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Dieser Artikel ist in der MSZ 6-1980 erschienen.

Systematik


WIE RONALD REAGAN PRÄSIDENT DER VEREINIGTEN STAATEN VON AMERIKA WURDE

"Ihm erfüllte das Schicksal den Wunsch, den noch jeder amerikanische Junge hegt: Präsident der Vereinigten Staaten zu werden." ("FAZ", 13.11.80)

Das Schicksal war zunächst so zuvorkommend, RONALD REAGAN in den USA auf die Welt kommen zu lassen. Nicht lange nachdem er diese unerläßliche Voraussetzung für das Präsidentenamt erfüllt hatte, beschloß er, frühestens mit 70 Jahren Präsident der USA zu werden. Das erforderte langfristige Planung. Das oben benannte Schicksal versah ihn allerdings von vornherein mit Umständen, die ihn für das höchste Amt, das Amerika zu vergeben hat, geradezu prädestinierten: Er wurde als jüngerer von zwei Söhnen eines wenig erfolgreichen, oft betrunkenen Schuhverkäufers irischer Abstammung 1911 geboren und verfügte damit über den für den american dream optimalen Ausgangspunkt, auf der Suche nach seinem Glück ganz unten anfangen zu können. Diesen Vorteil seiner Geburt ergänzte er durch das für amerikanische Verhältnisse ganz ungewöhnlichen Verdienst, über eine Mutter zu verfügen, die nicht nur eine Christin war, sondern auch vorlesen konnte, wofür sie in Ermangelung anderer Unterhaltungsmöglichkeiten in den Kleinstädten TAMPICO, DIXON und EUREKA stets ein andächtiges Publikum fand. RONALD "wollte wie sie sein" und beschloß, vorerst Schauspieler zu werden. In seiner Schullaufbahn bewies er, daß Karrieren, die sich zunächst scheinbar als Umwege darstellen, im Gegenteil nichts anderes sind als das Erwerben von Qualifikationen, wie sie ein Präsident braucht. Als aktiver Teilnehmer am Schultheater war er von vornherein nicht einfach ein ziemlich unbedarfter Student, sondern zeichnete sich gleich dadurch aus, daß er 1. seine Texte konnte und 2. auch gleich eine eindrucksvolle Manier an den Tag legte, die jeweilige Rolle zu spielen. Schon damals hätte jeder merken können, daß der Junge für Höheres bestimmt ist. So merkt es die "FAZ" eben jetzt:

"Alles, was Reagan anfängt, hat Stil. Immer hatte er ein untrügliches Gespür für das Richtige zur richtigen Zeit."

Auch als Schüler fiel er aus der Reihe und bewies "intelligente Neugier" für alle Fragen, auf die es ankam und damit seinen Riecher für eine den Anforderungen angepaßte Weltsicht, wohingegen alle anderen seines Jahrgangs noch gar nicht wußten, was sie taten.

Selbst beim Studium bewies er in der Fächerwahl den richtigen Riecher: Zwar ging er wie gut die Hälfte der amerikanischen Schüler nach der High School aufs College, entschied sich aber dort vorausblickend fur die Fächer Soziologie, Wirtschafts- und Theaterwissenschaften, womit er sorgsam die Stunde vorbereitete, in der ihm besonderer Sachverstand für wirtschaftspolitische Probleme nachgesagt werden mußte.

Seiner parteipolitischen Entscheidung ließ er Zeit zur Reife: Ohne Rücksicht darauf, daß er als Präsident der Republikanischen Partei zum Sieg verhelfen sollte, gab er sein vote das erste Mal einem Demokraten. Damit bewies er, daß ein echter Ami über allen Parteien steht, wenn es um das Schicksal der Nation geht. Er selbst ließ sich allerdings in seiner Freiheit als Amerikaner nicht durch den New Deal des Herrn ROOSEVELT beschränken. Aus eigener Kraft kletterte er auf der Erfolgsleiter nach oben. Als Bademeister in einem ungewöhnlich gefährlichen Schwimmbad (Zufall oder Fügung?) gelang es ihm innerhalb kürzester Zeit, 77 Menschen das Leben zu retten - und das neben dem Studium. Das berechtigt doch wohl zu einem gehörigen Vorschuß an Vertrauen.

Als Sportreporter bewies er über fünf Jahre Sinn für das richtige Verhältnis von Aufwand und Ertrag: Er machte Live-Reportagen, indem er Spielberichte einer Nachrichtenagentur mit den passenden Hintergrundgeräuschen im Studio kommentierte und sich so mit der für den späteren Präsidenten so wichtigen Fähigkeit versah,

"wie aus dem Stegreif formulierend zu wirken, auch wenn er auswendig Gelerntes memoriert" ("Süddeutsche Zeitung")

oder freie Reden abliest. Man kann nicht umhin, diese solide Vorbereitung auf seine erste große Rolle beim Film - er stellte einen Sportreporter dar - gewissenhaft zu nennen.

Er war erst Anfang 30. Seine "ehrliche von Mann-zu-Mann-Stimme" ließ den Präsidenten schon erahnen, aber dessen Zeit war noch nicht gekommen. Mit 50 schlechten Filmen in 30 Jahren brachte REAGAN die Geduld auf, sich im Show-Business nicht übermäßig zu verausgaben. Seine eigentliche Bestimmung brach sich jedoch Bahn, wie es seinem noch jugendlichen Alter entsprach.

Im Jahre 1940 wurde er mit überwältigender Mehrheit zum "Adonis des 20. Jahrhundert" gewählt.

Doch das Weltgeschehen ließ auch ihn nicht ruhen: Seiner besonderen Befähigung gemäß war REAGAN für die Luftwaffe "bei der Herstellung von Trainingsfilmen" unentbehrlich, wodurch er geistig stets an vorderster Kriegsfront war, zugleich aber in weiser Voraussicht dessen, daß ihn das Schicksal für Späteres aufzubewahren hatte, der USA für künftige hohe Ämter erhalten blieb. Er ließ sich beim Lehrfilmen nichts zuschulden kommen und verließ die Armee als Captain.

Es war an der Zeit, daß etwas Entscheidendes geschah. Ein Star zu werden, hätte womöglich zum Oscar geführt und wäre insofern ein Umweg gewesen; daher beschloß REAGAN, das Amerikanischste zu tun, wo gibt; er erfand unamerican activities, die HOLLYWOOD unterwanderten:

"Es gab eine Zeit, als die Kommunisten einen Streik anzettelten und versuchten, die Filmindustrie zum Zusammenbruch zu bringen oder sie wirtschaftlich zu kontrollieren. Wir Filmschauspieler standen" (jetzt endlich) "an der Front, denn solange wir die Streikposten passieren und in die Studios gelangen konnten, konnte die Industrie weitermachen." ("Spiegel", 27.10.80)

So war nach 77 Badenden auch AMERIKA gerettet; dazu brauchte es REAGAN als Präsidenten (der Schauspielergewerkschaft) und nicht als Bademeister.

Die Verantwortung als Politiker warf nun ein neues Licht auf das Privatleben. REAGAN sollte der erste Präsident werden, der sich scheiden ließ. Denn so richtig es war, durch die erste Ehe mit der Schauspielerin JANE WYMAN verfrühten Reichtum zu vermeiden, so sehr stand JANEs stets nörgelnd vorgebrachte fixe Idee, RONALD sollte ein besserer SCHAUSPIELER sein, ihrer Bestimmung als First Lady entgegen. NANCY trat auf den Plan. Die höchst natürliche Verbindung von Geld und Einfluß auf der einen Seite sowie antikommunistischer Kampferfahrung und Parteiapparat der Republikaner auf der anderen halfen dem Schicksal einen weiteren Schritt voran.

Fiel der Arizona-Senator Barry GOLDWATER beim ersten Anlauf noch durch, so jubelten seine Landsleute REAGAN zu. GOLDWATER blieb Senator des Grand-Canyon-State, während REAGAN mit den Parolen des "rechtsextremistischen" Präsidentschaftskandidaten - immer noch Adonis - die Stufen zum Gouverneurspalast im "traditionell liberalen" Kalifornien hinaufsprang.

Dort befaßte er sich übungshalber unter maßvollem und zukunftsorientiertem Einsatz seiner Kräfte mit dem Zusammenschlagen von Ghettoaufständen, der Verhängung des Ausnahmezustandes bei den Studentenunruhen in BERKELEY sowie der Mehrung seines Vermögens durch äußerst geschickte Anwendung seiner Steuergesetzgebung, was den steuerfreien Ausbaubau seiner Ranch - unentbehrlicher background für den späteren Präsidenten - förderte.

Nach der Überprüfung von Puls, Gesundheit, Echtheit der Haarfarbe bewies REAGAN auch wahre Größe, nämlich Bescheidenheit in der Wahlnacht, als er vor den versammelten fans ausgerechnet Gott für den Erfolg dankte. Niemand bezweifelt, daß REAGAN seine "größte Rolle", das Geschäft der Macht auszuüben im stärksten Staat auf dem Globus, spielen wird. Jeder Amerikaner erkennt das in der Cowboy-Pose, mit der sich REAGAN auf seiner Ranch für das Oval Office stärkt. Es wird ja schon durch die vielen amerikanischen Wählerstimmen garantiert, die aus einem Aufsteiger zwangsläufig einen Präsidenten machen, der es einfach immer schon werden mußte.