Info
Moderne Theologie
GOTT IM SINN GEHT MIT DER ZEIT
"Im christichen Glauben kommt die Vernunft zum Vorschein; gerade als Glaube will er Vernunft.
Die Vernunft kommt durch den christlichen Glauben zum Vorschein; die Vernunft setzt den Glauben als ihren Lebensraum voraus." (Kardinal Ratzinger)
- Die Kirche und ihre Theologie haben noch nie ein Problem mit dem Gegensatz von Wissen und Glauben gehabt. Zu einer Zeit, da das katholische Abendland noch in Ordnung war und bestimmte, was die Vntertanen des Heiligen Römischen Reiches zu glauben hatten, und nur andere Weltanschauungen wegzuputzen waren, sowieso nicht. Heute, nachdem die Aufklärung die ratio gegen den Glauben gestellt hat und Wissenschaften zum Inventar jedes fortschrittlichen Staatswesens gehören, auch nicht. Die Ideologen Gottes haben die Aufklärung und die Entstehung der Naturwissenschaften gut überstanden und halten die modernen Geisteswissenschaften bequem neben sich aus.
Der christliche Glaube stellt sich positiv zu den Wissenschaften, von denen man annehmen sollte, sie seien sein Gegenteil:
"Vorausgesetzt, daß die methodische Forschung in allen Wissensbereichen in einer wirklichen wissenschaftlichen Weise und (sic!) gemäß den Normen der Sittlichkeit vorgeht, wird sie niemals in einen echten Konflikt mit dem Glauben kommen, weil die Wirklichkeiten des profanen Bereichs und die des Glaubens in demselben Gott ihren Ursprung haben. Ja, wer bescheiden (!) und ausdauernd die Geheimnisse der Wirklichkeit zu erforschen versucht, wird, auch wenn er sich dessen nicht bewußt ist, von dem Gott an der Hand geführt, der alle Wirklichkeit trägt und sie in sein Eigensein einsetzt. Deshalb sind gewisse Geisteshaltungen, die einst auch unter Christen wegen eines unzulänglichen Verständnisses für die legitime Autonomie der Wissenschaft vorkamen, zu bedauern. Durch die dadurch entfachten Streitigkeiten und Auseinandersetzungen schufen sie in der Mentalität vieler die Überzeugung von einem Widerspruch zwischen Glauben und Wissenschaft." (Zweites Vatikanum)
Dieses friedliche Nebeneinander von fides und ratio hat - am Rande vermerkt - darin seinen Grund, daß trotz mancher Revolution die 'Macht' des Wissens eine pure Ideologie geblieben ist. Die bürgerlichen Wissenschaften benennen dies im übrigen sehr eindeutig, wenn sie die Glaubensgewißheit neben sich dulden. So ist es auch nicht schwer aufzuweisen, daß die heutige Theologie sich ganz problemlos für ihre Lehre von Gott der Wissenschaften bedient.
Es hat sich nichts geändert
Der in der Theologie als der Große Aquitaner geehrte und weiterhin als Meilenstein christlicher Lehre angesehene Thomas von Aquin dachte sich damals seine summa theologica so auseinander:
"Ist die Körperwelt um der Gutheit Gottes willen geschaffen?
Im Buche der Weisheit (1,14) heifft es: 'Zum Sein hat Gott alles erschaffen.' Also ist alles geschaffen um des eigenen Seins willen und nicht um der Gutheit Gottes willen.
Das Gute hat die Wesensart des Zieles. Das höhere Gute in den Dingen ist daher das Ziel des minderen Guten. Die geistigen Wesen verhalten sich nun aber zu den körperlichen wie das höhere Gute zum minderen Guten. Die Körperwesen sind also um der Geistwesen und nicht um der Gutheit Gottes willen da.
Die Gerechtigkeit verteilt Ungleiches nur an Ungleiches Gott aber ist gerecht. Also liegt vor jeder von Gott erschaffenen Ungleichheit eine Ungleichheit, die von Gott nicht erschaffen wurde. Diese von Gott nicht erschaffene Ungleichheit kann nur aus der freien Selbstbestimmung der Geschöpfe stammen. Also folgt alle Ungleichheit aus den verschiedenen Bewegungen der freien Selbstbestimmung. Die körperlichen Geschöpfe sind aber den geistigen ungleich. Also sind die Körperwesen geschaffen um gewisser Bewegungen der freien Selbstbestimmung und nicht um der Gutheit Gottes willen.
ANDERERSEITS heißt es Spr. 16,4: 'Alles hat der Herr um Seiner selbst willen gewirkt.'
ANTWORT: Origines nahm an, die Erschaffung der Körperwelt sei nicht in der ursprünglichen Absicht Gottes gelegen, sondern sei nachträglich zur Strafe der Sünden der Geisterwelt geschen...
Diese Annahme ist irrig. Erstens widerspricht sie der Hl. Schrift. Diese fügt dem Bericht über die Erschaffung einer jeden Art von Körperwesen hinzu: 'Und Gott sah, daß es gut war.' Als ob sie sagen wollte: ein jedes Ding sei deshalb geschaffen, weil es gut ist, daß es Sein habe...
Zweitens würde nach dieser Meinung die Ordnung der Körperwelt, wie sie letzt ist, auf Zufall beruhen. Wenn nämlich z.B. die Sonne nur deshalb so wie sie ist, geschaffen wurde, weil es so der Strafe für die Sünde eines Geistes entsprach, so könnte es sehr gut sein, daß es mehrere Sonnen gäbe, für den Fall nämlich, daß mehrere Geister in dieselbe Sünde gefallen wären wie jener, für dessen Sünde die Sonne zur Strafe geschaffen sei. Das ist aber durchaus unangebracht. ..." (summa, 65. Frage)
Haarscharf bewiesen, daß Gott die Körperwelt um seiner Gutheit willen geschaffen hat. Der gute Thomas hätte auch sofort hinschreiben können, daß er an Gott den Einen und absolut Guten glaubt. Er wollte aber ein wenig seinen Verstand gebrauchen, von dem Hegel später sagt, daß "diesem geistverlassenen Verstand die Philosophie des Aristoteles in die Hände gefallen" sei.
"Insofern der Verstand sich an den gegebenen religiösen Inhalt hält, so kann er diesen Inhalt beweisen, daß es so sein muß; und diese Einsicht kann aufgewiesen werden wie bei einem geometrischen Satze." (Hegel, WW 19, S. 591)
Ist ja auch kein Wunder, daß so etwas herauskommt, wenn jemand in den Glauben Logik hineinbringen will. Gott kommt noch immer heraus bei dieser scholastischen Theologie, die auch einmal im 4-x-einerseits- und 1-x-andererseits-Verfahren das Problem zurechtstanzt, ob die sieben Tage der Schöpfung zur Schöpfung "ausreichen", oder gar nach der Apfelsorte fragt, welche im Paradies so verheerende Folgen hatte.
Ein moderner Theologe würde zweifellos auf derartige Spitzfindigkeiten ungläubig zurückblicken. Mit so etwas Kleingläubigem beschäftigt er sich nicht mehr, obwohl er das selbstverständliche theologische Dogma, daß am Anfang, am Ende oder in der Mitte immer der liebe Gott daherzukommen hat, ebenso konsequent verfolgt wie seine als etwas hölzern denkend angesehenen Vorfahren.
"Weil die Theologie den gesamten Bereich der Wirklichkeit unter dem Gesichtspunkt Gottes betrachtet, ist sie eine theozentrische Wissenschaft im strengsten Sinne. ...
Die Theologie nimmt ihre Betrachtung vor mit den Augen Gottes (Schmerz). Denn Gott ist für den Theologen der letzte Erkenntnisgrund. Die Theologie versucht die von Gott ihr erschlossene göttliche Selbsterkenntnis nachzuvollziehen. Sie ist Teilnahme an Gottes eigenem Wissen. Im Mittelalter drückte man diese Tatsache mit dem Satze aus, daß Gott das Subjekt der Theologie ist.
Die Theologie versucht also Gott zu sehen, wie er im Antlitze Christi aufleuchtet, und das Außergewöhnliche in der Weise, wie es Gott selbst uns erklärt und ausdeutet. Dadurch wird ihre Betrachtung die sachgemäßeste und zuverlässigste, die nüchternste und tiefste. Der Theologe wird durch den Glauben von allen das natürliche Denken anfechtenden Illusionen und Phantastereien befreit." (Michael Schmaus, Katholische Dogmatik, I/33 ff.)
Im Zeitalter der - wie es heißt - Wissenschaften existiert die Absurdität, daß bei allgemeiner Anerkennung des erkenntnistheoretischen Dogmas von der Unerreichbarkeit der Wahrheit wegen der Vielfalt der Gesichtspunkte die Theologie die einzige ist, die ihre Wahrheit nicht relativiert - sie hält an ihr fest, indem sie einen Gesichtspunkt für den ausschließlichen ansieht, Gott, die absolute Wahrheit. Im Bekenntnis zur Begrenztheit menschlichen Erkennens mit den toleranten profanen Zunftbrüdern einig - wenn auch mit der Begründung der Endlichkeit des Menschen vor dem allwissenden Gott -, hebt sie sich von diesen ab ausgerechnet mit dem Glauben an eben den Gott, der die Wahrheit garantiert, wenn man ihn sich gläubig einbildet. "Theologie als Wissenschaft" (ein gedankliches Monstrum, das selbst belegt, worauf sie es abgesehen hat) konzentriert sich auch nach der Säkularisation der Kirche auf die theozentrische Mitte. Daran hat weder die sogenannte "Entmythologisierung" des bildlichen Kinderglaubens durch den Evangelen Bultmann noch der Einzug moderner wissenschaftlicher Methoden in die Theologie, noch der "Aufbruch" des Zweiten Vatikanums etwas geändert.
- "Die Theologischen Fächer sollen im Lichte des Glaubens unter Führung des kirchlichen Lehramtes so gelehrt werden, daß die jungen Theologen die katholische Lehre sorgfältig aus der göttlichen Offenbarung schöpfen, tief in sie eindringen." (Zweites Vatikanum)
- "Daraus folgt, daß der Einwand von einem Mißverständnis herrührt, Entmythologisierung sei eine Rationalisierung der christlichen Botschaft, Entmythologisierung löse die christliche Botschaft auf in ein Ergebnis vernünftigen menschlichen Denkens, und das Geheimnis Gottes werde von der Entmythologisierung zerstört... Entmythologisierung macht im Gegenteil erst die wahre Bedeutung von Gottes Geheimnis deutlich." (R. Bultmann, Jesus Christus und die Mythologie, S. 47)
- "Seit der Aufklärung befindet sich das Christentum in einem ungeheueren Prozeß der Neuinterpretation seines Dogmas, d.h. der Transposition dieses Dogmas aus den Verstehenshorizonten der Antike und des Mittelalters in die der gegenwärtigen Zeit... Dieser Prozeß kann... auch dort, wo er mutig und unbefangen, Schritt für Schritt, das Einzelne und das Ganze erwägend, vollzogen wird, dem Gläubigen und dem Theologen die Erfahrung vermitteln, die ja an sich, rein geschichtlich gesehen, gar nicht selbstverständlich ist, aber zur Hoffnung des Glaubens des Gläubigen gehört, daß nämlich dieser Transpositionsprozeß die Selbigkeit des christlichen Glaubens und der Kirche durch all die radikal sich wandelnden Epochen der Geistesgeschichte hindurch nicht aufhebt, sondern bestätigt, daß der neue Glaube der alte ist und der alte Glaube immer neu wird." (K. Rahner, Gott und Offenbarung, S. 370-371)
Viele Wege sind erlaubt, um theologisch nach Rom zu gelangen, und die protestantische "menschliche Rede von Gott" hat viele Weisen zu reden und "lebt (doch) von der der Kirche gegebenen Verheißung" (Karl Barth). Die ausdrückliche Trennung der einen Wahrheit, die im Lichte des Glaubens unumstößlich ist, von ihrer Weise, sie "ausdrücken", ist dasselbe wie das Postulat, dem sich die Theologen ganz frei unterwerfen: das ganze Arsenal existierender Wissenschaften, ihrer Methoden und Ansätze instrumentell für den Glauben zu benutzen. Führt die Subjektivität und das jeweilige Interesse des profanen bürgerlichen Wissenschaftlers zu vielen Wahrheiten, also zu keiner, so macht sich der Theologe je nach Gusto über die Wissenschaften her und stellt sie in den Dienst des einen Interesses, der Glaubenswahrheit Plausibilität zu verschaffen.
Es hat sich etwas geändert
Daß der vernünftige Beweis der Glaubensgewißheit eine contradictio in adiecto darstellt, ist ein alter Hut. Schon immer galt unter Christen das Diktum vom unendlichen und letztlich unerforschlichen Geheimnis Gottes. Trotzdem konnte der - geoffenbarte Gott nicht umhin, in seiner Weisheit den Menschen zuzugestehen, als arme Erdenwürmer doch auch mit Vernunft begabte auch ihren Verstand benützen dürften, wenn er dem Glauben nützt, und selbstverständlich nur so. Die alten Theologen bemühten dafür die antike Philosophie. Die moderne Theologie zieht dafür auch die gesamte philosophische Tradition heran, wie es ihr genehm erscheint, und - das ist das Neue - die modernen Wissenschaften. Und noch ein zweites fällt auf, der Opportunismus der modernen Theologie, die im Dienste der säkularisierten Kirche keine Mittel und Wege scheut, der weltlichen Welt den Glauben an den christlichen Gott glaubwürdig zu machen, ganz im Sinne des kirchlichen Lehramtes:
"Außerdem sehen sich die Theologen veranlaßt, immer unter Wahrung der der Theologie eigenen Methoden und Erfordernisse nach einer geeigneten Weise zu suchen, die Lehre des Glaubens den Menschen ihrer Zeit zu vermitteln. Denn die Glaubenshinterlage selbst, das heißt die Glaubenswahrheiten, darf nicht verwechselt werden mit ihrer Aussageweise, auch wenn diese immer denselben Sinn und Inhalt meint. In der Seelsorge sollen nicht nur die theologischen Prinzipien, sondern auch die Ergebnisse der profanen Wissenschaften, vor allem der Psychologie und der Soziologie wirklich beachtet und angewendet werden, so daß auch die Lauen zu einem reineren und reiferen Glaubensleben kommen." (Zweites Vatikanum)
Es darf also nicht verwundem, in welch vielfältigen Formen Gott oder der Glaube an ihn heute an den Mann gebracht wird, indem noch jede wissenschaftliche Ideologie für das Lob des Herrn benutzt wird.
Gott als geschichtlicher
Aufgrund des opportunistischen Problems, ob die kirchliche Lehre noch ankommt -
"Jede kirchliche Lehrverkündigung durch das ordentliche oder außerordentliche Lehramt muß, soll sie wirklich verstanden werden, 'ankommen' können, immer auch interpretiert, erklärt, in die allgemeineren und auch profanen Verständnishorizonte der diese Verkündigung Hörenden eingefügt werden." (Rahner, a.a.O., S. 77) -
haben die Theologen die Abstraktion "Geschichtlichkeit" in ihre Gottessysteme eingebaut. Kein Theologe, der nicht mit diesem Begriff pausenlos operiert. Gemeint ist damit nicht die Glaubenstatsache, daß Gott im Jahre Null vor Christi Geburt sich in seinem menschgewordenen Sohn offenbart hat und damit der christliche Glaube feststeht. Die geschichtliche Sichtweise deutet vielmehr alles, was sie so deuten will, zum Wohle des christlichen Glaubens. Da sind gewisse Sauereien im Alten Testament als geschichtlich bedingt anzusehen und deuten doch über sich hinaus auf den christlichen Gott. Machtvolle Sünden der Kirche in der Vergangenheit könne man nur aus der historischen Situation heraus verstehen - der gute christliche Kern sei dabei aber nicht zu übersehen. Die theologische Kirchengeschichte, die Heilsgeschichte zu sein habe und deshalb Gott auf dem Vormarsch zu beweisen hat, bedient sich gern guter christlicher Lügen; wie jüngst die Katholen in ihrer Kleinen Kirchengeschichte zum Papstbesuch über Luther und die Reformation, die demnach gänzlich überflüssig gewesen wäre. Vor allem aber dient der Trick mit der Geschichtlichkeit dazu, dem gläubigen gesunden Menschenverstand nicht gar zu viel zuzumuten, damit der weiter bei der Stange bleiben kann. "Dogmen sind nach vorne offen", heißt es, bevor sie über ein paar Umwege hinten wieder ganz dogmatisch geschlossen werden. Daß der gute Jesus mit Wucht aus dem Grab gebrochen ist, braucht man sich so nicht mehr vorzustellen, wenn man an Auferstehung und Erlösung glauben soll. Ob Maria jemals gevögelt hat, ist nicht so wichtig (obwohl diese Frage theologisch noch etwas differenzierter gesehen wird: ante natum oder post natum?), und ob sie nach oben in den Himmel und zum geliebten Sohn hochgedonnert ist - nun ja! Roma locuta, aber so wörtlich braucht man es doch nicht nehmen, Hauptsache man glaubt den göttlichen Kern.
"Versteht sich nämlich die Kirche eschatologisch, als Kirche, die unterwegs ist, die erst Verheißung, nicht schon in jeder Hinsicht Erfüllung ist, die Dienst ist und nicht Selbstzweck, dann hat das auch Folgen für das rechte Verständnis des Dogmas und damit der Dogmatik. Das Dogma kann jetzt gar nicht mehr anders erscheinen denn als eine relative und geschichtliche Größe, die nur funktionale Bedeutung besitzt. Das Dogma ist relativ, insofern es dienend, hinweisend auf das ursprüngliche Wort Gottes bezogen ist, und es ist relativ, insofern es auf die Fragestellungen einer bestinimten Zeit" (wer hat denn da gefragt?) "bezogen ist und dem rechten Verständnis des Evangeliums in ganz konkreten Situationen dient. In dieser doppelten Selbstüberschreitung muß das Dogma und die es in wissenschaftlichei Reflexion auslegende Dogmatik betrachtet werden." (W. Kasper, Die Methoden der Dogmatik, S. 37-38)
Gott als gedachter
Gott, der die ganze Weisheit mit Löffeln gefressen hat (ohne Löffel natürlich) ist so modern, daß er sich ohne Gesichtsverlust im erkenntnistheoretischen Methodenstreit der Wissenschaften seiner Theologie wiederfindet:
"Hier geht es, so meine ich, darum, von einem zu gewinnenden Methodenbewußtsein der Theologie her die Möglichkeit zu schaffen, daß die Gedankenbildung des einzelnen sich in Positionen ausprägt, die sich dennoch im Rahmen eines gemeinsamen methodischen Vorgehens, also in einer angebbaren Beziehung zu der Arbeit anderer bewegen. Die sich hier zeigende Konvergenz unserer Auffassungen schließt ein, daß Theologie es mit Problemen zu tun hat, daß sie sich in Gestalt von Aussagen und von Hypothesenbildung vollzieht und daß sie auf die Bildung von Theoriezusammenhängen abzielt." (Pannenberg, ev. theol., Grundlagen der Theologie - ein Diskurs, S. 60)
Der katholische Kollege hat sich von Gott als Hypothese bei seiner theologischen Engelsforschung leiten lassen und sich dabei gedacht: Warum sollte man sich diese Flattermänner/frauen nicht denken können, so daß seine Leistung in der Mahnung besteht,
"nicht in einem biblischen Fundamentalismus zu schnell und zu naiv von der Existenz guter und böser Engel überzeugt zu sein; in der Mahnung, die vom eigentlichen Wesen einer göttlichen Offenbarung gegebenen hermeneutischen Prinzipien ernst zu nehmen, die beachtet werden müssen, wenn man die Existenz von Engeln theologisch nachzuweisen sucht, obwohl solche nicht zum primären und ursprünglichen Offenbarungsgegenstand gehören können: in der Mahnung, nicht in einem primitiven Rationalismus zu meinen, es könne von vornherein keine kreatürliche Subjektivität neben und 'über' dem Menschen gedacht werden, oder eine solche sei entweder schlechthin unerfahrbar oder müsse so vorgestellt werden, wie sie nicht selten in einer vulgären Auffassung gegeben ist." (Rahner, a.a.O., S. 428)
Wieder ein anderer katholischer Kollege würde die weißen Flieger aus empirischen Gründen ablehnen; denn er entwickelt die theologische Interpretation des Alten Testamentes derart fort, daß er "Exegese als Literaturwissenschaft" betreibt. Er will nur mit den Methoden der "Literaturwissenschaft als deskriptiver Wissenschaft" an das heilige Buch herangehen, es mittels der "strukturellen Sprachwissenschaft" untersuchen und dann sehen, was dabei herauskommt:
"Mit diesem Ansatz werden keineswegs theologische Ergebnisse ausgeschlossen; sie ergeben sich aber als ein Schritt unter und nach vielen Schritten, und zwar dann, wenn die Art des Gegenstandes es erfordert." (W. Richter, Exegese als Literaturwissenschaft, Entwurf einer alttestamentlichen Literaturtheorie und Methodologie, S. 17)
Das nennt man göttliche Arbeitsteilung!
Gott als Moral
geht der modernen Theologie am leichtesten von der Zunge. Mit Gottes Hilfe nimmt man die gängige Moral auf, bedient sich soziologischer Normfindungsverfahren - auch der Kinsey-Report wird als bemerkenswert herangezogen -, um dann zu dem Urteil zu kommen, daß ein gläubiger Mensch am besten gut sittlich leben könne oder daß er ohne Gott ziemlich säuisch dastehen würde. Das Ganze als Ableitung:
1. "Die Frage einer theologischen Normenfindung und Normbegründung steht heute im Vordergrund des Interesses; denn einerseits hat die Ethnologie die sehr verschiedenen, kulturell bedingten Inhalte der einzelnen Normensysteme aufgezeigt und damit deren Relativität erwiesen, andererseits aber haben soziologische und kulturanthropologische Studien die grundsätzliche Notwendigkeit menschlicher Verhaltensnormen zur Entlastung der vorgegebenen Antriebskräfte (currus sexualis!) und zur Sicherung der menschlichen Freiheit (komisch!) unterstrichen. Der moderne Mensch übemimmt jedoch nicht mehr einfachhin fraglos die ihm von einer Gemeinschaft, von der Autorität oder der Kirche zugewiesenen sittlichen Normen (Scheiße!), sondern fragt nach deren Legitimierung."
Dann mal los!
2. "Die These 'vor der Ehe überhaupt keine erotisch sexuellen Kontakte und nach dem Eheschluß alles' kann heute so (!) nicht mehr festgehalten werden." - sondern nur so:
"Die innere Wahrheit verlangt, daß nur so viel leiblich bekundet (?) wird, als der einzelne tatsächlich innerlich zu geben bereit ist."
Wieviel bitte? So viel:
3. "Die Geschlechtlichkeit weist den Menschen über sich selbst hinaus auf die Begegnung mit dem Du. Sie entspricht der sozialen Struktur menschlichen Lebens und dient der Befreiung des Menschen aus seiner Isolation und aus einem bloß selbstbezogenen Streben, ja sie ermöglicht erst seine rechte Selbstwerdung und Prüfung." (Und was ist mit den katholischen Pfaffen?) "Geschlechtliches Verhalten bedarf darum (darum?) einer sinnvollen Ordnung für das menschliche Zueinander, indem gleichzeitig die Verantwortung vor dem Mitmenschen, vor der Gemeinschaft und vor der menschlichen Zukunft (Kinder?) einbezogen wird."
Und wie kommt jetzt da der liebe Gott herein?
4. "Wo grundsätzlich jede religiöse Bindung des Menschen an eine Transzendenz abgelehnt und eine bloß innerweltliche Konzeption des Menschen festgehalten (und oft geradezu dogmatisch postuliert) wird, verlieren die sitttichen Forderungen ihre letzte Verbindlichkeit und erhalten mehr oder weniger nur den Charakter von sozialen Spielregeln." (J. Gründel, Aktuelle Themen der Moraltheologie)
So vorsichtig agitiert dieser Münchner Moralprofessor für den Glauben, daß er an 'sittliches Chaos sonst' erinnert und den christlichen Gott nurmehr als religiöse Transzendenz vorbringt. Sein oberster Dienstherr im Lande, Kardinal Ratzinger, weiß den Gott der Moral ebensogut, wenn nicht noch besser abzuleiten. Ein bißchen viel Heideggerschen Faschismus - und fertig ist die Glaubensdefinition, wie sie angeblich aus dem Menschen herausfließen soll:
"Jeder Mensch muß auf irgendeine Art 'glauben'... Was ist das eigentlich, das Glauben'? Es ist die nicht auf Wissen reduzierbare, dem Wissen inkommensurable Form des Standfassens des Menschen im Ganzen der Wirklichkeit, die Sinngebung, ohne die das Ganze des Menschen ortlos bliebe, die dem Rechnen und Handeln des Menschen vorausliegt und ohne die (nun mal langsam!) er letztlich auch nicht rechnen und handeln könnte, weil er es nur kann im Ort eines Sinnes, der ihn trägt. Denn in der Tat: der Mensch lebt nicht vom Brot der Machbarkeit allein, er lebt als Mensch und gerade in dem Eigentlichen seines Menschseins vom Wort, von der Liebe, vom Sinn. Der Sinn ist das Brot, wovon der Mensch im Eigentlichen seines Menschseins besteht. Ohne das Wort, ohne den Sinn, ohne die Liebe kommt er in die Situation des Nicht-mehr-leben-könnens, selbst wenn irdischer Komfort im Überfluß vorhanden." (Ratzinger, Einführung in das Christentum, S. 46-47)
"Glaube als Stehen und Verstehen", so daß man dann auf dem locus sensualis steht.
Gott als Toter
Es darf nicht verwundern, wenn sich die Moral derjenigen, die "atheistisch an Gott glauben" wollen, von der des dem Papst und Gott ergebenen Kardinals im Prinzip nicht unterscheidet. Moderne Theologen, die "ohne die supranaturale, überweltliche Vorstellung eines himmlischen Wesens auskommen, ohne die Beruhigung und den Trost, den eine solche Vorstellung schenken kann", wollen vielmehr den wahren Glauben ohne die Heuchelei der Kirche und ohne die Hinwendung zu einem Herrgott, der's schon richten wird. So erklären sie Gott für tot und bauen ein moralisches Kreuz auf, das sich gewaschen hat.
"Zur Auferstehung, in der die Welt anders wird, führt nur dieser einzige Weg - über das Kreuz. Ich meine damit das Kreuz der Wirklichkeit, das getragen und erfahren wird in der Liebe. Liebe und Kreuz gehören zusammen, nicht um einer Leidenschaft willen, die unabänderlich gälte, sondern gemäß der Erfahrung des Lebens Christi Christus ist an der Gesellschaft gestorben, die sich der Veränderung verweigert. In diesem Weltzustand, den die Bibel 'Sünde' nennt, gilt die Erfahrung: die Liebe stürzt in Leiden. Je ernsthafter sich einer auf die Liebe einläßt, desto gewisser sind ihm Schmerzen. Eine leidlose Liebe wäre Spielerei. ... Leiden ist eine Sensibilität für andere, die zum Handeln führt. Wir können daher auch sagen: Das Kreuz ist das Symbol dieses Zusammenhangs: Lieben - Leiden - Revolution." (D. Sölle, Atheistisch an Gott glauben, S. 101/102)
Diese "Teilhabe am Gesamtzusammenhang" hieß bei Ratzinger Wort - Liebe - Sinn, woran man sieht, daß die Theologen die rechte gläubige Weltanschauung - ob mit einem übernatürlichen oder einem toten Gott noch immer zustandebringen.
Gott als Gegner dieser Kirche
Eigentlich wäre damit die Palette theologischer Gottesbeweise - bis zu dem Extrem, Gott ohne Gott suchen zu wollen - beendet, wenn es nicht noch Theologen wie Küng gäbe, der mit einer Theologie Aufsehen erregt hat, welche "nicht an die Kirche glauben" will.
"Christentum ist an dem Jesus interessiert, wie er uns hier und heute begegnet, ist an dem interessiert, was er uns im gegenwärtigen Horizont von Mensch und Gesellschaft maßgebend zu sagen hat." (Küng, Christ sein, S. 152)
Dieses Bekenntnis hätte Küng nie den päpstlichen Anschiß eingebracht, wenn er nicht das Christsein "in der Institution Kirche oder außerhalb ihrer oder an ihrem Rande" angesiedelt hätte und nicht noch einiges mehr gegen die Autorität der Kirche und ihr Lehramt hätte verlauten lassen. In so einem Fall aber läßt die Kirche einen Theologen nicht mehr in ihrem Namen von Gott reden. Deshalb ist Küng berühmt geworden bei denen, die sich besonders gut finden als gläubige Christen in Distanz zur Kirche, und die so den besonders lauteren Mist christlicher Moral vor sich hertragen.
So bleibt nur noch anzumerken, daß auch für den modernen Gott nichts unmöglich ist, solange alle Welt meint, irgendeiner Weltanschauung frönen zu müssen.