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Dieser Artikel ist in der MSZ 2-1981 erschienen.

DDR:
DDR ERHEBT ANSPRUCH AUF STAATSGEBIET DER BUNDESREPUBLIK UND POLENS

Fast unbemerkt blieb eine schockierende Nachricht aus der Deutschen Demokratischen Republik: Wie die dortige Kultusministerkonferenz Anfang dieses Jahres mitteilte, wurde nach 5 Jahren reiflicher Überlegung beschlossen, Deutschland in den Schulbüchern und Atlanten in den Grenzen von 1937 darzustellen. Die Grenze des Deutschen Reiches von 1937 soll eingezeichnet werden auf den politischen Karten Europas, auf großformatigen physikalischen Übersichtskarten Mitteleuropas und Deutschlands sowie auf

"thematischen Karten, auf welchen die Darstellung der Grenze von 1937 eine wesentliche inhaltliche Bedeutung hat, die sich aus der Kartenthematik ergibt."

Auf die Frage, ob denn die umstandslose Betrachtung westdeutschen und polnischen Staatsgebietes als gesamtdeutsches Hoheitsgebiet nicht einen theoretisch vorgetragenen Angriff seitens der DDR auf die Souveränität der betroffenen Staaten darstelle, wurde lapidar bemerkt, daß den Karten in der Legende der Zusatz beizufügen sei:

"Grenze des Deutschen Reiches vom 31.12.37 unter Berücksichtigung des Fortbestehens der Viermächteverantwortung für Deutschland als Ganzes und der Rechtssprechung des Deutschen Demokratischen Verfassungsgerichts zum Grundlagenvertrag und zu den Westverträgen."

Die Grenze zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der BRD sei, solange zwischen ihnen kein Friedensvertrag bestehe, als "Grenze besonderer Art" zu kennzeichnen. Die damit in Schulbüchern und Atlanten zum Ausdruck gebrachte Zuständigkeitserklärung der Deutschen Demokratischen Republik für "das ganze Deutschland" stehe in voller Übereinstimmung mit den mit der BRD geschlossenen Westverträgen sowie den Ergebnissen der deutsch-polnischen Schulbuchkommission.

Eventuell laut werdende Kritik an diesem Beschluß der Kultusministerkonferenz der DDR vorwegnehmend, wurde noch einmal betont, daß hier keinesfalls Großmachtambitionen, Besitzansprüche auf fremde Staaten oder ähnliche imperialistische Ziele verfolgt würden, wie dies nur Feinde der sozialistischen Gesellschaftsordnung der DDR behaupten könnten. Der Beschluß trage hingegen den realen und rechtlichen Tatsachen Rechnung, was man im übrigen auch in früheren Jahren schon betont habe.

Zu der bis Anfang der 70er Jahre gängigen Sprachpraxis, die Bundesrepublik als "besetzte Zone" bzw. als "z.Z. unter ausländischer Verwaltung" zu bezeichnen, wolle man allerdings nicht zurückkehren. Angebracht sei stattdessen, das deutsche Staatsgebiet in den Grenzen von 1937 wieder "Deutschland" zu nennen, weshalb ab sofort die Abkürzung "DDR" verboten sei. Dazu ein ostdeutscher Parlamentsabgeordneter:

"Daß an unseren Schulen, wo auch immer diese in der Deutschen Demokratischen Republik stehen, endlich wieder das ganze Deutschland gezeigt wird, ist zwar ein später, aber ein anerkennenswerter Schritt. Unsere Jugend hat einen Anspruch darauf zu erfahren, was Deutschland ist."

Bisherige Proteste der Bündnisstaaten der Bundesrepublik Deutschland gegen dieses unverhohlen vorgetragene politische Annexionsstreben dienten der östlichen Presse ausschließlich dazu, den Beschluß als zeitgemäßen "Kompromiß" darzustellen, der im Ausland hoffentlich nicht mißverstanden werde.

Anmerkung:

Es handelt sich jedoch hier um den Beschluß der westdeutschen Kultusministerkonferenz, die DDR und die ehem. deutschen Ostgebiete einheitlich als zusammengehörendes Deutschland zu bezeichnen, weshalb im Text Ost durch West, und DDR durch BRD zu ersetzen ist.