnte, den Staat nicht an der Erfüllung anderer Aufgaben hindere, ob die durch Rüstung geschaffenen Arbeitsplätze in der Quantität nicht den durch "zivile" Staatsprogramme geschaffenen Arbeitsplätzen unterlegen seien - und selbst der Rechtsaußen mag sich über die Beeinträchtigung der staatlichen Handlungsfreiheit durch die unverschämten Profite der Bauer der schimmemden Wehr empören.
Zwar ist richtig,
- daß der Staat die von ihm gekauften Güter einem Verwendungszweck zuführt, der aller kapitalistischen Rationalität Hohn spricht: Die Waffen taugen weder als Mittel der Ausbeutung noch dienen sie der Reproduktion des in den Fabriken gebrauchten Arbeitermaterials - einem der Kaserne aufgestellte Waschmaschine ist eben etwas ganz anderes, als eine im Arbeiterhaushalt aufgestellte. Der "Staatskonsum" legt nämlich Teile der gesellschaftlichen Arbeit brach: Wert und Mehrwert, den die vom Staat "konsumierten" Güter repräsentieren, fallen aus dem gesellschaftlichen Reproduktionsprozeß heraus, d.h. sie können nicht als Mittel für weitere Ausbeutung verwendet werdea, verstoßen also gegen das oberste kapitalistische Gebot, daß nämlich Reichtum zur Akkumulation neuen Reichtums dienstbar zu sein hat:
"Ein Teil ihres (der Gesellschaft) angelegten Kapitals oder Arbeit ist nicht reproduziert - wirklicher Ausfall in der Produktion. Ein Teil des Kapitals muß abgelassen werden, um diese Lücke zu füllen, und zwar ein Teil, der nicht in einfach arithmetischem Verhältnis zum Ausfall steht... Krieg versteht sich von selbst, da er unmittelbar ökonomisch dasselbe ist, als wenn die Nation einen Teil ihres Kapitals Ins Wasser würfe." (Marx, Grundrisse, 47)
- bloß: 1. ist diese Vernichtung gesellschaftlichen Reichtums durch den Staat immer gegeben, wenn er nämlich Mittel für die von ihm für notwendig erachteten Vorbedingungen des kapitalistischen Produktionsprozesses ausgibt, also auf ihre produktive Wirkung setzt.
2. kann es dem Kapitalisten - und auf den kommt es an -, mit gutem Grund gleich ganz egal sein. Ihm ist nicht nur schnuppe, welche "Güter" er produziert, am liebsten würde er gar keinem Produktionsprozeß sein wertvolles Kapital anvertrauen und es stattdessen, eleganter, einfach die selbstvermehrende Kraft des Kapitals in Form des Zinses genießen lassen. Das ändert freilich nichts daran, daß der Zins Abzug vom Mehrwert ist, so daß für jeden industriellen Kapitalisten - obwohl sie sich alle auch als Geldkapitalisten betätigen - klar ist, daß sein Profit den Zins zu überschießen hat (vgl. II!), womit glücklich dafür gesorgt wäre, daß es doch immer noch ein paar von dieser Spezies gibt. Wenn nun viel Geld und gesellschaftliche Arbeit in die Rüstung geht, gesellschaftlicher Reichtum vernichtet wird, so ist ihm das aus drei Gründen nicht nur kein Problem, sondern eine günstige Gelegenheit:
1. ist eben über die Rüstungskapitale Nachfrage nach einer bunten Reihe von Vorleistungen vorhanden.
2. gibt es Kredit reichlich und dauerhaft.
3. ist sein Geschäft ja die Entwertung von Kapital.
Punkt 1 bedarf keiner besonderen Erläuterung und könnte in seiner ganzen positiven Wirkung nur durch Verteuerung der Arbeit - infolge verstärkter Nachfrage im Rüstungssektor - getrübt werden. Aber da ist zum einen die deutsche Einheitsgewerkschaft davor, zum anderen ist durch Rationalisierung und dazugehörige industrielle Reservearmee für ein breites Angebot an billiger Arbeitskraft gesorgt.
Außerdem: Die gezielt betriebene Verelendung der Arbeiterklasse durch den Staat vermittels seines "Sparprogramms" ist ein ökonomisches Angebot an die Kapitalistenklasse insofern, als quasi automatisch vermehrte Leistung auf seiten der Arbeitskraft herausspringt, will sie die Mittel des Lebensunterhalts zusammenkratzen. Der "Automatismus" wäre freilich schnell durchbrochen, würde sich die Arbeiterklasse umgekehrt darauf besinnen, was diese Aufblähung des Staatshaushalts für sie bedeutet, sich also dieser Kriegsfinanzierung aus sehr eigennützigen Motiven widersetzen. Was im übrigen der "Beitrag" der Arbeiterklasse zur "Friedenssicherung" ist.
Punkt 2 heißt nichts anderes, als daß eine unbegrenzte Ausdehnung des Geschäfts mit Schulden möglich ist - ein weiterer Vorteil der demokratischen Kriegswirtschaft: Auflagen oder Vorschriften hinsichtlich der Anlage produktiven Kapitals sind verpönt -, wobei zur angeblichen "Last" des Zinses schon alles gesagt wäre. Wenn manche damit Schwierigkeiten haben, haben sie sich eben nicht als konkurrenztüchtig erwiesen.
Und Konkurrenztüchtigkeit heißt heutzutage, Rationalisierung und Erweiterung nach Maßgabe eines gestiegenen Gewinnanspruchs durchzuführen, welcher wiederum durch die Zinshöhe vorgegeben ist und neue Maßstäbe in der Größe des erforderlichen Kapitals setzt. (Hier ist die Rüstungsindustrie insofern wegweisend, als ihr die vbm Staat garantierten Gewinne und Expansionsmöglichkeiten einen dauerhaften Zustrom von Aktienkapital verschaffen.) Da heißt es, noch rascher das Kapital umschlagen, noch höher abschreiben, noch umfangreicher alte Maschinerie hinaus und neue hereinzuhauen. Die, die dabei hops gehen, beflügeln den Zentralisationsprozeß ungemein, was wiederum zu größeren Kapazitäten führt usw. usw. Entwertung, Brachlegung und schließlich Vernichtung des vorhandenen Kapitals sind die gewöhnlichen Formen, mit denen die Kapitalisten ihren Konkurrenzkampf untereinander austragen. Es kommt ja nur sehr bedingt darauf an, aus einem vorhandenen sachlichen Kapital durch sachgerechte Benutzung möglichst viele nützliche Güter hervorgehen zu lassen und neue Maschinerie unter dem Gesichtspunkt einzuführen, daß sich mit ihr ein weiteres Stück menschliche Arbeit einsparen läßt - Gebrauch und Ersatz des Kapitals,haben ihr Kriterium ja an der Profitabilität, deren Standard wiederum durch die Konkurrenz vorgeschrieben ist. Daß mit Rüstung und Krieg "ein Teil des Kapitals ins Meer geworfen wird", drückt sich umgekehrt für den Kapitalisten nur dahin aus, daß ihm sein Zeug gewinnbringend abgekauft wurde und damit Möglichkeiten zu noch gewinnbringenderer Anlage eröffnet. Es ist also ein Fehler - siehe den Anfang von III. -, verwundert die Warenwelt der kapitalistischen Gesellschaft von ihrer Gebrauchswertseite zu beglotzen, Verschwinden von Gebrauchswerten zu bejammern, wo doch das Kapital die ganze Zeit erklärt, daß es ihm auf die besonderen Dinger, die es da produziert, überhaupt nicht ankommt. Es ist ein Fehler, die staatlich betriebene Vernichtung von Reichtum in manchen Fällen für gut, in anderen für schlecht zu halten, streicht man doch so die eindeutige Funktionalität, die der Staat diesen Ausgaben fürs Kapital zumißt, einfach durch und tut so, als käme er mal mehr, mal weniger seinem segensreichen "sozialen Auftrag" nach; die Parole "Bildung statt Rüstung" z.B. verwandelt den staatlichen "Konsum" in eine Palette von "guten" und "schlechten" Dienstleistungen für "die Gesellschaft" und verharmlost gerade so mit ihrer Kritik die zielstrebige 'Einseitigkeit' staatlicher Ausgaben.
Fürs Kapital zählt, daß Geld da ist, wogegen man nicht halten darf, daß doch die "zugehörige Güterdeckung" verschwunden sei. Nicht erst mit der staatlichen Übernahme der Kreditakkumulation und deren - zwar gesteuerten, aber tendenziell unbegrenzten - Ausweitung ist doch klar, daß Geld und Kredit sich um ihre "reale Deckung" nicht im geringsten scheren, vielmehr die Ansprüche aus Kredit und zinstragendem Kapital den sachlichen Reichtum sich gemäß machen. Wenn in den Krisen unserer Altvorderen das reale Kapital diesen Anspiüchen aufgeopfert wurde, ohne daß dabei der Kapitalismus jemals an den Rand des Abgrunds geriet, stattdessen aus jeder Krise ein neuer fulminanter Aufschwung entstand, wieso soll dann gerade jetzt - angesichts der Möglichkeiten, die dem produktiven Kapital geboten sind - die vom Staat betriebene Schrankenlosigkeit des Kapitalmarkts die Ausbeutung zum Erlahmen bringen? Wie wär's mit dem Gegenteil?
Es ist schon albern, dem Staat grad hier, wo er mit seinem unbegrenzten Kredit und den garantiert hohen Zins- und Inflationsraten, außerdem mit seinem massiven Druck auf die Arbeiterklasse (die gewaltsamen Übergänge führen die USA täglich vor), den Kapitalismus entfesselt, ein ängstliches Schielen auf seine Ökonomie anzudichten. Hier die Krise als Dauereinrichtung in Form von Rationalisierung, Arbeitslosigkeit, rapider Entwertung der sachlichen Bestandteile des Kapitals und Pleiten erzwingen, ist eben etwas ganz anderes, als immer neu den Krisenzyklus durchzusetzen.
Wieso muß man sich eigentlich immer die Frechheiten der Politiker zu eigen machen, wenn diese die Lüge von den ökonomischen Sachzwängen -
"...wie stark unsere Entwicklung in die Lage der Weltwirtschaft eingebunden ist. Diese ist gegenwärtig durch eine in der Nachkriegszeit noch nie dagewesene Kumulation von Strukturkrisen, Rezession und hohen Zinsen gekennzeichnet." (Matthöfer) -
gleich noch um die ergänzen, sie könnten deswegen ihrem Kapital manche "Belastung" nicht ersparen? Wieso muß man denn gerade den Kapitalisten ihr ernstes Problem abnehmen, daß sie sich beim Gewinnemachen schwerer täten, und dafür als Beleg herbeizitieren, daß einige von ihnen vom produktiven Geschäft sich zurückziehen und sich auf die Vermehrung ihres Geldkapitals durch die fortschreitende ausbeuterische Tätigkeit der übrigen verlassen müssen. Wieso faßt man es nicht einfach so auf, daß damit noch mehr Geldkapital für die Expansion des Geschäfts an den profitabelsten Punkten bereitgestellt wird? Wieso schließlich will man dem Staat, der auf diese von ihm ins Werk gesetzte Entfesselung des Kapitals setzt, unbedingt nachsagen, er müsse doch das tun, was er immer getan habe? Eine Idylle, früher? Lustig ist die Diskussion schon, denn das Terrain der ökonomischen Sachzwänge ist schon längst vom Staat besetzt, weswegen der ganze Disput darüber verläuft, ob er sich zwischen den Sachzwängen nicht so habe einklemmen lassen, daß die ihm eigentlich zukommende Handlungsfreiheit - die man nun plötzlich an ihm entdeckt - nicht zum Tragen komme. Ein Vorwurf, mit dem sich leben lälßt: Nicht, was er tut, wird dem Staat vorgerechnet, sondern, daß er nichts tut - eine Spezialität demokratischer Opposition. Worauf im übrigen die berufenen Fachleute kaltlächelnd erklären, es bestünde "kein wirtschaftspolitischer Handlungsbedarf", welch' offenherzige Auskunft darüber, daß schon alles getan wurde, auch niemanden zur Besinnung bringt.
IV. Autarkie - Gefährliche Selbstbeschränkung?
Den Beschluß des deutschen Staates, sich in der Energieversorgung zunehmend durch heimische (Atom-)Produktion unabhängig zu machen und dabei die Kosten erst an zweiter Stelle rangieren zu lassen, kann man auch einfach umdrehen und in das Ergebnis einer Zwangslage verwandeln. Dies hat den unübersehbaren Vorteil, das heiße Eisen "Autarkie" - heiß, weil es ja irgendwie an eine dunkle Epoche der deutschen Geschichte erinnert - gleich so anfassen zu können, daß die vielen sodann auftauchenden Gefahren und Nachteile jedem "totalitären" Verdacht wirksam entgegentreten, und zweitens fällt nebenbei eine kleine Ehrenrettung dieser dunklen Epoche ab:
"Als Hitler im Herbst 1936 den Vierjahresplan verkündete, war dies keineswegs nur ein wirtschaftliches Parallelpropramm zur Aufrüstung, es hatte seine Ursachen nicht minder in dem chronischen Devisenmangel des Reiches und in einer beispiellosen Innovationswelle aus den Forschungserfolgen der 20er Jahre."
Die schöne Unbestimmtheit des "Parallel" leugnet so zwar nicht die Dienstbarkeit der Wirtschaft für die faschistische Aufrüstung, erlaubt aber auch, zielstrebig einen artverwandten Sachzwang zur heutigen Situation zu entdecken - "Devisenmangel". Daß es der Herr Hitler womöglich gar nicht auf Devisen und munteren Tausch über die Grenzen abgesehen hatte - abgesehen davon, daß er sich von "Forschungserfolgen" sicherlich zu nichts zwingen ließ, sie vielmehr begeistert ausnutzte - interessiert für den hier gewünschten Beweis nicht. Stattdessen: Er mußte wohl oder übel zu autarkistischen Maßnahmen greifen. Und genauso müssen "wir" heute auch:
"Heute ähnelt die Entwicklung in einem Punkte der von 1936, nämlich in dem sich immer deutlicher abzeichnenden Devisenmangel, gemeinhin Loch in der Leistungsbilanz genannt."
Die Lüge über Hitlers "parallelen" "Devisenmangel" schiebt glücklich jedem weiteren Ähneln einen Riegel vor, und überträgt sich des weiteren genial auf die heutigen Kriegsvorbereitungen, die selbstverständlich kein "Parallelprogramm" darstellen, sondern - Stopfen von Löchern, Umgang mit Mangel. War es schon verrückt genug, ausgerechnet Hitler durch Devisenmangel in die Ecke getrieben sich vorzustellen, so denkt man, daß diese Behauptung über das moderne Deutschland - das seinem Leistungsbilanzdefizit einen gleichbleibend hohen, ja steigenden Bestand an Währungsreserven gegenüberstellt, also in aller Welt Kredit genießt bei weltweitem Handel des Kapitals - jedermann nur ein müdes Lächeln entlocken kann. Aber offensichtlich zieht mal wieder die Hänschenklein-Vorstellung: Schulden = Geld weg = nix kaufen können.
Maßnahmen, die dem Staat durch "Devisenmangel" - dieser wiederum Ergebnis des "Diktats der Ölpreise" - aufgezwungen sind, sind so einerseits unumgänglich, andererseits aber auch sehr gefährlich:
"Devisenmangel verleitet dazu, einen gefährlichen Weg zu beschreiten."
Schon an Hitler sah und sieht man ja, wohin das führt:
"Gerade die Erinnerung an die Jahre nach 1936 mahnt zu solcher Zurückhaltung, denn damals wurden aus Staatsmitteln Betriebe errichtet, dle heute noch chronisch schwache Punkte sind, zum Beispiel Salzgitter. Ohne permanente Staatshilfe wäre dieser Konzern nie am Leben geblieben."
An der ununterbrochenen Wiederholung von Devisen mangelt es also nicht: Der Staat soll seine Wirtschafteaufrüstung so durchziehen, daß das Kapital sein Geschäft macht und dem Staat unnötige Auegaben erspart bleiben. Damit kann gedient werden.
Wer aber belästigt den Staat bei seinem eigentlich guten Wollen, zwingt ihm so zweifelhafte Schritte wie die Autarkie auf?
"Zwar ist es verpönt, von Autarkie zu sprechen (mutig, gell?), statt dessen sagt man heute Protektionismus. Er läuft fast auf das gleiche hinaus."
Man traut kaum seinen Augen: Protektioniemus, der noch in jedem kapitalistischen Land seit ewigen Zeiten umherspazierende Bruder des freien Welthandels, soll nun plötzlich Autarkie sein? Das Rätsel ist schnell gelöst: Die autarkistischen Maßnahmen des BRD-Staates verdanken sich den anderen, die mit ihren protektionistischen - jetzt flugs zu autarkistisch er klärten Maßnahmen, "uns" Schwierigkeiten machen, das "Loch in der Leistungsbilanz" zu schließen (heißt: dem ungehemmten Gang des deutschen Kapitals Steine in den Weg legen) -
"Die US-Amerikaner haben mit ihren Trigger-Preisen für Walzstahleinfuhren das schlimmste Beisplel gegeben (plötzlich), wie man zum Schutz einer verschlafenen, veralteten Industrie den Welthandel drosselt. Mit der Beschränkung für die Einfuhr japanischer Autos haben sie diesen Weg folgerichtig fortgesetzt, und sind dabei weit, weit (man beachte das Pathos!) von der stolzen liberalen Tradition abgerückt... (und die Japse schicken jetzt ihre Autos womöglich hierher)
In Erinnerung daran ist es eine Schande, wie große europäische Automobilkozerne, voran die Franzosen und Italiener..." -
weswegen "unsere" autarkistischen Maßnahmen gar keine sind, sondern nur berechtigter Gegen-Protektionismus:
"Nur der deutsche Wirtschaftsminister Graf Lambsdorff steht wie ein Turm in der Schlacht" (man beachte das Pathos!) "zur Abwehr dieser törichten Forderungen."
Gerettet! Keinesfalls kann man sich mit der Autarkie einverstanden erklären, aber sein muß sie schon.
"Europa muß mit seiner Devisenklemme fertigwerden und so mag energiewirtschaftliche Autarkie verständlich sein (das machen nämlich wir zur Zeit bloß das!), wenn auch nicht billigenswert. Aber jede Handelseinschränkung darüber hinaus (Ihr anderen!), ist ein Stück Selbstmord für dieses Europa..." (Alle Zitate aus der Südd. Zeitung vom 4.6.)
Kopf hoch, Hans!
Finanzminister Matthöfer schüttelten während der Haushaltsdebatte des Bundestages (Alp-)Träume:
"In den USA gibt es in der Tat Zinssätze, von denen wir nicht einmal träumen - 30 Jahre Laufzeit, 14%! - überlegen Sie sich das mal, die USA, die reichste Volkswirtschaft der Welt."
Wird schon noch werden, Hans.
Karl Otto Pöhl, Bundesbankpräsident, hat "Hemmungen",
nämlich einen "Begriff zu vermeiden", nämlich den "Begriff 'Krise'". Der Bursche weiß genau, was los ist, aber gar zu gerne würde er mit der propagandistischen Wucht des Krisengeschreis um sich holzen. Andererseits hemmt ihn die Vorstellung, daß sich mit dem "Begriff Krise" landläufig die Vorstellung verbindet, es könnte mal wieder besser werden.
Ansonsten ist Karl-Otto aber wohltuend sachlich:
"Pöhl wies darauf hin, daß die Ausgaben der öffentlichen Hand im laufenden Jahr fast doppelt so stark steigen sollen wie ursprünglich geplant, obwohl slch die Lohnabschlüsse im öffentlichen Dienst durchaus im Rahmen der Projektion bewegt hätten. Das Wachstum des Defizits im Bundeshaushalts sei keineswegs in vollem Umfang konjunkturbedingt." (Südd. Zeitung, 2.6.81)
Ein neues Mittel gegen die Inflation
wird aus Italien vermeldet: Der dortige Verbraucher(!)verband hat nämlich herausgefunden, daß seit der Abschaffung der "riesigen Geldscheine, die bis 1968 im Umlauf waren", "die Inflation galoppiert". Grund: "Seitdem die Banknoten auf nordeuropäisches Format gestutzt worden seien, gäben die Leute das Geld zu leichtsinnig aus." (Süddeutsche Zeitung vom 4.6.81)
Wir können unserer ökonomischen Wissenschaft den Vorwurf nicht ersparen, daß sie eigentlich auf die Erklänng der Inflation aus der Größe der Banknoten schon längst hätte kommen können. Da wäre uns schließlich so manche Rezession erspart geblieben! Als Sofortmaßnalime bei der gegenwärtigen Wirtschaftslage schlagen wir der Bundesbank vor, die Hunderter auf DIN A 4 zu drucken; dann überlegt sich jeder zweimal, ob er so einen Lappen weggibt, und schon stabilisieren sich die Preise, die Vollbeschäftigung naht und es wird vielleicht sogar die Zahlungsbilanz besser. Höchstens den Unternehmen sollte man noch die Benutzung der kleinen Hunderter gestatten, zwecks Investitionsklima. Eventuell könnten ja auch dem Apel seine Milliarden in postergroßen Scheinen überreicht werden, damit er nicht immer so leichtsinnig mit den Scheinchen um sich wirft und es endlich mal ein Ende hat mit der Staatsverschuldung...