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Dieser Artikel ist in der MSZ 2-1981 erschienen.

Iran/USA
EINE STUDIE IN PETRO-DOLLARS

Ob das Geschäft mit den iranischen Geiseln ein Erfolg war, läßt sich von verschiedenen Standpunkten aus beurteilen. Der Iran kann einfach so tun, als hätte er einen Sieg zu verbuchen, in Absehung von den ursprünglichen Zielen der Geiselnahme. In den USA kann man das Abkommen als schweren politischen Fehler abhandeln, weil es ein Zugeständnis an barbarische Erpresser sei. Von der finanziellen Transaktion her kann man im Westen zu der Auffassung gelangen, daß die transferierten Goldbarren und Geldzettel lediglich eine "Ehrenrunde im Tresor" eingelegt hätten, während der iranische Zentralbankpräsident Ali Reza Nobari angesichts der Abwicklung des Geschäfts zu einem ähnlichen Urteil kommt:

"Ich stimme voll der Überschrift 'The Iran deal doesn't look bad' (Fortune) zu. Der Handel sieht nicht nur nicht schlecht aus, die USA haben mehr bekommen, als ihnen zusteht. Iran ist tatsächlich betrogen worden." (Middle East Economic Digest, 20.2.81)

Der Handel

Im Austausch gegen 52 amerikanische Spione hat die Islamische Republik Iran mit den Vereinigten Staaten von Amerika über folgende Punkte eine Vereinbarung getroffen:

Die Vereinigten Staaten verpflichten sich, daß die Politik der Vereinigten Staaten darin besteht und fortan darin bestehen wird, weder direkt noch indirekt, politisch oder militärisch in die inneren Angelegenheiten Irans einzugreifen.

Die Vereinigten Staaten stellen die finanzielle Lage Irans im größtmöglichen Umfang wieder her, wie sie vor dem 14. November 1979 war. Die Handelssanktionen gegen Iran werden aufgehoben.

Iran begleicht seine gesamten Schulden und Verpflichtungen gegenüber den Vereinigten Staaten. Bis zur Begleichung aller Ansprüche an Iran von Privatpersonen, über die gegebenenfalls von einer internationalen Schiedskommission entschieden wird, unterhält Iran ein Garantiekonto bei der Bank von England.

Die USA ziehen alle laufenden Klagen vor dem Internationalen Gerichtshof zurück und verbieten und verhindern später die Fortführung jeder gegenwärtig laufenden oder zukünftigen Klage gegen Iran seitens der Vereinigten Staaten oder eines amerikanischen Staatsbürgers, die in Zusammenhang stehen mit der Ergreifung der 52 amerikanischen Staatsbürger und ihrer anschließenden Haft, Schäden an Besitztümern der Vereinigten Staaten oder der amerikanischen Staatsbürger innerhalb des Terrains der Botschaft der Vereinigten Staaten in Teheran nach dem 3. November 1979 sowie Schäden an Besitztümern der amerikanischen Staatsbürger oder an ihrer Person als Folge von Volksbewegungen im Verlauf der islamischen Revolution in Iran, die nicht Akt der Regierung Irans waren.

Zur Wiedererlangung des Vermögens des Schah und seiner Verwandten, das nach iranischem Recht der iranischen Nation gehört, verpflichten sich die USA, die betreffenden Vermögen einzufrieren, anzuordnen, daß alle Informationen bezüglich dieser Gelder dem Schatzamt der USA zur Weiterleitung an Iran mitzuteilen sind, alle in. Frage kommenden Gerichtshöfe davon zu unterrichten, daß die iranischen Ansprüche nicht als durch die Prinzipien der souveränen Immunität oder als durch das amerikanische Gesetz über die Staatsdoktrin verhindert betrachtet werden können und daß iranische Dekrete und Rechtsansprüche bei diesen Gerichtshöfen gemäß der amerikanischen Gesetzgebung angewendet werden. Bei jedem Urteil eines amerikanischen Gerichts, das den Transfer irgendwelcher Besitztümer und Guthaben nach Iran fordert, garantieren die USA die Ausführung des Spruchs der letzten Instanz.

Wenn es zu einem Streitfall zwischen den Parteien über die Interpretation oder die Durchführung jedweder Bestimmung der Abmachung kommt, kann jede der beiden Seiten den Streitfall dem bindenden Schiedsspruch des Schiedsgerichtshofs unterbreiten, der durch das Abkommen und gemäß seinen Bestimmungen gescchaffen wird. (Zit. nach "Frankfurter Allgemeine Zeitung", 21.1.1981; Iran-Echo 2.2.81)

Amerikanische Vertragssouveränität

Der Verhandlungssieg, den der Iran erzielt hat, liegt in der Anerkennung der Souveränität Persiens. Dabei handelt es sich allerdings nicht um das unter 1. abgehandelte Versprechen, sich nicht in die inneren Angelegenheiten des Landes zu mischen; speziell im Fall Persien sitzt der Feind, dessentwegen man sich nicht-einmischt, direkt an der Nordgrenze und hat auch bekanntermaßen seine Vasallen bereits im Lande. Im übrigen ist es für manche Fälle auch nötig, selbst das Etikett der Achtung der nationalen Souveränität fallen zu lassen und sich den Streit zwischen den Nationen ganz offen zu leisten. Ein Abkommen mit den USA ist hier immer niir soviel wert, wie sie sich gerade leisten wollen, und keinerlei Garantie für nichts. Die Anerkennung iranischer Staatshoheit liegt neben dem formellen Akt, mit den persischen Revolutionären überhaupt zu verhandeln, darin, mit dem Abschluß des Vertrags die Geiselnahme möglicherweise als erledigt zu betrachten, diesbezüglich also keine weiteren Forderungen an den Iran zu stellen, und die Rechtsposition des Iran in Sachen Schahvermögen in der eigenen Rechtssprechung gelten zu lassen. Ein Reagan stellt bezüglich der möglichen Schadenersatzforderungen der amerikanischen Botschaftsangehörigen natürlich gleich klar, daß er sich nicht unbedingt an einen Vertrag gebunden betrachtet, der in Form einer Erpressung zustande gekommen ist, wie er die Beziehungen zum Iran zu sehen beliebt, und bedeutet auch hier, daß amerikanische Vertragstreue bestenfalls als opportuner Gnadenakt zu werten ist, der sich anders gelagerten außenpolitischen Kalkulationen der USA verdankt, in denen Iran nur eine Nebenrolle spielt. Ob das souveräne Versprechen im Vertrag, sich als Regierung über gerichtliche Entscheidungen hinwegzusetzen, mit der "internationalen Rechtssprechung" vereinbar ist, muß also erst noch gerichtlich in den USA entschieden werden - wie also Außenpolitik dann zu machen ist.

Und auch der diplomatische Sieg in der Frage des Schahvermögens wird wohl ein solcher bleiben angesichts der vermuteten 30 Mrd. Dollar, die "irgendwo zwischen Teheran und New York versickert" sein sollen, wobei selbst noch für aufgefundene Gelder z.B. in der Schweiz von Persien die "schlüssigen Beweise" geliefert werden müssen, daß es sich dabei um Finanzen handelt, die der Schah oder seine Verwandten widerrechtlich ins Ausland transferiert haben. Im übrigen rechnet man in den USA ganz offen damit, daß die Familie des Schah "read the papers".

Ein "Schock für das internationale Banksystem"?

Die Rückführung iranischer Vermögenswerte an den rechtmäßigen Besitzer war finanztechnisch kein weiteres Problem; wie den liebevoll aufgestellten Schaubildern zu entnehmen ist. Iran und USA haben sich auf 11-12 Mrd. Dollar zu transferierende Gelder geeinigt.

Die geschätzten in den USA befindlichen Vermögen sind nach iranischer Aüskunft um einiges höher, während von amerikanischer Seite selbst in Europa deponierte und aufgrund amerikanischer Ansprüche unter Arrest stehende Gelder zu den in den USA angelegten Geldern gerechnet,werden:

"Auf Anordnung Präsident Carters waren 14-15 Mrd. Dollar gesperrt worden. Aber wir haben nicht das zurückerhalten, was wir vorher hatten. Zwar wurden die iranischen Guthaben in Europa zurückgezahlt, aber wir mußten davon gleich alle Auslandsschulden bezahlen. Von 5,5 Mrd. Dollar, die in Europa eingefroren waren, haben wir also praktisch nichts zurückbekommen. Erhalten haben wir die zweieinhalb Milliarden Dollar, die bei der Federal Reserve Bank in den USA deponiert waren...

Man muß zwei Dinge unterscheiden: Da sind einerseits die iranischen Guthaben in Europa, die nicht von den Gerichten gesperrt worden waren. Diese Guthaben wurden amerikanischen Banken übergeben, als Gegenwert für die Darlehen in Höhe von 5 Milliarden Dollar, die der Iran aufgenommen hatte.

Zum anderen gibt es die Guthaben in den Vereinigten Staaten. Diese Guthaben wurden durch Gerichtsbeschluß gesperrt, und da liegt das Problem. Da die Reagan-Administration die Erklärung von Algier nicht anerkennt, hat sie noch keine Anweisung zur Freigabe dieser Guthaben erteilt. Diese Gelder sind solange gesperrt, bis die amerikanischen Gerichte die frühere Anordnung über die Beschlagnahme aufheben." (Nobari, "Spiegel" 13/81)

Von dem ausgehandelten Betrag wurden zunächst 8 Mrd. transferiert, von denen Iran wiederum knapp 3 Mrd. Dollar nach Begleichung von Bankschulden und Errichtung des Garantiekontos erhielt. Die restlichen Guthaben werden nach und nach im Zuge der Abwicklung von noch bestehenden Ansprüchen an den Iran bezahlt - oder eben nicht. Neben der Höhe der Zinsen für persisches Geld, über die man sich noch einigen muß, muß geregelt werden, wie zu Zeiten des Schah begonnene industrielle und militärische Aufträge abgegolten werden.

"Der revolutionäre Iran hat die wirtschaftlichen und militärischen Expansionspläne des Schah kurzerhand beendigt. Verträge auch mit amerikanischen Gesellschaften wurden gebrochen, fällige Zahlungen wurden gestrichen, Eigentum beschlagnahmt; zerstört oder beschädigt. Rund 300 Zivilprozesse auf Schadenersatz von insgesamt mehr als 3 Mrd. Dollar sind anhängig." (Börsenzeitung, 3.2.1981)

Forderungen dieser Art gibt es allerdings auch noch von anderen Ländern, weshalb für den Iran auch dort noch weitere Zahlungen für die Aufnahme von wirtschaftlichen Beziehungen anstehen.

"Gespräche mit Frankreich und Westdeutschland wurden wieder aufgenommen, um Anspruche aus zwei stornierten Verträgen für zwei Atomkraftwerke zu klären. Der Vorsitzende der Iranischen Atomenergieorganisation, Fereidoun Sahabi, besuchte Anfang Februar Deutschland und Frankreich zu Diskussionen mit der Kraftwerksunion und Framstome." (MEED, 20.2.81)

Über den vorläufigen Verbleib der zurückgegebenen Iran-Gelder vermerkt die "Wirtschaftswoche":

"Deshalb überrascht es auch nicht, daß der vereinzelt erwartete Iran-Effekt auf den Dollar fast ganz ausgeblieben ist. Die zur Debatte stehenden Beträge waren so überschaubar, daß selbst irrationale Dispositionen der mit einemmal um 2,8 Mrd. Dollar reicheren Iraner von den vereinigten westlichen Notenbanken hätten ausgeglichen werden können.

Den Rest besorgten die hohen US-Zinsen, die Dollar-Anlagen lukrativ erhalten: Binnen weniger Stunden, nachdem die amerikanischen Zahlungen bei der Bank von England eingegangen waren, hatten die noch nicht dem Iran zugeflossenen Mittel ihren Weg über eine Anlage im Londoner Bankensystem wieder zurück nach New York gefunden." (30.1.81)

Angesichts des so problemlosen Rückflusses von Geldern, die Persien braucht, um die Schulden zu zahlen, die der Schah gemacht hat, waren sogar Überlegungen überflüssig, daß Persien die Gelder für seinen wegen des Krieges mit dem Irak erschöpften Haushalt benötigen würde und sie deshalb auf jeden Fall für westliche Waren wieder zurückkämen. Der erste Fall, daß ein Ölland seine 'verdienten' Gelder aus den Anlagesphären der westlichen Welt zurückholt, hat einen interessanten Verlauf genommen. Schon vor Jahren gaben US-Beamte auf die Frage, ob das amerikanische Kreditsystem den Rückzug von Ölgeldern aus Konten und Staatspapieren notfalls verkraften könne, zur Antwort, daß man mit den technischen Problemen fertig werde. Die Finanzbeamten taten sich leicht, denn seit 1977 gibt es in den USA den "Emergency Economic Powers Act", der den Präsidenten ermächtigt, im Bedarfsfall ausländische Dollarguthaben zu sperren. Im Fall des Iran war der Arrestbefehl für iranische Guthaben der Ausgangspunkt für ihre Rückforderung, und nicht umgekehrt. Die von den Initiatoren des EEPA vorgesehenen Maßnahmen zum Schutz des Kreditsystems konnten also lässig gehandhabt werden - zeitliche Streckung der Auszahlung, um Zeit für Umschuldungen zu haben, Aufrechnung von anderweitigen Schulden etc. -, ohne daß jemand daran gedacht hätte, die Sperrung der Konten eines fremden Landes in den USA seinerseits als Auftakt für eine Uminvestitionsaktion größeren Ausmaßes zu nehmen. Nicht einmal der Iran ist auf die Idee gekommen, seine Gelder zurück ins eigene Land zu holen, weil sie dort sicherer wären.

"Wir werden jedoch nicht unsere frühere Politik fortsetzen, zu sehr einer einzelnen Bank zu vertrauen. Wir werden unsere Einlagen so gut es geht über die ganze Welt streuen - um neue Grundlagen für Hilfe, neue Banken und neue Beziehungen zu gewinnen." (Nobari, MEED)

Gerade so, als hätte die Chase Manhattan Bank keine Niederlassung in Tokio. Abschließend kann die "Financial Times" bemerken

"Trotz all dieser Momente eines groß angelegten Dramas ist es unwahrscheinlich, daß das Einfrieren der Konten als der größte Schock für das internationale Bankensystem in den letzten 10 Jahren in die Geschichte eingehen wird." (21.1.81)

Ökonomische Grundlagen "terrible"

Die Freilassung der amerikanischen Geiseln noch vor dem Zeitpunkt des Präsidentenwechsels in den USA stellt das persische Eingeständnis dar, daß sich mit Erpressung der USA nicht viel getan hat und fünfzig Menschenleben im Poker mit der Weltmacht nicht gerade sehr schwer wiegen, weil es in deren Kalkulation fällt, ob sie ihre Staatsbürger zur Wahrung des Ansehens der Nation tot oder lebendig heimholt. Von den ursprünglichen Forderungen nach Herausgabe des Schah und dem amerikanischen Eingeständnis, dem persischen Volk zu Zeiten des Schah Unrecht getan zu haben, war ohnehin nichts mehr übrig geblieben. Die Verhandlungen seitens Irans gingen darum, wieviel von dem, was der persischen Nation gehört, ihr tatsächlich gehört, weshalb die interne Kritik am Vertragsabschluß auch nicht ausbleiben konnte.

"Ich bin glücklich, daß die Geiseln weg sind, für sie als menschliche Wesen, die unter solchen Bedingungen festgehalten wurden. Das heißt aber nicht, daß ich über die Art und Weue, wie es endete, glücklich bin. Diese Angelegenheit hätte zu einem Zeitpunkt erledigt werden sollen, als wir von einer Position der Stärke aus hätten verhandeln können - anstatt zu warten, bis wir schwach waren. Das Ergebnis war, daß wir diese Bedingungen akzeptieren mußten." (Bani-Sadr, The Middle East, April 81)

Der Einsicht in die Schwäche der eigenen Position hat im wesentlichen der Krieg mit dem Irak nachgeholfen, der nicht nur Mittel erfordert, sondern auch die Quellen des persischen Reichtums zerstört hat. Die ökonomischen Grundlagen sind "terrible", befindet Bani-Sadr.

"Das Budget-Defizit für das iranische Finanzjahr, das am 20. März endet, betrug 11.000 Mio. Dollar. Dieser Betrag steigt erwartungsgemäß im nächsten Jahr auf 13.800 Mio. Dollar. Ausländische Währungsreserven betrugen etwa 4.000 Mio. Dollar gegenüber 10.000 Mio. Dollar zu Beginn des Jahres." (MEED, 12.2.81)

Der Abschluß der Geisel-Affäre kennzeichnet eine Wende in der iranischen Politik, da Persien sich bemüht, mit verschiedensten Ländern wieder Handelsbeziehungen aufzunehmen. Seit einiger Zeit statten iranische Minister im Ausland "goodwill"-Besuche ab, nicht nur, um persische Rohstoffe zu verkaufen, sondern auch, um Verhandlungen über Industrieanlagen für die Raffinierung von Öl und Verarbeitung von Kupfer zu führen. Die nötigen Ersatzteile für die Wiederingangsetzung ihrer Ölproduktion erhalten sie zwar nach wie vor nicht direkt aus den USA, sondern über dritte, und die USA fördern auch nicht den Handel mit Iran, aber allgemein wird positiv der Wille Irans vermerkt, seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommen zu wollen. Das heißt noch nicht, daß das Geschäft mit Persien gleich wieder in Schwung kommt, schließlich gibt es noch zu viele innenpolitische Unsicherheiten, was man schon an den Streitigkeiten zwischen den Regierungschefs sehen kann, denen Khomeini für eine Woche das Wort verbieten mußte. In Iran selbst wird der Anti-Amerikanismus weiterhin seine hervorragende Rolle spielen. Er läßt sich aber durchaus vereinbaren mit einer propagandistischen Ausgestaltung der Diversifikation der Beziehungen nach außen, womit der Iran seinen Anspruch auf Rückkehr auf seinen Platz in der imperialistischen Staatenordnung anmeldet.

"Die Wiederaufnahme der Ölexporte an so große Abnehmer wie Japan, British Petroleum und Royal Dutch/Shell sind die bedeutendsten Resultate der fortschreitenden internationalen Beziehungen Irans." (MEED, 27.2.81)

Eine Chance ganz anderer Art, in die Staatengemeinschaft des Westens wieder integriert zu werden, ergibt sich, wenn die USA auf gute Beziehungen wegen der strategisch günstigen Nordgrenze drängen. Genügend Material steht ja noch herum.