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Dieser Artikel ist in der MSZ 3-1981 erschienen.

Systematik


KÖNIGSTREUE KOMMUNISTEN FÜR SPANIEN UND DIE DEMOKRATIE

Die Kommunistische Partei Spaniens hat aus 40 Jahren der Illegalität, der Ermordung zahlloser Funktionäre durch die siegreichen Faschisten, der Inhaftierung ihrer Arbeiterkader in den Gefängnissen des Franquismus und den Erfahrungen aus den "bitteren Jahren des Exils" (Carillo) nicht nur den Schluß gezogen, heute mit den Schergen, Günstlingen und Mitläufern der Diktatur gemeinsam unter dem Firmenschild der Demokratie Staat zu machen, sondern auch alle Gründe, aus denen Kommunisten verfolgt wurden, in ihr Programm aufzunehmen und die alten Ziele der illegalen KP offensiv als Gefahren für die Demokratie zu bekämpfen. Die lange umstrittene Legalisierung der Partei honorierte sie durch die Abschwörung von allen Inhalten des spanischen Revisionismus, die sie als Ziele und Bedingungen für eine wahre Demokratie in Spanien gefordert hatte.

Die Lehren aus der Vergangenheit

Die KP, die unterm Faschismus die illegale Gewerkschaft der Comissiones Obreras aufbaute, sich das Streikrecht nahm und neben der baskischen ETA das einzige organisierte Widerstandszentrum gegen den faschistischen Staat war, benutzt heute ihren Einfluß auf die CCOO, um das Wirtschaftsprogramm der Regierung auf Kosten der Lohnarbeit und ohne Störung durch Streiks durchzusetzen und fordert das Verbot aller Parteien und Gruppen in Euskadi, die sich nicht von ETA distanzieren.

Die KP, die in der Endphase des Franquismus nur Hohn und Spott für den "principe corto" Juan Carlos übrig hatte, die Monarchie in Spanien dem "Misthaufen der Geschichte" überantworten wollte und damit prunkte, daß das "neue Spanien" eine "sozialistische Republik" werden würde, lobt heute den König als "ersten Verteidiger der Demokratie", bekennt sich zur Monarchie und hat ihren Kampfruf aus den Jahren der Illegalität "Ni Franco, ni Rey, Socialisme es la ley!" durch ein inbrünstiges "Viva Espana" unter den Farben des Königs ersetzt.

Die KP schließlich, die vor 10 Jahren Massendemonstrationen gegen die US-Militärbasen in Spanien organisierte und die EG-Ambitionen der letzten Franco-Regierung als "Verkauf der spanischen Arbeiterklasse an das Europa der Monopole" kritisierte, spricht sich heute bei allen angeblichen Vorbehalten für einen EG-Beitritt "als wirtschaftliche und politische Notwendigkeit" aus - und die Vorbehalte sind keineswegs mehr die jetzt schon ins Werk gesetzte Verschärfung des Klassenkampfes von oben, sondern Sorgen um das Ideal eines 'wahren Europa'.

"...ein Europa, darf politisch und wirtschaftlich vereint ist, das eine eigene und unabhängiee Politik betreibt, das weder den Vereinigten Staaten noch der SU untergeordnet ist, sondern positive Beziehungen zu beiden Mächten aufrechterhält."

Und gegen den Beitritt zur NATO wendet man sich nur deshalb, weil die USA-Präsenz in Spanien sowieso ein toleriertes Faktum ist und man sich deshalb demonstrativ die Freiheit leistet, eben dies Ideal einer Dritten Weltmacht zwischen den Blöcken mit Beteiligung Spaniens ganz eigenständig vorstellig zu machen. Die moralische Berechtigung für diese Freiheit - jedenfalls nach ihrer Meinung - verschaffen sie sich durch eilfertige "friedenspolitische" Bekenntnisse gegen den russischen Einmarsch in Afghanistan und für "die Freiheit, die Demokratie, die Teilhabe der Massen" in Polen, die "dem Sozialismus eigentümlich sind."

"Sammlung" für die Demokratie

Wie eigentümlich sie für diese Errungenschaften eintreten, führen sie daheim vor, wo nach ihren eigenen Aussagen alles drei noch im argen liegt. Getreu der Überzeugung, daß das "herrschende Kräfteverhältnis" nicht der Gegner ist, sondern, weil es die eigene Beteiligung am politischen Geschäft überhaupt duldet, die positive Grundlage, auf der Politik gemacht wird, haben die spanischen Kommunisten, statt diese Grundlage nun wenigstens für den Kampf um die Erfüllung der doch immer im Munde geführten berechtigten Ansprüche des Volkes zu nutzen, die Bewältigung der angeblichen Probleme dieser Herrschaft auf ihre Fahnen geschrieben. Dabei stört sie weder, daß die "endlich errungene" Demokratie nicht einmal dem Schein , nach durch die gesellschaftliche Entmachtung der faschistischen oder mit dem Faschismus kollaborierenden Kräfte zustandekam, sondern von Machthabern des franquistischen Systems 'von oben' eingeführt wurde, welche die herrschenden Interessen durch die Versicherung gewann, daß sich für sie entweder nichts ändern oder die neue Herrschaft - mit Zustimmung des Volkes langfristig Vorteile bringen werde. Noch läßt sie sich dadurch irritieren, daß von Anfang an Sicherheiten eingebaut wurden, daß der Parlamentarismus nicht 'über die Stränge schlägt' und das Militär nicht zum bloßen Erfüllungsgehilfen wird, sondern weiterhin Garant der Stabilität bleibt. Ganz im Gegenteil: Sie hat für sich einen besonderen Auftrag daraus abgeleitet, den "Bestand der Demokratie" zu retten, wenn sie sich auch noch so sehr und je mehr sie sich von allem unterscheidet, was sich Revisionisten unter einer "Teilhabe der Massen" ordentlichen Zuschnitts vorstellen, und allen eventuellen Erwartungen nach Verbesserungen oder auch nur Fortschritten in Sachen politische Rechte Hohn spricht. Als Dank für ihre bedingte Duldung im Kreis der Parteien und für die Auseinandersetzung innerhalb der Staatsmacht um die Legalisierung der PCE, bei der sich die Auffassung durchsetzte, die Zulassung sei günstiger für den Umgang mit den zahlreichen radikalen Elementen in der Arbeiterschaft als die Fortsetzung der direkten Repression, übernahm die KP die Beweislast freiwillig. An die Stelle der alten antifaschistischen "Junta democratica" im Pariser Exil, deren republikanischer Teil sich in der "Luft zum Atmen" munter parteipolitisch vor allem gegen links betätigt, setzte sie das Programm der"Concentracion democratica", da

"die Kräfte der Linken... nicht in einer Politik der Konfrontation und des Aufeinanderprallens mit dem Zentrum, sondern nur in einer Politik der Sammlung, die die rückständige Rechte isoliert..., effektiven und dauerhaften Einfluß auf die stattfindenden Änderungen ausüben können."

Der Einfluß, den sie da durch den Ausgleich mit allen politischen Nutznießern der Demokratie auf die Politik gewinnen zu wollen vorgibt, ist von Haus aus schon etwas ganz anderes als das Geltendmachen des Einflusses, den sie ja hat, damit die stattfindenden Änderungen nicht gegen linke Maximen verstoßen. In der Praxis sieht diese "Politik der Sammlung" dann obendrein so aus, daß die KP um der Einheit der Demokraten willen sich, statt die Rechte, isoliert. Sie verzichtet demonstrativ auf eine "Teilhabe des Volkes" an der Macht in Gestalt ihrer Partei, ja auf jeden Anspruch darauf, und macht öffentlich den "Vorschlag einer Teilnahme an der Regierung durch die PSOE, der von außen durch die PCE unterstützt wird." Angesichts der beschworenen "Bedrohungen" durch die immer noch mit Macht und Einfluß ausgestatteten Faschisten und durch die Kompromißwilligkeit der demokratischen Parteien mit diesem Zustand, bekennt sich die PCE dazu, eine Gefahr für das Staatswesen zu sein, und empfiehlt dem einzigen "Bündnispartner" auf den sie spekuliert, sich lieber mit den Kräften zu arrangieren, die den Militärs noch am genehmsten sind. Und das bezeichnet die Partei, die nach eigenem Bekunden als einzige wirklich "dem Fortschritt" dient, als "Programm des Fortschritts":

"Die Anfälligkeit für autoritäre Teindenzen wird verschwinden..., nur wenn eine Regierumg da ist, in der das Zeintrum und die Teile einer zivilisierten (?) Rechten, die in der UCD vertreten sind, teilhaben, aber mit ihnen auch Vertreter der Arbeiter teilhaben, Vertreter der Volksklassen. Selbst von außen würden die Kommunisten ein Programm des politischen und sozialen Fortschritts stützen."

Spanischer Antifaschismus

Die "Verteidigung der Demokratie", die sie statt ihrer Benutzung zum Inhalt ihrer Politik erklärt, besteht also in dem Versuch, den Generälen, deren Programmpunkt Nr. 1 beim Putsch ein Verbot der Kommunisten war, möglichst diesen Grund für ihre Unzufriedenheit nehmen zu wollen, und sich die Legalität und dem Volk seine "Teilhabe" zu erhalten, indem man sich aus der Volkseinheit ausschließt und die "Rechtskräfte" gewähren läßt. Die Fortschritte im Bekenntnis zu König und Vaterland ausgerechnet nach dem Putsch und den "demokratierettenden" königlichen Versprechungen an die Generäle beweisen, daß mit der Not der spanischen Demokratie, die faschistischen Ansprüche durch Relativierung 'demokratischer Errungenschaften' zu besänftigen, die Tugend der Nationalkommunisten wächst, für diese Herrschaft verzichtend in die Bresche zu springen. Das ist wahrlich konsequenter spanischer Antifaschismus! Auf der anderen Seite profiliert sie sich als Ordnungsfaktor nicht nur durch die Zustimmung zu den Anti-Terrorgesetzen, sondern darüber hinaus durch konstruktive Vorschläge für ihre Erweiterung und Effektivierung, mit dem einzigen Einwand, daß dabei der Terror von rechts nicht gänzlich unerwähnt bleiben dürfe!

Weil die Autonomie- und Unabhängigkeitsbewegung in den Regionen der härteste Kritikpunkt im Militär und bei der Rechten gegen die Demokratisierung ist, läßt die PCE ihren baskischen Zweig im faktischen Bündnis mit der UCD als entschieden prospanischste Kraft in Euskadi auftreten, versuchte auch die katalanische PSUC in diesem Sinne einzusetzen und warnt nach dem Militärputsch vor einer "Pervertierung" der Autonomiepolitik durch "anti-spanische" Kräfte.

Als politische Führung der CCOO unterschrieb sie den Moncloa-Pakt, eine Abmachung mit dem Suarez-Kabinett, die Lohnleitlinien vorsah, versucht diese in der Gewerkschaft durchzusetzen und entwickelt ihre "kämpferische Tradition" vor allem in der Niederhaltung oppositioneller Strömungen innerhalb der CCOO und in deswegen entstehenden linken Gewerkschaften wie dem anarchistischen CNT, der "autonomistischen" USO und der baskischen ELA. Denn, so lautet die scheinheilige, aber dankenswert offene Begründung:

"Es handelt sich jetzt nicht mehr darum, möglichst viel Lohn aus Betrieben zu holen, denen die Privilegien des alten Regimes (!) zugute kamen... Die Arbeiterstrategie muß künftig, außer daß sie auf die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen achtet, mehr und mehr Aufmerksamkeit auf die Formen richten, in denen sie den ihr in den Organen der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Macht des Landes gebührenden Platz einnimmt."

Wo ein Großteil der Arbeitermassen mit und ohne Arbeit am und unterm Existenzminimum lebt, wird er von der Partei der spanischen Arbeiter, die sich in ihrem Namen als Partei für ein fortschrittliches Spanien beweisen möchte, für seine politische Repräsentation - und das auch noch in Form antikommunistischer Parteien -, statt für die Verbesserung seiner Lebensbedingungen agitiert.

Eine eurospanische Demokratiebewahrungszentrale

Der Erfolg, der nach erzrevisionistischer Politikweisheit der Parteilinie recht gibt, stellt sich einerseits auch ein: Don Santiago ist Gast bei Hofe und darf dem König raten, das Militär doch lieber im Interesse Spaniens aus dem Baskenland herauszuhalten, weil

"die Armee, einmal einmarschiert, nicht mehr abziehen kann ohne die Lage wieder zu destabilisieren."

Selbst der Führer der rechten "Volksallianz", Fraga Iribarne, reicht ihm den Arm bei der Massendemonstration für König und Demokratie, und der neue Premier Calvo Sotelo nahm sein Angebot auf parlamentarische Unterstützung dankend zur Kenntnis. Andererseits hat sich die Zahl der Mitglieder und Wähler seit der Zulassung der Partei halbiert, denn ein Großteil des Anhangs wandert entweder zum Sozialdemokraten Gonzales ab, weil er in ihm eine mögliche Regierungsalternative sieht, oder wendet sich enttäuscht über die mangelnden Autonomiefrüchte der Demokratie und den halbherzigen Einsatz der Komnunisten für ihre sondernationalistischen Anliegen v.a. im Baskenland separatistischen Gruppen zu. So ist die regionale KP des Carillo-Gefolgsmanns Lertxundi inzwischen auf den Status einer Splitterpartei reduziert worden. Getreu der Devise 'aus Fehlern lernen' macht deshalb Carillo weitere Fortschritte auf dem Weg zur Volkspartei für die Einheit Spaniens, die katalanische Provinzorganisation aber umgekehrt in Richtung kämpferischer katalanischer Autonomismus, mit dem sie sich in der Illegalität profiliert hatte und noch bei den letzten Cortes-Wahlen zweitstärkste Partei geworden war. Mit Berufung auf die kämpferischen Traditionen der kommunistischen Arbeiterschaft warf ein Bündnis zwischen "Leninistas" und "Prosovieticos" Carillo "Zentralismus" und "Kollaboration mit dem Klassenfeind " vor und servierte die "eurokommunistische" Führung ab. So tragen gegen die eurospanische Demokratiebewahrungszentrale auch noch die unzufriedenen Unterabteilungen ihren Teil zu dem Beweis bei, daß die spanischen, katalanischen und baskischen Kommunisten jedes "Problem" Spaniens, vom Eintritt in die EG bis zur Regelung der Autonomie, in ganz besonderer Weise teilen - allerdings auf Kosten der Einheit der Partei selbst noch in ihren radikalen provinziellen Flügeln tritt das Ideal der eigenen Heimat und der ordentlichen Repräsentation des Volkes als konsequentes Erbe und immer noch proklamiertes Dauerprogramm des Antifaschismus auf.

Im Resultat haben 5 Jahre Legalität der PCE dazu geführt, daß der Kommunismus in Spanien sich so sehr von der spanischen Demokratie abhängig gemacht hat, daß die Partei alle Konzessionen an die Faschisten nicht nur mitträgt, sondern sogar noch überbietet; andererseits haben sich die Kommunisten in Spanien freiwillig so wirkungsvoll entwaffnet (politisch und im eigentlichen Wortsinn), daß der Militärputsch vom Februar im Falle seines Gelingens keinesfalls die Gefahr eines Bürgerkriegs heraufbeschwor: die Kader der Partei warteten auf vorsorglich gepackten Koffern ab, ob sie ins Exil abreisen mußten oder am folgenden Tag weiterhin die Demokratie und den König um so mehr hochleben lassen durften.