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Dieser Artikel ist in der MSZ 3-1981 erschienen.

Wohnungsbau
SOZIALE VERPFLICHTUNG

Die Grundeigentümer, insbesondere die städtischen, genießen einen beachtlichen ökonomischen Vorteil: Konjunkturen machen ihnen nichts aus. Mit zunehmender Industrialisierung und damit verbundener Zusammenziehung der arbeitenden Massen in den Städten, wird ihr Monopol beständig mehr "wert".

Zwar müssen sie dafür keinen Handschlag tun, die pure Existenz des Eigentums reicht völlig aus, zwar ist ein jeder um seiner Existenz willen gezwungen, ihren Preis zu akzeptieren - dennoch gibt es für diese gern in Vergessenheit geratende Klasse draußen auf ihren Schlössern oder ihren Villen am Stadtrand genügend Grund zur Klage: So unbedingt wollte der Staat ihr Monopol nicht gelten lassen, hätte es doch - gerade in Wiederaufbauzeiten - zu störenden Wirkungen auf das Vorwärtskommen der Volkswirtschaft geführt, ein Vorwärtskommen, das auf billige Arbeitskraft angewiesen war. Sozialer Wohnungsbau und wie die Dinger alle heißen, halfen mit Steuergeldern, den Wert der Ware Arbeitskraft auf dem angemessenen Niveau zu halten bzw. wirkten der Verteuerung durch die Grundrente entgegen - ein gigantisches Ärgernis in Augen der armen Bodenbesitzer: Zwar waren ihnen sehr großzügige Einkünfte gesichert, nicht zuletzt mit dem Wohngeld, welches ihnen satte Gewinne auch noch bei den eigentlich Mietunfähigen garantierte und es weiterhin tut, aber sie hätten ja noch viel höher sein können.

Mit der neuen staatlichen Wohnungsbaupolitik sind sie endlich in ihre angestammten Rechte eingesetzt, und zwar indem der Staat beschlossen hat, dafür nur noch sehr wenig Geld auszugeben. Seither geht das Gerücht um, die Wohnungen seien knapp, was ein Quatsch ist: sie sind einfach stinkteuer. Immerhin taugt die Ideologie dafür, aus dem staatlichen Beschluß ein riesiges Aktionsprogramm zu verfertigen. Er kümmert sich um die Beseitigung der "Wohnungsnot" - indem er der Klasse der Grundeigentümer freie Verfügung über diesen Markt gibt.

Vom Himmel schwebt eine Taube namens "25%" herunter und erleuchtet die Staatsmänner dahingehend, daß ihnen bislang der dumme Fehler unterlaufen sei, nicht bemerkt zu haben, daß man "eigentlich" fürs Wohnen diesen prozentualen Anteil des Brutto-Einkommens ausgeben müsse. Dafür ist keine Lüge zu blöd: früher hätten die Menschen schon immer diesen Betrag ausgegeben, man hätte nicht genügend auf die sensiblen Kräfte des Marktmechanismus geachtet, der soziale Wohnungsbau sei eine unglückliche linksradikale Entgleisung gewesen, das Kapital müsse wieder (!) für den Grundbesitz interessiert werden...

Die Grundeigentümer, Pächter, Wohnungsbaukapitalisten, seien sie getrennte Personen oder in einer zusammengefaßt, sagen "Hallo, jetzt geht's auf" - und, denken zunächst nicht im Traum daran, neue Wohnungen zu bauen. Nachdem man sie so lange so gemein gezwungen hat, ihr Geld in andere Unternehmen zu stecken, ihnen nicht erlaubte; die verlockenden Superextraprofite aus dem Wohnungsmarkt zu ziehen, ihnen den Ärger mit den Mietern tatsächlich zu einer gewöhnlichen Kapitalrendite aufhalsen wollte, nach all diesem wollen sie erst einmal ein paar beinharte Garantien, daß eine alte ökonomische Weisheit für obsolet erklärt wird:

"Da das Grundeigentum in allen alten Ländern für eine besonders vornehme Form des Eigentums gilt und der Ankauf desselben außerdem als besonders sichere Kapitalanlage, so steht der Zinsfuß, zu dem die Grundrente gekauft wird, meist niedriger als bei andren auf längre Zeit sich erstreckenden Kapitalanlagen..." (Das Kapital, Bd. 3, S. 637) -

Die kriegen sie. Immerhin sind sie lang genug nicht nur ungerecht behandelt worden, zudem haben sie sich ja mit der schweren "Zinsbürde", die in diesem Gewerbe wegen der langfristigen Fremdfinanzierung eine bedeutende Rolle spielt, herumzuschlagen. Um so massiver die Veranstaltungen des Staates, mit seinem "Aktionsprogramm", das den Vorzug der Billigkeit hat - ein Gesetz ist schnell beschlossen! - die vergrätzten Eigentümer ganz und gar zufriedenzustellen. Ein bißchen demokratischer Zauber mit viel Diskutieren, Vorschlag und Gegenvorschlag, Herzeigen von "Finanznöten" und was sie alles so auf der Pfanne haben, kann da nicht schaden.

Die schwere Entscheidung "Vertragsmiete kontra Staffelmiete" läuft darauf hinaus, ob man den Vermietern erlaubt, alle zwei Jahre die Miete zu erhöhen, ihnen also einen "Erhöhungsanspruch" gewährt,

"der nach der zu vereinbarenden Bemessungsgrundlage nicht über die seit Vertragsabschluß eingetretene Änderung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse hinausgeht" (Vertragsmiete),

oder ob sie einen zehnjährigen Mietvertrag mit fix eingebauten Mieterhöhungen vorlegen müssen. Natürlich sind die Hausbesitzer mehr für ersteres, sehen sie doch darin noch schönere Kalkulationsfreiheiten mit der "Bemessungsgrundlage" und den "allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnissen" läßt sich doch einiges anstellen! -, und schon haben wir wieder einen äußerst sozialstaatlichen Staat, der mit seiner Staffelmiete dem Eigentümer das Leben zur Hölle und den linken Teilen der SPD die Zustimmung leicht macht: Die Leiden der letzteren sollte man nicht unterschätzen - schließlich waren einige von ihnen vor nicht allzu vielen Jahren noch für eine Bodenrechtsreform (Hans-Jochen Vogel!) und sogar für teilweise Überführung des Grundbesitzes in kommunales Eigentum, da müssen sie schon mit sich ringen...

"Mietentzerrung" klingt auch sehr gut und gerecht, wird doch damit ein völlig verzerrter Markt in Ordnung gebracht. Jahrelang haben staatliche Zinssubventionen die Sozialmieten "künstlich niedrig gehalten" - was für "natürliche" Zustände sich plötzlich überall auftun! - und zu dem sozialen Krebsgeschwür der "Fehlbeleger" geführt. Damit diese Parasiten sich nicht weiter ausbreiten können (einfach dadurch, daß sich ihre Nominallöhne erhöhen), haben ab sofort die Zinssubventionen an die Vermieter direkt zu gehen.

Damit nicht genug sollen die Erträge und die Baulust durch Erhöhung der degressiven Abschreibung von 3,5 auf 5% erhöht werden, so daß die Wohnungsbaukapitalisten einen größeren Teil der Mieteinnahmen steuerfrei einstecken können, wobei die staatlicherseits garantierte Inflation ebenfalls dafür sorgt, daß die "Schuldenlast" per Kreditaufnahme sich immer mehr lohnt.

Gegen all diese Vorschläge läßt sich natürlich immer einwenden, daß sie noch viel weiter gehen könnten. So könnte der Staat, statt sein Bauprogramm von bisher 35.000 jährlich (= 1. Streichung) auf 100.000 Einheiten bis 1985 zusammenzustutzen, es doch gleich ganz bleiben lassen: Dies würde die Nachfrage noch angenehmer beleben und ein paar "Risiken" der Anlage im Wohnungsbau beseitigen helfen. Der Staat könnte die "Fehlbeleger" direkt hinaushauen, er könnte die Abschreibung gleich auf 10% erhöhen usw. usw.

Mit frappierender Unverschämtheit treten diese Klassenbrüder an die Öffentlichkeit und erklären völlig unverblümt, daß sie den Rachen nicht vollkriegen können. Das haben sie vom Staat gelernt, der es mit seinen Steuererhöhungen und Ausgabenstreichungen ja genau so direkt und offen betreibt und sich als einziges "Argument" einfallen läßt, daß er das Geld braucht, weil er es will. Dafür hat er den Grundeigentümern auch ganz offiziell erlaubt, sich so unverschämt aufzuführen, sind sie doch die mit der Lösung der - vom Staat ins Leben gerufenen - "Wohnungsnot" Beauftragten. Denen er im nächsten Moment schon wieder "Schranken setzt und so dafür sorgt, daß die "unvermeidlichen Preissteigerungen" nicht ganz so hoch ausfallen, wie sie ausfallen könnten. Schon ist er wieder fein heraus.