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Dieser Artikel ist in der MSZ 3-1981 erschienen.

Systematik


"NATIONALE SOLIDARITÄT" MIT DER PCI

I. Außenpolitik

In schöpferischer Vorwegnahme der vom amerikanischen Präsidenten aufgestellten Gleichung Kommunismus = Terrorismus hat das italienische Staatsoberhaupt Moskau als Drahtzieher des italienischen Terrorismus ausgemacht.

Antisowjetische Volksfront

Die Kommunisten interpretierten die Attacke des Sozialisten Pertini, mit der alle Kritik im Interesse Italiens auf eine Kritik des Kommunismus verpflichtet wurde, als innenpolitisches Ablenkmanöver, mit der die Sozialisten "nur die nachgiebige Haltung während der d'Urso Entführung vergessen machen wollten" (Corriere della sera, 26.1.81), und akzeptierten sie zugleich als den Maßstab, an dem gerade und ausschließlich sie sich zu messen haben - und messen können. Empört darüber, daß ihnen ihre jahrelange, aufopferungsvolle Kampagne gegen Terroristen und alle anderen 'staatsfeindlichen linken Umtriebe' so wenig gedankt wurde, forderten sie die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses, da man schließlich bei der Prüfung, daß an dem von Pertini geäußerten "Verdacht" nichts dran sei, keineswegs schludern dürfe. Als wäre dessen Angriff nicht eine politische Willenserklärung, fordern sie die Gelegenheit, vor dem Richterstuhl der Nation ihre Unschuld in Sachen Staatsgegnerschaft zu beweisen.

Auch sonst läßt sich die PCI nicht lumpen, um sich aus dem Ruch der Moskauhörigkeit zu befreien. Dabei legt jedes Dementi gegen Fragen wie:

"Warum brechen Sie niemals mit der SU?... Und wenn der Faden (der Beziehungen) zur SU eine Nabelschnur wäre, die die PCI nicht durchschneiden kann?" (Fallaci-Interview mit Berlinguer; Corriere della sera, 26.1.81)

nur die Bestätigung des unwiderleglichen, weil gewollten, Verdachts nahe, das Dementieren gerade deshalb besonders nötig zu haben, weil es nicht ernst gemeint sei. Die conditio sine qua non jeder weltpolitischen Stellungnahme der italienischen Kommunisten ist daher die Verurteilung der Russen - und damit beginnen sie mittlerweile jedes Statement, auch wenn sie mal nicht danach gefragt worden sein sollten und auch in ihren eigenen Parteipublikationen. Der Tenor ihrer überparteilichen, nämlich im Namen des Staats daherkommenden Kritik lautet, daß eine jede Souveränität es um ihrer selbst willen verdient, daß man sie achtet. Endlich Schluß mit dem "Export des russischen Revolutionsmodelles" fordert man anläßlich Afghanistans:

"Deshalb sprechen wir von einem neuen Internationalismus, der von der Anerkennung der Unterschiede und auch von der Möglichkeit, verschiedene Erfahrungen zu machen, ja sogar die eigenen Fehler begehen zu können, ausgeht. Etwas ganz anderes ist es hingegen, wenn sich ein Land dem anderen aufzwingt oder wenn eine proletarische Avantgarde oder revolutionäre Minderheit sich gegen eine Bevölkerung in ihrer Gesamtheit durchsetzt." (Pajetta)

Dalß die italienischen Kommunisten den in "schwierigen Zeiten" um so erforderlicheren "Dialog" mit den kritikbedürftigen russischen Partnern in dem Bewußtsein suchen, wann er abzubrechen sei, haben sie mit ein paar unfreundlichen diplomatischen Akten seitdem klargestellt:

  • im Dezember letzten Jahres wurde dem in Italien weilenden sowjetischen Delegierten Wladimir Sagladin mitgeteilt, daß die PCI im Falle eines Einmarsches nach Polen die Beziehungen zur SU abbrechen werde;
  • am diesjährigen Parteitag der KPdSU nahm nicht wie üblich Parteichef Berlinguer teil. Stattdessen verlas der außenpolitische Sprecher seiner Partei, Giancarlo Pajetta, die Hetze gegen die SU.

Nationale Friedensunion

Auf der anderen Seite versuchen sie das "weltpolitische Kräfteverhältnis" mit dem für die Kommunisten typischen und sie auszeichnenden Blick für die Realitäten als Chance zu ergreifen, den Nationalismus überzeugender als die politischen Konkurrenten unter Beweis zu stellen. Wenn

"man sich der Realität des Wiedererwachens der Nationen, des Nationalgefühls nicht widersetzen kann" (Berlinguer),

dann muß man es für sich ausnutzen, indem man nicht mur mit einer Kritik der SU Punkte für sich zu sammeln versucht. Schließlich kann man ja dem Gegner in dieser Frage und auch sonstwo damit kontern, daß er sich

"auf nichtssagende und sklavische Weise den extremistischen Positionen der USA" (Berlinguer)

unterordnet - das wohlverstandene Interesse einer vielsagenden Bedeutsamkeit der Nation also bei ihm schlecht aufgehoben ist. Gerade die Distanzierung vom sowjetischen Einmarsch in Afghanistan ist dann keine schlechte Gelegenheit, endlich einmal zur Sprache zu bringen, daß die USA im Prinzip mit Europa dasselbe anstellen:

Es ist "das politische Ziel der USA, die Tendenz Europas zur Wahrnehmung einer autonomen Rolle in den internationalen Beziehungen zu blockieren." (Bufalini)

Unter der Parole "Gegen jede beschränkte Souveränität" versucht so die KPI die Italiener für einen moderaten Antiamerikanismus zu erwärmen:

"Die Position der IKP ist also keine neutrale Position. Sie ist es nicht, weil sie die Zugehörigkeit zum Atlantischen Pakt vertritt, obwohl sie zugleich die Notwendigkeit einer autonomen Rolle Italiens und Europas sieht und unterstreicht." (Bufalini)

Jeder Kritik an den USA wird so nicht nur die positive Funktion des westlichen Bündnissystems für Italiens weltpolitische Sicherheit vorangeschickt:

"...die Nato sei ein 'nützlicher Schutzschild für den Aufbau des Sozialismus in Freiheit'. Berlinguer erklärte anschließend wortlich: 'Ich fühle mich auf dieser Seite sicherer'." (Leonhard, Eurokommunismus)

Sondern die Kritik selbst bestebt im wesentlichen darin, Verständnis für die "Großmachtpolitik" der Amis zu bekunden, wobei die USA wie die UdSSR als "Großmacht" zu bestaunen sind, gegenüber deren Schwierigkeiten, gemeinsam den Frieden zu sichern, der kleinliche, "nichtssagende" politische Alltag Italiens ebenso in den Hintergrund rückt, wie sie Italien auf ganz neue Weise fordern:

"Wir gehen von der Anerkennung der entscheidenden Weltfunktion aus, sowohl der USA als auch der UdSSR zum Zwecke der Friedenserhaltung und der Lösung der großen Probleme des Fortschritts auf der Welt." Die Tatsachen jedoch beweisen, "daß sich zwischen den beiden großen Weltmächten eine negative Aktions- und Retorsionsspirale in Gang gesetzt hat, die Gefahr läuft, unkontrollierbar zu werden, die Resultate der Entspannung zu beseitigen und die Gefahren für den Frieden unermeßlich werden zu lassen." (Berlinguer)

Wenn der Frieden auf dem Spiel steht, so ist es nicht nur eine unverzeihliche Sünde der DC, den Italienern dies nicht ebenso unmißverständlich wie der bewunderte Helmut mitzuteilen - als ob nicht die DC mit ibrem Sparprogramm den Italienern ihren Beitrag zum Frieden abverlangte. Vielmehr wird es zur nationalen Pflicht der Kommunisten, mit dem Gerede von der "möglich gewordenen Kriegsgefahr" in den Wahlkampf zu ziehen:

"Wir können und dürfen den Griff von dieser Sache nicht mehr locker lassen, nicht einmal, das ist klar, im nächsten Wahlkampf." (Natta)

Die PCI möchte sich so nicht nur als Verdienst anrechnen, tatsächlich als erste die Italiener mit den weltpolitisch auf sie zukommenden Notwendigkeiten vertraut gemacht zu haben. Ihre Leistung besteht nicht zuletzt darin, mit der Angabe eines Auswegs aus den apokalyptisch beschworenen Dilemmata dem Nationalismus der Italiener zu schmeicheln, ohne sich dabei selbst gänzlich der Lächerlichkeit preiszugeben: Europa wird mit der Wiederherstellung des verlorengegangenen Gleichgewichts beauftragt. Es ist notwendig,

"daß sich die Initiative der anderen Staaten und anderen Kräfte einschaltet, die es verstehen, für die Entspannung zu wirken und um so eine schnellstmögliche Wiederaufnahme des Dialogs zwischen den beiden 'Großen' zu begünstigen - zum Ziele einer Ordnung, nicht nur der Koexistenz, sondern auch der friedlichen Zusammenarbeit zu entwerfen, die die freie und selbständige Mitwirkung aller großen und kleinen Staaten kennt." (Berlinguer)

"Europa muß seine Rolle übernehmen, die heute vollkommen anders liegt als in vergangenen geschichtlichen Augenblicken. Zu diesem Europa gehört auch unser Land, und zu unserem Land gehört unsere Partei." (Pajetta)

"All das bedeutet, daß die Aufgabe, die Sache des Europagedankens, und das heißt, eine positive Weltfunktion des Europas unserer Tage, zu verteidigen und voranzubringen, nicht von den alten herrschenden Gruppen erfüllt werden kann. Diese Aufgabe geht auf die Arbeiterbewegung und die Volks- und demokratischen Kräfte jeder Orientierung über..." (Berlinguer)

Eine Volksfront für ein starkes Europa, das sich selber als souveräne Welt (friedens) acht aufführt, das ist die Opposition, die Italiens Kommunisten gegen eine Regierung aufmachen, die über EG und NATO doch längst am Imperialismus beteiligt ist. Daß man tatsächlich der Vorreiter Europas ist, beweist man der Öffentlichkeit an den Früchten der eigenen Friedensdiplomatie; und die bedeutet für diese Paradeeuropäer einerseits das Eintreten für eine solidarisch kritische Rolle der Nation im Bündnis und andererseits die Agitation der Massen für einen Appell an die Verantwortung der vereinten europäischen Politiker.

Deshalb besteht auch die ganze praktische Aktivität der KPI gegen den als Großmacht bedauerten Hauptfeind Nr. 1 darin, eine Großkundgebung von 200000 für den Frieden auf die Beine zu stellen, auf der folgende aparte Maßnahmen der Friedenssicherung jedem einzelnen der Teilnehmer als seine Aufgabe ans Herz gelegt wurden:

"Berlinguer nannte ein Beispiel, indem er die von den Frauen des XVI. Bexirks in Rom unternommene Initiative einer Unterschriftensamnnlung für eine Volkspetition für Frieden und Abrüstung anführte, die anschließend ins Europaparlament in Strasbourg gebracht wurde. Das ist ein Gebiet, auf dem wir unsere umfangreiche kreative Fähigkeit ausweiten müssen: vom Rundfunk bis zum Fernsehen, ... den geduldigen Informationen 'von Tür zu Tür', ... den an die Zeitungen zu richtenden Briefen. Alle... müssen sich in diese Richtung in Bewegung setzen, so viele Menschen wie nur möglich einbeziehend, dabei auch an die Pfarrei klopfend..." (Berlinguer)

Die KPI tut das Ihre, wenn sie im Parlament gegen die Stationierung der amerikanischen Pershing-Raketen mit dem konstruktiven Hinweis Stellung nimmt,

"man verschiebe diese Entscheidung und fordere gleichzeitig die UdSSR dazu auf, die Produktion und Installation der SS-20 zu stoppen.",

und die Unmöglichkeit einer Demonstration dagegen der PSI anlastet, die nicht mitgemacht hätte. Daß sie für die Nachrüstungsbeschlüsse im Interesse Italiens stimmt, ist Ehrensache - denn der Frieden darf ebensowenig leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden wie die Glaubwürdigkeit der KPI.

II. Innenpolitik

Die Alternativen gegen den angeblich uneuropäischen Ausverkauf italienischer Interessen an die Amis zeitigen allerdings nur eine Konsequenz: Das Nationalgefühl, zu dessen "Wiedererweckung" die PCI dem Volk gratuliert, wird so nicht nur von der DC, sondern auch durch sie nach Kräften gestärkt.

Nicht-mehr-Opposition...

Gerade weil es darauf mehr denn je ankommt, wird diese Leistung von der Regierungspartei um so weniger honoriert, je mehr die PCI Fortschritte in der Betonung der Schlagworte 'Volkseinheit' und 'Friedensmacht' auf den letzten Silben macht. Daß man Leute nicht an der Regierung beteiligen darf, die einen Alleinvertretungsanspruch auf Demokratie gepachtet haben, versteht sich unter regierenden Demokraten von selbst, um so mehr, als jeder Beweis der eigenen parteipolitischen Kalkulation mit der Macht die kommunistische Partei zum Verzicht auf parteipolitische Machtansprüche bewegt. "Intoccabilita" (Unberührbarkeit) heißt daher jetzt die Parole, wobei sich die in der Regierungskoalition zusammengefundenen demokratischen Parteien mit vereinten Kräften um die Auflagen kümmern, die aus dem innenpolitischen Paria keinen Demokraten machen und dies auch gar nicht sollen:

"... die 'Rückgewinnung' der IKP für die 'Demokratie', für den 'Westen'... 'die DC wünscht die Evolution der IKP', anerkennt die neuen Fakten in der Politik der IKP, die Reifung jedoch kann man nicht als abgeschlossen bezeichnen..." (Forderungen des DC-Parteitags '80)

Das Schöne an derlei Entwicklungen heutzutage ist, daß sie die Kommunisten zu gar nichts mehr berechtigen; man also nicht einmal dem Anschein nach mehr von ihnen Vorleistungen verlangt, damit man dann noch einmal wohlwollend die Entscheidung überdenkt, nicht zusammen mit ihnen regieren zu wullen. Schließlich ist mit der offiziellen Aufkündigung des Historischen Kompromisses, der für die DC sowieso nie einer war, der PCI die Regierungsfähigkeit bestritten worden. So nutzt die DC die moskaufeindliche Konjunktur des Weltgeschehens, um mit der Inkrimierung des innenpolitischen Gegrners als potentiellem Staatsfeind in der Parteienlandschaft für klare Verhältnisse zu sorgen - mit der Berechnung, daß die PCI auch diesen Verdacht wieder als Verleumdung durch den praktischen Beweis ihrer bedingungslosen Verpflichtung auf die Beförderung des Staatswohls zu entkräften versucht und sich gerade dadurch verdächtig macht: welche demokratische Partei hat das schon nötig.

So sehr daher die italienischen Demokraten im Sinne der Reagan-Direktive die Kommuriisten in ihre Schranken weisen - dies wurde ihnen schon vorher von den Kommunisten selbst förmlich aufgedrängt. Die von der PCI aufgrund einer "Notstandssituation" in Italien beschlossene Politik der einseitigen Fortsetzung des Historischen Kompromisses, nun aber ohne den Anspruch auf Teilnahme an der Macht -

"Wir sind nicht mehr in der Opposition, aber noch nicht in der Realisierung." (Berlinguer) -

hatte nämlich der Regierung die Bereitschaft signalisiert, sie auf jeden Fall im Interesse des großen Ganzen kritisch zu unterstützen.

...in kritischer Solidarität mit der Regierung

Die PCI-Absichten wie die wirtschaftspolitischern Erfolge, welche die Regierung mit ihrer Unterstützung verbuchen konnte, kann man der Kritik Amendolas (Mlitglied der PCI-Leitung) an der PCI und den Gewerkschaften unschwer entnehmen, da die DC nicht schöner lügen könnte, was in Italien noch im Argen liegt:

"Weder hätte die PCI ihre Linie 'Austerität für die Transformation' noch die Gewerkschaften ihr Programm der Mäßigung bei Reallohnforderungen zugunsten der Wirtschaftsprogrammierung wirklich befolgt. Stattdessen seien die Löhne mehr als die Lebenshaltuagskosten gestiegen, und die 'produktive Umstrukturierung der italienischen Wirtschaft sei eine verbale Forderung geblieben. Im größeren Teil des Landes herrsche Vollbeschäftigung," (bei mehr als 1 Mio. Arbeitslosen) "aber das willkürliche 'Krankfeiern' sei von der Arbeiterbewegung nicht bekämpft worden. Die bankrottesten Staatsbetriebe würden mit Subventionen erhalten, statt eine gewerkschaftlich kontrollierte Mobilität der Arbeit zu fördern. Sozialbeiträge würden auf den Staat überwälzt, die gleitende Lohnskala sei immer noch nicht revidiert." (Referiert nach: Beiträge zum wissenschaftlichen Sozialismus 1-80)

So hat die PCI der DC nicht nur keine Steine in den Weg gelegt, sondern in den letzten Jahren so ziemlich alle ausgeräumt, weil sie so sehr für ein ordentliches, effektives Staatswesen ist, daß sie beim Anblick des italienischen Staates an ihre Erfindung des Staatsruins glaubte, und ihre Arbeiterorganisation, die mitgliederstärkste Gewerkschaft CGIL zur "Rettung des Staates" in vielen Fällen mit gutem Beispiel vorangehen, d.h, sich gegen Streiks aussprechen ließ. So sind unter ihrer tätigen Anleitung die arbeitenden Massen unter Lebensbedingungen gesetzt worden, die über deren Ruinierung den Staat florieren lassen. Dafür verhalf man ihnen zu dem nötigen staatsbürgerlichen Bewußtsein, daß in diesen schweren Zeiten der Staat der Fürspracine und Anteilnahme seiner Bürger bedürfe, jede Form von Staatsgegnerschaft daher terrorismusverdächtig sei und die Aufgabe von ordentlichen Kommunisten vor allem darin bestünde, den Vorreiter in der Säuberung des Staates von radikalen Elementen zu machen und der Regierung in diesen Fragen Versagen vorzuwerfen.

Das Ergebnis dieser Politik für die PCI ist alles andere als ein Fortschritt auf dem Weg zu der für die Staatssanierung erforderlich erachteten Einheit mit der DC - der man als Partei in Gestalt ihrer "korrupten und unfähigen" Elemente die Schuld für den staatlichen Notstand anlastete, um ihr als Regierung, die jedermanns Unterstützung verdient hat, unter die Arme zu greifen. Trotz bzw. wegen der angestrengten Beweise, daß sie an das eigene Programm, die mögliche Einheit aller für Italien verantwortlichen Kräfte, glaubt, steht sie jetzt als isolierter Teil in der Parteienlandschaft rum.

Solcher Verbannung in die Rolle der Opposition - und auch noch der ewig der Verantwortungslosigkeit verdächtigten - begegnet die PCI in korrekter Anwendung des über alle Fährnisse wechselnder Kräfteverhältnisse erhabenen kommunistischen Lehrsatzes: 'Sie sind auf mich nicht angewiesen, aber ich auf Sie. Merken Sie Ihnen das!'

Wenn in derart böswilliger Gehässigkeit ihre wahren Absichten nicht nur verkannt, sondern in Abrede gestellt werden, dann ist doch die Opposition die beste Gelegenheit für deren Beweis, weil man sie für nichts anderes ge-, nämlich nicht "miß-brauchen" will. So gesehen war man dann schon immer oppositionell und hat konsequent den Historischen Kompromiß aufgekündigt und sich zu einer "neuen oppositionellen Linie" entschlossen, in der Kommunismus endgültig mit dem Ideal einer nationalen Sammelbewegung für die Rettung der 'Handlungsfähigkeit' der Regierung zusammenfällt:

"Wir baben eine großangelegte Initiative gestartet, die DC auf ihre Verpfhchtungen zu drängen. Doch jetzt ist zum erstenmal (?) das Risiko einer institutionellen Krise bis bin zum Kollaps der Republik Wirklichkeit geworden. Es gilt, einen solchen Kollaps zu verhindern. Die DC liefert den Beweis der Unfähigkeit, dem Land ein Minimum an politischer und moralischer Führung zu geben. Deshalb ist eine Regierung unter Vorsitz der DC jetzt untragbar geworden." (Berlinguer)

Denn für die "Wiedergeburt" einer wahrhaft einigen Nation gilt es den wahren Geut der DC gegen seine Deformierung zur Parteipolitik zu retten:

"Der Kampf für eine Wiedergeburt ist auch der Kampf gegen die DC, zur Befreiung der Kräfte der katholischen Welt für eine stärkere Einheit der Linken, zur Vereinigung aller Kräfte, die sich in diesen Jahren erneuert haben, auch derer außerhalb der Parteien."

Der Kampf gegen die Fiktion einer kollabierenden Republik ist das von den Kommunisten ersonnene Mittel, den Christdemokraten und darüber ganz Italien zu bedeuten, daß die Kommunisten nie vom tugendhaften Pfad demokratischen Zusammenstehens in der Stunde der Not abgewichen sind und abweichen werden, erst recht nicht, wenn alle anderen sich dem PCI-Credo entziehen, daß man den Staat aus seiner institutionellen Dauerkrise erlösen müsse. Dann muß die vom Mitmachendürfen ausgeschlossene PCI der DC vorrechnen, was sie zu tun hätte - und ihr weiterhin praktische parlamentarische Unterstützung bieten:

"Das Problem ist vor allem jenes...: wie bringt man diese Politik voran: Wir müssen uns bemühen, diesen Plan der Veränderung zu einem Massenfaktor werden zu lassen. Das heißt auch, daß die Kommunisten gegenüber der C beabsichtigen, ihre kritische Aktion, ihren politischen Kampf weiter voranzuführen... und das mit zwei bestimmten Zielen: ein für unsere Partei und für die Linke günstigeres Kräfteverhältnis verwirklichen und eine Änderung der Ziele und der Richtung der DC bewirken... Natta hat präzisieren wollen: wir nehmen die Position ein, die uns am korrektesten und stärksten erscheint, gerade um dem Kampf für eine Politik und eine Regierung des demokratischen Bündnisses wieder Schwung und Leben zu verleihen." (Natta)

Wenn die PCI nämlich unter ihrem Programm des nationalen Notstands die Politik der DC daraufhin kritisch abklopft, was diese zu dessen Beseitigung beiträgt, dann will sie gerade als ernsthafte Oppositionspartei nicht die Augen vor dem Umstand verschließen, daß es kaum eine Maßnahme gibt, die nicht erforderlich wäre zur Rettung Italiens und von ihr als ein mehr oder weniger großer Schritt in die richtige Richtung interpretiert werden kann.

Konstruktive Vorschläge

Anders als eine demokratische Partei, die auf Basis des Konsenses aller Demokraten munter über die andere herzieht, sie der Ruinierung des Staatswesens verdächtigt, ohne befürchten zu müssen, daß irgendeiner diesen Vorwurf für bare Münze nimmt, und die deshalb die Retourkutsche gelassen einsteckt, lassen die italienischen Kommunisten nicht einmal ihrer konstruktiven Kritik freien Lauf und schimpfen drauflos. Schließlich wollen sie sich ja gerade in der Oppositionsrolle aus dem Ruch des ewigen Nörglers befreien.

  • So hat die PCI seit ihrer Kurskorrektur alle wirtschaftspolitischen Maßnahmen der DC-Regierung unter dem Vorbehalt unterstützt, daß ihr noch was Effektiveres eingefallen wäre. Zuletzt begrüßte sie die im Wirtschaftsplan des Haushaltsministers La Malfa vorgesehene "einmalige" 5%-Abgabe (= 5% auf die 1981 von jedem Steuerpflichtigen zu entrichtende Steuer) für den "Wiederaufbau" des Erdbebengebiets als Tat der "nationalen Solidarität".
  • Darüberhinaus unterstützte sie die Regierung, die, um das Durchboxen all ihrer Entschlüsse dringlich zu machen, diese jeweils mit der Vertrauensfrage verband, wahrhaft selbstlos, als der die nötigen Stimmen aus dem eigenen Lager fehlten, weil DC-Abgeordnete - wohl in dem Bewußtsein, daß auf die PCI Verlaß ist - daheimblieben. Der Vorschlag Andreattas, die Renten nur unter der Bedingung zu erhöhen, daß sie nicht vierteljährlich im Rahmen der scala mobile, sondern nur im Halbjahresrhythmus, an die Inflationsrate angeglichen werden, wurde von den Kommunisten, die die 1/4-jährliche Angleichung befürwortet hatten, mitgetragen. Ihre Gegnerschaft gaben sie mit der Begründung auf, nicht mit den Faschisten, der einzigen Opposition, in einen Topf geworfen werden zu wollen. Ob soviel Entgegenkommens war der Haushaltsminister gerührt; er bot von selber einen 4-monatigen Kompromißvorschlag an, mit dem die Regierung immer noch 4 Mrd. DM einspart.

"Diese Initiative der Regierung hat ein nicht nebensächliches politisches Resultat. Sie hat die PCI, einem der entscheidendsten Verhandlungspartner im Oppositionsbereich, dazu geführt, sich dem Problem des grundsätzlichen ökonomischen Gleichgewichts im Haushalt zu stellen. Die Kommunisten haben ihre Forderungen von 5000 auf 3000 Mrd. Lire reduziert. Was mir wichtig erscheint, ist, daß die Partei, die ein Drittel der Italiener repräsentiert, die Sachzwänge und die Reeierungsentscheidungen in der staatlichen Haushaltspobtik akzeptiert, was in einer gewissen Weise die Regierungskultur der größten Oppositionspartei bestärkt. Deshalb habe ich meinen Reformvorschlag zurückgezogen. Ausgehend davon, daß sich die PCI selbst verpflichtet hatte, sich wenigstens einen Teil der Sorgen des Schatzmeisters zueigen zu machen, schien es mir eine unnötige Arroganz, es bis zum Bruch der Verhandlungen kommen zu lassen. Schließlich haben die Kommunisten auch erklärt, daß, wenn ihre Vorschläge zu Fall gebracht worden wären, sie für die der Regierung gestimmt hätten. Das scheint mir ein keineswegs unzufriedenstellendes politisches Resultat zu sein." (Schatzmeister Andreatta)

- Und so hat sich die PCI auch bei der "Bewältigung" des Erdbebens beispielhaft hervorgetan. Wo im Wirtschaftsplan der DC vorgesehen ist, diejenigen Arbeitslosen auszuheben, die "für den Wiederaufbau im Erdbebengebiet geeignet sind", macht die PCI den konstruktiven Vorschlag, wie die Verwendung des - nach ihrer Ansicht noch stärker auszumusternden - Arbeitsvolks praktisch zu organisieren sei. Für die nationale Solidarität ab marsch ins Arbeitslager!

"Subjekte dieses Wiederaufbaus müßten die jugendlichen Massen sein, die in Arbeitskooperativen vereint werden." (KPIler Trentin)

In Neapel steckt der kommunistische Bürgermeister Leute, die gegen die Art ihrer Behandlung demonstrierten, kurzerhand in den Kerker; sehr zu recht, befand der kommunistische Gewerkschaftsführer Lama:

"Diese sind keine echten Arbeitslosen, sondern Leute, die vom Staat leben wollen."

So wird in Italien von der PCI der schöne Beweis mitgeführt, daß Opposition in der Demokratie eine überflüssige Institution ist, da die Nationalkommunisten nicht einmal mehr parlamentarische Angriffe auf die bürgerliche Regierung starten wollen, weil sie darin eine der vielen Gefahren für das über alles geschätzte Gemeinwesen sehen, die sie von ihm abwenden wollen. Die DC stellt ein ums andere Mal und mit zunehmender Unverfrorenheit klar, daß die Macht in ihre Hände gehört, weil sie die Regierungspartei ist, und von der PCI die Unterstützung als Dank für alle Angriffe auf sie erwartet wird. Und die PCI gibt der Regierung recht, indem sie ihre Oppositionstätigkeit darauf beschränkt, diesen Vorwurf durch Mitarbeit zu entkräften und den Erwartungen im Namen Italiens gerecht zu werden.