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Großbritannien
FULL SPEED FÜR DIE RÜSTUNG
Die BRD-Berichterstattung anläßlich der Entlassung des britischen Marineministers Speed: "Regierung Thatcher plant erhebliche Kürzungen im Verteidigungshaushalt" entspricht zwar nicht der Wahrheit, durchaus jedoch dem Zug der Zeit. Der gewünschten Botschaft, daß Sparen am Militär eine Sünde ist, und womöglich einem heimlichen Ärger darüber, daß Großbritannien auf militärischem Gebiet ohne Konsultation der anderen Europäer operiert, muß es geschuldet sein, daß Sparmaßnahmen einer Regierung vorgeworfen werden, die sich hinsichtlich Aufrüstung von den anderen NATO-Partnern durchaus nichts vorzuwerfen lassen braucht.
Bei ihrem Amtsantritt kündigte Mrs. Thatcher als fundamentalen Programmpunkt an, "die Streitkräfte der 90er Jahre" zu schaffen. Dafür leistet man sich in England - bezogen auf die Bevölkerungszahl - die meisten Ausgaben nach den USA. Great Britain hält sich nicht an die Mindestforderung der Amis, den Verteidigungsetat um 3% des Bruttosozialprodukts aufzustocken, sondern gibt 8% mehr dafür aus. Dafür durfte Maggie auch als erster europäischer Staatschef mit dem Präsidenten der ehemaligen Kolonien konferieren und die Bereitschaft zum Krieg bestätigen, wofür die Umrüstung der 'veralteten' atomaren Polaris-U-Boote auf das neue amerikanische Trident-Programm und die Stationierung von amerikanischen cruise missiles auf englischem Boden anstehen.
Die Eilfertigkeit und Selbstverständlichkeit, mit der Mrs. Thatcher - ohne Entrüstung daheim - dem amerikanischen Präsidenten den Einsatz britischer Truppen in Saudi-Arabien anbot, verweist auf die auf der Insel geltende Auffassung, welche Rolle das United Kingdom in der Welt zu spielen hat: Hier handelt es sich nicht um eine "Friedensmacht", die jeden Verdacht der "Kriegsspielerei" empört von sich weist, sondern um eine imperialistische Weltmacht, die den Frieden an allen Ecken der Welt offensiv verteidigt und so den Krieg vom Mutterboden fernhält - wobei der Marine militärstrategisch eine hervorragende Bedeutung zukommt.
Dank dieses Bewußtseins konnte Marineminister Speed die Entscheidung der Regierung, zugunsten der atomaren Aufrüstung auf einige konventionelle Aufrüstungsschritte in seinem Ressort zu vernichten, als skandalöse, die Sicherheit der Briten bedrohende Sparmaßnahme anprangern. Denn vom nationalen Standpunkt der Verteidigung aus gilt es dort wie überall als durchaus notwendig, in allen Bereichen der konventionellen und atomaren Rüstung mithalten zu können, um über sämtliche Formen der Eskalation zu verfügen. Andererseits stellte die Regierung durch die sofortige Entlassung Speeds klar, daß sein Vorwurf der Verteidigungsschwächung nicht haltbar war, da die atomare Aufrüstung der Stärkung der NATO und Großbritanniens dient und in dieser Form offensichtlich die Billigung des US-Präsidenten gefunden hat, weshalb sich der britische Staat zusätzliche Ausgaben für die konventionellen Systeme der Navy sparen will.
Daß das mit Sparen absolut nichts zu tun hat, stellte der Verteidigungsminister ohne ideologische Schnörkel fest:
"Das Trident-Programm wird durchgezogen, koste es, was es wolle.",
verkündete Mr. Nott in der Gewißheit, daß die neuen atomaren Waffen und U-Boote, die schwer ausmachbare, bewegliche Abschußrampen für Raketen darstellen, leicht die Aufgabe von einigen alten Fregatten ersetzen können. (1 U-Boot reicht aus, um alle sowjetischen Hauptstädte zu zerstören.) Und britische Militärfachleute sind stolz auf "ihre Flotte der Zukunft".
Labour: Aufrüstungsalternative als Sparmaßnahme
Die Labour-Party will gegen Aufrüstung natürlich nichts gesagt haben, aber als Opposition muß sie in aller Öffentlichkeit Zweifel anmelden, ob die Regierung denn alles fach- und sachgerecht durchführe. Da fällt einem natürlich als erstes die "Wirtschaftslage" als Vergleichspunkt ein: die läßt sich ja ohne weiteres als Versäumnis der Regierung anprangern und schöpferisch auf die Tridents ausweiten. Ist denn überhaupt genug Geld da? Müßte man nicht zuerst die Arbeitslosen mehr berücksichtigen, die ihren Beitrag zur Stärkung der Nation momentan nicht abzuliefern imstande sind? Gegen den knallharten Regierungsstil, die Arbeitslosen als unvermeidlich und das atomare Programm als beschlossen und unvernichtbar zu bezeichnen, hält die Labour-Party eine mehr SPD-mäßige ideologische Mobilmachung: Wenn schon auch der britische Staat ein "Sparprogramm" beschlossen hat, dann wäre es doch tunlich, die Aufrüstung ebenfalls unter dem Mantel rigidester Sparmaßnahmen durchzuziehen. Also statt der ursprünglich geplanten zehn Tridents nur fünf, oder modernisierte Polaris-U-Boote oder so; in einem Wort: Labour führt sozusagen stellvertretend für die Regierung die Formen des verantwortungsbewußten Sich-Durchringens zu schweren Entscheidungen vor und will so - wo die Regierung auf die Eindruckskraft schnörkellosen Verkündens von nationalen Notwendigkeiten setzt - mit einem Kontrastprogramm demokratischen Stils bei den Wählern Punkte machen.
Die dafür brauchbaren Argumentationen sind ziemlich beliebig. Auf dem Parteitag läßt sich ohne weiteres beschließen, daß man keine Tridents und keine cruise missiles haben möchte, um dann dem amerikanischen Präsidenten mit dem eindrucksvollen Hinweis an den Karren zu fahren, die Aufrüstung mit Tridents würde die Verteidigungsbereitschaft Großbritanniens schwächen - also weil man zu viel aufrüste, rüste man zu wenig auf.