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EIN ANGRIFF AUF DIE VÖLKERVERSTÄNDIGUNG
<p>Resultate - Theoretisches Organ der MARXISTISCHEN GRUPPE (Nr. 6)</p>
<h2>Imperialismus III</h2>
Nach der Erklärung des Imperialismus als Anspruch und Erfolg jener Staaten, die sich demokratischer Botmäßigkeit und deshalb nützlich gemachter Ausbeutung ihrer Untertanen rühmen können (Resultate Nr. 4: "Imperialismus 1"), und der Prinzipien der "pax americana", die für abstrakt zu halten nur jemandem gelingt, dem am weltweiten Segen von Dollar und Kaugummi allenfalls dann ein Verdacht kommt, wenn er am jetzt proklamierten Kampf gegen den "internationalen Terrorismus" einen Verstoß gegen die Menschenrechtskampagne bemerken will (Resultate Nr. 5: "Imperialismus 2"), legt die MG eine neue Veröffentlichung vor. Ihr Inhalt, zu welchen Leistungen Staaten in allen Weltgegenden, die sich als Garant, Mitmacher und Objekte dem Imperialismus verschrieben haben, es bei der Ausübung des leichenträchtigsten Geschäfts der bürgerlichen Welt bringen, ist in drei Sätzen wiederzugeben.
Der täglich erneuerte Blick auf die Welt, der registriert, was alles anderswo Staaten im Umgang miteinander und im Umgang mit den von ihrer Herrschaft Beglückten zuwege bringen, täuscht sich glatt über das Subjekt dieser mehr oder weniger blutigen Ereignisse: Es ist nicht die Natur ausländischer Landstriche und der ziemliche Mangel an demokratischer Gesittung und Verantwortung bei Regierten und Regierern, die das Weltgeschehen außerhalb des eigenen Staatswesens so 'verworren' machen, sondern die durchgesetzte Nutzbarmachung des - mit einer Ausnahme - gesamten Globus für die Zwecke der einen Weltfriedensordnung, die USA heißt. Die Vielfalt der Taten derer, die Staaten regieren, von denen oft keiner weiß, wo sie liegen, verdankt sich eben einem höchst einfältigen Prinzip: Die USA können sich Unterschiede in der Benutzung dieser Souveräne leisten, so daß die Beglückung mit dem Dollargeschäft neben der Vnterstützung auswärtiger Völker mit AWACs und Landebasen und/oder neben herzlicher Gleichgültigkeit für das gegenseitige Abschlachten anderswo steht.
Unterschiedslos negativ
Daß alles, was außerhalb des Ostblocks läuft, von der Weltmacht Nr. 1 konzessioniert ist und sich an deren Ansprüchen zu messen hat, heißt freilich nicht, diese Freiheit der Staatenordnung wäre, nur für die USA eingerichtet: An einem Spruch des Nord-Süd-Willys "Wir tragen Verantwortung für die Dritte Welt" läßt sich nicht erst die Ankündigung, sondern die Fortsetzung eines schon längst betriebenen imperialistischen Weltprogramms der BRD ablesen nur die gar nicht harmlose Unschuld eines BRD-nationalistischen Gewissens vermag das Gegenteil herauszulesen. Abhängige 'Marionetten' vom Imperialismus der USA und der europäischen Staaten sind die Exoten mit Kaiser- und Präsidententiteln, die Ölscheichs und Militärdiktatoren deswegen noch lange nicht: Sie richten sich höchst souverän für die Brauchbarkeit her, mit gegensätzlichen Wirkungen für sie selbst und für die von ihnen vertretemen Massen. Der Antiimperialisinus der diversen Befreiungsbewegungen hat in der Regel mit der Erringung dieser Souveränität geendet: Staaten sind sie jetzt alle, deren Führer die Ausplünderung des "natürlichen Reichtums" ihres Territoriums - worunter oft nicht einmal die für überflüssig erklärte Bevölkerung zählt - als ihr eigenes Geschäft betreiben, und mit dem Fortschritt des Imperialismus haben sie alle gemerkt, daß die Erpressung mit der Sowjetunion kein Mittel dieses Geschäfts mehr ist.
Werbung läßt sich für die Analyse der weltweit betriebenen Ausübung imperialistischer Herrschaft allerdings kaum treiben, und das liegt nicht an den Aussagen: Was auf den 256 Seiten dieser Neuveröffentlichung steht, stimmt auf Punkt und Komma. Aber gerade deswegen gibt die Erklärung, jede staatliche Ecke der Welt zum Mittel des kapitalistischen Eigentums und deshalb zur Bastion praktizierter Feindschaft gegen den Staat, der diesem Fortschritt weltweit im Weg steht, zurichtet, für Unterschiede nichts her, an denen sich eine Parteinahme für eine Seite entzünden könnte. Wer an allen auswärtigen Taten der Staatsmänner lauter Mängel an Friedenswillen, Verständigungsbereitschaft und sozialer Verantwortung feststellen will, den kann und will das Buch nur enttäuschen. Wem angesichts dessen, was Gefolgsleute der BRD-Politiker sich für die wieder erreichte Weltgeltung unseres Staates antun und antun lassen - und noch ihren Stolz darein setzen -, nichts anderes auf den Kopf schlägt als die Sehnsucht nach kollektiver und spontaner Wärme, die Neger noch im Verhungern so an sich haben sollen, dem steht der Zynismus-Vorwurf gut zu Gesicht. Dieser Vorwurf stellt sich ja prompt immer da ein, wo nicht von lobenswerten Absonderlichkeiten, ehrwürdiger, weil unbeleckter Geschichte und traditionellen Bräuchen aus fremden Ländern die Rede ist, sondern von höchst moderner Bornierung von Menschen, die von den hiesigen Zivilisationsgebräuchen deswegen noch lange keine Ahnung zu haben brauchen.
Die Freiheit der Zustimmung
Daß es sein Interesse nicht ist, was seine Politiker zu diplomatischen, geschäftlichen und politischen treffen an alle Punkte der Welt reisen läßt, merkt der weltoffene Nationalist im Bürger schon - schließlich braucht es ja auch die Eselsbrücke "unsere Nation", damit er sich dabei mit unterbringen kann -, aber das verschafft ihm die Freiheit einer selbstzufriedenen "eigenen Meinung" über das außenpolitische Wirken seiner Politiker, ein Genuß, der sich bei allen staatlichen Maßnahmen im Innern so rein nie einstellen mag, da eine gewisse Betroffenheit sich hier zwangsläufig einstellt.
Ganz unabhängig von den kleinlichen Rücksichten auf die eigene Person eröffnet sich dem kosmopolitisch geschulten Blick über die eigenen Grenzen hinweg das Vergnügen, sich bloß eine Meinung über die täglich registrierten Querelen und Geschehnisse aus aller Herren Länder, die so auffällig mit dem gewohnten geregelten Staatsleben hier kontrastieren wollen, zu bilden. So legt sich jeder Staatsbürger eine gute oder - nicht besser - eine schlechte Meinung darüber, was so in der Welt passiert, zu. Die theoretische Freiheit, die sich hier herausgenommen wird, neben der Praxis des politischen Geschäfts eine Beurteilung zu treffen, nach einem fiktiven Geschmacksmaßstab, der gar nicht vorgibt, sich um das zu kümmern, was da bewertet wird, ist freilich das Gegenteil eines theoretischen Urteils. Stolz darauf, sich bei der Lektüre der Nachrichten aus aller Welt, von der noch immer bemerkten Heuchelei freimachen zu können, die sich bei der Rücksichtnahme auf ein eigenes "egoistisches" Interesse, das man unter Berufung auf ein höheres Recht und das "Allgemeinwohl" daheim zur Geltung bringen möchte, einstellt, wird der imperialistische Weltbürger zu einem absoluten Moralpinsel und die Heuchelei erst ganz vollkommen. Wissen, was da durchgesetzt wird, wenn "Mißverständnisse" unter Politikern zu Leichenbergen führen, will niemand. Die Erklärung der Zwecke, die in der Konkurrenz der Staaten in Europa und anderen Weltgegenden exekutiert werden, gilt dagegen als amoralisch - und so läßt sich das Urteil, das die vorliegende Neuveröffentlichung erfahren wird, ohne große Schwierigkeiten vorhersagen: Ihr Inhalt sei zynisch, weil er keine Gelegenheit gibt, das vielfältig-eindeutige Wirken des Imperialismus quer über die Welt so aufzubereiten, daß sich dazu mit guten oder schlechten Vorurteilen Stellung beziehen ließe.
Das Europa der EG
So ist es kein Wunder, daß die friedliche Staatengemeinschaft, genannt EG, niemanden als Hort des Imperialismus erscheinen will, zumal die "ausgleichende - Rolle" des mächtigsten Partners, der BRD, nicht zu übeisehen ist. Die hat ein reines Gewissen: bis heute noch keine Leiche (Mogadischu zählt nicht: Das waren schließlich Terroristen) auf dem Erdball produziert! Da stört es nicht weiter, daß die europäische Völkergemeinschaft von den Amerikanern nach dem Kriegsende zu einem nicht unbescheidenen imperialistischen Zweck eingerichtet wurde und sich am Anfang nur mit vier Buchstaben 'NATO' schrieb. Das bis heute - und heute verstärkt - angestrebte Ziel ist nichts anderes als die Eindämmung bis hin zur Kapitulation des einzigen Gegners, der dem freien Westen hinderlich im Weg steht und wofür die ruinierten europäischen Nationen mit und für den Segen der Dollars wirtschaftlich erst wieder aufzubauen waren. Daß diese Abhängigkeit vom Garanten und Subjekt der freien Welt einen Gegensatz zu den Interessen deutscher Politiker gebildet hätte, ist eine Lüge. Ganz souverän hat die BRD ihre Chance als imperialistischer Mitmacher ergriffen und laufend auftretende Verstimmungen sind nichts als Reibereien, die bei der einhelligen Arbeitsteilung der militärischen, politischen und wirtschaftlichen Drohungs- und Erpressungsgewalt des freien Westens notwendig auftreten. Schließlich ist Schmidt der europäische Macher des Nachrüstungsbeschlusses, mit dem die UdSSR gleich doppelt totgerüstet werden soll - einmal von den USA und einmal von Europa aus -, die Verschickung von deutschen Kriegsgeräts samt dazugehörigen Militärberatern in "Spannungsgebiete" wird jetzt als Programm durchgezogen und die wirtschaftlichen Konditionen, zu denen ein Handel für die deutsche Wirtschaft sich lohnt, hat die BRD schon längst weltweit zur Geltung gebracht.
Immerhin soll im "Europa der Vaterländer" ein Geist "nationaler Versöhnung" eingezogen sein, und es gibt das Europaparlament. Das Bedauern über permanente "Rückschläge des Europagedankens" und die Klage über die "Schwerfälligkeit" der Durchsetzung gemeinsamer Interessen ist jedoch eine einzige Heuchelei. Eben so und nicht anders geht Konkurrenz unter Nationen auf der neuen Stufe europäischer Gemeinschaft. Was das bedeutet und warum das Gejammer über die gar so egoistischen Franzosen und Engländer ein makabres Lob auf die Botmäßig- und Arbeitswilligkeit des deutschen . Arbeitsvolks ist, womit sich die BRD am erfolgreichsten die EG zum Mittel ihres nationalen Vorankommens gemacht hat, ist im vorliegenden Band nachzulesen.
Daß die harte Welt des Geschäfts etwas anderes als ein militärischer Einmarsch ist, hat den Glauben des hiesigen Demokraten an seine Staatsvertreter ungemein beflügelt, als im Zuge der Entspannung diese eine weitere Kampffront gegen den Osten aufgemacht haben, den friedlichen
Osthandel
Daß es sich bei der neuen Linie, nicht nur mit Waffendrohung auf den Gegner einzugehen, um alles andere als einen sich ausschließenden Gegensatz handelt, sondern um seine funktionale Ergänzung, wäre freilich schon an der wunderbaren Vermehrung des gesamten Waffenarsenals auf amerikanischem und europäischem Boden zu Zeiten der Entspannung festzustellen gewesen, mit dem ein Atomkrieg wieder führbar gemacht wurde, weswegen er heute geplant und vorbereitet wird. Daß die Schwäche der sozialistischen Ökonomie, die bei aller staatlich organisierten Ausbeutung keinen profitablen Reichtum zustandekriegt, als Mittel einer schrankenlosen ökonomischen und politischen Erpressung benützt wurde, zeigt sich an ihren Erfolgen. Eine Einmischung der UdSSR in Polen oder ein Verhalten der polnischen Regierung in ihrem eigenen Land, das sich von dem, was Staatsmänner sonst in aller Welt mit ihrem unbotmäßigen Volk anstellen, in nichts unterscheidet, bezeichnet der BRD-Außenminister als höchst realen Kriegsgrund. Und dieser Erfolg des friedlichen Osthandels, die Auflösung des Ostblocks so weit vorangebracht zu haben, daß man der UdSSR die Souveränität in ihrer Hemisphäre bentreiten kann, weil man Polen bereits zu einem wirtschaftlichen Satelliten des Westens gemacht hat, läuft bierzulande als Sorge um die Beendigung eines beiderseits nützlichen Geschäfts, das ein Ami namens Reagan den Deutschen vermiesen möchte. Auch hier eine saubere Arbeitsteilung: Im Namen des übergeordneten Interesses am Umgang mit dem Osten ist die Weltmacht Nr. 1 für die Konzessionen und Bedingungen des Osthandels zuständig und die gibt es eben nur bedingt. In diesem Rahmen hat die BRD den Ostmarkt für sich nützlich gemacht, und bei dem sich einstellenden Erfolg ist es nur gerecht, daß das Totrüsten der UdSSR als oberster Programmpunkt der gemeinsamen Politik der USA und der BRD auf die Erpressung und Benützung eines regen Geschäftslebens auch wieder verzichten kann: Die Aufrüstung durch Entspannung bat es ja gebracht. Alle weiteren Gründe, warum sich beim Osthandel eine Entschuldigung der 'verständigungsbereiten' aber ziemlich 'ohnmächtigen' BRD verbietet - eine Entschuldigung, die insbesondere linker Nationalismus, dem beim jetzigen Stand der Kriegsplanung nichts anderes als ein gemäßigter Antiamerikanismus einfällt -, sind im Artikel "Osthandel" nachzulesen.
Wem die Praktiken des Imperialismus bei der Betrachtung dessen, was die BRD so in der Welt treibt, partout nicht auffallen wollen, dem kann wenigstens der Artikel über.
Afrika
einen Beleg bieten, daß es unter aufgeklärten Menschen (noch vereinzelt) Liebbaber des Imperialismus gibt. Konsequent machen sich die Verfasser bei der Erklärung, wie der dort ansässige Menschenschlag für seine Brauchbarkeit im Namen des weltweiten Profits und der Demokratie zugerichtet wird und sich zurichten läßt - wobei sich immer herausstellt, daß die meisten zuviel und gänzlich unbrauchbar sind - auch nicht das Problem, ob die Bezeichnung 'Neger' eine 'Diskriminierung' ist - schließlich kommt es ihnen auf anderes an. Wem seine Liebe zu dunkelhäutigen Menschen allerdings eingibt, es wäre ein unschätzbarer Gewinn für sie, von einem Souverän ihrer Hautfarbe beherrscht zu werden - und dabei die Modalitäten dieser Herrschaft generös beiseite zu lassen, es sei denn irgendein Massaker weist darauf hin, daß die Natur der schwarzen Seele wohl noch nicht "reif für die Demokratie" ist -; wem es darauf ankommt, den Fortschritt eines afrikanischen Landes, von dem viele Bewohner nicht einmal wissen, daß sie in ihm leben, am Programm eines Namenswechsels zu messen; wer sich für Kultgebräuche und die kollektive und spontane Wärme der afrikanischen Volksseele begeistert, also das imperialistisch bewirkte Elend der Neger, die auf eine Existenzweise zurückgeworfen werden, von der sie nicht mehr leben können, kulturell genießen möchte - dem gilt unser herzlicher Angriff. Für einen ausgewachsenen Kulturimperialismus und für einen noblen Rassismus haben wir nichts übrig!
Mit der Begeisterung der kolonialen Verhältnisse sind die ehemaligen Kolonialterritorien souveräne Staaten geworden und zur Ehre gelangt, eine "Dritte Welt" zu bilden. Und das Geschäft, das sie betreiben, den Abtransport der Bodenschätze und der Naturalprodukte gegen die Finanzierung des dazu nötigen Militärapparats und der staatlichen Verwaltung einzutauschen, hat diese Länder sogar in den Ruch gebracht, ein potentiell "antiimperialisLischer Block" zu sein, weil sie dieses Geschäft selbständig und souverän abwickeln. Vom Imperialismus zu reden, hat heute die Form der positiven Anteilnahme an der "Dritten Welt" angenommen: Klar, wer von der Macht des Imperialismus nichts wissen will und die Demokratie, in deren Namen und auf deren Grundlage die Erfolge des Imperialismus errungen werden, für ein Herzensbedürfnis afrikanischer Massen hält, der setzt seine "antiimperialistische" Hoffnung auf die Ohnmacht und wird an seiner zynischen Verklärung von Opfern auch dann nicht irr, wenn er mit der schnellen Entwicklung von Führern der Befreiungsbewegungen zu Staatspräsidenten, die als erstes diplomatische Beziehungen und mehr zum Westen aufnehmen, nicht nachkommt. Für faschistisches Wunschdenken: Ein Volk, das wie ein Mann hinter seinem Führer steht, geben die Verhältnisse dort unten erst recht nichts her; das entstammt genuin den Hirnen bürgerlicher Antiimperialisten. Für das Lob der Ohnmacht der dortigen Staatsvertreter als revolutionäre Hoffnung haben wir nichts übrig: Für den gewaltsamen Umgang mit dem eigenen Staatsvolk und einem staatlich garantiertem Verhungern und Elend der Massen reicht sie allemal.
Komischerweise kommt das Lob des politischen Treibens und der Folklore von Schwarzen auch ohne Kritik an den hehren Idealen von Entwicklungspolitik, guten Beziehungen, die die USA und die europäischen Staaten in Afrika praktisch geltend machen, aus.
Das Öl - Ein Geschäftsartikel erster Klasse
Daß es in der Welt noch imperialistische Machenschaften gibt, wußten Politiker und Journalisten der bundesdeutschen Öffentlichkeit vor einiger Zeit mitzuteilen. Ihre Urheber tragen lange Gewänder, sitzen auf dem Öl und erpressen uns und unsere Wirtschaft damit. Daß Öl nur für den ein Geschäft ist, der Geschäfte damit machen kann, was negativ sowohl für die Scheichs wie für den normalen Öl- und Benzinverbraucher gilt, die sich die gestiegenen Kosten, die sie zu bezahlen haben, mit der süßen Lehre: Energie ist knapp, schmackhaft machen können, war damit nie bestritten. Inzwischen ist neben der freundlichen Entgegennahme von Petrodollars, die eh für nichts anderes taugen, als das Geschäft der westlichen Industrienationen zu beflügeln, ein anderes Unterstützungsgeschäft getreten: Leos für die Freiheit im Wüstensand. Weil dies kaum jemand aufregt, hängt es doch irgendwie mit der Verantwortung für die Welt, der wir Deutsche uns nicht mehr entziehen können, zusammen, und weil die Beduinenhäuptlinge nicht dazu angetan sind, spekulative Hoffnungen auf antiimperialistische Gesinnung zu nähren, können wir für die Lektüre nur auf ein Interesse am Exotismus setzen. Und auch den müssen wir erttäuschen: Es läßt sich auch dort nichts anderes entdecken als höchst stinknormale ökonomische und politische Gebräuche, vor denen sich ja auch hier niemand fürchtet.
Der Iran - Ölquelle mit Volk
Eine Ecke der Welt hat es seit zwei Jahren allerdings zu einem, wenn auch verrückten, Antiimperialismus gebracht: Der Iran des Ajatollah Khomeini, der die menschlichen Umgangsformen diplomatischer Gepflogenheiten schwer vermissen läßt. Die Frage: Rückfall ins Mittelalter oder islamischer Sozialismus läßt sich leicht beantworten: weder - noch. Gegen die Begeisterung für den selbständigen Weg Irans zwischen Ost und West weil eigenständig, haben wir etwas einzuwenden, und zwar nicht deswegen, weil er illusionär ist und die Spekulationen auf einen Machtwandel im Iran von Seiten westlicher Politiker im Öl ein handfestes Mittel haben. Die Toleranz und Abschätzigkeit, die das Lob der kulturellen Eigenständigkeit auszeichnet, geht uns ganz einfach ab, wenn diese darin besteht, ein Volk mit dem Versprechen Heiliger Kriege nähren zu wollen. Daß es unter den Mullahs anders zugeht als hier oder sonstwo in der Welt, ist ja wohl das dümmste Lob, das einem einfallen kann und der Maßstab, nach dem der heutige Iran pittoresk, sozialistisch oder eigenständig erscheint - was ungefähr aufs selbe hinausläuft -, ist eine einzige Stellungnahme für den Geist der kapitalistischen Welt, ohne deren ökonomische und politische Gewalt das Treiben eines Schah und die falsche Opposition gegen ihn nicht zu erklären ist.
Ein südamerikanisches "Entwicklungsland " wie
Brasilien
kann sich von kritischen Intellektuellen unseren Breitengrades nicht nur der Sorge um instabile bis nicht vorhandene demokratische Verhältnisse, sondern auch der Erfindung alternativer "Entwicklungsmodelle" sicher sein, beides unter Berufung auf brasilianische Oppositionelle, die Ähnliches bewegt. Die Rede von der "Unterentwicklung", die es zu beseitigen gilt, müßte sich freilich blamieren, hätte sie es auf die wirklichen Verhältnisse in diesem Land Südamerikas abgesehen. Entwicklung gibt es dort zu Hauf, nicht nur von VW do Brasil und Atommeilern, sondern auch in puncto Staatsapparat, der sich über Verschuldung ans Ausland prächtig finanziert und erhält, so daß auch die Sorge um die Entwicklung des Militärs gänzlich unbegründet ist. Die Entwicklung des Elends der Arbeiter und derer, die gar nicht in den Genuß der Ausbeutung gelangen, hält dabei gut Schritt. Funktional für die Zwecke der kapitalistischen Länder, die sich dort unten betätigen, ist die unentwickelte Demokratie allemal, schließlich lauten diese Zwecke dort etwas anders als in den Heimaten des Kapitals. Vom Standpunkt eines Weltgewissens sich Alternativen der Art: Abkoppeln ja oder nein? auszudenken und Dysfunktionalitäten in der ganzen Welt zu entdecken, ist eben eine noble Abstraktion von den Zuständen, die sich in Südamerika und anderswo eingestellt haben als Ergebnis einer für den Profit funktional gemachten Welt. Wer den weltweit durchgesetzten Gegensatz von profitablem Reichtum und gewinnträchtiger Armut für die mangelhafte Durchführung einer den Staaten übergeordneten Weltordnung halten will, dessen Alternativen lauten dann eben auch nicht anders als ausgerechnet das Kapital zum hilfreichen Mittel für die Hungernden der Welt zu erklären. Oder er setzt noch kritischer und im Verein mit fortschrittlichen Kirchenmännern auf die Ressourcen des existierenden Elends und will die Identität der untereintwickelten Massen bewahrt sehen, was am besten mit Hacke und viel mitmenschlicher Wärme, die uns konsumverwöhnten Wohlstandsbürgern abgeht, zu bewerkstelligen ist.
Beweise für die Realitätstüchtigkeit eines solchen Idealismus sind uns bei der Erklärung dessen, wozu Kapital und Demokratie in und außerhalb der Heimstätten dieser Exportartikel imstande sind, nicht begegnet. Die Betrachtung der unterschiedlichen Ausgestaltung dieses Geschäfts gibt uns keinen Anlaß zu hoffnungsvoller oder bedauernder Begutachtung des Scheiterns einer internationalen Politik, deren Erfolge auf jedem Teil des Weltballs zu besichtigen sind. Wir werden einfach den Verdacht nicht los, daß die Erfindung von wünschbaren Alternativen, die das Denken kritischer Weltbürger bewegt, nur auf eines hinausläuft: Die Alternative, den Inperialismus dort zu bekämpfen, wo er sich für seine weltweiten Erfolge rüstet, für unmöglich zu erklären und ihr eine entschiedene Absage zu erteilen.