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Dieser Artikel ist in der MSZ 1-1981 erschienen.

Phillipinen-Presseschau
ASPEKTE EINER TROPENWELT

Die Verheißung, daß der Papst im Februar auf den Philippinen predigen will, bescherte diesen fernen Inseln gegenwärtig mehr journalistisches Interesse, als ihnen normalerweise in 5 Jahren zuteil wird. Die "Süddeutsche Zeitung" illustrierte durch einen eigens nach Manila abkommandierten Hintergrundberichterstatter, eine ASEAN-Wirtschaftsbeilage und ein Fernreiseangebot die Handvoll Urteile, die einem gebildeten Bürger zu so einer Weltgegend anstehen.

Zügellose Herrschaft

Auf den Philippinen herrscht Ferdinand Marcos, und wie:

"Selbst das raffgierige indonesische Präsidentenpaar Suharto muß vor Neid erblassen, angesichts der militärischen Präzision, mit welcher der Marcos-Krake sein Wirtschaftsimperium über ein Netz von Verwandten, Freunden und Günstlingen organisiert hat."

Brutal, wie dieser "Kriegsrechtsherrscher" sein Land aussaugt, statt "wie andere autoritäre Führer" in Asien "das Krebsgeschwür der Korruption wenigstens in Grenzen zu halten"! Die Diktatur wäre eine feinere Sache, wenn dieser tüchtige Krake seine Macht nur dazu benutzen würde, die dort unten offenbar universell verbreitete "Korruption" in Maßen zu betreiben und so eine für Filipinos gute Herrschaft auszuüben:

"Das Kriegsrecht hätte ein Schwert sein können, um das Böse vom Guten zu trennen."

Statt das Schwert richtig zu führen, läßt sich Marcos aber nun von "Gigantomanie" beherrschen, weshalb er auch einen "eisernen Schmetterling" namens Imelda geheiratet hat, der bei allem finanziellen Geschick "überspannt" wirkt:

"Wie ein Christbaum geschmückt, freilich mit erlesenen Brillanten und schweren Solitären, erscheint sie nach dem jüngsten Taifun in einem der überfluteten Armenviertel, um mit wehleidig-anteilnehmender Miene vor den Fernsehkameras Kleidung und Decken auszugeben."

Die Sache mit den Decken ginge in Ordnung - mehr hat ja schließlich ein Katastrophenopfer auch hierzulande kaum zu erwarten -, aber die Brillanten im Slum, die sind geschmacklos! Da loben wir uns Loki, die mit ihrer schmucklos aufgesetzten Mitleidslächeln für Flut- und Sprengstoffopfer viel glaubwürdiger wirkt. Sie ist halt auch keine Ex-Schönheitskönigin!

Bei einem so anrüchigen Regime verdient die philippinische Opposition Sympathie, die sehr demokratisch ist, auch wenn sie ihren Anspruch auf die Macht durch Bomben untermauert, mit denen "gebildete Mitglieder der Mittelklasse" (Newsweek) Zweifel an Marcos' Tüchtigkeit in Sachen Ruhe und Ordnung erwecken wollen. Marcos' "Erzrivale" Aquino, "derzeit Professor in Harvard", findet diese Taktik verständlich und

"drängt Washington dazu, sich rechtzeitig von Marcos zu trennen, um den Philippinen eine Entwicklung wie im Iran, ein revolutionäres Nachfolgeregime zu ersparen."

Der Mann weiß, was sich gehört! Man vermeidet also tunlichst das böse Wort vom Terrorismus und orakelt in aller Ruhe, wie lange die Jungs im Weißen Haus Marcos noch vertrauen und ob sie bei der Wahrung der westlichen Interessen auch alles richtig machen.

Günstiges Investitionsklima

Im Wirtschaftsteil sind die Philippinen ein Land, aus dem die Amis, Japaner und Europäer Zucker, Kokosnüsse, Kupfer und Nickel wegholen. Dort selbst tut sich also nicht allzuviel, weshalb das philippinische Handelsministerium durch folgende Annonce auffordert, sein Land als Produktionsstätte zu nutzen:

"Sie bringen ihre Rohstoffe, Ihre Maschinen und Ihr Geld. Keine Bürokratie, keine Gebühren, keine Umstände. Unsere arbeitswilligen Leute stellen für Sie ihre Exportprodukte her, wir selbst helfen Ihnen mit allem, was Sie an Ort und Stelle brauchen."

Man gibt sich dort also alle Mühe, nutzlos rumstehende Filipinos ausländischen Firmen zur Verfügung zu stellen. IBM; Pesi Cola, Texas Instruments, Isuzu, Telefunken und MAN nutzen dies und siedeln "lohnintensive" Fertigungen auf den Philippinen an, weil die Lohnkosten so gering sind. Das läßt sich aber so oder so sehen. Man kann z.B. meinen: "Die Menschen leben einfach, aber nicht ärmlich.", und damit den Investoren ganz global bescheinigen, daß sie die Eingeborenen vor einem ärmlichen (oder gar armen) Leben bewahren und ihnen ein einfaches Leben sichern - womöglich mit einem Bissen Fleisch in der Woche, und das in Asien! Oder man differenziert zwischen kapitalkräftigen Wohl- und Übeltätern und zeiht Marcos der Maßlosigkeit beim Aushungern seiner Landsleute:

"Mit einer Politik des Niedrighaltens der Löhne sucht sich der Marcos-Archipel den multinationalen Konzernen als günstigstes Investitionsland Südostasiens anzudienen. Die drei deutschen Unternehmen, die zum Beispiel in Cebu ihren Arbeitern für die Herstellung von Möbeln den gesetzlichen Mindestlohn von 13 Pesos (drei Mark) täglich bezahlen, dürfen sich damit beinahe schon als Wohltäter fühlen."

Deutsche Wohltaten für die Welt!

Lächelndes Asien

Im Reiseteil bieten die "7107 Inseln im Südseelook" dem aufgeschlossenen Menschen einfach alles! - Kultur: ein prähistorisches "8. Weltwunder", Natur: unberührte Palmenstrände, Entspannung in der "Lustmetropole Asiens" und andere "prickelnde Erlebnisse" bei ganz echten Fast-noch-Kopfjägern mit barbusigen Frauen und "uralten Tabus", an denen man sich genüßlich vor Augen führen kann, was es abseits der zivilisierten Menschheit noch so alles gibt.

Bollwerk der Hoffnung

Dem Christenmenschen bieten die Inseln 80% katholische Filipinos und eine Kirche, die eine "wichtige soziale Kraft" ist: einmal, weil ihre Häupter teils zu den Stützen des Regimes gehören; zum andern, weil mancher Bischof sich kritisch von Marcos und Co. distanziert, so daß sich "der stille Kampf der Priester und Nonnen" ganz progressiv als "erfolgreicher Widerstand " gegen die Militärdiktatur sehen läßt. Wenn der Kirchenfürst von Manila sagt, weshalb er ab und an sich abschätzig über Marco äußert -

"Wenn die Kirche mit einem System verheiratet ist, ist sie beim nächsten Witwe." -,

dann ist er für dieses in seinem Opportunismus sehr grundsätzliche Bekenntnis zur Macht zu loben. Und auch eine Nonne, die meint "Christus würde heute eine Flinte tragen", ist ein schöner Beweis für soziales Engagement, jedenfalls solange sie sich ans Kreuz hält. Der Papst wird das dann schon zurechtrücken. Das wird ein großer Tag: für Marcos, weil ihn der Oberstkathole durch seinen Besuch ehrt, für die Slumbewohner, denen ein richtig schöner Trost gespendet wird, und für die Korrespondenten, die das Betspektakel zum Anlaß nehmen werden, alle ihre Urteile über die Philippinen in einem journalistischen Gesamtkunstwerk an den Mann zu bringen. Wetten, daß sie genau darauf achten, ob der Oberhirt Imeldas Hand genauso herzlich drückt wie die der Filipinoknaben!