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Dieser Artikel ist in der MSZ 3-1981 erschienen.

Schmidt bei den Saudis
SALEM ÖLEIKUM, HELMUT BEN NEMSI!

Die Riad-Reise des deutschen Kanzlers ist beendet. Das öffentlich verfochtene Ergebnis der Tournee: "Bonn liefert vorerst keine Leopard-Panzer an Saudi-Arabien" hat entgegen anderslautenden Vorankündigungen keine "Verwirrung bei den Gesprächspartnern des Kanzlers" ausgelöst. So herrscht allgemeine Zufriedenheit darüber, daß die Saudis - laut Schmidt - mit "Verständnis für die Begrenztheit unserer Möglichkeiten" reagierten. Damit sind sich in der deutschen Öffentlichkeit Befürworter und Gegner der heißen Frage "Deutsche Waffen in den Orient?" ganz nahe gekommen: Gemeinfühlt man sich erleichtert über das "partnerschaftliche Einfühlungsvermögen" der neuen Freunde.

Dieses Einverständnis belegt, daß das aufgeregte Starren auf die Waffen bzw. die "leeren Hände, mit denen Schmidt nach Riad kam", schon immer albern waren, weil es die Politik der Aufrüstung des Nahen Ostens gegen den Ostblock ist, die als beschlossene Sache schon zum nötigen Zeitpunkt für das nötige Tötungsinstrumentarium am rechten Ort sorgen wird. Schließlich ist die banale Wahrheit, daß es um mehr als um 300 "Angriffs"-Panzer für orientalische "Waffennarren" geht, kein Aufatmen wert, denn Deutschland vertritt in der Golfregion "unser" nationales Interesse. Daß es dabei dort nicht bloß um "unser Öl" geht, das trotz aller Unkenrufe seit eh und je reichlich fließt, sondern um Partner im weltweit aufgemachten Konflikt mit den Russen, verrät sich durch die öffentlich bekundete Freude an allem Arabischen, das weitsichtig die "Bedrohung der Golfregion" ausgemacht hat und ihr verantwortungsvoll zu widerstehen beabsichtigt.

Wie aus Feinden Freunde werden

Warum wohl ist die bis vor gar nicht langer Zeit gang und gäbe Hetze, daß Wohl und Wehe "unserer" Wirtschaft ganz von der "Willkür maßloser Ölscheichs" abhängt, nicht mehr die gültige Linie? Daß sie nicht mehr zu gelten hat, zeigte ja das Fernsehen mit Bildern von Schmidt und Lambsdorff, die sich sichtlich angeheimelt auf saudischen Ottomanen und kostbaren Teppichen herumflegelten. Was liegt da näher als die besorgte Frage,

"ob wir unseren saudischen Freunden bei der Verteidigung ihrer Unabhängigkeit helfen können und dürfen."

Die rasante Metamorphose vom erpresserischen Wüstensohn hin zum treuen Gefährten in der Gefahr zeigt, daß es sich bei dessen "Ölwaffe" nie um ein Erpressungsinstrument der Saudis und sonstiger Förderstaaten der ja nur im goldenen Westen zu vergoldenden Flüssigkeit handelte, sondern um eine rein westliche Erfindung. Und als solche hat sie ausgedient - stehen doch wichtigere Aufgaben an, als den ohnehin um ihre erfolgreiche Benutzung buhlenden Rohstofflieferanten der arabischen Welt ihre Partizipation am Ölpreis zu vermiesen: Wo sich die Saudis mit ihrem klebrigen Zeug dem Westen andienen, ist für den "Spiegel" die von ihm selbst aus Bonn ventilierte Überlegung angebracht,

"ob ein Entgegenkommen (der Saudis) in der Ölpreisentwicklung mehr bedeuten kann als eine Fortsetzung der bisherigen, im Rahmen der OPEC verfolgten Preispolitik."

In der Gewißheit, daß für die "Stabilität" der ökonomischen Benutzbarkeit längst gesorgt ist, drängt sich die "Freundschaft" mit den dortigen Scheichs natürlich geradezu auf, wenn es darum geht, sie für "unsere" Verteidigungsinteressen gegenüber der Sowjetunion noch stabiler zu machen, d.h. aufzurüsten. Entsprechend hat sich die westdeutsche Sprachregelung für die Begutachtung der arabischen Halbinsel stabilisiert: Daß dort Dieben die Hände und bei Seitensprüngen ertappten Prinzessinnen die Köpfe abgehackt werden, gilt hinfort als reizendes Exotikum; die PLO ist nicht mehr eine Horde von Terroristen, sondern ein Volk mit Recht auf Staatlichkeit; die Israelis hingegen haben sich mit atemberaubender Schnelligkeit von einem Volk, das sich unablässig um sichere Grenzen sorgt, hinentwickelt zu Leuten, die mit ihren Überfällen auf Palästinenserlager und syrische Stellungen im Libanon unangenehm als die "eigentlichen Bomhenwerfer in der dortigen Region" auffallen.

Neubilanzierung deutscher Grundsätze

Selbstverständlich hält im freien Teil Deutschlands jeder die skrupulöse Debatte, inwiefern Araber neuerdings auch Menschen sind - dies vor allem aufgrund ihres Selbstbehauptungswillens gegenüber der roten Gefahr -, die sich mit ihrem unumstrittenen Recht auf nationale Sicherheit auch "unserer" hochmodernen Waffentechnik bedienen dürfen, für ein Problem der moralischen Qualität deutscher Friedenspolitik (und des Kanzlers mit seiner SPD). Dabei hat der Kanzler die Diskussion schon Monate vor seiner Reise taktisch klug damit eröffnet, daß er Regierung und Parlament den Auftrag gab,

"eine Bilanz der zehnjährigen Praxis mit den Grundsätzen über den Waffenexport zu ziehen", was "möglicherweise im Laufe des Herbstes zu Veränderungen der Grundsätze führe."

Was da alles zu bedenken ist! Sollen die Saudis unsere Waffen kriegen? - Wenn nicht wir, dann tuns ja andere! Wie stehen wir in dem einem wie in dem anderen Falle da? Reichen nicht Waffen von kleinerem Kaliber? Arbeitsplätze müssen gesichert werden, der Handel mit den Saudis darf auch nicht riskiert werden! Was sagen die Amerikaner, Israelis und der Rest der Welt? So viele Problemchen - doch alles geschwängert mit der einen Gewißheit, für die Schmidt auch gleich gesorgt hatte:

"Der Kanzler sagte, die BRD sei ebenso wie Saudi-Arabien in eine zusätzliche weltpolitische Verantwortung hineingewachsen." (Kann man machen nichts, muß man tragen!)

Über das ganze Wie verantwortungsbewußter deutscher Weltpolitik ist also aufs Schönste dafür gesorgt, daß sie unter lebhafter Anteilnahme aller guten Deutschen ungestört in Gang kommt. So ist das also, wenn man als "politischer Zwerg" BRD angefangen hat und sich Jahr für Jahr scheinbar widerwillig in die weltpolitische Rolle hat hineinwachsen lassen: Da muß in der Öffentlichkeit hart am neuem Sendungsbewußtsein für die ach so unfriedliche Welt gearbeitet werden. Aber allzu lang darf das nicht dauern. Der Kanzler hat in kluger Voraussicht, daß der erste offiziell erklärte Schritt Deutschlands als imperialistischer Macht an der schutzbedürftigen Seite "unserer saudischen Freunde" weitere nötig machen wird, die Frist bis zum Herbst gesetzt: Dann will er die Frucht der Debatte,

daß nämlich Deutschland weiterlnin in der Welt nur mehr friedliche Aufgabem erfüllt, ernten und als Gesetz einmachen, was ein für allemal das "deutsche Sicherheitsinteresse" zur Richtschnur "unseres" imperialistischen Auftretens macht und die Entscheidung darüber, wann Deutschland wo und gegen wen mit welchem Mitteln zuschlägt, ganz der politischeri Verantwortung der an dieses Gesetz "gebundenem" Regierumg überantwortet.

Bis es endlich so weit ist, werden sich die Öffentlichem unter den Deutschen sicher differenziert genug ins Zeug gelegt und dem Kanzler den Rücken freigekämpft haben, zusammen mit solchen Leuten, von denen selbst unablässig der Vorwurf dementiert wird, sie stünden ohne die gehörige Portion Verantwortungsgefühl hinter Helmut Schmidt und wetzten das Messer ihrer alternativen deutschen Friedensstrategien. So einig ist man sich von rechts und links in der Erörterung deutscher Beiträge zum Frieden, daß ein früherer Juso-Vorsitzender die laufende "Kontroverse" mit einem stramm nationalistischen Argument anheizt:

"Begründung für Waffenexporte nach Saudi-Arabien: Solche Lieferungen seien ein Beitrag, um die einseitige Abhängigkeit des Landes von Amerika zu lockern. Nur eine ökonomisch starke Bundesrepublik könne auch denkbare Fehler Washingtons korrigieren. Eine engere Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik und Saudi-Arabien vermindere zugleich die Gefahr einer amerikanischen Intervention." (Na klar - wenn wir schon dort für Ordnung sorgen!) (Gerhard Schröder)

Wirklich pfiffig, der Mann mit dem Namen eines ehemaligen deutschen Außenministers: Für die BRD als Friedensmacht nimmt es sich doch gut aus, sich kritisch zu dem Plan einer amerikanischen Einsatztruppe zu verhalten und der Souveränität der Saudis mit der deutschen Alternative zu schmeicheln. Über Rüstungsexporte spricht man in der Bundesrepublik des Jahres 1981 eben staatsmännisch und nicht moralisch in dem bornierten Sinn, daß man sich als Linker, Christ, Grüner oder sonstiger Anwalt des Überlebens der Menschheit schlicht und einfach pazifistisch gegen Waffen ausspricht, wie es das vor 25 Jahren durchaus einmal in diesem Land gab. Dieser moderne Standpunkt spinnt kongenial die Wünsche des Kanzlers fort, der an der von ihm entfachten Aufrüstungsdebatte vor allem das der Politik so hilfreiche Debattieren schätzt:

"Der Bundeskanzler legt allergrößten Wert darauf, daß die Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien nicht dss Kernstück der Beziehungen und der Gespräche werden, zu denen er am Montsg in Riad eintrifft."

Nach sorgfältiger Prüfung

Das inszenierte Wechselspiel zwischen dem Kanzler und seinen "Gesprächspartnern": der eigenen Partei, der Koalitition, Opposition sowie den Machern von Öffentlichkeit, funktioniert so perfekt demokratisch-sauber als begründetes Einschwören auf die von Anfang an beschlossenen und in Zukunft als Verfassungsauftrag geltenden Kautelen bundesrepublikanischen Militäreinsatzes außerhalb des NATO-Bereichs, daß der Kanzler lässig die gleich nach seiner Rückkehr einberufene ARD-Diskussion "Zum Stand der deutsch-arabischen Beziehungen" zum Anlaß nimmt, um vorm deutschen Volk mit der bewährten Methode dieser Sorte Kriegstreiberei als Wahrheitsfindungsprozeß für sich selbst zu kokettieren. Auf die glorreiche Frage des "Welt"-Redakteurs Matthias Walden,

"...zögere ich fsst zu fragen..., wie Sie selbst entscheiden würden, wenn Sie schon entscheiden könnten,... in dieser so kontroversen Diskussion und Situation... Was eigentlich muß geprüft werden, damit Sie Ihre Richtlinienkompetenz zu dieser Frage geltend machen und öffentlich machen können?",

antwortet der Kanzler prompt:

"Dies ist keine Frsge der Richtlinienkompetenz... Es ist notwendig, daß es diese verschiedenen Meinungen gibt und daß sie in Sorgfalt geprüft werden. Wenn ich das Ergebnis der Überprüfung aus dem Handgelenk schütteln könnte, würde ich nicht angeordnet haben, daß daran sorgfältig gearbeitet wird."

Nach sorgfältiger Prüfung der verschiedenen Meinungen ist dann offiziell geregelt, welche neuen Aufgaben sich die deutsche Friedensmacht für die 80er Jahre vorgenommen hat.

"Erst nsch der Neuformulierung der Regierungsgrundsätze über den Waffenexport müssen dann die Wünsche verschiedener Länder nach deutschen Waffen beurteilt werden."

Deutsch-arabische Freundschaft

Reisenden des Morgenlandes ist sowieso bekannt, daß Deutsche von den Arabern für ihre Vergangenheit geschätzt werden, schließlich gibt es da Parallelen in der Feinschaft zu finden. Nicht selten knüpfen Araber erste Kontakte mit der nostalgischen Bemerkung "Hitler good, Auschwitz!" an. Helmut Schmidt erwiderte die traditionelle Liebe auf seine Weise - mit diplomatischer Zurückhaltung, versteht sich:

"Das ganze moralische, historische Gepäck, das ich einmal mit dem Stichwort Auschwitz bezeichnen möchte, belastet ja die gegenwärtige Generation und belastet unsere Außenpolitik.

Diese arabischen Völker sind so ziemlich die einzigen auf der ganzen Welt, die mit den Deutschen keine negativen Erfahrungen gemacht haben. Das soll man nicht vergessen. Das spielt eine Rolle in der offenen Freundschaftlichkeit, mit der sie uns entgegenkommen." (Bulletin der Bundesregierung, 6.5.1981)

Kein Platz für Amateure im Waffengeschäft?

"Der Frankfurter Waffenhändler Rolf Fischlein wurde unter dem Verdacht verhaftet, illegal Waffen verkauft zu haben. Der 40jährige Waffenhändler war vor fast vier Jahren von den beiden RAF-Terroristen Knut Folkerts und Willy Peter Stoll in seinem Geschäft überfallen und schwer verletzt worden. Die beiden entkamen mit 18 Schußwaffen. Nach Angaben von Oberstaatsanwalt Hentschel soll Fischlein einige hundert Waffen an einen 39jährigen Angehörigen des Werkschutzes der Frankfurter Flughafen AG geliefert haben. Auch der Werkschutzmann sei wegen Verdunkelungsgefahr in Haft genommen worden. Bisher gebe es Anhaltspunkte dafür, daß der Werkschützer etwa 100 Waffen nach Südafrika verschoben habe. Eine andere Spur führe zu einer Firma in einem südamerikanischen Staat. Auch die anderen Waffengeschäfte seien wahrscheinlich mit dem Ausland abgewickelt worden." (Frankfurter Rundschau)