Info
Friedensdemonstrationen in Bonn
SELIG SIND DIE FRIEDFERTIGEN...
Wenn angesichts des Zusammentretens der nuklearen Planungsgruppe der NATO in Bonn ca. 15.000 Menschen am 4. April für "den Frieden" "das Leben" oder "wirkliche Abrüstung" demonstrierten, dazu u.a. das "Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit", die Grünen, Jusos, DKP und allerlei Christen aufgerufen hatten, dann darf das keinesfalls als Angriff auf die BRD und ihre verantwortlichen (Kriegs-)Minister mißverstanden werden: "Unser Land" stand nämlich unbestritten im Mittelpunkt der Manifestation. Kein Redner unterließ es, ausdrücklich das "Unser" zu betonen, und das offizielle Plakat dieser "Friedensbewegung" gibt die im "Stern" erschienene Landkarte der BRD wieder, welche dieselbe als "US-Atomabschußrampe" darstellt. Der Zufall, daß drei Tage vor der Demo einer der Initiatoren des "Krefelder Appells", der Professor Bechert, das Zeitliche gesegnet hatte, wurde von den Veranstaltern gleich dazu ausgenutzt, um mit diesem Mann ein bißchen Personenkult aufzumachen und ihn zur Symbolfigur ihres Anliegens aufzubauen, was einiges über dieses Anliegen aussagt.
Die Karriere des Karl Bechert
Der Verstorbene bringt dafür die besten Voraussetzungen mit. Als ehemaliger SPD-Bundestagsabgeordneter, Mitglied der norwegischen Königlichen Akademie der Wissenschaften usw. usw. hat er immer aus nationaler Verantwortung gehandelt und es damit zu etwas gebracht im Staate. Ein Redner auf der Schlußkundgebung ließ wissen, wie sich dies in Becherts Stellung zur staatlichen Aufrüstung niederschlug: obwohl er die NATO-Strategie nie akzeptiert habe, sei sie von ihm hingenommen worden, solange man vom stillschweigenden Übereinkommen der Großmächte habe ausgehen können, keine Atomwaffen einzusetzen. Als aber die USA begonnen hätten, statt Gleichgewicht atomare Überlegenheit anzustreben und dafür auch das Territorium der BRD zu benutzen, da habe Bechert es unerträglich gefunden, unsere Regierung zum Vollzugsorgan der USA degradiert zu sehen. Er sei als absolut integrer politischer und moralischer Mahner aufgetreten und habe so einen Zugang zu unserer jungen Generation erschlossen, der Zukunft unseres Landes. Mit der Wahrheit des "Rüstungswettlaufs" konfrontiert, daß die Politik des Westens auf den militärischen Sieg über die Sowjetunion setzt, stößt er sich einzig daran, daß "sein" Land sich damit angeblich einem fremden, nämlich amerikanischen Interesse dienstbar mache. Demgegenüber hält er es für seine Pflicht, seine Dienste ganz der eigenen Nation vorzubehalten und betont mittels Herausstreichens seiner moralischen Sauberkeit, daß es auch wirklich nichts anderes ist als die Sorge um den BRD-Staat, die ihn mit dessen berufenen Herrschern unzufrieden sein läßt.
Kämpfen, schweigen, fasten!
Daß auch und gerade der alternative Dienst am Staat, der "Widerstand zur Pflicht" werden läßt, in der Bereitschaft zu Opfer und Verzicht kulminiert, betonte der Redner des BBU-Arbeitskreises "Ökologie und Frieden", als er die in nächster Zeit geplanten Aktionen der Friedensbewegung bekannt gab. Überzeugen will diese Bewegung ausgerechnet durch die Ausrufung von"Schweigestunden", und die christliche Tugend des Fastens soll bis zum Jahrestag von Hiroshima zu einer "Massenbewegung" ausgebaut werden, damit nur niemand auf den Verdacht kommen kann, ihre Teilnehmer wollten etwas für sich. Wie ernst dieselben Leute die Ideologie nehmen, die Waffen seien - statt der Politiker, die ihre Stationierung und ihren Einsatz befehlen - der Grund für die Kriegsgefahr, bewies die Ankündigung, daß die atomaren Anlagen in der BRD "bekämpft" werden sollen, daß man dabei aber um der eigenen "Glaubwürdigkeit" als Friedensapostel willen gewaltfrei bleiben müsse. Klar, daß ein Anhänger der "sozialen Verteidigung", der selbst noch auf dem Gebiet des Kriegsführens die offizielle Politik seines Staates alternativ (mit)gestalten will, in sich selber und in "überzogenem Anspruchdenken" Ursachen für "Aggression" und "Konflikte" entdeckt!
Fachleute an die Friedensfront!
In der BRD, wo die maßgeblichen Politiker ihre Wahlkämpfe mit Friedensparolen bestreiten und dabei klarstellen, daß "nicht um jeden Preis" Frieden sein soll, gelten die guten Menschen von der Friedensbewegung bestenfalls als idealistische Spinner. Dies wollen sie auf gar keinen Fall auf sich sitzen lassen und treten deshalb auf ihre Weise den Beweis an, daß sie bei allem Idealismus auch noch sehr realistisch sind, d.h. sich im militärischen Geschäft bestens auskennen. Der Theologe Prof. Kreck nahm sich den jüngsten Anschiß des Kanzlers an die Adresse pazifistischer Christen zu Herzen und beteuerte, die Friedensbewegung bestehe keinesfalls nur aus "weltfremden Theologen und blauäugigen Gesinnungsethikern", sondern stütze sich auf die Meinung sachkundiger Experten aus Kreisen der Friedensforschung und des Militärs selber. In diesem Sinne war als Hauptredner aufgeboten der ehemalige NATO-General Senator Pasti aus Italien, der unterstrich, daß er bei allem Idealismus doch Militär geblieben ist, und verlangte, alle Atomwaffen sollten für immer beseitigt werden. Und das beliebteste Vorzeigestück des Demonstrationszuges waren etliche Bundeswehrsoldaten in Uniform. Diese verteilten einen "Soldatenaufruf: Für den Frieden! Erklärung gegen den Krieg!" und zogen aus ihrer Feststellung, daß Soldaten "im Ernstfall die ersten an der Front" sind und "die Wirkung dieser Waffen, die wir zu bedienen haben, kennen", nicht die Folgerung, gegen die bundesdeutsche Wehrmacht und ihre politischen Befehlshaber zu agitieren, sondern gaben folgendes Bekenntnis ab: "Wir lieben unser Land und lehnen es daher ab, dieses Land in den Krieg zu führen", als seien sie die verantwortlichen Führer...
Das äußere Bild der Demonstration
war ihrer Zielsetzung adäquat. Atmosphäre ruhig und diszipliniert, viel Gesang (vorwiegend religiöser Herkunft), gelegentliche Sprechchöre wie "Nie wieder Krieg ist unser größter Sieg!". Dazu Transparente nach folgendem Muster: "Wir Grünen aus Schwaben wollen keine Pershing haben!", "Entrüstet euch!", "Atomrüstungsstopp - hopp, hopp, hopp!" und "Ostverträge, Entspannung - jetzt abrüsten!" Daß rot als Farbe der Plakate aus der Mode gekommen ist, und nur hie und da deren Buntheit vervollständigt, paßt ins Bild. Kein Wunder, daß bei der Dominanz der "Menschheitsprobleme" für eine Bezugnahme auf die Arbeiter und Dinge wie deren Lohn usw. kein Platz war, die nationale Friedensopposition also nichts Ernstliches dagegen unternimmt, daß der Frieden seinen Lauf nimmt.