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MIT DER KPF FÜR DIE "ERRETTUNG FRANKREICHS"
"Wir haben den Sieg errungen... Wir sind bereit, in der Regierung wie auf allen Ebenen des nationalen Lebens alle unsere Verantwortung wahrzunehmen, damit die neue Politik der Vollbeschäftigung, der Gerechtigkeit und des sozialen Fortschritts, der nationalen Entwicklung, des Aufschwungs der Freiheiten, der Friedensinitiativen, der Abrüstung, der Unabhängigkeit, der Lösung aller großen Probleme in Angriff genommen wird."
So hörte man es zwei Stunden nach der Wahl des Sozialisten Mitterand zum Präsidenten der Französischen Republik. Die da jubelten und sich in Siegerpose für das schwere Geschäft des Regierens bereit erklärten, waren allerdings nicht er und seine Mannschaft, sondern die Spitzenvertreter der Kommunistischen Partei Frankreichs; die Verantwortung die sie eilfertig zu übernehmen versprachen, hatte ihnen niemand angetragen, und die Politik, die sie da tragen wollen, ist nicht ihre, sondern die des erfolgreichen Konkurrenten.
I. Die neue historische Etappe
Es ist wirklich schwer zu entscheiden, was unerträglicher ist: Die lächerliche Dummdreistigkeit, mit der die KP ihre Ansprüche vor jeder offiziellen Äußerung und vor allem gegen jede Absichtserklärung Mitterands anmeldet; die Unverfrorenheit, mit der sie ihre vernichtende Niederlage als Sieg verbucht; die opportunistische Umstandslosigkeit, mit der sich sich demjenigen andienert, den sie noch vor der Wahl als Verräter gebrandmarkt hat und der seinerseits sich zu nichts verpflichtet hatte außer dazu, jede kommunistische Stimme für sich einzuheimsen; den boden- und prinzipienlosen Illusionismus, im Sieg Mitterands ihre Chance auf Beteiligung an der Herrschaft zu entdecken und sich deswegen machtvoll zu seiner Unterstützung aufzuplustern; die üble, auf Zustimmung des soliden Antikommunisten Mitterand berechnete Mischung von Gerechtigkeits-, Fortschritts- und Friedensphrasen mit einem unverhohlenen Nationalismus; oder die grenzenlose Unverfrorenheit, mit der vom Wähler die bedingungslose stimmviehmäßige Gefolgschaft bei allen taktischen Winkelzügen wie selbstverständlich verlangt wird. Für den ersten Wahlgang verordnete sie standfeste kommunistische Stimmabgabe, um ihre Stärke zu demonstrieren; nach der Wahlniederlage beschimpfte sie diejenigen, die gleich Mitterand gewählt hatten, sich nicht diszipliniert verhalten zu haben, nicht ohne sie weiterhin für die Sache des Kommunismus zu vereinnahmen:
"Unter den besonderen Bedingungen dieser Wahl haben es kommunistische Wähler und Wählerinnen, die unsere Politik billigen und unterstützen, für nützlich gehalten, schon im ersten Wahlgang für Francois Mitterand zu stimmen. Jeder und jedem von ihnen, die uns bei dieser Gelegenheit nicht gefolgt sind, sagen wir in unserer üblichen Offenheit: Sie haben die Gefahr schlecht eingeschätzt, die ein ungenügender Einfluß der französischen kommunistischen Partei mit sich bringt. Das wird die Dinge nicht erleichtern. Aber wir sind davon überzeugt, daß Sie kommunistische Wählerinnen und Wähler bleiben, und wir rufen Sie dazu auf, mit uns unverzüglich in den Kampf für eine wirkliche Änderung und für die Einheit teilzunehmen. Wir rechnen mit Ihnen, wie Sie mit uns rechnen können."
Dann teilen sie den verehrten (Manövrier-) Massen mit, daß sie für den zweiten Wahlgang genau auf das Verhalten rechnen, das sie ihnen beim ersten vorwerfen: die bedingungslose Wahl Mitterands.
Einheit um jeden Preis
Man tut der KPF also bitter unrecht, wenn man ihr vorwirft, sie steuere neuerdings einen sektiererischen Anti-Einheits-Kurs. Schließlich hat Marchais seine Kandidatur mit derselben Parole begründet, mit der er vor 7 Jahren das 'Gemeinsame Programm' mit den Sozialisten abgeschlossen und Mitterand als gemeinsamen Kandidaten der Linken unterstützt hat:
"Wir wollen eine große Mehrheitsbewegung schaffen, die Einheit aller Volkskräfte verwirklichen, die unwiderrufliche Einheit der Linken für die Veränderung. Was wir wollen ist die Veränderung. Wir wollen die großen antikapitalistischen und demokratischen Reformen ins Werk setzen, ohne die es keine wirkliche Veränderung geben kann."
Geändert hat sich allerdings der "Schlüssel zur Einheit", der diesmal nicht im Wahlbündnis mit der sozialistischen Partei (PS), sondern in der demonstrativen Gegenkandidatur Marchais' besteht. Die KPF ist nämlich historisch-materialistisch an die Frage der Union herangegangen und hat anders als die "dogmatischen Nostalgiker der Linksunion" - den Grundsatz befolgt, wonach bei der Behandlung der "Probleme der Einheit der historischen Erfahrung Rechnung zu tragen" ist und "eine neue Situation eine neue Lösung verlangt". Das historische Novum sehen die französischen Revisionisten in der für sie nicht sehr schmeichelhaften 'Erfahrung', daß sie sich in der PS schwer getäuscht hätten und in dem Ex-Bündnispartner heute eine Agenten und Teil der Bourgeoisie erkennen müßten. Zwar war es zu Zeiten des Gemeinsamen Programms auch der KPF kein Geheimnis, daß das Bündnis für beide linken Parteien dazu da war, an die Regierung zu kommen und dabei auf Kosten des Partners der stärkere und entscheidende 'Faktor' zu werden. Nachdem aber das Linksbündnis Fortschritte in der Richtung machte, daß es 1. eine mächtige Opposition blieb und 2. der PS zu einem stetigen Stimmenzuwachs, der KPF aber zu einer ebenso, stetigen "Stagnation" verhalf, hatte sich die Partei dazu entschlossen, jedenfalls solange, bis nicht nach dem ersten Wahlgang eine neue "historische Erfahrung" eine neue "historische Aufgabe", die Wahlhilfe für den Erzfeind Mitterand gebot, einen historischen Schlußstrich zu ziehen. Seitdem war aus der Tatsache des Stimmrückgangs die erschütternde Einsicht geworden, daß die PS es "nur" auf die "Marginalisierung" der KPF abgesehen und das "changement" zugunster der "Klassenkollaboration" aufgegeben hat. Also verordnete sie - zumindest für den ersten Wahlgang - die Demonstration, daß und wieviele Franzosen "Veränderung" wollen und die Kommunisten für die "Bedingung der Möglichkeit der Veränderung" halten. Nachdem sich aber der Erfolg des Bemühens Mitterands abzeichnete, durch die "Marginalisierung" der KPF sich mehrheitsfähig zu machen, da hieß die Parole: Kehrt Marsch! Und nach dem Wahlerfolg sind die - in ihrer Einheitslogik also wirklich prinzipientreu umfallerischen - französischen Kommunisten wieder der Möchtegern-Juniorpartner des "Klassenverräters" und zu jeder Mitwirkung bereit:
"Wir denken, daß die Schwierigkeiten auf dem Weg des Fortschritts der Einheit aller Volkskräfte überwunden werden, sobald sich der Wille betätigt, gemeinsam im Dienste dieser neuen Politik und der demokratischen Reformen, die sie einschließt, zu handeln. Wir haben diesen Willen. Die Veränderung braucht zu ihrer Verwirklichung die kommunistische Partei, ihren besonderen dynamischen und schöpferischen Beitrag zur Volksbewegung" (zu der jetzt also die Sozialisten als lahmerer und einfallsloser Teil wieder dazugehören) "Das ist die Überzeugung der viereinhalb Millionen Männer und Frauen, die uns im ersten Wahlgang gewählt haben."
II. Kämpfe mit Perspektive
Der schöpferische Beitrag zu dem Einheitsprogramm besteht im wesentlichen darin, von den Wählern zugleich das Idealbild einer kämpfenden Arbeiterklasse zu entwerfen. Die KPF will nämlich darüber ihre Anwartschaft auf die Regierungsbeteiligung bestärken, daß sie sich die Proleten nicht nur als Wähler, sondern darin auch als angebliche Kämpfer für eine bessere Staatsmacht verpflichtet:
"Der Wahlgang im nächsten April wird nur der Ausdruck der Kämpfe sein, die in der Zwischenzeit ablaufen werden. Wir schöpfen unsere Hoffnung, unser Vertrauen aus euren Kämpfen. Überall, mit euch, gegen die Staatsmacht und gegen die Unternehmer; überall mit euch, um euch zu verteidigen: das ist die Parole unserer Partei. Diese Hoffnung ist zur gleichen Zeit die Hoffnung auf Veränderung."
Die von der KPF deswegen unterstützten, eskalierten oder fallengelassenen Kämpfe sind entsprechend ausdrucksvoll.
Der Fall Manufrance
Die Partei hat z.B. schon vor einiger Zeit beschlossen, eine unrentabel gewordene Firma namens "Manufrance" zum "exemplarischen Konflikt" zu entwickeln, weil ihr das Thema (Arbeitslosigkeit), die betrieblichen (Majorität der Revigewerkschaft CGT) und örtlichen Umstände (KPF-Mehrheit im Stadtrat von St. Etienne) hierfür günstig schienen. Als der Betrieb vor der Liquidation stand, wurde der kommunistische Bürgermeister qua Amt aktiv, stellte städtische Kredite zur Verfügung, bot interessierten Geschäftsleuten finanzielle Garantien an und verzögerte so monatelang die Schließung. Daß seine von den Bürgern finanzierte Rettungsaktion mehrmals durch "kleinere Entlassungen" begleitet wurde, tat seinem Ansehen als arbeiterfreundlicher "Verteidiger der Arbeitsplätze" und (lokal)patriotischer "Retter des französischen Industriepotentials" gegen seine Nichtbenutzung durch kapitalistische Unternehmer keinen Abbruch. Als schließlich die französische Regierung dem zahlungsunfähigen Unternehmen die Subvention strich, sah die KPF die Chance zu einer nationalen Schlußoffensive, die natürlich den 2000 Arbeitslosen gar nichts, der Partei aber das Renommee eines kämpferischen Anwalts der Arbeiterklasse einbringen sollte. Die KPF und ihr Transmissionsriemen CGT organisierten also eine Massendemonstration, machten aus St. Etienne tagelang "die Hauptstadt der Unzufriedenheit und des Zorns der Arbeiter" unter dem Motto:
"Manufrance ist ein Bestandteil des nationalen Erbguts, das man um jeden Preis retten muß" - "Die Regierung macht eine Unternehmenspolitik des nationalen Verrats".
Das ganze Spektakel war eine als Kampf vorgetragene Parteiveranstaltung zum Thema Arbeitslosigkeit, in der das mit dem Kostenfaktor - Lohn kalkulierende Kapital nicht vorkam und die regierenden Politiker als unverantwortliche Zerstörer französischer Größe und Leistungsfähigkeit angegriffen wurden, die den französischen Arbeitern "ihre" traditionsreichen Arbeitsstätten kaputtmachen. Die mittlerweile an Tausenden von Mauern der Republik stehende Parole 'Produisons francais' verkündet allen arbeitenden Franzosen das Gegenprogramm zu dem tagtäglich durchgesetzten Barre-Plan der Regierung, der die französische Industrie in und mit der EG voranbringen will und dafür Rationalisierungen, Betriebssanierungen und Stillegungen unterstützt. Die KPF benutzt so die von der Regierung einkalkulierte Arbeitslosigkeit der lieben Proleten dazu, sich als der französischste politische Verein aufzuspielen, und führt mit der Mobilisierung der Massen den kämpferischen Nachweis, daß die Unzufriedenheit mit der Regierung in einer national denkenden Partei gut aufgehoben ist. Statt Einsicht in den nationalen Charakter einer solchen Politik der Förderung der Konkurrenzfähigkeit französischer Unternehmen und Stärkung des Staates setzt sie auf den Neid der Arbeiterschaft gegenüber den EG-Partnern - so als ob die Regierung zum Nutzen anderer Länder den Ausverkauf französischer Interessen betreiben würde -, schickt sie also auf die Suche nach den wahren Schuldigen für ihre Misere ins Ausland, dem die Regierung sich unterwirft, statt sich zu behaupten, und befestigt so die Illusion über die segensreiche Einrichtung Nation zu einem handfesten Chauvinismus gegen die 'reichen Nachbarn'.
Das Exempel von Vitry
Wenn die 'Kämpfe' für die Partei ihren Sinn darin haben, sich als die Sachwalterin einer Politik darzustellen, die den Arbeitern zur Erfüllung ihrer berechtigtrn Ansprüche als Franzosen verhilft, die die bürgerliche Regierung angeblich verrät, geht man konsequenterweise dazu über, die 'Konflikte' von vornherein als ausdrucksfähige Exempel zu inszenieren, daß es alle möglichen unberechtigten, weil unnationalen Nutznießer gibt, die für die Nöte der heimischen Massen verantwortlich sind. Und die entdeckt man dann konsequenterweise ausgerechnet in denen, denen es noch schlechter geht.
So schritt der kommunistische Bürgermeister (aha!) des Pariser Arbeitervororts Vitry mit blau-weiß-roter Schärpe und einigen Bulldozern zur Tat und machte ein Ausländerwohnheim "unbewohnbar", in dem afrikanische Gastarbeiter eine notdürftige Behausung gefunden hatten. Seitdem kennt ganz Frankreich den im "Kampfplan" des Kandidateen Marchais neben der Beseitigung der Drogensüchtigen auftauchenden Programmpunkt 'Ausländerstop' als ganz ernstzunehmende Kampfansage. Die wohlberechnete Wucht dieser Kampfansage besteht darin, daß das fremdländische Proletariat sie als kommunale Gewalt zu spüren und die Regierung sie als den 'arbeiterfreundlichen' Vorwurf zu hören bekommt, sie provoziere die arbeitslosen Franzosen mit dem ungeschmälerten Zufluß unfranzösischen Arbeitsviehs und schaffe damit für die republikanische Ordnung unverantwortliche Unruhe in der Bevölkerung. Man unterstellt Giscard den nationalfeindlichen Zeck, amerikanischr Zustände a la Chicago einführen zu wollen und macht sich zum Anwalt des sauberen, friedlichen französischen Arbeiterbürgers, dem mit dem Recht auf Arbeit auch eine saubere Kommune gebührt. Die heuchlerische Empörung der Öffentlichkeit über den "Rassismus" der KPF ist dieser Arbeiterpartei gerade recht, um "dem pseudowissenschaftlichen rassistischen und fremdenfeindlichen Begriff der Toleranzschwelle einen klassenmäßig bestimmten Begriff entgegenzusetzen" und ihren spezifisch revisionistischen Faschismus als Kampf gegen die "Ghettobildung und die übermäßige Belastung der kommunistisch regierten Gemeeinden" mit Gastarbeitern vorzutragen, als ob diese dort von Giscard zum KPF-Ärgern hingeschickt und nicht vom Kapital dort gebraucht würden, wo sich die große Industrie und deshalb auch die Arbeitermassen (also auch KPF-Wähler) zusammenballen würden. Aus der unvermeidlichen und von vornherein einkalkulierten Anti-KPF-Hetze der anderen Parteien 'folgert' das arme 'Opfer' allemal die moralische Berechtigung seines Anliegens, das seinen klassenkämpferischen Höhepunkt in der offiziellen Drohung finde,
"die Namen derjenigen zu veröffentlichen, die die Kommunisten des Rassismus bezichtigen und ihre Kinder aus den Schulen zurückziehen, in denen viele Auslanderkinder sind."
Gegen diese mit Denunziation zu bestrafende Doppelmoral der Bourgeoisie lobe man die ehrliche Haut jenes anderen kommunistischen Bürgermeisters, der für die Teilnahme an Ferienkolonien für Ausländerkjnder die Höchstquote von 15% festsetzte!
III. Nationale Unabhängigkeit ernstgenommen
Wo immrr die KPF Konflikte aufgreift oder schafft, gewinnen diese also eine brutale französische "Perspektive:", die sich nicht das hierzulande offiziell gepflegten Nationalismus der 'Partneerschaft' und 'europäischen Gemcinsamkeit' bedient, in der der eigne Vortril (der Nation) aufgehoben sei, bedient, sondern den Arbeiterstolz und -unmut gegen alles mobilisiert, was der staatsbürgerlichen Gleichung von eigenem Vorteil und Stärke der Nation im Wege steht. Der Grund und der Ausgang der "vereinzelten" Auseinandersetzungen interessieren sie nicht, weil sie diese noch stets zu ihrem Kampf um die "Rettung des Vaterlandes" "verallgemeinert." So will sie in den aufgegriffenen 'Problemen' nicht mehr die wirklichen Zwecke der rationalisierenden Kapitalisten, der konkurrierenden Arbeiter oder der um den Konkurrenzerfolg ihrer Kinder besorgten Eltern erkennen, sondern sieht allemal den einen verwerflichen Zweck der Zerstörung am Werk, den sie dem obersten politischen Subjekt und seinen Helfeshelfern anhängt. Giscard vernichtet die französischen Betriebe ('Industriepolitik'), die französischen Arbeitersiedlungen ('Ausländerproblem'), die französische Jugend ('Drogenproblem'), weil - so die Quintessenz dieses wahnwitzigen Konservatismus des 'Erhaltet unsere Industrie und Gemeinden und Kinder' - er eine Politik fürs Ausland betreibt. Der Antikapitalismus dieser Nationalkommunisten verwandelt das Kapital in eine unfranzösische Angelegenheit, die in Gestalt der Multis und der deutschen Konzerne ins Vaterland eindringt und dessen Niedergang bewirkt. Weil die an der Regierung befindlichen Lakaien des internationalen Monopolkapitals Frankreich Schritt für Schritt in die EG integrieren, wütet jetzt in der Republik an allen Ecken und Enden der Kampf zwischen dem europäischen, d.h. deutschen, d.h. amerikanischen Profitinteresse und dem eigentlich sozialistischen nationalen Interesse Frankreichs:
"Sie treiben unser Land auf den Weg seiner Integration in den westeuropäischen Block, wo es seine Unabhängigkeit und seine Identität verlöre. Frankreichs Bild wird durch den Kapitalismus entstellt."
So ist der Kreuzzug gegen das Profitprinzip, zu dem die KPF die Arbeiterklasse fernab von ihren materiellen Sorgen antreten läßt, ein Kampf für die Unabhängigkeit der 'grande nation', jene von De Gaulle bis Giscard verfochtene außenpolitische Leitlinie einer zweitrangigen imperialistischen Macht. Wo die Besonderheit des französischen Imperialismus seit der 'liberation' durch die USA darin besteht, sich an den imperialistischen Setzungen der Weltmacht Nr. 1 zu orientieren und als Bestandteil des Westens eine eigenständige weltpolitische Rolle zu bzhaupten, nimmt die KPF das nationale Ideal der Eigenständigkeit so ernst, daß sie glatt mit dem "westeuropäischen Block" und dem "amerikanischen Imperialismus" nichts zu tun haben will und von ihrer geliebten 'force de frappe' die hohe Meinung hegt, sie müßte nicht unbedingt gegen die Russen, sondern könnte genausogut gegen die Amis eingesetzt werden. So sind sie auch nicht aus Moskauhörigkeit, sondern als ganz fanatische Franzosen gegen die heutige westliche Offensive eingestellt und verweigern sich dem 'alignement' auf die amerikanischen Beschlüsse, weil das eine Bevormundung dieser europäischen Großmacht ist, die schon immer Volks-Souveränität vor allem nach außen großgeschrieben hat: Wo die einmütige Verurteilung des russischen Einmarsches in Afghanistan ansteht, machen sie sich die vermeintlich sowjetische Position zu eigen, daß jede Einmischung aufhören müsse, und wo von Reagan bis Berlinguer jeder Westmensch die Russen vor einem Einmarsch in Polen warnt, dementiert die KPF ein derartiges sowjetisches Vorhaben und rupft mit der PCI das Hühnchen, daß sie mit ihrer falschverstandenen Euro-Tour "den notwendigen Prozeß einer demokratischen und sozialistischen Erneuerung in Polen" erschwert, für dessen nationale Unabhängigkeit sich Frankreich schließlich schon zu Zeiten von Chopin ("Revolutionsetüde" und Dombrowski "Noch ist Polen nicht verloren") eingesetzt hat. So sind sie das getreue Spiegelbild einer Politik, die ihre Beteiligung am Imperialismus 'des Westens' schon immer mit der Demonstration und dem Ideal ganz souveräner Eigenständigkeit betrieben hat. Deswegen leistet sich die offizielle KPF-Linie mit ihrer demonstrativen Nicht-Verurteilung des russischen Einmarsches in Afghanistan und der behaupteten "bilan globalement positif" in den sozialistischen Ländern (Erinnert sei dabei an den flotten Abschied von der "Diktatur des Proletariats" vor einiger Zeit!) auch eine ganz und gar eigenständige Position im Systemvergleich, die im realen Sozialismus Programmpunkte ihres idealen Frankreich entdeckt, in dem die Arbeiter überzeugte Staatsanhänger sein können und der Staat endlich seine innere Einigkeit als auch Stärke nach außen in die Wagschale werfen kann und wirft. Keine Kapitalisten, keine Arbeitslosigkeit, mehr Sportler und Krankenhäuser, v.a. aber keine Ausländer und Drogen - dieses positive Gegenbild gegen die unzivilisierte amerikanischr Nation wird nur durch ein paar unfranzösiche Mängel getrübt, wie z.B. die 'Dissidenten'.
IV. Das sogenannte Intellektuellenproblem
Die 'KPF-Dissidenten' wollen dies freilich anders sehen und 1. die Sowjetunion als eine undemokratische und deshalb gescheiterte Verwirklichung des Sozialismus global negativ beurteilen und 2. die KPF wegen ihrer mangelnden Feindseligkeit in Richtung Osten als Agentur der KPdSU zu verdächtigen. Die Mutterpartei beweist ihre interessierte Geduld und Nachsicht, indem sie die übelsten Verfechter der westlichen Offensive als kritische Intellektuelle zur Brust nimmt, welche umgekehrt in theoretischer Sorge um den demokratischen Erfolg ihrer Partei die schöne revisionistische These in die Welt posaunen, daß man "der Rechten nicht das Monopol des Antisowjetismus überlassen" dürfe. Und so durchbrechen diese beherzten Elleinsteins und Kehayans stellvertretend für die geknebelte Partei dieses Monopol, indem sie in der bürgerlichen Presse als gerngesehene KPF-Kritiker damit Aufsehen erregen, daß sie "als Kommunisten" ihre westliche Grundüberzeugung zum besten geben und über den rückschrittlichen "isolationistischen" Kurs der Mannen um Marchais klagen. Sie machen sich zum Exempel für die von der bürgerlichen Öffentlichkeit gierig zur Kenntnis genommenen undemokratischen Zustände in der KPF und stilisieren ihre Unzufriedenheit mit ihrer peripheren Rolle in der Partei um zu einem ungeheuer bedeutugsvollen Kampf um die Veränderung der KPF, welche nicht "das Eigentum der Parteiführung" sein dürfe. Wenn die KPF-Intellektuellen demnach die Partei für ihren Erfolg als echte französische kritische Geister benutzen und zu diesem Zweck sich mit der nötigen Heuchelei einen Dissidentenstatus zulegen, so ist umgekehrt ihre Parteizugehörigkeit auch für die KPF keine dogmatische, sondern eine pragmatisch gehandhabte Frage: Sie benutzt sie als intellektuelles Aushängeschild und empfindet es als peinliches Mißgeschick, wenn ihr glänzendstes, Althusser, durchdreht und seine Frau umbringt; im übrigen reguliert sie ihre Wirkungsmöglichkeiten, indem sie ihnen je nach Bedarf Rubriken in den parteieigenen Organen einräumt oder verwehrt. Ausgeschlossen wird ein Kehayan nicht wegen seiner antikommunistischen Theorien, für die eine 'Arbeiterpaitei' allemal eine sehr souveräne Intellektuellenverachtung übrig hat, sondern wegen seiner ihm nicht zustehenden Einmischung in die praktische Politik: Sein öffentliches Bekenntnis, er würde bei den Präsidentschaftswahlen Marchais nicht wählen, das kann sich eine Partei, die den besten Teil, ja damit überhaupt die Größe der Nation am besten zu vertreten behauptet, nun doch nicht leisten!
V. "Bilan globalement positif"
Dafür leistet sie es sich aber, bis über die - selbst für diese grenzenlosen Opportunisten und alternativen Nationalisten doch irgendwo noch zu vermutenden - Schamgrenzen hinaus, sich den Sozialisten an den Hals zu werfen, mit dem scheelen Blick auf ein paar Ministersessel Volkseinheit zu heucheln und auf eine günstige Konstellation bei der Regierungsbildung und den Neuwahlen zum Parlament zu hoffen, in dem auch bisher nur 20 sozialistisch gewählte Sozialisten von 114 sitzen. Wenn diese Rechnung dann nicht aufgeht, werden sie wohl weiter taktieren und im Namen einer besseren "gloire francaise" Mitterand teils unterstützen, teils des Verrats zeihen. Denn sie sind und bleiben Fanatiker einer ganz sozial-nationalen und dadurch starken Republik der Arbeit und deswegen zu jedem Opportunismus bereit, zumal wenn sie auch nur den Hauch einer Möglichkeit entdecken, von den Sozialisten benutzt zu werden. Daß ihnen das auch beim erklärten Antikommunisten und Gegner der Sowjetunion Mitterand nicht schwer fällt, dafür sorgt die wirklich vorhandene weitgehende Überinstimmung mit seinem Wahlprogramm. Das voll in die Tat umgesetzt - wäre für die KPF die Welt wirklich so gut wie in Ordnung!